BT-Drucksache 17/499

Gestaltung des von der Koalition geplanten steuerfinanzierten Sozialausgleichs für Krankenversicherungsbeiträge und dessen soziale Auswirkungen

Vom 22. Januar 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/499
17. Wahlperiode 22. 01. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgitt Bender, Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Alexander
Bonde, Dr. Thomas Gambke, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, Priska
Hinz (Herborn), Sven Kindler, Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth, Beate
Müller-Gemmeke, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gestaltung des von der Koalition geplanten steuerfinanzierten Sozialausgleichs
für Krankenversicherungsbeiträge und dessen soziale Auswirkungen

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP wird für die gesetzliche
Krankenversicherung „eine Ordnung mit (…) einkommensunabhängigen Arbeit-
nehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen werden“ vorgesehen. Weiter heißt es:
„Weil wir eine weitgehende Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohn-
zusatzkosten wollen, bleibt der Arbeitgeberanteil fest.“

Auf der Basis des Koalitionsvertrages entstand für das „Handelsblatt“ eine
Modellrechnung der IGES Institut GmbH. Bei der Umwandlung der bisherigen
prozentualen Beiträge der Arbeitnehmerinnen und - nehmer in eine Gesundheits-
prämie seien pro Monat mit 140 bis 154 Euro zu rechnen. Diesen Beitrag müsste
jede/jeder beitragspflichtige Krankenkassenversicherte unabhängig von der Höhe
des eigenen Einkommens zahlen. Die Kosten, die für den Sozialausgleich für
Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen notwendig sind, werden für
den Einstieg in dieses System auf 22 Mrd. Euro veranschlagt. Das Institut für Ge-
sundheitsökonomie der Universität Köln geht davon aus, dass jährlich 35 Mrd.
Euro für den sozialen Ausgleich für Geringverdienende notwendig seien.

In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 12. November 2009 erklärte
der Bundesminister für Gesundheit Dr. Philipp Rösler: „Ich möchte hier aus-
drücklich festhalten: Es wird in jeder Gesellschaft einen Ausgleich zwischen
Arm und Reich geben müssen, aber eben nicht im Gesundheitssystem. Dieser
Ausgleich ist besser aufgehoben im Steuer- und Transfersystem; (…) Im Steuer-
system hingegen wird jeder mit all seinen Einkünften nach seiner Leistungs-
fähigkeit besteuert (…)“.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP wurde festgelegt, den linear-
progressiven Einkommensteuertarif, möglichst zum 1. Januar 2011, durch einen
Stufentarif ersetzen zu wollen. Sollte der Sozialausgleich der Krankenversiche-
rung über die Einkommensteuer finanziert werden, sind auch die Pläne der

Regierungskoalition zu einer umfassenden Reform des Einkommensteuertarifs
entsprechend zu berücksichtigen. Bislang hat mit der FDP lediglich eine der
Koalitionsparteien einen konkreten Vorschlag für die Ausgestaltung eines sol-
chen Stufentarifs vorgelegt.

Drucksache 17/499 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche der dem Bund ganz oder teilweise zufließenden Steuern setzen bei der
Besteuerung an den Einkünften an?

2. Bei welchen dem Bund ganz oder teilweise zufließenden Steuern erfolgt die
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger?

3. a) Welche der dem Bund ganz oder teilweise zufließenden Steuern wirken
progressiv und kommen damit dem Anliegen eines Ausgleiches zwischen
Reich und Arm nach?

b) In welcher Intensität finden dort Umverteilungen statt (Vergleich der Ver-
teilung der Einkommen vor und nach Steuern)?

4. a) Wie hoch waren die Einnahmen des Bundes aus diesen progressiven
Steuern im Jahr 2008?

b) Welche Einnahmen des Bundes werden für diese progressiven Steuern für
die Jahre 2009 und 2010 erwartet?

c) Wie hoch waren die gesamten Steuermehreinnahmen aus der sogenannten
Reichensteuer (Grenzsteuersatz von 45 Prozent ab einem zu versteuernden
Einkommen von 250 001 bzw. 500 002 Euro) in den Jahren 2007 und
2008, und in welcher Höhe werden Reichensteuer-Einnahmen für die Jahre
2009 und 2010 prognostiziert?

5. Um welchen Prozentsatz müsste der gesamte Einkommensteuertarif gleich-
mäßig erhöht werden, wenn zusätzlich zum jetzigen Aufkommen der Ein-
kommensteuer ein jährliches Mehraufkommen von 22 bzw. 35 Mrd. Euro
erzielt werden soll?

6. Auf welche Höhe müsste, bei einer linearen Verlängerung der 2. Progres-
sionszone, der Spitzengrenzsteuersatz steigen, wenn zusätzlich zum jetzi-
gen Aufkommen der Einkommensteuer ein jährliches Mehraufkommen von
22 bzw. 35 Mrd. Euro erzielt werden soll?

7. Um welchen Prozentsatz müsste der gesamte Einkommensteuertarif in einem
Einkommensteuermodell mit 3 Stufen, bei ansonsten unverändertem Ein-
kommensteuerrecht, bei dem die erste Stufe mit einem Grenzsteuersatz von
10 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen (z. v. E.) von 8 004 Euro
(jeweils für Alleinstehende), die zweite Stufe mit einem Steuersatz von
25 Prozent ab einem z. v. E. von 20 000 Euro und bei dem die dritte Stufe mit
einem Steuersatz von 35 Prozent ab einem z. v. E. von 50 000 Euro greift,
erhöht werden, wenn zusätzlich zum jetzigen Aufkommen der Einkommen-
steuer ein jährliches Mehraufkommen von 22 bzw. 35 Mrd. Euro erzielt wer-
den soll?

8. Wie hoch müsste bei einem Einkommensteuerstufentarif mit 3 Stufen, bei
ansonsten unverändertem Einkommensteuerrecht, bei dem die erste Stufe mit
10 Prozent Grenzsteuersatz ab einem z. v. E. von 8 004 Euro (jeweils für
Alleinstehende), die zweite Stufe mit einem Grenzsteuersatz von 25 Prozent
ab einem z. v. E. von 20 000 Euro und bei dem die dritte Stufe ab einem
z. v. E. von 50 000 Euro greift, der Grenzsteuersatz dieser dritten Stufe sein,
wenn mit der Steuer zusätzlich zum jetzigen Aufkommen der Einkommen-
steuer ein jährliches Mehraufkommen von 22 bzw. 35 Mrd. Euro erzielt wer-
den soll?

9. Wie müsste der Verteilungsschlüssel des Einkommensteueraufkommens
zwischen Bund, Länder und Kommunen geändert werden, damit die zusätz-
lichen 22 bzw. 35 Mrd. Euro dem Bund zur Regelung des sozialen Ausgleichs
im Bereich der Krankenversicherung zur Verfügung stehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/499

10. a) Wie hoch ist der Anteil der Steuerpflichtigen (aufgeschlüsselt nach
Grund- und Splittingtarif), deren zu versteuerndes Einkommen unter den
Grundfreibetrag fällt?

b) Wie hoch ist der Anteil der Steuerpflichtigen, deren Einkommen zwi-
schen dem Einkommen zu Beginn der ersten Progressionszone und einem
zu versteuernden Einkommen von 16 000/18 000/20 000 Euro im Grund-
tarif bzw. 32 000/36 000/40 000 Euro im Splittingtarif liegt?

c) Wie hoch ist der Anteil der Steuerpflichtigen, deren Einkommen zwi-
schen dem Einkommen zu Beginn der zweiten Progressionszone und
einem zu versteuernden Einkommen von 16 000/18 000/20 000 Euro im
Grundtarif bzw. 32 000/36 000/40 000 Euro im Splittingtarif liegt?

11. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW-Wochenbericht 47/2005), dass die Mehrwert-
steuer bezogen auf die ausgabefähigen Einkommen und Einnahmen regres-
siv und in Bezug auf die privaten Konsumausgaben wie eine Flattax wirkt
und somit nicht dem Ausgleich zwischen Reich und Arm dient, sondern – je
nach Betrachtungsweise – zu einer stärkeren Belastung von Personen mit
geringeren Einkommen bzw. einer genauso hohen Belastung wie bei Perso-
nen mit hohen Einkommen führt?

Falls ja, welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus?

Falls nein, weshalb nicht?

12. a) Um welchen Prozentsatz müsste der Regelsatz der Mehrwertsteuer bei
Beibehaltung des ermäßigten Steuersatzes erhöht werden, wenn ein jähr-
liches Mehraufkommen von 22 bzw. 35 Mrd. Euro erzielt werden soll?

b) Um welchen Prozentsatz müsste die Mehrwertsteuer bei einer gleichzeiti-
gen Abschaffung des ermäßigten Steuersatzes (Besteuerung aller Liefe-
rungen und Leistungen, die bislang ermäßigt besteuert werden nach dem
Regelsteuersatz) erhöht werden, wenn ein jährliches Mehraufkommen
von 22 bzw. 35 Mrd. Euro erzielt werden soll?

13. Wie müsste der Verteilungsschlüssel des Mehrwertsteueraufkommens zwi-
schen Bund, Länder und Kommunen geändert werden, damit die zusätz-
lichen 22 bzw. 35 Mrd. Euro dem Bund zur Regelung des sozialen Aus-
gleichs im Bereich der Krankenversicherung zur Verfügung stehen?

14. a) Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der vom Rheinisch-West-
fälischen Institut für Wirtschaftsforschung e. V. (RWI) im Auftrag des
Bundesministeriums der Finanzen erstellten Studie (Monatsbericht
10/2002 des Bundesministeriums der Finanzen), dass bei der Einkommen-
steuer die Auswirkung auf die Einkommensverteilung moderat sei (Ver-
hältnis des Einkommens des obersten zum untersten Zehntel beträgt vor
und nach Einkommensteuer 10:1 bzw. 9:1)?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die Verteilungswirkung (bei gesunke-
nem Einkommensteuertarif) zum heutigen Zeitpunkt, und wie verhält
sich die unter Frage 14a angegebene Relation heute?

c) Wie hoch ist heute der prozentuale Anteil der progressiven Wirkung der
Einkommensteuer, der durch die regressive Wirkung der Mehrwertsteuer
ausgeglichen wird (die RWI-Studie ging von etwa einem Drittel bei
höherem Einkommensteuertarif und niedrigerem allgemeinen Mehrwert-
steuersatz aus)?

Drucksache 17/499 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
d) Wie hoch ist heute der prozentuale Anteil der progressiven Wirkung der
Einkommensteuer, der durch die regressive Wirkung der Mehrwertsteuer
verbunden mit dem Wegfall des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes und
dem Wegfall der Freistellung von Wohnungsmieten ausgeglichen würde
(die RWI-Studie ging davon aus, dass sich dies auf etwa 50 Prozent der
Progression der Einkommensteuer summiere)?

Berlin, den 21. Januar 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.