BT-Drucksache 17/4609

Brennelementesteuer (Kernbrennstoffsteuer) und Förderfondsvertrag

Vom 28. Januar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4609
17. Wahlperiode 28. 01. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Lisa Paus, Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Dr. Thomas
Gambke, Britta Haßelmann, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell,
Katrin Göring-Eckardt, Winfried Hermann, Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian
Kindler, Maria Klein-Schmeink, Oliver Krischer, Beate Müller-Gemmeke,
Dr. Hermann Ott, Brigitte Pothmer, Christine Scheel, Dorothea Steiner, Dr. Harald
Terpe, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Brennelementesteuer (Kernbrennstoffsteuer) und Förderfondsvertrag

Am 28. Oktober 2010 wurde die Kernbrennstoffsteuer – auch bekannt als
Brennelementesteuer – vom Deutschen Bundestag beschlossen (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 17/3054). Grundlage dieses Gesetzes war eine von der Bundes-
regierung erarbeitete und mit den Atomkraftwerke betreibenden Energieversor-
gungsunternehmen (EVU) verhandelte Vorlage. Im Zuge der Verhandlungen
zwischen der Bundesregierung und den EVU kam es zu einer deutlichen Redu-
zierung des vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) zunächst vorgesehe-
nen Steuersatzes von 220 Euro pro Gramm Kernbrennstoff. Aufgrund dieser Re-
duzierung scheint es mehr als fraglich, ob die vom BMF erwarteten Einnahmen
aus der Brennelementesteuer tatsächlich zustandekommen werden.

Noch vor der Verabschiedung des Gesetzes im Deutschen Bundestag infor-
mierte das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (HMUELV) die Bundesregierung darüber, dass die RWE AG
einen Brennelementewechsel im Atomkraftwerk (AKW) Biblis B noch für Ende
2010 plane, der die zu erwartenden Einnahmen aus der Brennelementesteuer um
rund 280 Mio. Euro reduzieren werde. Wie aus der Antwort auf die Schriftliche
Frage 121 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl vom 9. November 2010 auf
Bundestagsdrucksache 17/3736 hervorgeht, wurden das BMF am 13. Oktober
2010 und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (BMU) am 14. Oktober 2010 vom HMUELV über den RWE-Plan infor-
miert.

Somit wäre es der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen der CDU/
CSU und FDP möglich gewesen, die Brennelementesteuer noch vor dem
Bundestagsbeschluss am 28. Oktober 2010 so zu ändern, dass der Bund aus dem
o. g. Brennelementewechsel Einnahmen in Höhe von rund 280 Mio. Euro ver-
zeichnet hätte. Es stellt sich die Frage, weshalb die Bundesregierung (und mit
ihr die Koalitionsfraktionen) wissentlich auf eine Steuereinnahme von mehr als

einer viertel Mrd. Euro verzichtet haben.

Drucksache 17/4609 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Bundesministerien (inklusive Bundeskanzleramt) waren neben
BMU und BMF vor dem 28. Oktober 2010 über den von der RWE AG für
Ende 2010 geplanten Brennelementewechsel im AKW Biblis B informiert?

Wann genau (genaues Datum) wurden sie, insbesondere das Bundeskanz-
leramt, von wem darüber in Kenntnis gesetzt?

2. Welche Konsequenzen haben

a) das BMU,

b) das BMF und

c) das Bundeskanzleramt

gezogen, als sie über den von der RWE AG für Ende 2010 geplanten Brenn-
elementewechsel in Biblis B erfuhren?

Zwischen welchen Bundesressorts wurde der Plan der RWE AG vor dem
28. Oktober 2010 in welcher Form, und mit welchen wesentlichen Ergeb-
nissen kommuniziert?

3. Zwischen welchen Bundesressorts einerseits und der RWE AG andererseits
gab es vor dem 28. Oktober 2010 welche Kommunikationsvorgänge bezüg-
lich des von der RWE AG für Ende 2010 geplanten Brennelementewech-
sels in Biblis B?

4. Wie viele Besprechungen zur geplanten Brennelementesteuer gab es im
BMF vor dem 28. Oktober 2010 insgesamt zwischen dem BMF und den
AKW betreibenden EVU und/oder ihren Vertretern, und wann genau fanden
diese statt?

5. Ist dokumentiert, wer an diesen Besprechungen teilnahm?

Wurden (Ergebnis-)Protokolle der Besprechungen erstellt?

6. Gab es außer den oben erfragten Besprechungen im BMF zur geplanten
Brennelementesteuer noch weitere Besprechungen zwischen der Bundes-
regierung oder Vertretern der Bundesregierung einerseits und den EVU
oder Vertretern der EVU andererseits?

Falls ja, welche, wann, und wo fanden sie statt?

7. Haben die Bundesregierung oder eines der informierten Bundesministerien
einzelne Bundestagsfraktionen oder Bundestagsabgeordnete über den ge-
planten Brennelementewechsel formell oder informell informiert?

Wenn ja, wen, und zu welchem Zeitpunkt?

8. Gibt es Regelungen bzw. Vereinbarungen mit den AKW-Betreibern für den
Fall, dass das Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer geringer als 2,3 Mrd.
Euro ist?

9. Welchen Hintergrund und welche Bedeutung hat das am 13. Januar 2011
zusammen mit dem Förderfondsvertrag veröffentlichte Schreiben der An-
waltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer?

10. Was bedeutet in § 4 Nummer 4.1 (ii) des Förderfondsvertrages die Formu-
lierung „ausgenommen zur Korrektur gemeinsamer Kalkulationsirrtümer“,
das heißt welche möglichen Kalkulationsirrtümer sind hier nach Verständ-
nis der Bundesregierung eingeschlossen?

11. Gehört der Fall, dass eine Kernbrennstoffsteuer mit einem Steuersatz von
145 Euro/g zu einem geringeren Aufkommen als 2,3 Mrd. Euro führt, zu

den in § 2 Absatz 2.2 des Förderfondsvertrages genannten Kalkulationsirr-
tümern?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4609

12. Könnte in dem Fall, dass die Kernbrennstoffsteuer ein Aufkommen von
weniger als 2,3 Mrd. Euro erbringt, der Steuersatz angehoben werden, um
das geplante Aufkommen zu erzielen, ohne dass die AKW-Betreiber einen
Anspruch auf Minderung ihrer Einzahlungen in den Energie- und Klima-
fonds erhalten?

Wenn nein, was ist der Grund dafür, dass die Bundesregierung im Falle
eines höheren Aufkommens den AKW-Betreibern Mindereinzahlungen in
den Energie- und Klimafonds zugesteht, sich aber für den Fall eines ge-
ringeren Aufkommens keine analogen Kompensationsmöglichkeiten vor-
behalten hat?

13. Was beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen, wenn das Aufkom-
men der Kernbrennstoffsteuer unter 2,3 Mrd. Euro liegt?

14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass besonders im nach derzei-
tiger Gesetzeslage letzten Jahr der Erhebung der Kernbrennstoffsteuer zu
erwarten wäre, dass die AKW-Betreiber Brennelementewechsel auf das
Jahr 2017 verschieben werden und das Aufkommen im Jahr 2016 deshalb
weit unter den angestrebten 2,3 Mrd. Euro liegen wird?

Wenn ja, was beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen?

Falls nein, weshalb nicht?

15. Teilt die Bundesregierung die Abschätzung des Bundesrates (Drucksache
687/1/10), dass eine Kernbrennstoffsteuer zu Mindereinnahmen bei der
Körperschaft- und der Gewerbesteuer in Höhe von 690 Mio. Euro führt und
die Länder und Gemeinden daran mit rund 500 Mio. Euro beteiligt sind?

Falls nein, weshalb nicht?

Von welchen jährlichen Mindereinnahmen für die Länder und Gemeinden
geht die Bundesregierung in den Jahren 2011 bis 2016 aus, und wie wurden
diese Mindereinnahmen berechnet, das heißt welche Annahmen wurden für
die Berechnung konkret getroffen?

16. Welchen faktischen Anteil haben Bund, Länder und Gemeinden in den Jah-
ren 2011 bis 2016 durchschnittlich an den Ausfällen der Gewerbesteuer,
wenn auch die Verteilungsrunde über den Finanzausgleich berücksichtigt
wird (wenn keine Punktwerte genannt werden können, bitte grobe Abschät-
zungen bereitstellen)?

17. An welchen Standorten bzw. in welchen Bundesländern wird die Körper-
schaftsteuer für die 17 deutschen Atomkraftwerke, die noch eine Betriebs-
genehmigung besitzen, abgeführt?

18. Wie funktioniert konkret die Zerlegung/Verteilung des an den Standorten
der Geschäftsleitungen der AKW-Betreibergesellschaften erhobenen Kör-
perschaftsteueraufkommens?

Erfolgt die Zerlegung der Körperschaftsteuerzahlungen der Betreibergesell-
schaften nur auf die Länder, in denen die AKW als Betriebsstätten stehen
oder erfolgt die Zerlegung auf alle Betriebsstätten (andere Energiever-
sorgungen oder sogar wirtschaftliche Tätigkeiten außerhalb des Energie-
sektors), die die Betreiberunternehmen an verschiedenen Standorten unter-
halten?

19. Wie funktioniert diese Zerlegung bei der Gewerbesteuer?

Sind hier alle Gemeinden entsprechend ihrem Anteil an den Löhnen betrof-
fen, in denen der Konzern Betriebsstätten betreibt?
Wie viele Gemeinden mit wie vielen Einwohnern sind dies konkret?

Drucksache 17/4609 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
20. Welche Änderungen gibt es in der am 13. Januar 2011 veröffentlichen End-
fassung gegenüber dem Entwurf des Förderfondsvertrags vom 27. Septem-
ber 2010?

Berlin, den 28. Januar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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