BT-Drucksache 17/4254

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP - Drucksachen 17/3183, 17/4236 - Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten Flächenerwerb nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbsverordnung (Zweites Flächenerwerbsänderungsgesetz - 2. FlErwÄndG)

Vom 15. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4254
17. Wahlperiode 15. 12. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Alexander Süßmair, Dr. Dietmar Bartsch,
Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus,
Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch,
Thomas Lutze, Kornelia Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert,
Kersten Steinke, Sabine Stüber und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksachen 17/3183, 17/4236 –

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum begünstigten
Flächenerwerb nach § 3 des Ausgleichsleistungsgesetzes und der Flächen-
erwerbsverordnung (Zweites Flächenerwerbsänderungsgesetz – 2. FlErwÄndG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Eigentum an Boden und die Verfügung über dieses Eigentum ist eine zen-
trale Frage gesellschaftlicher Gerechtigkeit und der Sicherung der Ernährungs-
souveränität. Boden ist die Grundlage für jegliche landwirtschaftliche Produk-
tion. Insofern sind die Sicherung einer breiten Verteilung und eine bäuerliche
Bewirtschaftung der Böden von hohem gesellschaftlichem Interesse, unabhän-
gig davon, ob es sich um einen einzelbäuerlichen Familienbetrieb, Haupt- oder
Nebenerwerb oder um eine gemeinschaftliche Organisation, zum Beispiel einen
genossenschaftlichen Zusammenschluss, handelt.

Die Bodenreform war nach dem Zweiten Weltkrieg bereits während der Pots-
damer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 von Alliierten beschlossen
worden. Dieser Beschluss galt zwar in ganz Deutschland, wurde jedoch vor allem
in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) konsequent umgesetzt. Ziel war die
Umverteilung des Bodeneigentums von Großgrundbesitzerinnen und -besitzern
ab 100 Hektar und Kriegsverbrecherinnen und -verbrechern. Die Ergebnisse der
Bodenreform sind mit der gemeinsamen Erklärung beider deutscher Regierun-
gen vom 15. Juni 1990 zur Regelung offener Vermögensfragen Bestandteil des

Einigungsvertrages geworden. Diese Festschreibung durch beide deutsche Staa-
ten mit Abschluss des Einigungsvertrages wurde durch das Bundesverfassungs-
gericht am 18. April 1996 bestätigt. Im Jahr 1994 beschloss der Deutsche
Bundestag mehrheitlich das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz
(EALG). Damit sollten Ausgleichsleistungen an nach alliiertem Besatzungs-
recht enteignete Alteigentümerinnen und Alteigentümer in Form von begrenzten
Flächenerwerbsansprüchen gewährleistet werden. Entschädigungsleistungen

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waren nicht vorgesehen. Dies war ein schwieriger Kompromiss, durch den
Rechtsfrieden erreicht werden sollte.

Schon damals gab es Befürchtungen, dass das EALG zukünftig als Bodenre-
formrevisionsklausel uminterpretiert werden könnte. Obwohl mehrfach gericht-
lich die Gültigkeit der Ergebnisse der Bodenreform festgestellt wurde (Bundes-
verfassungsgericht vom 18. April 1996 und vom 26. Oktober 2004), waren
weitere Auseinandersetzungen um den Umfang der Flächenerwerbsansprüche
der Alteigentümerinnen und Alteigentümer zu erwarten. Bereits im Jahr 2000
wurde der Flächenerwerbsanspruch erweitert, indem nun nicht mehr die Hälfte,
sondern die gesamte Summe der Ausgleichsleistung als Berechnungsgrundlage
herangezogen wurde.

Eine nochmalige Besserstellung dieser Personengruppe ist nicht gerechtfertigt.

Bei der Bescheidung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz kommt es aufgrund
der sehr komplizierten Rechtsumsetzung im Kontext eigentumsrechtlicher Klä-
rungen der Ansprüche Dritter und Kapazitätsgrenzen bei der Bearbeitung in den
zuständigen Behörden zu Verzögerungen, so dass sich die Durchsetzung der
1994 beschlossenen Rechtsansprüche auf Flächenerwerb für nicht selbst wirt-
schaftende Alteigentümerinnen und Alteigentümer verzögert. Entsprechend der
Möglichkeiten sollte dieser Antragsstau zügig abgebaut werden.

Die Preisentwicklung am Bodenmarkt in Ostdeutschland hat sich in den vergan-
genen sechs Jahren von einer moderaten Marktentwicklung abgekoppelt. So ha-
ben sich die Preise für Acker- und Grünlandflächen innerhalb von fünf Jahren in
vielen Regionen mehr als verdoppelt. Im landwirtschaftlich geprägten Mecklen-
burg-Vorpommern ist der Durchschnittspreis von 2 266 auf über 8 200 Euro pro
Hektar im Jahr gestiegen. Eine wesentliche Ursache dafür ist das massiv ge-
wachsene Interesse nicht landwirtschaftlicher Kapitalanleger an vergleichs-
weise wertbeständigen landwirtschaftlichen Flächen. So drängen gerade diese
Kapitalanleger verstärkt auf den Bodenmarkt in Deutschland. Spekulative Mo-
tive für Flächenkauf nehmen zu.

Hauptakteurin auf dem Bodenmarkt in Ostdeutschland ist die bundeseigene
BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, die als größte in Europa
ansässige Anbieterin von landwirtschaftlichen Nutzflächen mit politischem
Auftrag ehemals volkseigene Flächen in Ostdeutschland privatisiert. Die vom
Deutschen Bundestag beschlossenen Verkaufsziele der BVVG führen in Verbin-
dung mit den angewandten Methoden der Kaufpreisermittlung und dem öffent-
lichen Verkauf nach Höchstgebot in europaweiter Ausschreibung zu drama-
tischen Steigerungen der Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen
in den ostdeutschen Bundesländern.

Ortsansässig etablierte Agrarbetriebe können mit der Preisentwicklung nicht
mithalten, weil mit landwirtschaftlichen Erträgen die zum Landerwerb notwen-
digen Gewinne nicht erwirtschaftet werden können. Ihnen droht mit Verkäufen
der ehemals volkseigenen Flächen an auswärtige Kapitalanleger der Entzug der
landwirtschaftlichen Nutzfläche und damit der Existenzgrundlage, auf der sie
wirtschaften. Die BVVG hat mit ihrer gesetzlich gewollten Verkaufspolitik die
Bodenspekulation in Ostdeutschland befeuert und damit zu einer Gefährdung
ostdeutscher landwirtschaftlicher Arbeitsplätze beigetragen. Die Neufassung
der Richtlinien für BVVG-Verkäufe Anfang 2010 hat nicht zur Entspannung der
Lage auf den ostdeutschen Bodenmärkten beigetragen. Zudem wirkt sich diese
Verkaufspraxis der BVVG auf die Preisentwicklung am privaten Bodenmarkt
aus.

In dieser Situation muss staatliches Handeln auf die Sicherung bäuerlichen Eigen-
tums in breiter Eigentumsstreuung und die Verhinderung der Bodeneigentums-

konzentration in nicht landwirtschaftlichem Besitz gerichtet sein. Spekulativer

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4254

Erwerb von Boden muss verhindert werden. Dies könnte gleichzeitig zur Ver-
hinderung von Spekulationen mit Nahrungsmitteln beitragen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die Auswirkungen der Flächenerwerbsänderungsgesetze auf die Verteilung
des Bodeneigentums, die Agrarstruktur und die Bodenkauf- und -pachtpreise
in Ostdeutschland unverzüglich zu analysieren und die Ergebnisse dem Deut-
schen Bundestag unmittelbar vorzulegen,

● ein Sofortmaßnahmenpaket gegen spekulative Kauf- und Pachtpreise bei der
Veräußerung ehemals volkseigener Flächen in Ostdeutschland vorzulegen,

● einen sofortigen Verkaufsstopp der in der Verwaltung der BVVG befind-
lichen Flächen und Gewässer zu veranlassen,

● die Option langfristiger Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen gegenüber
Verkaufsoptionen zu stärken,

● das Ziel, sämtliche noch im Eigentum der BVVG befindlichen Flächen bis
2025 zu privatisieren, angesichts der drohenden agrarstrukturellen Folgewir-
kungen zu korrigieren und der Möglichkeit langfristiger Verpachtung dieser
Agrarflächen Vorrang einzuräumen,

● auf die Durchsetzung der Regelungen des Grundstückverkehrsgesetzes bei
laufenden BVVG-Verkäufen zu dringen, das nach wie vor entgegen ange-
wandter Praxis auch für die Privatisierungsgeschäfte der BVVG uneinge-
schränkt gilt,

● auf eine uneingeschränkte öffentliche Ausschreibungen von BVVG-Flächen
im Interesse einer nachhaltigen agrarstrukturellen Entwicklung zu verzich-
ten,

● eine kostenfreie Übertragung der nach der endgültigen Abwicklung des Ver-
kaufs nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG)
verbliebenen Flächen in die Hoheit der Bundesländer zu prüfen und

● zu prüfen, ob die Übernahme der Flächen in Form von Bodenfonds in öffent-
licher Hand eine Möglichkeit bietet, für eine Entspannung und eine moderate
Bodenmarktentwicklung zu sorgen.

Berlin, den 9. Dezember 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Verkäufe der BVVG finden derzeit nicht auf einer für die ortsansässige
Landwirtschaft tragfähigen und akzeptablen Grundlage statt. Das ist dringend zu
ändern. Zukünftig sollte auf Verkaufsoptionen zu Gunsten langfristiger Ver-
pachtung verzichtet werden.

Die BVVG als dem Bundesministerium der Finanzen zugeordnete Gesellschaft
muss ihrer Bedeutung am ostdeutschen Bodenmarkt gerecht werden und verant-
wortlich im Sinne einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung der Land-
wirtschaft und einer dazu notwendigen Agrarstruktur agieren. Dazu gehört in
der aktuellen Entwicklung die Veranlassung eines sofortigen Verkaufsstopps

BVVG-eigener landwirtschaftlicher Flächen.

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Kauf- und Pachtpreise müssen sich gerade bei den ehemals volkseigenen Flä-
chen am Ertragswert orientieren. Statt nicht wirtschaftenden Alteigentümerinnen
und Alteigentümern Bodenerwerb zum begünstigten und zum Vorspekulations-
preis von 2004 zu ermöglichen, sollten die aktiven Landwirtschaftsbetriebe vor
dem ruinösen Preiswettbewerb mit nicht landwirtschaftlichem Kapital geschützt
werden.

Eine erneute Besserstellung der Flächenerwerbsansprüche der Alteigentümerin-
nen und Alteigentümer durch die Erweiterung des Personenkreises und der
beanspruchten Fläche schafft auch deshalb keinen Rechtsfrieden, weil 70 000
Bodenreformerben durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom
14. Juli 1992 ihr Flächeneigentum wieder verloren.

Die Auswirkungen der Verabschiedung des Zweiten Flächenerwerbsänderungs-
gesetzes sind unklar. Weder der sich ergebende zusätzliche Flächenbedarf für
den erweiterten Kreis anspruchsberechtigter Alteigentümerinnen und Alteigen-
tümer und ihrer Erben noch die fiskalischen Folgen sind bislang nachvollziehbar
offengelegt worden. Auch Nachfragen im Rahmen einer Anhörung im federfüh-
renden Haushaltsausschuss am 7. Dezember 2010 konnten nicht belastbar beant-
wortet werden. Daher muss die Bundesregierung mit der Verabschiedung des
Gesetzes die Auswirkungen analysieren und dem Deutschen Bundestag dar-
legen.

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