BT-Drucksache 17/4081

Verstärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung in der Europäischen Union

Vom 1. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4081
17. Wahlperiode 01. 12. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Manfred Nink, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), Ingrid Arndt-
Brauer, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Heinz-Joachim Barchmann, Doris Barnett,
Klaus Barthel, Lothar Binding (Heidelberg), Klaus Brandner, Bernhard Brinkmann
(Hildesheim), Dr. Peter Danckert, Martin Dörmann, Petra Ernstberger, Peter
Friedrich, Martin Gerster, Iris Gleicke, Kerstin Griese, Bettina Hagedorn, Klaus
Hagemann, Rolf Hempelmann, Petra Hinz (Essen), Dr. Eva Högl, Johannes Kahrs,
Nicolette Kressl, Ute Kumpf, Petra Merkel (Berlin), Dietmar Nietan, Thomas
Oppermann, Michael Roth (Heringen), Axel Schäfer (Bochum), Bernd Scheelen,
Werner Schieder (Weiden), Carsten Schneider (Erfurt), Ewald Schurer, Dr. Martin
Schwanholz, Rolf Schwanitz, Dr. Carsten Sieling, Peer Steinbrück, Wolfgang
Tiefensee, Andrea Wicklein, Manfred Zöllmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Verstärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung in der Europäischen Union

Die jüngste Finanz-, Wirtschafts- und Währungskrise haben die bestehenden
Mechanismen der wirtschaftspolitischen Koordinierung in der Europäischen
Union (EU) auf die Probe gestellt und die Stabilität des Euroraums gefährdet. In
den Krisen haben die Europäische Union und die Mitgliedstaaten koordiniert
und entschlossen gehandelt: Dank der bestehenden Instrumente und Verfahren
der Koordinierung konnte die Europäische Union ihre Anstrengungen zur kon-
junkturellen Wiederbelebung bündeln und den Krisen die Stirn bieten, wie es
kein Mitgliedstaat allein vermocht hätte. Die Krisen offenbarten jedoch auch
einerseits die Schwachstellen und die Störanfälligkeit der europäischen Wirt-
schafts- und Währungsunion und andererseits die gegenseitige Abhängigkeit der
EU-Mitgliedstaaten und ihrer Volkswirtschaften, insbesondere innerhalb des
Euroraums.

Die Europäische Union steht in den kommenden Jahren vor großen Herausfor-
derungen: Die öffentlichen Finanzen müssen konsolidiert werden, während
gleichzeitig ein höheres nachhaltiges Wachstum erreicht werden muss. Um das
Wachstumspotenzial der EU und die Tragfähigkeit unserer Sozialmodelle zu
stützen, müssen bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen Prioritäten
gesetzt und harte Entscheidungen getroffen werden. Aus den jüngsten Krisen
müssen die notwendigen Lehren und weitreichende Konsequenzen in Bezug auf
eine Neukonzeption der wirtschaftspolitischen Steuerung der Europäischen

Union gezogen werden. Dazu sind eine stärkere und frühere politische Koordi-
nierung, zusätzliche Präventions- und Korrekturmechanismen sowie eine Kri-
senbewältigungsfazilität für die Mitgliedstaaten des Euroraums erforderlich.

Vor diesem Hintergrund wurden im Verlauf der letzten Wochen und Monate un-
terschiedliche Konzepte für eine Verstärkung der wirtschaftspolitischen Steue-
rung der Europäischen Union entwickelt. Einen ersten Schritt stellte dabei die

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Tagung des Europäischen Rates am 25./26. März 2010 dar, auf der die aus den
nationalen Finanzministern bestehende Arbeitsgruppe (Task Force) „Wirt-
schaftspolitische Steuerung“ unter der Leitung des ständigen EU-Ratspräsiden-
ten Herman Van Rompuy eingerichtet wurde, um Vorschläge für eine bessere
Haushaltsdisziplin und einen verbesserten Krisenbewältigungsrahmen zu erar-
beiten. Weiterhin verpflichteten sich die EU-Mitgliedstaaten auf der Tagung des
Europäischen Rates am 17./18. Juni 2010 im Rahmen der angenommenen neuen
EU-Wachstumsstrategie „Europa 2020. Eine Strategie für intelligentes, nachhal-
tiges und integratives Wachstum“ zu einer Verstärkung der wirtschaftspoli-
tischen Koordinierung mit Überwachungsmechanismen. Auf der Basis der Vor-
arbeiten der Task Force hat sich dort der Europäische Rat auf ein erstes Bündel
von Leitlinien geeinigt.

Am 29. September 2010 hat die Europäische Kommission ein aus sechs Rechts-
akten bestehendes Legislativpaket angenommen, das auf die umfassendste Ver-
stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU und im Euroraum seit
Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion abzielt. Eine breitere und verbes-
serte Überwachung der Haushaltspolitik einschließlich einer weitreichenden
Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts und die makroökonomischen Un-
gleichgewichte innerhalb der Europäischen Union sollten in Angriff genommen
werden. Die EU-Kommission sah bezüglich der Veränderungen des Stabilitäts-
und Wachstumspaktes vor, dass sie im Rahmen der präventiven Komponente
eine Verwarnung gegenüber einem Mitgliedstaat aussprechen kann, wenn dieser
vom vorgesehenen Anpassungspfad der Haushaltspolitik abweicht und keine
Korrekturmaßnahmen ergreift. Bei erheblichen Abweichungen sollte auf Vor-
schlag der EU-Kommission eine Sanktion in Form von verzinslichen Einlagen
in Höhe von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgesprochen wer-
den. Die korrektive Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sah die
genauere Verfolgung der Entwicklung des Schuldenstandes vor, die bei den Be-
schlüssen im Rahmen des Defizitverfahrens die gleiche Relevanz besitzt wie die
Entwicklung des eigentlichen Defizits. Als Sanktion sollten bei Einleitung eines
Defizitverfahrens unverzinsliche Einlagen in Höhe von 0,2 Prozent des BIP ver-
hängt werden, die in eine Geldbuße umgewandelt werden kann, sollte der Mit-
gliedstaat den Empfehlungen zur Korrektur des übermäßigen Defizits nicht
Folge leisten. Nach dem Vorschlag der EU-Kommission gelten die Sanktionen
prinzipiell als beschlossen, wenn die EU-Kommission die Sanktionen empfiehlt
und der Rat diese nicht mit einer qualifizierten Mehrheit abgelehnt (sog. umge-
kehrte Abstimmung).

Mit einer gemeinsamen Erklärung haben am 18. Oktober 2010 die Bundeskanz-
lerin Dr. Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy
einen Vorschlag an den Europäischen Rat formuliert. In der sogenannten Deau-
ville-Erklärung setzten sich sowohl Deutschland als auch Frankreich dafür ein,
dass die Haushaltsüberwachung und die Verfahren zur Koordination der
Wirtschaftspolitiken gestärkt und beschleunigt werden. In Bezug auf die präven-
tive Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspaktes schlug die Deauville-
Erklärung vor, dass der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließen kann, stufen-
weise Sanktionen in Form der verzinslichen Einlagen gegen Mitgliedstaaten zu
verhängen, „deren Konsolidierungspfad in besonderes signifikanter Weise vom
Anpassungspfad […] abweicht.“ Im Rahmen der korrektiven Komponente
sollte mit einem Beschluss des Rates zur Einleitung eines Defizitverfahrens
gegen einen Mitgliedstaat der Rat automatisch mit qualifizierter Mehrheit Sank-
tionen beschließen können, wenn der betroffene Mitgliedstaat keine Korrektiv-
maßnahmen innerhalb einer Frist von sechs Monaten umgesetzt hat. Darüber
hinaus forderten beide Seiten im Falle einer „schwerwiegenden Verletzung der
Grundprinzipien der Wirtschafts- und Währungsunion“ die Aussetzung der

Stimmrechte der betroffenen Mitgliedstaaten, wozu eine Änderung der EU-Ver-
träge notwendig ist.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4081

Schließlich hat der Europäische Rat auf seiner Tagung am 28./29. Oktober 2010
den Abschlussbericht der von Herman Van Rompuy geleiteten Task Force vom
18. Oktober 2010 gebilligt, auf dessen Grundlage die Finanzdisziplin gestärkt,
die Überwachung der Wirtschaftspolitik ausgeweitet und die wirtschaftspoli-
tische Koordinierung intensiviert werden sollen. Daneben sah der Bericht die
Schaffung eines soliden Rahmens für das Krisenmanagement sowie die Stär-
kung der Institutionen im Hinblick auf eine wirksame wirtschaftspolitische
Steuerung vor. Im Kontext der Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes
empfahl die Task Force, die haushaltspolitische Überwachung zu verstärken und
ein größeres Gewicht auf die Einhaltung der EU-Haushaltsvorschriften zu legen.
Die Vorschläge der Task Force galten dem Ziel, „den Stabilitäts- und Wachstum-
spakt (SWP) besser und kohärenter umzusetzen, um eine solide Grundlage für
die Gewährleistung dauerhafter haushaltspolitischer Stabilität in der gesamten
EU zu schaffen.“ Ein verstärktes Augenmerk wird im Bericht auf die langfristige
Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gerichtet, weshalb die Wechselwirkung
zwischen Schuldenstand und Haushaltsdefizit eines Mitgliedstaates stärker be-
rücksichtigt werden soll. Sowohl bei der präventiven als auch bei der korrekti-
ven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sollen die nationalen
Haushaltspolitiken an das Erreichen der mittelfristigen Ziele bzw. einer stetigen
und nachhaltigen Rückführung der Schuldenquote angepasst werden. Der Ab-
schlussbericht sieht ein breites Spektrum von Sanktionen und Maßnahmen vor,
die politisch bzw. auf das Ansehen zielend oder finanzieller Art sein können. Als
finanzielle Sanktionen werden durch die Task Force bei der präventiven Kom-
ponente verzinsliche Einlagen für Eurostaaten vorgeschlagen, falls die betref-
fenden Staaten innerhalb von höchstens fünf Monaten nach der Frühwarnung
der EU-Kommission und der Empfehlung des Rates keine angemessenen Maß-
nahmen ergreifen. In Bezug auf die korrektive Komponente soll bei Eurostaaten,
denen bereits nach der präventiven Komponente eine verzinsliche Einlage auf-
erlegt wurde und gegen die ein Defizitverfahren eingeleitet wurde, die verzins-
liche Einlage in eine unverzinsliche Einlage umgewandelt werden. Bei Euro-
staaten, denen nach der präventiven Komponente keine verzinsliche Einlage
auferlegt wurde soll der Rat auf Vorschlag der EU-Kommission eine Empfeh-
lung annehmen, in der eine Frist für das Ergreifen wirksamer Maßnahmen
gesetzt wird. Erfolgen innerhalb der gesetzten Frist keine angemessenen Maß-
nahmen, wird eine Geldbuße gegen den Eurostaat verhängt. Die Task Force hat
– analog zu den Empfehlungen der Europäischen Kommission – vorgeschlagen,
die Beschlussfassung über die finanziellen Sanktionen stärker zu automatisie-
ren. Die Beschlüsse über die vorgeschlagenen neuen Durchsetzungsmaßnahmen
sollen auf der Basis einer Empfehlung der EU-Kommission angenommen wer-
den, sofern der Rat nicht binnen einer bestimmten Frist mit einer qualifizierten
Mehrheit etwas anderes beschließt (sog. umgekehrte Mehrheit). Die Vorschläge
der Task Force waren nicht vollkommen deckungsgleich mit den Vorschlägen
der Europäischen Kommission und müssen im Rahmen des Gesetzgebungsver-
fahrens in Einklang gebracht werden. Der von der Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel und dem Staatspräsident Nicolas Sarkozy im Rahmen der Deauville-
Erklärung vorgeschlagene Entzug des Stimmrechts für Haushaltsdefizitsünder
als politische Sanktion wurde hingegen durch den Europäischen Rat mehrheit-
lich nicht akzeptiert. Im Hinblick auf ein institutionalisiertes Krisenmanagement
hat sich der Europäische Rat grundsätzlich auf die Errichtung eines ständigen
Krisenmechanismus für den Fall der Überschuldung eines Mitgliedstaates ver-
ständigt, der im Zuge einer begrenzten Vertragsänderung ab dem Jahr 2013 grei-
fen soll. Die konkrete Ausgestaltung des Krisenmechanismus sowie die jeweili-
gen Kompetenzen müssen jedoch noch weiter beraten werden.

Der Europäische Rat wies zudem ausdrücklich darauf hin, dass Artikel 125 des
Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (sog. No-Bail-

out-Klausel) unangetastet bleibe.

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Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hält es die Bundesregierung für ein erstrebenswertes Ziel, eine europäische
Wirtschaftspolitik aus einem Guss zu konzipieren, die für alle Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Union bzw. für die Eurostaaten verbindlich ist?

2. Welche langfristigen Vorstellungen hat die Bundesregierung von einer eu-
ropäischen Wirtschaftsregierung?

3. Hält die Bundesregierung die Schaffung einer einheitlichen politischen
Autorität, die legitimiert ist, wirtschaftspolitische Entscheidungen im Ge-
samtinteresse zu treffen – vergleichbar der Europäischen Zentralbank für
geldpolitische Entscheidungen – für notwendig?

Wenn nein, warum nicht?

4. Wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeiten ein, eine europäische
Wirtschaftsregierung rechtlich und demokratisch zu legitimieren?

5. Wie bewertet die Bundesregierung das von der EU-Kommission vorge-
schlagene Dreisäulenkonzept für die Verstärkung der wirtschaftspolitischen
Koordinierung?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die deutsch-französische Erklärung vom
18. Oktober 2010 (sog. Deauville-Erklärung) im Hinblick auf die Ergeb-
nisse der Tagung des Europäischen Rates am 28./29. Oktober 2010?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung den vom Europäischen Rat gebilligten
Sanktionsmaßnahmenkatalog zur Erreichung des Ziels einer besseren haus-
haltspolitischen Überwachung?

8. Wie schätzt die Bundesregierung den Beschluss des Europäischen Rates
ein, zur Einhaltung der Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ver-
stärkt Sanktionsmaßnahmen wie verzinsliche Einlagen bei verfehlter Haus-
haltspolitik bereits präventiv im Vorfeld von möglichen Fehlentwicklungen
einzusetzen?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung die vorgesehene Möglichkeit der Ver-
hängung von Geldbußen bezüglich der korrektiven Komponente des Stabi-
litäts- und Wachstumspaktes gerade für hochdefizitäre Mitgliedstaaten, die
gravierend von den Kriterien abweichen?

10. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass das vorgesehene Prinzip der um-
gekehrten qualifizierten Mehrheit im Rahmen des sog. Quasiautomatismus
der Sanktionierung in der präventiven und korrektiven Komponente ein ef-
fektives Instrument zur Erreichung der angestrebten Ziele ist?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

11. Stellt nach Ansicht der Bundesregierung die vorgesehene Regel der umge-
kehrten qualifizierten Mehrheit oder die in der sog. Deauville-Erklärung
vertretene übliche Regel der qualifizierten Mehrheit für die Beschlussfas-
sung von Sanktionsmaßnahmen durch den Europäischen Rat das geeigne-
tere Instrument zur Erreichung der angestrebten Ziele des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes dar?

12. Hält die Bundesregierung an dem in der sog. Deauville-Erklärung erklärten
Ziel fest, die Haushaltsdefizitsünder mit der Aussetzung der Stimmrechte zu
sanktionieren?

Wenn ja, wie schätzt die Bundesregierung die Möglichkeiten einer entspre-
chenden Änderung der Verträge ein, und was versteht die Bundesregierung

unter einer „schwerwiegenden Verletzung der Grundprinzipien der Wirt-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/4081

schafts- und Währungsunion“, die in der sog. Deauville-Erklärung als Vo-
raussetzung für den Stimmenentzug genannt wird?

Wenn nein, warum nicht?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten, dass die Mitglied-
staaten des Eurowährungsgebiets, insbesondere die Bundesrepublik
Deutschland, ihre nationalen Schuldenquoten an die Maastricht-Obergrenze
von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mittelfristig anpassen können?

14. Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Rückführung
der Schuldenquote, ohne dass die fragile wirtschaftliche Erholung gefährdet
wird?

15. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Konsolidierungsanstrengungen
ein, um einen jährlichen Schuldenabbau um 0,5 Prozentpunkte bzw.
1 Prozentpunkt zu erreichen?

16. Welche haushaltspolitischen Prioritäten beabsichtigt die Bundesregierung
bei ihren Anstrengungen zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, ins-
besondere im wirtschaftspolitischen Bereich, zu setzen?

17. Sieht die Bundesregierung durch die vorgesehenen neuen Regelungen des
Stabilitäts- und Wachstumspaktes die Möglichkeiten eingeschränkt, im
Falle einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung
eine antizyklische Finanzpolitik zu betreiben?

Wenn ja, inwieweit?

Wenn nein, warum nicht?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung den Beschluss des Europäischen Rates,
die Überwachung auf die makroökonomischen und strukturellen Ungleich-
gewichte auszudehnen?

19. Welche Auswirkungen wird nach Auffassung der Bundesregierung der vor-
gesehene neue Mechanismus zur makroökonomischen Überwachung auf
die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland haben?

20. Inwieweit erachtet es die Bundesregierung als notwendig, die nationalen
Lohn-, Sozial und Steuerpolitiken auf europäischer Ebene zu koordinieren,
um eine Verzerrung der Wettbewerbsfähigkeit und große Ungleichgewichte
im innereuropäischen Handel mit einseitigen Gewinnern und Verlierern zu
vermeiden?

21. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass anhaltende und enorme ma-
kroökonomische Ungleichgewichte und Differenzen in der nationalen Wett-
bewerbsfähigkeit, insbesondere der Eurostaaten, die Anfälligkeit der euro-
päischen Wirtschaft erhöhen und das Funktionieren der Währungsunion
beeinträchtigen können?

Wenn ja, sieht die Bundesregierung konkreten Handlungsbedarf, die deut-
sche Exportorientierung zu dämpfen?

Wenn nein, warum nicht?

22. Welche konkreten politischen Maßnahmen plant die Bundesregierung hin-
sichtlich der Steigerung der Binnennachfrage und des Wachstumspoten-
zials, die von Mitgliedstaaten mit Leistungsbilanzüberschüssen erwartet
werden?

Falls sie keine konkreten politischen Maßnahmen plant, warum nicht?

23. Wie beurteilt die Bundesregierung den Beschluss, für den Überwachungs-
mechanismus einen aussagekräftigen Satz von Indikatoren festzulegen, um

die Entstehung von Ungleichgewichten in einem Frühstadium zu erkennen

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und auf deren Grundlage den betreffenden Mitgliedstaaten vorbeugende
oder korrektive Maßnahmen zu empfehlen?

24. Welche konkreten Vorstellungen hat die Bundesregierung hinsichtlich eines
noch auszugestaltenden Satzes von Indikatoren?

Wenn sie keine konkreten Vorstellungen hat, warum nicht?

25. Hält die Bundesregierung die vorgesehene qualifizierte Mehrheit für die Be-
schlussfassung des Rates über Sanktionen gemäß Artikel 136 AEUV für ein
effektives Instrument zur Erreichung der angestrebten Ziele?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

26. Wie bewertet die Bundesregierung den Beschluss, den Überwachungs-
zyklus für die Haushalts- und Strukturpolitik in ein „europäisches Semes-
ter“ einzubinden?

27. Welche Auswirkungen wird nach Ansicht der Bundesregierung die Beurtei-
lung der haushaltspolitischen Maßnahmen durch die Europäische Union auf
das parlamentarische Budgetrecht haben?

28. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der EU-Kommission, dass die Er-
stellung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme und der nationalen Re-
formprogramme in der ersten Jahreshälfte – und nicht wie derzeit üblich
Ende des Jahres – eine wirksamere Überwachung und Korrektur von Un-
stimmigkeiten und Ungleichgewichten ermöglichen würde, da wichtige
Haushaltsentscheidungen auf nationaler Ebene sich noch in der Vorberei-
tungsphase befinden?

29. Worin sollen nach Meinung der Bundesregierung die wesentlichen Unter-
schiede zwischen dem bestehenden Eurorettungsschirm und dem zukünfti-
gen Krisenmechanismus bestehen?

30. Welche konkreten Vorschläge und Konzepte hat die Bundesregierung hin-
sichtlich der Schaffung eines Krisenbewältigungsrahmens für das Euro-
währungsgebiet?

Falls sie keine Vorschläge und Konzepte hat, warum nicht?

31. Hält die Bundesregierung die Beteiligung von internationalen Organisatio-
nen an einem künftigen Krisenbewältigungsmechanismus, insbesondere die
Beteiligung des Internationalen Währungsfonds, für zweckmäßig?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

32. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein Insolvenzrecht für Staaten
im Rahmen eines künftigen Krisenmanagements sinnvoll ist?

Wenn ja, hat die Bundesregierung konkrete Vorschläge für die Ausgestal-
tung eines solchen Insolvenzrechts?

33. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit einer drohenden Insol-
venz eines EU-Mitgliedstaates?

34. Was versteht die Bundesregierung konkret unter der im Kontext des Krisen-
mechanismus vorgesehenen „angemessene[n] Beteiligung privater Gläubi-
ger“, die in der sog. Deauville-Erklärung vorgeschlagen wurde?

35. Hat die Bundesregierung im Vorfeld der Tagung des Europäischen Rates am
28./29. Oktober 2010 die sog. No-Bailout-Klausel des Artikels 125 AEUV
evaluiert, und falls nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/4081

36. Welche Pläne bzw. Vorstellungen hat die Bundesregierung bezüglich der
Nutzung oder Errichtung öffentlicher Institutionen oder Gremien, die auf
Empfehlung der Arbeitsgruppe „Wirtschaftspolitische Steuerung“ die unab-
hängigen Analysen, Bewertungen und Prognosen zur nationalen Haushalts-
politik erstellen sollen?

Falls sie keine Pläne oder Vorstellungen hat, warum nicht?

37. Teilt die Bundesregierung die von der Arbeitsgruppe „Wirtschaftspolitische
Steuerung“ vertretene Ansicht, dass es für die Glaubwürdigkeit des neuen
Rahmens von entscheidender Bedeutung sei, die Rolle und die Unabhängig-
keit der EU-Kommission im Bereich der haushalts- und wirtschaftspoliti-
schen Steuerung zu stärken?

Wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung das Rollenverhältnis zwischen
der EU-Kommission, dem Europäischen Rat und dem Rat bezüglich der
wirtschaftspolitischen Steuerung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass
die sog. Deauville-Erklärung sich dafür ausspricht, dass „die Aufgaben der
verschiedenen EU-Organe und das institutionelle Gleichgewicht respektiert
werden müssen“?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 1. Dezember 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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