BT-Drucksache 17/3905

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -Drucksachen 17/2500, 17/2502, 17/3513, 17/3523, 17/3524, 17/3525- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2011 (Haushaltsgesetz 2011) hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung

Vom 22. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3905
17. Wahlperiode 22. 11. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Inge Höger, Paul Schäfer (Köln), Jan van Aken, Dr. Dietmar
Bartsch, Steffen Bockhahn, Christine Buchholz, Roland Claus, Sevim Dag˘delen,
Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko,
Harald Koch, Michael Leutert, Stefan Liebich, Dr. Gesine Lötzsch, Niema
Movassat, Wolfgang Neskovic, Thomas Nord, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/2500, 17/2502, 17/3513, 17/3523, 17/3524, 17/3525 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2011
(Haushaltsgesetz 2011)

hier: Einzelplan 14
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Das sogenannte Sparpaket der Bundesregierung für den Zeitraum 2011 bis
2014 in Höhe von 80 Mrd. Euro stellt eine erhebliche Belastung für die
Menschen in Deutschland dar. Zwar ist auch der militärische Sektor gefor-
dert, seinen Sparanteil in Höhe von 8,9 Mrd. Euro zu leisten, wie dies jedoch
konkret realisiert werden soll, wird seitens der Bundesregierung nicht hin-
reichend erklärt.

Hinzu kommt, dass die Sparanstrengungen der Bundeswehr für das aktuelle
Haushaltsjahr 2011, lediglich 838 Mio. Euro betragen sollen, was angesichts
der geplanten Einsparungen von 11,2 Mrd. Euro des Gesamthaushalts in 2011
eine verschwindend geringe Größe ist.

Auf diese Weise werden die angekündigten 8,9 Mrd. Euro Einsparung sicher-
lich nicht im Verteidigungshaushalt realisiert. Wo sie stattdessen zusätzlich

künftig eingespart werden sollen, wenn an dem Sparpaket in der genannten
Größenordnung festgehalten werden soll, bleibt abzuwarten.

Anstatt die Sparauflagen für den Einzelplan 14 für einen friedens- und sicher-
heitspolitischen Richtungswechsel zu nutzen, soll im Gegenteil die Truppe
für Interventionseinsätze in einer Gesamtgrößenordnung von bis zu 15 000
Soldatinnen/Soldaten effektiviert und optimiert werden, in dem jeglicher
Ballast, der nicht für eine umfassende Interventions- und Durchhaltefähigkeit

Drucksache 17/3905 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

benötigt wird, über Bord geworfen werden soll. Die Reform der Bundeswehr
folgt somit nicht einem friedenspolitischem, sondern vielmehr dem neolibe-
ralen Leitbild der Verschlankung von Strukturen.

2. Der Einzelplan 14 stellt erneut eine friedens-, entwicklungs-, sozial- und wirt-
schaftspolitische Fehlinvestition dar. Obschon die Sicherheit Deutschlands
und die der NATO (North Atlantic Treaty Organization) nicht gefährdet sind,
umfasst der Verteidigungshaushaltsentwurf über 31,5 Mrd. Euro, gemäß
NATO-Kriterien, sogar über 34 Mrd. Euro. Das entspricht einer sicherheits-
politisch nicht zu rechtfertigenden Belastung von 10,2 Prozent am gesamten
Bundeshaushaltsentwurf.

Der Bereich der „verteidigungsinvestiven Ausgaben“ („Forschung, Entwick-
lung, Erprobung“, „Beschaffung“ und „sonstige Investitionen“) bleibt trotz
Wirtschafts- und Finanzkrise sowie Sparzwängen auch weiterhin mit etwa
7,4 Mrd. Euro (7,65 Mrd. Euro in 2010) auf hohem Niveau. Allein die Be-
schaffungskosten umfassen für das Haushaltsjahr 2011 über 5,2 Mrd. Euro.

Hierbei stehen der Schützenpanzer Puma, der A 400M sowie der Eurofighter
als Symbole für ein friedenspolitisch gefährliches und die Rüstungsindustrie
alimentierendes Politikverständnis. Vielmehr provoziert dies andere Staaten,
ebenfalls aufzurüsten, um gegen die von ihnen perzipierte Bedrohung seitens
des Westens gewappnet zu sein.

3. Die Bundesregierung hat erneut in 2010 und schon für 2011 zukünftige – also
noch nicht einmal generierte – Steuereinnahmen für Rüstungsprojekte und
andere militärische Maßnahmen der Gesellschaft in Höhe von 16 Mrd. Euro
entzogen. Insgesamt steht der Steuerzahler nach jetzigem Stand mit 46 Mrd.
Euro bereits in der Pflicht. Diese Summe entspricht etwas mehr als die Hälfte
des anvisierten Sparpakets von 80 Mrd. Euro. Dies verdeutlicht eindrucks-
voll, wo tatsächlich enorme Potentiale für sozialverträgliches Sparen beste-
hen, wenn es denn gewollt wäre. Obschon die Mehrheit der Bevölkerung die
Streichung von Rüstungsprojekten als Beitrag zum Sparpaket befürwortet,
setzt sich die Bundesregierung darüber hinweg.

4. Die deutsche Beteiligung an Interventionen kosten den Steuerzahler für das
Haushaltsjahr 2011 laut Entwurf 831 Mio. Euro. Die realen Kosten liegen er-
fahrungsgemäß weit darüber. Allein die deutsche Beteiligung an ISAF (Inter-
national Security Assistance Force) dürfte den Betrag von 831 Mio. Euro
bereits überschreiten.

5. Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf wird auch zumindest für das nächste
Jahr der Fortbestand der Wehrpflicht finanziert, obwohl selbst für das Bun-
desministerium der Verteidigung die Wehrpflicht bei der bevorstehenden
Reform der Bundeswehr keine Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund und
angesichts der Tatsachen, dass der Wehrpflicht eine sicherheitspolitische
Legitimation fehlt, bei der Umsetzung der Wehrpflicht schon lange die Wehr-
gerechtigkeit nicht mehr gewährleistet werden kann und, vor allem, die Wehr-
pflicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Lebensplanung junger
Männer darstellt, ist es unverantwortlich gegenüber den jungen Männern an
diesem Zwangsdienst festzuhalten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

signifikante Einsparungen im Einzelplan 14 vorzunehmen, um auf diese Weise
ein echtes und nachhaltiges abrüstungs-, friedens- und sozialpolitisches Signal
auszusenden. Hierzu soll sie den Einzelplan 14 um 5 Mrd. Euro (16 Prozent des
Einzelplans 14 unter Berücksichtigung der Versorgungsausgaben) kürzen.
Die Einsparungen sind in Konversions- sowie in entwicklungs-, sozial-,
bildungs- und umweltpolitische Projekte zu investieren.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3905

1. Alle Auslandseinsätze der Bundeswehr, insbesondere der ISAF-Einsatz in
Afghanistan, sind im Haushaltsjahr 2011 zu beenden.

2. Die deutsche Beteiligungen an der NATO Response Force und an allen mili-
tärischen Strukturen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik,
wie den EU-Battlegroups und der Europäischen Verteidigungsagentur zu
beenden.

3. Die in den Kapiteln 14 16 und 14 20 aufgeführten Beschaffungs- und Ent-
wicklungsmaßnahmen, die im Besonderen der interventions- und Kriegsfüh-
rungsfähigkeit dienen, sind zu streichen. Darüber hinaus juristisch zu prüfen,
ob die ggf. anfallenden Vertragsstrafen aufgrund zeitlicher Verzögerungen
und „Preisfortschreibungen“ anfechtbar sind. Zu streichen sind ohne zeitliche
Verzögerung

a) insbesondere im Bereich der Luftwaffe

● die Produktion und Lieferung der zweiten Resttranche sowie die Kün-
digung der bestellten dritten Teiltranche (3A) des Eurofighters 2000.
Die damit eingesparten Beschaffungs- und Entwicklungskosten allein
für das Haushaltsjahr 2011 umfassen knapp 1,35 Mrd. Euro. Darüber
hinaus ist aus dem Eurofighter-2000-Projekt (einschließlich der Be-
waffnungsmodule) in Gänze auszusteigen;

● die Beschaffung des Militärtransporters A400M in Gänze. Die damit
erreichte Einsparung für das Haushaltsjahr 2011 beträgt 565 Mio. Euro
(Beschaffung). Hinzu kommen die derzeit unberechenbaren weiteren
Beschaffungskosten von über 9 Mrd. Euro;

● die deutsche Beteiligung an dem Luftabwehrprojekt MEADS (Me-
dium Extended Air Defense System).

b) insbesondere im Bereich der Marine

● in Gänze die Beschaffung der Fregatte Klasse 125. Die damit verbun-
denen Einsparungen für das Haushaltsjahr 2011 betrügen 221 Mio.
Euro und insgesamt für das Projekt über 2 Mrd. Euro;

● die Beschaffung des zweiten Loses (Stückzahl 1) des Einsatzgruppen-
versorgers Klasse 702;

c) insbesondere im Bereich des Heeres das Rüstungsprojekt Schützenpanzer
Puma. Die dadurch eingesparten Kosten umfassen allein für das Haus-
haltsjahr 2011 89 Mio. Euro. Durch die Streichung des gesamten Projekts
können insgesamt über 3 Mrd. Euro eingespart werden.

4. Investitionen in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Erprobung
müssen drastisch reduziert werden, da hier die Grundlagen für zukünftige
Rüstungsprogramme gelegt werden. Wenn zukünftig auf Bundeswehrein-
sätze „out of Area“ verzichtet wird, dann gibt es auch keinen Bedarf für die
Erforschung offensiver Waffensysteme.

5. Die Wehrpflicht zum 1. Januar 2011 aufzuheben und keine Etatmittel mehr
dafür im Einzelplan 14 einzustellen.

Berlin, den 22. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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