BT-Drucksache 17/3746

Entwurf eines Gesetzes zur Ausweitung der Assistenzpflege auf Einrichtungen der stationären Vorsorge- und Rehabilitation

Vom 11. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3746
17. Wahlperiode 11. 11. 2010

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald,
Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Diana Golze, Katja Kipping, Jutta Krellmann,
Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Harald
Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Ausweitung der Assistenzpflege auf Einrichtungen
der stationären Vorsorge und Rehabilitation

A. Problem

Mit dem Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom
30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2495, 2496) wurde die Möglichkeit geschaffen, dass
Menschen mit Behinderung, die ihre Assistenzleistungen nach dem sogenannten
Arbeitgebermodell erhalten, diese auch im Falle eines stationären Krankenhaus-
aufenthalts in Anspruch nehmen können. Die Regelung greift jedoch zu kurz.
Ein zentraler Punkt ist die fehlende Berücksichtigung notwendiger Assistenz-
leistungen für diese Gruppe von Menschen mit Behinderung auch in Vorsorge-
und Rehabilitationseinrichtungen.

B. Lösung

Der Assistenzanspruch für den leistungsberechtigten Personenkreis sollte auch
für den Bereich Vorsorge und Rehabilitation gelten.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Eine genaue Angabe der Kosten ist nicht möglich. In der Beschlussempfehlung
des Ausschusses für Gesundheit der 16. Wahlperiode vom 17. Juni 2009 (Bun-
destagsdrucksache 16/13417, S. 2) wird von jährlichen Mehrausgaben durch
„die Neuregelung zum Assistenzpflegebedarf für behinderte Pflegebedürftige
im Krankenhaus“ für die soziale Pflegeversicherung von etwa 50 000 Euro

ausgegangen. Da Maßnahmen zur Vorsorge und insbesondere zur Rehabilita-
tion i. d. R. mehr Zeit in Anspruch nehmen als ein Krankenhausaufenthalt, sind
in diesem Bereich Mehraufwendungen in der Größenordnung von etwa
150 000 Euro zu erwarten.

Im Übrigen wird zur Bestimmung weiterer finanzieller Auswirkungen auf die
Ausführungen in der o. g. Beschlussempfehlung Bezug genommen, da bis zum
heutigen Zeitpunkt keine Evaluation der Regelungen zum Assistenzpflege-

Drucksache 17/3746 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bedarf im Krankenhaus stattgefunden hat: Mehraufwendungen der gesetzlichen
Krankenversicherung infolge der Mitaufnahme von Pflegekräften für Ver-
sicherte mit einem besonderen pflegerischen Bedarf in Vorsorge- und Reha-
bilitationseinrichtungen sind aufgrund der geringen Zahl und der nicht bekann-
ten Verweildauer dieses Personenkreises nicht quantifizierbar. Aussagen zu
dem Umfang der finanziellen Auswirkungen auf die Sozialhilfe sind aufgrund
der zahlreichen unbekannten Faktoren (Zahl der Betroffenen, Verweildauer die-
ses Personenkreises in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen) nicht quan-
tifizierbar. Mehrausgaben der Sozialhilfeträger, die durch die Weiterleistung
der Hilfe zur Pflege auch während der Dauer der stationären Vorsorge- und
Rehabilitationsmaßnahmen zu erwarten sind, sollen im Ergebnis nicht die
Kommunen mit zusätzlichen Kosten belasten.

Berlin, den 11. November 2010
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Artikel 1
Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

In § 11 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch –
Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes
vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zu-
letzt durch … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, werden
die Wörter „in einem Krankenhaus nach § 108“ durch die
Wörter „in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitations-
einrichtungen nach § 107“ ersetzt.

Artikel 2
Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch

In § 34 Absatz 2 Satz 2 des Elften Buches Sozialgesetz-
buch – Soziale Pflegeversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes
vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014, 1015), das zuletzt
durch … (BGBl. I S. …) geändert worden ist, werden nach
dem Wort „medizinischen“ die Wörter „Vorsorge und“ ein-
gefügt.

Artikel 3
Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

In § 63 Satz 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
– Sozialhilfe – (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember
2003, BGBl. I S. 3022, 3023), das zuletzt durch … (BGBl. I
S. …) geändert worden ist, werden die Wörter „in einem
Krankenhaus nach § 108 des Fünften Buches“ durch die
Wörter „in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitations-
einrichtungen nach § 107 des Fünften Buches“ ersetzt.

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in
Kraft.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3746

Entwurf eines Gesetzes zur Ausweitung der Assistenzpflege auf Einrichtungen
der stationären Vorsorge- und Rehabilitation

Vom …

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

stehender Programme des öffentlichen Gesundheitswesens
Sozialgesetzbuch)
[…]“ (BGBl. 2008 II S. 1438).

Aus diesem Grund müssen Assistenzleistungen für Men-

Die Praxis hat gezeigt, dass Menschen mit Behinderung, die
ihre Assistenzkräfte nach dem „Arbeitgebermodell“ be-
schäftigen, diese nicht problemlos in Vorsorge- und Reha-
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Begründung

A. Allgemeines

Mit dem Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs
im Krankenhaus vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2495, 2496)
wurde Menschen mit Behinderung die Mitnahme von Assis-
tenzkräften, die diese nach dem Arbeitgebermodell beschäf-
tigen, bei stationären Krankenhausaufenthalten ermöglicht.
An dieser Regelung ist neben dem zu eng gefassten Berech-
tigtenkreis die Tatsache, dass dieser Assistenzanspruch
nicht für den Bereich Vorsorge und Rehabilitation gilt, zu
kritisieren. Der Gesetzentwurf soll den zuletzt beschriebe-
nen Sachverhalt sicherstellen.

In der Praxis mehren sich Hinweise, wonach die betroffenen
Menschen mit Behinderung, die ihre Assistenz/Pflege durch
von ihnen gemäß dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
(SGB XII) beschäftigte besondere Pflegekräfte ambulant
sicherstellen, notwendige Vorsorge- und Rehabilitations-
maßnahmen nicht in Anspruch nehmen (können), da die
Fragen hinsichtlich der Notwendigkeit der Assistenz und
der Finanzierung des notwendigen Assistenzbedarfes nicht
problemlos geklärt werden können.

Die Assistenzkräfte von Menschen mit Behinderung sind
speziell für diese eingestellt und verrichten jene Tätigkeiten,
die die betroffenen Personen behinderungsbedingt nicht
selbst ausüben können. Im Falle eines notwendigen, statio-
nären Aufenthaltes in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrich-
tungen bedeutet dies für den eng gefassten Personenkreis,
der aufgrund einer Behinderung für die Verrichtungen im
Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer der Hilfe bedarf, dass
dieser auf die Pflege durch von ihnen ambulant beschäftigte
besondere Pflegekräfte auch während einer stationären Vor-
sorge- und Rehabilitationsbehandlung angewiesen ist.

Diese Ausdehnung des Assistenzbedarfs erfordert auch das
Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom
13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Be-
hinderung sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. De-
zember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen
über die Rechte von Menschen mit Behinderung vom 21. De-
zember 2008 (BGBl. I S. 1419 bis 1457). Diese UN-Kon-
vention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, die
mit der Ratifikation vom 26. März 2009 auch verbindlich für
die Bundesrepublik Deutschland wurde, fordert in Artikel 25
(„Gesundheit“) die Vertragsstaaten auf, „zu gewährleisten,
dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu geschlechts-
spezifischen Gesundheitsdiensten, einschließlich gesund-
heitlicher Rehabilitation, haben. Insbesondere … stellen die
Vertragsparteien Menschen mit Behinderungen eine unent-
geltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in
derselben Bandbreite, von derselben Qualität und auf dem-
selben Standard zur Verfügung wie anderen Menschen, ein-
schließlich […] der Gesamtbevölkerung zur Verfügung

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Fünften Buches Sozial-
gesetzbuch)

In der Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur
Regelung des Assistenzpflegebedarfs wird festgestellt, dass
die Praxis gezeigt habe, „dass die pflegerische Versorgung
insbesondere von pflegebedürftigen Menschen mit Behin-
derungen, die auf von ihnen beschäftigte persönliche Assis-
tenzkraft angewiesen sind, während eines Krankenhausauf-
enthalts nicht ausreichend sichergestellt ist“ (Bundestags-
drucksache 16/12855, S. 7).

Diese Aussage ist völlig richtig und ist logisch weiterzufüh-
ren: Wenn Menschen mit Behinderung, die ihre Assistenz-
kräfte nach dem „Arbeitgebermodell“ beschäftigen, auf
diese im Krankenhaus angewiesen sind, dann trifft dies
auch auf Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen zu.
Denn auch in diesem Bereich kann das vorhandene Personal
nicht die zeitintensive Assistenzleistung in der gleichen
Qualität und im gleichen zeitlichen Umfang erbringen. Die-
sen Bedarf können nur Assistenzkräfte sicher abdecken.

Aus diesem Grund wird mit der Ergänzung des § 11 Absatz 3
SGB V die Mitnahme von Assistenzkräften für Menschen
mit Behinderung, die diese nach dem „Arbeitgebermodell“
beschäftigen, bei stationären Aufenthalten in Vorsorge- und
Rehabilitationseinrichtungen ermöglicht.

Zu Artikel 2 (Änderung des Elften Buches Sozial-
gesetzbuch)

Menschen mit Behinderung, die ihre Assistenzleistungen
nach dem „Arbeitgebermodell“ beziehen, haben die ge-
samte Dauer von vollstationären Krankenhausaufenthalten
zur Akutbehandlung, von häuslicher Krankenpflege und
von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilita-
tion Anspruch auf Weiterzahlung des Pflegegeldes. Dieser
Leistungsanspruch sollte auch für Aufenthalte in Vorsorge-
einrichtungen gelten, da nur so sichergestellt werden kann,
dass dieser Berechtigtenkreis auch dort die notwendigen
Assistenzleistungen erhält. Das vorhandene Personal ver-
fügt nicht über die entsprechenden Qualifikationen und die
zeitlichen Ressourcen, um diese Leistungen bedarfsdeckend
zu erbringen.

In Verbindung mit den Änderungen des § 11 Absatz 3
SGB V und des § 63 Satz 4 SGB XII wird sichergestellt,
dass Menschen mit Behinderung ihre nach dem „Arbeit-
gebermodell“ beschäftigten Assistenzkräfte auch in Vor-
sorge- und Rehabilitationseinrichtungen problemlos mit-
nehmen können.

Zu Artikel 3 (Änderung des Zwölften Buches
schen mit Behinderung auch in Vorsorge- und Rehabilita-
tionseinrichtungen gewährt werden.

bilitationseinrichtungen mitnehmen können. Das dort ange-
stellte Personal verfügt jedoch nicht über die entsprechen-

Deutscher Bundestag – 17. rucksache 17/3746
Wahlperiode – 5 – D

den Qualifikationen sowie Kapazitäten, um die behinde-
rungsbedingten zusätzlichen Aufgaben zu übernehmen.
Daher wird mit der Änderung des § 63 Satz 3 SGB XII die
Möglichkeit geschaffen, dass die leistungsberechtigten
Menschen mit Behinderung auch während des Aufenthaltes
in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen Leistungen
zur Hilfe zur Pflege durch den Sozialhilfeträger erhalten.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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