BT-Drucksache 17/3659

Akzeptanzprobleme bei der Rheintalbahn durch offene Planung beseitigen

Vom 10. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3659
17. Wahlperiode 10. 11. 2010

Antrag
der Abgeordneten Karin Binder, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Heidrun
Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus, Annette Groth, Heike Hänsel, Katrin
Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas
Lutze, Ulrich Maurer, Kornelia Möller, Jens Petermann, Richard Pitterle, Ingrid
Remmers, Michael Schlecht, Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke, Sabine Stüber,
Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Akzeptanzprobleme bei der Rheintalbahn durch offene Planung beseitigen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Aus- und Neubau der Rheintalbahn auf einer Gesamtlänge von 182 Kilo-
metern ist eines der wichtigsten Bahnprojekte in Baden-Württemberg. Das Ver-
kehrsvorhaben ist von zentraler Bedeutung für die Verbesserung des europäi-
schen Schienenwegenetzes und wurde 1996 in einem Staatsvertrag mit der
Schweiz fest vereinbart. Neben der hohen Attraktivität für den Personenverkehr
eröffnet die Rheintalbahn die Möglichkeit, Güterverkehr von der Straße auf die
Schiene zu verlagern. Sie leistet damit auch einen wichtigen umweltpolitischen
Beitrag.

Bisher sind erst knapp 44 Kilometer der Strecke auf vier Gleise erweitert worden,
etwa 20 Kilometer befinden sich in Bau. Der Abschluss zahlreicher Finanzie-
rungsvereinbarungen zwischen dem Bund und der Deutschen Bahn AG (DB AG)
für die restlichen Abschnitte steht noch aus. Ein vertragsgemäßer Abschluss des
viergleisigen Ausbaus bis 2017, dem Zeitpunkt der Eröffnung des Gotthard-
Basistunnels, ist somit äußerst fraglich.

Neue Bahntrassen bedürfen der sorgfältigen Planung. Die geographische Lage
des Rheintals führt zu einer Bündelung der verschiedenen Verkehrswege auf
engstem Raum. Seine besondere Lage als zentraler Zugang zur Schweiz und
nach Italien sowie seine Stellung als Teil der Transitachse Rotterdam–Genua
erzeugen schon jetzt einen hohen Durchfluss an Personen- und Güterverkehren.
Die Menschen in der Region sind daher hohen Belastungen durch Lärm und
Luftschadstoffe ausgesetzt.

Laut einer Langfristprognose, die 2007 im Auftrag des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) erstellt wurde, soll sich der
Transitverkehr in Deutschland bis zum Jahr 2050 verdreifachen. Auch wenn

diese Prognose auf fragwürdigen Annahmen beruht und eine nicht wünschens-
werte Entwicklung bedeuten würde, ist klar, dass der Schienenverkehr im
Rheintal nicht weniger wird.

Der deshalb verkehrspolitisch grundsätzlich notwendige Ausbau der Rheintal-
bahn darf aber keinesfalls gegen die Menschen in der Region realisiert werden,
sondern nur mit ihnen. Die Auseinandersetzung um das Vorhaben Stuttgart 21
der DB AG zeigt auch, dass eine frühzeitige und umfassende Einbeziehung der

Drucksache 17/3659 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bürgerinnen und Bürger in einem ergebnisoffenen Prozess notwendig ist. Statt
wie aktuell bei Stuttgart 21 am Ende eines langen Planungsprozesses müssen
die Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden, wenn sie noch über das „Ob“
einer Maßnahme entscheiden können.

Der dauerhafte Mehrwert für die Lenkung der Verkehrsströme muss mit dem
Ziel verbunden sein, die Bewohnerinnen und Bewohner der von starken Ver-
kehrsaufkommen betroffenen Regionen so weit wie möglich zu entlasten. Das
leisten die bislang von der DB AG vorgelegten Planungen für den Ausbau der
Rheintalbahn nicht.

Seit Planungsbeginn wurden Belange des Lärmschutzes und des Naturschutzes,
die Streckenführung und das voraussichtliche Schienenverkehrsaufkommen
nur unzureichend mit der Öffentlichkeit erörtert. Auf die Argumente der
Bürgerinitiativen und in der Region tätigen Naturschutzverbände wurde bisher
nur unzureichend reagiert. Der Bund, das Land Baden-Württemberg und die
DB AG steuern durch die bisher intransparente Haltung beim Ausbau der
Rheintalbahn in einen Konflikt mit der örtlichen Bevölkerung.

Die öffentlichen Proteste gegen die Ausbauplanungen an den Menschen vorbei
zeigen nun erste Wirkungen. Sowohl das Land Baden-Württemberg als auch die
DB AG haben sich bereit erklärt, Alternativvorschläge zu prüfen und eigene
finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, die einen Teil der Mehrkosten aus-
gleichen, die durch verträglichere Lösungen anfallen würden. Das Land Baden-
Württemberg beteiligt sich schon mit fast 1 Mrd. Euro an der Neubaustrecke
Wendlingen–Ulm. Landesmittel sollten jedoch ganz überwiegend für den Aus-
bau von Nahverkehrsstrecken zur Verfügung gestellt werden und nicht die
unzureichende finanzielle Ausstattung des Schienenwegebaus des Bundes kom-
pensieren.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die unverhältnismäßig große Mindest-
sicherheitsabstände zwischen den einzelnen Verkehrswegen vorsehen, führen
im Rheintal zu einem erheblichen Flächenverbrauch und erschweren bessere
Lösungen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

für die Verwirklichung des Aus- und Neubaus der Rheintalbahn

– auf die DB AG dahingehend einzuwirken, dass die Bürgerinnen und Bürger,
Bürgerinitiativen und Umweltschutzverbände aktiv und transparent in den
Gesamtprozess einbezogen und alle Planungserkenntnisse offengelegt werden;

– ausschließlich die jeweils aktuellen Daten als Grundlagen für die Planung
und den Beteiligungsprozess zu verwenden;

– naturschutzfachliche Erfordernisse uneingeschränkt zu berücksichtigen;

– die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Mindestsicherheitsabstände zwi-
schen Schienen- und Straßenverkehrstrassen zugunsten einer verbesserten
Bündelung zu prüfen und mögliche Verbesserungen im Sinne einer Reduzie-
rung des Flächenverbrauchs einzuleiten;

– auf die DB AG einzuwirken, in Offenburg die von der Stadt geforderte
Tunnelvariante zu realisieren;

– ausreichend finanzielle Mittel für die ausschließliche Finanzierung durch
den Bund bereitzustellen, um den durchgehenden viergleisigen Ausbau bis
2017 sicherzustellen.

Berlin, den 9. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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