BT-Drucksache 17/3191

zu dem Vorschlag für eine Richtlinie .../.../EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme [Neufassung] (inkl. 12386/10 ADD 1 und 12386/10 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) KOM (2010) 368 endg.; Ratsdok. 12386/10 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Einlagen bei Finanzinstituten: Dezentrale Sicherungssysteme als Modell für Europa

Vom 6. Oktober 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3191
17. Wahlperiode 06. 10. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Britta Haßelmann, Fritz Kuhn, Alexander
Bonde, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Thomas Gambke, Sven-Christian Kindler,
Jerzy Montag, Lisa Paus, Manuel Sarrazin, Christine Scheel, Dr. Harald Terpe und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu dem Vorschlag für eine Richtlinie …/…/EU des Europäischen Parlaments
und des Rates über Einlagensicherungssysteme [Neufassung]
(inkl. 12386/10 ADD 1 und 12386/10 ADD 2)
(ADD 1 in Englisch)
KOM(2010) 368 endg.; Ratsdok. 12386/10

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes

Einlagen bei Finanzinstituten: Dezentrale Sicherungssysteme als Modell für Europa

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Gegensatz zu den Geschäfts- und Landesbanken sind zwei Gruppen von
Finanzinstitutionen weitgehend unbeschadet durch die Finanzmarktkrise gekom-
men: Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Ihr Geschäftsmodell ist regional
auf die Erbringung von Dienstleistungen für Privat- und Geschäftskundinnen und
-kunden ausgerichtet. Beide Gruppen haben den Umfang ihrer Kreditvergabe
auch während der Krise beibehalten und waren so eine verlässliche Finanzie-
rungsquelle gerade für kleine und mittlere Unternehmen. Das hat wesentlich dazu
beigetragen, dass die deutsche Wirtschaft den massiven Einbruch der Wirtschafts-
leistung im Jahr 2009 zügig überwinden konnte. Dem Rückzug zahlreicher Aus-
landsbanken beispielsweise stand eine gesteigerte Kreditvergabe der regionalen
Institute gegenüber.

Im europäischen Binnenmarkt sind Regeln nötig, die Verbraucherinnen und Ver-
braucher schützen und Wettbewerbsverzerrungen verhindern. Im Vordergrund
muss jedoch stehen, wie solche gemeinsamen Ziele möglichst effektiv erreicht
werden können – mit mehr einheitlichen Regeln oder mit Bestimmungen, die je
nach Situation in den Mitgliedstaaten variieren und dennoch die Erreichung des
gemeinsamen Ziels sicherstellen. Das Subsidiaritätsprinzip muss gewahrt bleiben.

Richtig ist, wie unter anderem die Fälle „Equitable Life“ und – im Fall eines Mit-
gliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) – „Kaupthing“ gezeigt
haben, dass ein verlässlicher Verbraucherschutz im grenzüberschreitenden Bank-
geschäft konkreter europäischer Regeln bedarf. Die Ausgestaltung der Einlagen-
sicherung kann außerdem zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen,

Drucksache 17/3191 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
wenn aufgrund der höheren Einlagensicherung in einem Mitgliedstaat Kunden
aus einem anderen europäischen Mitgliedstaat oder aus Drittstaaten gezielt in dem
Mitgliedstaat mit höherer Einlagensicherung investieren. In der Wirtschafts- und
Finanzkrise ist beispielsweise deutlich geworden, dass die zwischen den Mit-
gliedstaaten nicht koordinierten Maßnahmen und Erklärungen zur Einlagensiche-
rung im Herbst 2008 krisenverschärfend gewirkt haben. Die Begrenzung der
Höhe der individuellen Absicherung von Kundeneinlagen ist daher gerechtfertigt.
Sie kann sich allerdings nur auf diejenigen Institute beziehen, bei denen solche
Wettbewerbsprozesse vorkommen.

Nicht erforderlich ist daher die Einbeziehung der regional tätigen Sparkassen und
Volksbanken in eine europaweit harmonisierte Einlagensicherung. Sowohl Spar-
kassen als auch die Genossenschaftsbanken verfügen über Sicherungssysteme,
die die Gelder der Kundinnen und Kunden garantieren. Damit ist das Ziel einer
soliden Sicherung der Einlagen garantiert. Der Haftungsverbund der Sparkassen
und die Sicherungseinrichtung der Genossenschaftsbanken sind freiwillige Siche-
rungssysteme, die ein höheres Sicherungsniveau als die von der EU-Kommission
angestrebten Sicherungsstrukturen ermöglichen. Eine Pflichtmitgliedschaft der
beiden Institutsgruppen in dem neuen Sicherungssystem ist daher unnötig. Eine
Wettbewerbsverzerrung geht von diesen Systemen aufgrund der regionalen Aus-
richtung der Institute nicht aus.

Umgekehrt würde eine Einbeziehung zu einer Doppelbelastung der Sparkassen
und Genossenschaftsbanken führen und damit gerade Systeme schwächen, die
sich als besondere Stärke in Krisenzeiten erwiesen haben. Ein Netzwerk aus Ein-
heiten, die im Notfall füreinander einstehen und den Einlagen der Kundinnen und
Kunden unbegrenzt Schutz bieten, ist ein gutes Beispiel dafür, dass dezentrale
Strukturen externe Schocks eher unbeschadet überstehen können. Die Existenz
von regional verankerten Finanzdienstleistern, die in der Fläche und auch in wirt-
schaftlich weniger prosperierenden Regionen präsent sind, hat sich bewährt. Nach
den Fehlentwicklungen im Bankwesen, in denen zunehmende Größe, ausschließ-
liche Kapitalmarktorientierung und die Konzentration an wenigen Finanzzentren
im Vordergrund standen, stehen solche Institute für die nötige Korrektur. Gerade
deshalb sollte die Möglichkeit, entsprechende Strukturen zu bewahren oder neu
zu etablieren, für alle Mitgliedstaaten offen gehalten werden. Dezentrale Finanz-
dienstleister im überregionalen Verbund können ein Modell für Europa sein.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ihren Verhandlungen im Rat als wesentlichen Belang Folgendes zugrunde zu
legen:

Die Sicherungssysteme der Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind für die
Erreichung des Ziels der soliden Sicherung der Einlagen der Kundinnen und Kun-
den ausreichend. Eine Wettbewerbsverzerrung ist nicht ersichtlich. Eine Zwangs-
mitgliedschaft der Sparkassen und Genossenschaftsbanken in einem europäi-
schen Sicherungssystem ist daher nicht notwendig.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, sich auf europäischer Ebene gemeinsam
mit anderen Mitgliedstaaten dafür einzusetzen, dass für Sparkassen und Genos-
senschaftsbanken mit ihrer eigenen Institutssicherung eine Lösung gefunden
wird, die eine Fortführung der Institutssicherung erlaubt, eine Doppelbelastung
vermeidet und auch für andere Mitgliedstaaten die Fortführung oder Entwicklung
einer Struktur dezentraler Finanzdienstleister mit Institutssicherung ermöglicht.

Berlin, den 5. Oktober 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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