BT-Drucksache 17/2701

Kleinere Wohnungen für Hartz-IV-Beziehende

Vom 4. August 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2701
17. Wahlperiode 04. 08. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Kunert, Jan Korte, Katja Kipping, Dr. Dietmar Bartsch,
Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm,
Roland Claus, Klaus Ernst, Caren Lay, Cornelia Möhring, Jens Petermann,
Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten
Tackmann, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Kleinere Wohnungen für Hartz-IV-Beziehende

Die Bundesregierung plant, die Standards für die Kosten der Unterkunft und
Heizung (KDU) im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) neu zu regeln. Das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat eine ressortübergrei-
fende Arbeitsgruppe „Arbeitsanreize und Kosten der Unterkunft“ eingesetzt. Im
Ergebnis der Arbeit ist beabsichtigt, den Kommunen die konkrete Ausgestaltung
der Frage, was als angemessene Wohnkosten anzusehen ist und welche Wohn-
fläche als angemessen erachtet wird, zu überlassen (Jens Flosdorff, Sprecher des
BMAS gegenüber dpa am 23. Juli 2010). Der Zwischenbericht der Arbeits-
gruppe „Standards der Gemeindefinanzkommission“ enthält Vorschläge zur
Absenkung der Standards der KDU, die zurzeit geprüft werden. So wird u. a.
vorgeschlagen, nicht mehr 45 m2, sondern bereits 25 m2 als angemessene Wohn-
fläche für alleinstehende ALG-II-Beziehende (ALG II – Arbeitslosengeld II)
festzulegen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie setzt sich die ressortübergreifende Arbeitsgruppe „Arbeitsanreize und
Kosten der Unterkunft“ des BMAS zusammen, und wer sind deren Mitglie-
der?

2. Wurden die kommunalen Spitzenverbände in die Arbeit der Arbeitsgruppe
einbezogen?

3. Welche externen Experten und Berater sind durch die Arbeitsgruppe heran-
gezogen worden, und wie wurden sie gegebenenfalls entschädigt (bitte auf-
schlüsseln nach Anzahl und Höhe der Entschädigung und der erbrachten
Leistung)?

4. Mit welchen konkreten Arbeitsaufträgen im Bereich der Grundsicherung be-
fasst sich die Arbeitsgruppe, und mit welcher Zielstellung?
Wann ist mit den Ergebnissen zu rechnen, und in welchem Zeitraum sollen
die Ergebnisse realisiert werden?

5. Welche gesetzlichen Änderungen werden sich in diesem Zusammenhang als
erforderlich erweisen, und wann sollen diese umgesetzt werden?

Drucksache 17/2701 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Wer hat an dem im Mai 2010 vom BMAS veranstalteten Expertenworkshop
zu den Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II teilgenommen?

Was sind die Ergebnisse dieses Workshops?

7. Warum hält es die Bundesregierung für erforderlich, die Standards abzusen-
ken?

8. Welche Kriterien lagen der Ermittlung einer angemessenen Wohnfläche,
wie sie in der Wohnflächenverordnung vom 25. November 2003 verankert
sind, zugrunde, und wer hat die Kriterien definiert?

9. Wie soll der Wohnungsanspruch für Alleinstehende auf 25 m2 begrenzt
werden, wenn der Bedarfsermittlung von Wohnflächen die Wohnflächen-
verordnung des Bundes zugrunde zu legen ist, die für Alleinstehende eine
Wohnfläche von 45 bis 50 m2 als angemessen ansieht?

10. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Richtlinie VDI 6000 Blatt 1 zur Be-
darfsermittlung von Wohnflächen zu ändern?

Wenn nein, wie rechtfertigt die Bundesregierung die Abweichung von die-
ser Richtlinie im Falle der geplanten Absenkung der Standards?

11. In welchen Förderrichtlinien bzw. -programmen des Bundes und der Länder
ist eine entsprechende Wohnraumgröße die Voraussetzung zur Bewilligung
von Fördermitteln (bitte die einzelnen Förderrichtlinien bzw. -programme
nach Bund und Ländern mit den entsprechenden Wohnungsgrößen auflis-
ten)?

12. Inwieweit widerspricht die geplante fast Halbierung der Wohnungsgröße
dem Zweck und den Fördergrundsätzen der sozialen Wohnraumförderung?

13. Wie soll für den Fall der Anwendung der geplanten Regelung gewährleistet
werden, dass Kinder von getrennt lebenden Elternteilen unter den dann be-
stehenden Bedingungen ihr Umgangsrecht wahrnehmen können?

14. Welche Regelungen sind für den Fall vorgesehen, dass der örtliche Woh-
nungsmarkt nicht über ausreichend kleinere Wohnungen verfügt?

Wer würde in diesem Falle die höheren Kosten tragen, die Kommunen oder
die Hartz-IV-Beziehenden?

15. Wie bzw. wo sollen Menschen mit Behinderungen, die auf eine barrierefreie
Wohnung angewiesen sind und häufig jetzt schon infolge ihres unvermeid-
licherweise erhöhten Platzbedarfs kaum zurechtkommen, überhaupt eine so
kleine Wohnung finden, wenn sie Hartz-IV-Leistungen beziehen oder Grund-
sicherung erhalten?

16. Welches Verfahren soll installiert werden um sicherzustellen, dass die ge-
plante Übergabe entsprechender Verantwortung an die Kommunen nicht zu
Handlungen führt, die den Vorgaben des Verfassungsgerichtes zum Exis-
tenzminimum wiedersprechen?

17. Inwiefern ist nach Auffassung der Bundesregierung die Verkleinerung der
Wohnung ein Weg, um entsprechend der Zielstellung des SGB II „Fördern
und Fordern“ die Chancen von ALG-II-Beziehenden auf dem Arbeitsmarkt
zu verbessern?

18. Können sich, für den Fall, die beabsichtigte Regelung tritt ein, betroffene
Personen auf Vertrauensschutz berufen, wenn in ihrem Landkreis oder in ih-
rer Gemeinde Wohnungsgrößen auf der Grundlage von Richtlinien zur An-
gemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1
SGB II und § 29 Absatz 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch geregelt

sind?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2701

19. Erwartet die Bundesregierung Einsparungen durch die Absenkung der Stan-
dards für angemessenen Wohnraum?

Wenn ja, in welcher Höhe?

20. Warum will die Bundesregierung die Kommunen bei den Kosten der Unter-
kunft und Heizung entlasten, wenn nach ihrer Auffassung die Entlastung
der Kommunen um 2,5 Mrd. Euro selbst bei einer Absenkung des Bundes-
anteils an der Finanzierung der Kosten der Unterkunft auf 23,6 Prozent nach
wie vor gegeben ist?

Berlin, den 3. August 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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