BT-Drucksache 17/2220

Ausbeuterische Kinderarbeit bei der Herstellung von Grabsteinen

Vom 17. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2220
17. Wahlperiode 17. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Weinberg, Ulla Lötzer, Dr. Martina Bunge, Karin Binder,
Matthias W. Birkwald, Christine Buchholz, Klaus Ernst, Diana Golze, Inge Höger,
Ulla Jelpke, Harald Koch, Katrin Kunert, Kornelia Möller, Niema Movassat,
Wolfgang Neskovic, Ingrid Remmers, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander
Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Halina Wawzyniak, Katrin Werner, Sabine
Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Ausbeuterische Kinderarbeit bei der Herstellung von Grabsteinen

Zwei Drittel aller in Deutschland aufgestellten Grabsteine stammen aus Indien.
Dort arbeiten laut XertifiX e. V. rund 150 000 Kinder in Steinbrüchen. Am
25. März 2009 hat der Nürnberger Stadtrat beschlossen, das Aufstellen von
Grabmalen zu untersagen, für die keine Nachweise vorgelegt wurden, dass sie in
der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt
wurden. Gegen diese Festlegung hat ein regionaler Steinmetzbetrieb geklagt und
vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Recht bekommen. Das Bundes-
verwaltungsgericht hat im Januar 2010 den Beschluss des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofs bestätigt. In einem ähnlichen Fall hat das Oberverwaltungs-
gericht in Rheinland-Pfalz im November 2008 eine entsprechende Friedhofssat-
zung für unwirksam erklärt. Damit wurde eine Regelungsbefugnis durch die
Kommunen verneint. Die Gerichte gehen davon aus, dass es den Kommunen an
einer erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehlt, um das Auf-
stellen von Grabsteinen, die unter Verletzung der Konvention Nr. 182 der Inter-
national Labour Organisation (ILO) hergestellt wurden, zu untersagen. Diese
Konvention, die das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der
schlimmsten Formen der Kinderarbeit vorsieht, trat im Jahr 2000 in Kraft und
wurde auch von Deutschland ratifiziert.

Nach einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundes-
tages wäre ein Bundesgesetz ein gangbarer Weg, damit auf Friedhöfen in
Deutschland keine Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit mehr aufgestellt
werden. Die Bundesregierung erklärte, dass sie alle Schritte begrüßt, die die
Umsetzung der ILO-Konvention 182 fördert (Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestags-
drucksache 16/14091).
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist die derzeitige Rechtslage, die die Nutzung von Grabsteinen aus aus-
beuterischer Kinderarbeit zulässt, mit der ILO-Konvention, die von den Rati-
fizierungsstaaten Maßnahmen gegen ausbeuterische Kinderarbeit verlangt,
vereinbar?

Drucksache 17/2220 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Vertritt die Bundesregierung weiterhin die gleiche Auffassung wie am
24. September 2009, und plant sie gegen den Import von Grabsteinen, die
durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt werden, vorzugehen?

Wenn ja, welche Maßnahmen plant sie, und wenn nein, warum nicht?

3. Wäre es nach Ansicht der Bundesregierung möglich und sinnvoll, die Nut-
zung von mit ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellten Grabsteinen mittels
eines Bundesgesetzes zu unterbinden, und wie begründet die Bundesregie-
rung ihre Position?

4. Wie müsste ein entsprechendes Bundesgesetz nach Ansicht der Bundesre-
gierung aussehen, damit es die Nutzung von Grabsteinen aus ausbeuteri-
scher Kinderarbeit in Deutschland wirksam unterbindet?

5. Wie beurteilt es die Bundesregierung, dass das Saarland mit einer Änderung
des Bestattungsgesetzes den Kommunen das Verbot von Grabsteinen aus
Kinderarbeit ermöglicht hat?

6. In welchen Bundesländern ist nach Kenntnis der Bundesregierung eine ähn-
liche Änderung des Bestattungsgesetzes in Planung, und was unternimmt die
Bundesregierung, um die Länder zu entsprechenden Änderungen zu ermuti-
gen?

7. Wie viele Grabsteine (bzw. Steine, die dieser Verwendung zugeführt werden
sollen) werden pro Jahr nach Deutschland importiert, wie viele davon sind
als „ohne ausbeuterischere Kinderarbeit“ zertifiziert (falls keine Daten zur
Anzahl vorliegen, bitte den Wert der jährlich importierten Steine angeben;
bitte in jedem Fall aufgliedern nach „nicht zertifiziert“ und „zertifiziert“ und
dem jeweils verwendeten Zertifikat)?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zertifizierung von Grabsteinen, die
nicht mit ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden?

9. Ist die oben genannte Zertifizierung als gesetzliche Grundlage zur Beurtei-
lung der Tatsache, ob ein Grabstein ohne ausbeuterische Kinderarbeit herge-
stellt wurde, geeignet oder müsste die Zertifizierung gesetzlich geregelt wer-
den, und wie begründet die Bundesregierung ihre Position?

10. Gibt es Beispiele anderer Staaten, die gegen den Import von Grabsteinen, die
durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden, vorgegangen sind?

Wenn ja, wie sind diese Staaten gegen den Import von Grabsteinen aus aus-
beuterischer Kinderarbeit vorgegangen, und hält die Bundesregierung ein
entsprechendes Vorgehen auch in Deutschland für rechtlich möglich?

11. Plant die Bundesregierung eine Regelung, die allgemein den Import von
Produkten verbietet, die nicht zertifiziert ohne ausbeuterische Kinderarbeit
hergestellt wurden, und wie begründet sie ihre Position?

Berlin, den 17. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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