BT-Drucksache 17/2211

Entwurf eines Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit (ÄVFGG)

Vom 16. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2211
17. Wahlperiode 16. 06. 2010

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kai Gehring, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic,
Monika Lazar, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz, WolfgangWieland,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der
Geschlechtszugehörigkeit (ÄVFGG)

A. Problem

Das Transsexuellengesetz (TSG) ist fast 30 Jahre alt und entspricht nicht dem
Stand der Wissenschaft. Es stellt für die Änderung der Vornamen und die Fest-
stellung der Geschlechtszugehörigkeit unbegründete Hürden auf, die die Würde
und die Selbstbestimmung von transsexuellen Menschen beeinträchtigen. Be-
reits fünf Mal hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Vorschriften des Ge-
setzes für verfassungswidrig erklärt (Beschluss vom 16. März1982 – 1 BvR 983/
81, Beschluss vom 26. Januar 1993 – 1 BvL 38, 40, 43/92, Beschluss vom 6. De-
zember 2005 – 1BvL 3/03, Beschluss vom 18. Juli 2006 – 1BvL 1 und 12/04 und
Beschluss vom27.Mai 2008 – 1BvL 10/05). AuchweitereVorschriften des TSG
sind verfassungsrechtlich in der Kritik.

B. Lösung

Das TSG wird durch das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Fest-
stellung der Geschlechtszugehörigkeit (ÄVFGG) ersetzt. Das Verfahren wird
vereinfacht und bei den Standesämtern angesiedelt. Somit wird den Grundrech-
ten von transsexuellenMenschen und den aktuellen wissenschaftlichen Erkennt-
nissen Rechnung getragen.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Durch diesen Vorschlag ergeben sich für die öffentlichen Haushalte Mehrauf-
wendungen bei den nunmehr zuständigen Behörden, die angesichts der ver-
gleichsweise geringen Fallzahlen kaum ins Gewicht fallen. Dem stehen erheb-
liche Einspareffekte gegenüber, die sich aus der Entlastung der Gerichte und ins-
besondere durch Einsparungen im Bereich der Prozesskostenhilfe ergeben, die
bislang vor allem wegen der erheblichen Aufwendungen für die erforderlichen
Gutachten in vergleichsweise vielen Fällen in Anspruch genommen werden
mussten.

Drucksache 17/2211 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der
Geschlechtszugehörigkeit (ÄVFGG)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Gesetz über die Änderung der Vornamen
und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit

(ÄVFGG)

E r s t e r Ab s c h n i t t
Änd e r u n g d e r Vo r n amen

§ 1
Antrag auf Vornamensänderung

(1) Die Vornamen einer Person sind auf ihren Antrag von
dem nach Landesrecht für das Personenstandswesen zustän-
digen Behörden zu ändern, wenn

1. sie erklärt, dass die bisherigen Vornamen nicht ihrem Ge-
schlechtsempfinden entsprechen, und

2. sie

a) Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist,

b) als Staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren ge-
wöhnlichen Aufenthalt im Inland hat,

c) als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling
ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat oder

d) als Ausländer, dessen Heimatrecht diesemGesetz ver-
gleichbare Regelungen nicht kennt,

aa) ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt oder

bb) eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt
und sich dauerhaft rechtmäßig im Inland aufhält.

(2) Für eine geschäftsunfähige Person wird der Antrag
vom gesetzlichen Vertreter gestellt. Der gesetzliche Vertreter
bedarf dafür der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.

(3) Der Antrag kann nur abgelehnt werden, wenn er offen-
kundig missbräuchlich ist.

§ 2
Offenbarungsverbot

(1) Ist die Entscheidung, durch welche die Vornamen des
Antragstellers geändert werden, rechtskräftig, so dürfen die
zur Zeit der Entscheidung geführten Vornamen ohne Zustim-
mung des Antragstellers nicht offenbart oder ausgeforscht
werden, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen
Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaub-
haft gemacht wird.

(2) Der Antragsteller kann verlangen, dass die neuen Vor-
namen in amtlichen Dokumenten und Registern verwandt
werden. Die weiteren geschlechtsspezifischen Angaben, ins-
besondere die Anredeform, die geschlechtsbezogenen
Dienst- oder Berufsbezeichnungen sowie Angaben zu Ver-
wandtschaftsverhältnissen sind an das Geschlecht anzupas-

sen, das dem geänderten Vornamen entspricht, wenn dadurch
die Aussagekraft und der Wahrheitsgehalt des Dokumentes
nicht beeinträchtigt wird.

(3) Für zivilrechtliche Verträge gilt Absatz 2 entspre-
chend.

(4) Die vor der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 er-
stellten amtlichen Dokumente sowie Zeugnisse aus früheren
Arbeitsverhältnissen sind mit den neuen Vornamen neu aus-
zustellen.

(5)Ordnungswidrig handelt,wer die in denAbsätzen 1 bis 4
enthaltenen Verbote und Pflichten beharrlich und vorsätzlich
missachtet. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbu-
ße bis zu fünfhundert Euro geahndet werden.

Zwe i t e r Ab s c h n i t t
F e s t s t e l l u n g d e r Ge s c h l e c h t s z u g e h ö r i g k e i t

§ 3
Antrag auf Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit

(1) Das im Geburtseintrag angegebene Geschlecht einer
Person ist auf ihrenAntrag von dem nach Landesrecht für das
Personenstandswesen zuständigen Behörden zu ändern,
wenn

1. sie erklärt, dass das im Geburtseintrag angegeben Ge-
schlecht ihrem Geschlechtsempfinden nicht entspricht,
und

2. die Voraussetzung des § 1 Absatz 1 Nummer 2 erfüllt
sind.

(2) Für eine geschäftsunfähige Person wird der Antrag
vom gesetzlichen Vertreter gestellt. Der gesetzliche Vertreter
bedarf dafür der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.

(3) Der Antrag kann nur abgelehnt werden, wenn er offen-
kundig missbräuchlich ist.

(4) Eine bestehende Ehe oder Lebenspartnerschaft bleibt
von der Personenstandsänderung unberührt. Auf Antrag der
beiden Ehegatten bzw. Lebenspartner wird eine bestehende
Ehe in eine Lebenspartnerschaft bzw. eine Lebenspartner-
schaft in eine Ehe überführt.

§ 4
Wirkungen der Entscheidung

(1) Von der Rechtskraft der Entscheidung an, dass der An-
tragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen
ist, richten sich seine vom Geschlecht abhängigen Rechte
und Pflichten nach dem neuen Geschlecht, soweit durch Ge-
setz nichts anderes bestimmt ist.

(2) § 2 gilt sinngemäß. Das Offenbarungsverbot ist auch
darauf zu erstrecken, dass die in den zu änderndenDokumen-
ten enthaltenen Angaben über die Geschlechtszugehörigkeit
sowie die vom Geschlecht abgeleiteten Buchstaben- oder
Zahlenkombinationen geändert werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2211

§ 5
Eltern-Kind-Verhältnis

Die Entscheidung, dass der Antragsteller als dem anderen
Geschlecht zugehörig anzusehen ist, lässt das Rechtsverhält-
nis zwischen demAntragsteller und seinen Eltern sowie zwi-
schen demAntragsteller und seinen Kindern unberührt. Glei-
ches gilt im Verhältnis zu den Abkömmlingen dieser Kinder.

§ 6
Renten und vergleichbare wiederkehrende Leistungen

(1) Die Entscheidung, dass derAntragsteller als dem ande-
ren Geschlecht zugehörig anzusehen ist, lässt seine bei
Rechtskraft der Entscheidung bestehenden Ansprüche auf
Renten und vergleichbare wiederkehrende Leistungen unbe-
rührt. Bei einer sich unmittelbar anschließenden Leistung aus
demselben Rechtsverhältnis ist, soweit es hierbei auf das Ge-
schlecht ankommt, weiter von denBewertungen auszugehen,
die den Leistungen bei Rechtskraft der Entscheidung zugrun-
de gelegen haben.

(2) Ansprüche auf Leistung aus der Versicherung oder
Versorgung eines früheren Ehegatten werden durch die Ent-
scheidung, dass der Antragsteller als dem anderen Ge-
schlecht zugehörig anzusehen ist, nicht begründet.

Artikel 2

Änderung von Bundesgesetzen

(1) Das Bürgerliche Gesetzbuch wird wie folgt geändert:

1. § 1591 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung der
Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42,
2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch … wird wie
folgt gefasst:

Elternteil (Mutter oder Vater) eines Kindes ist die Person,
die es geboren hat oder

a) zum Zeitpunkt der Geburt mit diesem verheiratet ist,

b) die Elternschaft anerkannt hat,

c) derer Elternschaft nach § 1600d oder § 640h Absatz 2
der Zivilprozessordnung gerichtlich festgestellt ist.

2. § 1592 entfällt.

(2) Das Personenstandsgesetz wird wie folgt geändert:

1. Es wird folgender Abschnitt 2 „Änderung der Vornamen
und Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit auf An-
trag“ im Kapitel 8 des Personenstandsgesetzes vom
19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), das zuletzt durch …
geändert worden ist, eingefügt:

㤠47a
Änderung der Vornamen und Feststellung der
Geschlechtszugehörigkeit auf Antrag

Gehen dem Standesamt Anträge nach den §§ 1 und 3
des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die
Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit zu, so sind die
Angaben im Geburtenregister zu ändern.“

2. Der bisherige Abschnitt 2 wird Abschnitt 3.

3. In § 63 Absatz 2 werden die Wörter „Transsexuellenge-
setzes vom 10. September 1980 (BGBl. I S. 1654)“ gestri-
chen und die Wörter „§ 5 Absatz 1 und § 10 Absatz 2 in

Verbindungmit § 5Absatz 1 des Transsexuellengesetzes“
durch die Wörter „§ 2 Absatz 1 und § 4 Absatz 2 in Ver-
bindungmit § 2 Absatz 1 des Gesetzes über die Änderung
der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszuge-
hörigkeit“ ersetzt.

(3) Das Bundeszentralregistergesetz wird wie folgt geän-
dert:

In § 20aAbsatz 1 Satz 2 des Bundeszentralregistergesetzes in
der Fassung vom21. September 1984 (BGBl. I S. 1229; 1985 I
S. 195), das zuletzt durch… geändert worden ist, werden die
Wörter „§ 5 Absatz 1 des Transsexuellengesetzes“ durch die
Wörter „§ 2 Absatz 1 des Gesetzes über die Änderung der
Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörig-
keit“ ersetzt.

(4) Die Kostenordnung wird wie folgt geändert:

§ 128a Absatz 1 der Kostenordnung in der im Bundesgesetz-
blatt Teil III, Gliederungsnummer 361-1, veröffentlichten be-
reinigten Fassung, die zuletzt durch … geändert worden ist,
wird gestrichen.

(5) Das Rechtspflegergesetz wird wie folgt geändert:

§ 15 Nummer 9 des Rechtspflegergesetzes vom 5. November
1969 (BGBl. I S. 2065), zuletzt geändert durch …, wird wie
folgt gefasst:

„9. die Genehmigung nach § 1 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes
über die Änderung der Vornamen und die Feststellung
der Geschlechtszugehörigkeit (ÄVFGG).“

(6) In der Anlage 1 zu § 9 Absatz 1 des Gesetzes über die
Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dol-
metschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Ent-
schädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtli-
chen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergü-
tungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG) vom 5. Mai 2004
(BGBl. I S. 718, 776), das zuletzt durch … geändert worden
ist, wird die Angabe „TSG“ durch die Angabe „ÄVFGG“ er-
setzt.

(7) Das Passgesetz vom 19. April 1986 (BGBl. I S. 537),
das zuletzt durch…geändert worden ist, wirdwie folgt geän-
dert:

1. In § 4 Absatz 1 werden die Wörter „auf Grund gerichtli-
cher Entscheidung gemäß § 1 des Transsexuellengeset-
zes“ durch die Wörter „gemäß § 1 des Gesetzes über die
Änderung der Vornamen und die Feststellung der Ge-
schlechtszugehörigkeit (ÄVFGG)“ ersetzt.

2. In § 6 Absatz 2a werden die Wörter „den Beschluss des
Gerichts über die Vornamensänderung nach § 1 des
Transsexuellengesetzes“ durch die Wörter „die Entschei-
dung des nach Landesrecht für das Personenstandswesen
zuständigen Behörden gemäß § 1 des Gesetzes über die
Änderung der Vornamen und die Feststellung der Ge-
schlechtszugehörigkeit (ÄVFGG)“ ersetzt.

Artikel 3

Inkrafttreten, Außerkrafttreten

(1) Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

(2) Das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die
Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen

Drucksache 17/2211 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) vom 10. September
1980 (BGBl. I S. 1654), das zuletzt durch…geändert worden
ist, tritt am gleichen Tag außer Kraft.

Berlin, den 15. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2211

Begründung

A. Allgemeines

Das Transsexuellengesetz ist seit seinem Inkrafttreten am
1. Januar 1981 nicht mehr reformiert worden. Viele seiner
Regelungen entsprechen aber nicht mehr dem heutigen wis-
senschaftlichen Kenntnisstand.

Ziel der Reform ist es, die Grundrechte Transsexueller in
vollem Umfang zu verwirklichen, indem die tatsächliche
Vielfalt von Identitäten akzeptiert wird, anstatt transsexuelle
Menschen in vorgegebene Raster zu pressen und ihnen das
Leben damit zu erschweren.

Auch verschiedene Eingaben an den Petitionsausschuss des
Deutschen Bundestages in den vergangenen Jahren zeigen,
dass ein großes Bedürfnis nach rascher Reform des Transse-
xuellengesetzes besteht.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in sechs Entschei-
dungen mit dem Transsexuellengesetz befasst und folgende
Vorschriften für verfassungswidrig erklärt:

– § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Transsexuellengesetzes ver-
stößt gegen Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG),
soweit bei einem Transsexuellen unter 25 Jahren trotz
Durchführung einer geschlechtsumwandelnden Opera-
tion und Erfüllung der übrigen gesetzlichen Voraus-
setzungen die personenstandsrechtliche Feststellung der
Zugehörigkeit zu dem anderen Geschlecht ausgeschlos-
sen ist (Beschluss vom 16. März 1982 – 1 BvR 983/81),

– es ist mit Artikel 3 Absatz 1 GG nicht vereinbar, Trans-
sexuellen unter 25 Jahren die Vornamensänderung nach
§ 1 des Transsexuellengesetzes zu versagen, die älteren
Transsexuellen gewährt wird (BVerfG, Beschluss vom
26. Januar 1993 – 1 BvL 38, 40, 43/92),

– die Wertentscheidung in Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Arti-
kel 1 Absatz 1 GG erfordert eine Auslegung der §§ 1, 10
Absatz 1 TSG dahin, dass eine Person bereits nach Ände-
rung ihres Namens entsprechend ihrem neuen Rollenver-
ständnis anzureden und anzuschreiben ist (BVerfG –
2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 15. Au-
gust 1996 – 2 BvR 1833/95),

– § 7 Absatz 1 Nummer 3 des Transsexuellengesetzes ver-
letzt das von Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Arti-
kel 1 Absatz 1 GG geschützte Namensrecht eines homo-
sexuell orientierten Transsexuellen sowie sein Recht auf
Schutz seiner Intimsphäre, solange ihm eine rechtlich ge-
sicherte Partnerschaft nicht ohne Verlust des geänderten,
seinem empfundenen Geschlecht entsprechenden Vor-
namens eröffnet ist; die Norm ist deshalb bis zu einer ge-
setzlichen Neuregelung nicht anwendbar (BVerfG, Be-
schluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvL 3/03),

– § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Transsexuellengesetzes ver-
stößt gegen das Gleichbehandlungsgebot (Artikel 3 Ab-
satz 1 GG) in Verbindung mit demGrundrecht auf Schutz
der Persönlichkeit (Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1
Absatz 1 GG), soweit er ausländische Transsexuelle, die
sich rechtmäßig und nicht nur vorübergehend in Deutsch-
land aufhalten, von der Antragsberechtigung zur Ände-
rung des Vornamens und zur Feststellung der Ge-

schlechtszugehörigkeit nach § 8Absatz 1Nummer 1 TSG
ausnimmt, sofern deren Heimatrecht vergleichbare Rege-
lungen nicht kennt (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2006
– 1 BvL 1 und 12/04) und

– § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Transsexuellengesetzes ist
mitArtikel 2Absatz 1 inVerbindungmitArtikel 1Absatz 1
und Artikel 6 Absatz 1 GG nicht vereinbar, weil er einem
verheirateten Transsexuellen, der sich geschlechtsän-
derndenOperationen unterzogen hat, dieMöglichkeit, die
personenstandsrechtliche Anerkennung seiner neuen Ge-
schlechtszugehörigkeit zu erhalten, nur einräumt, wenn
seine Ehe zuvor geschieden wird (BVerfG, Beschluss
vom 27. Mai 2008 – 1 BvL 10/05).

In diesen sechs Entscheidungen hat das Bundesverfassungs-
gericht Feststellungen getroffen und Grundsätze formuliert,
die eine Überarbeitung des Transsexuellengesetzes notwen-
dig machen und dafür Maßstäbe vorgegeben.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts haben sich
die dem Transsexuellengesetz zugrunde liegenden Annah-
men über die Transsexualität inzwischen in wesentlichen
Punkten als wissenschaftlich nicht mehr haltbar erwiesen.
Dabei geht es um zwei Problembereiche:

Zum einen habe der Umstand, dass es gerade unter den
Mann-zu-Frau-Transsexuellen einen signifikanten Anteil
von homosexuell Veranlagten gibt, bei der Entstehung des
Transsexuellengesetzes noch keine Rolle gespielt. Da ein-
schlägige sexualwissenschaftliche Erkenntnisse noch nicht
vorlagen, sei das Bundesverfassungsgericht in der Begrün-
dung seiner Entscheidung vom 11. Oktober 1978 (BVerfG,
Beschluss vom 11. Oktober 1978 – 1 BvR 16/72; BVerfGE
49, 286, 287, 300) unter Bezugnahme auf den damaligen
Stand der Wissenschaft noch davon ausgegangen, der männ-
liche Transsexuelle wünsche keine homosexuellen Bezie-
hungen, sondern suche einen heterosexuellen Partner. Inzwi-
schen sei nicht nur bekannt, dass es Homosexualität auch bei
Transsexuellen gibt, sondern es sei inzwischen erwiesen,
dass es gerade bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen einen
hohen Anteil von Personen mit homosexueller Orientierung
gibt, und zwar unabhängig davon, ob sie sich geschlechtsver-
ändernden Operationen unterzogen haben. Mithin könne
man nicht mehr davon ausgehen, dass die Hinwendung eines
Transsexuellen zum gleichen Geschlecht seine Transsexuali-
tät in Frage stellt.

Zum anderen erachte es die Fachwelt nicht mehr als richtig,
bei den transsexuellen Menschen stets die Indikation für ge-
schlechtsumwandelnde Maßnahmen abzuleiten. Vielmehr
müsse individuell bei jedem einzelnen Betroffen festgestellt
werden, ob eine Geschlechtsumwandlung indiziert sei. Auch
zeige der Anteil von 20 bis 30 Prozent der dauerhaft Trans-
sexuellen ohne Geschlechtsumwandlung an der Gesamtzahl
der anerkannten Transsexuellen, dass die Annahme, ein
Transsexueller strebe danach, mit allen Mitteln seine Ge-
schlechtsmerkmale zu verändern, nicht der Wirklichkeit ent-
spricht. Die These vom Durchgangsstadium, in dem sich der
Transsexuelle mit „kleiner Lösung“ hin zur „großen Lösung“
befinde, sei damit nicht mehr tragfähig. Für eine unterschied-
liche personenstandsrechtliche Behandlung von Transsexu-

Drucksache 17/2211 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ellen mit und ohne Geschlechtsumwandlung sehe die Fach-
literatur deshalb keine haltbaren Gründe mehr.

Schließlich bedeuten die sog. geschlechtsumwandelnden
Maßnahmen einen schweren operativen Eingriff in die Un-
versehrtheit des Körpers. Sie können in einigen Fällen ge-
sundheits- oder sogar lebensgefährdend sein und stellen da-
mit unzumutbare Hürden für die menschenrechtsgeschützte
Entfaltung eigener geschlechtlicher Identität dar.

Für die Reform des Transsexuellengesetzes hat das Bundes-
verfassungsgericht folgendeMaßstäbe vorgegeben:

Artikel 1 Absatz 1 GG schütze die Würde des Menschen in
der Individualität, in der er sich selbst begreift. Dieser Verfas-
sungsgrundwert gewährleiste zugleich in Verbindung mit
Artikel 2 Absatz 1 GG die Freiheit des Individuums, sich sei-
nen Fähigkeiten und Kräften entsprechend zu entfalten. Die
Frage, welchemGeschlecht sich einMensch zugehörig emp-
findet, betreffe dabei seinen Sexualbereich, den das Grund-
gesetz als Teil der Privatsphäre unter den verfassungsrecht-
lichen Schutz der Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1 Absatz 1
GGgestellt habe. Jedermann könne daher von den staatlichen
Organen die Achtung dieses Bereichs verlangen. Das schließe
die Pflicht ein, die individuelle Entscheidung eines Men-
schen über seine Geschlechtszugehörigkeit zu respektieren.

Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 GG schütze den
Vornamen eines Menschen zum einen als Mittel zu seiner
Identitätsfindung und Entwicklung der eigenen Identität,
zum anderen als Ausdruck seiner erfahrenen oder gewonne-
nen geschlechtlichen Identität.

Die sich im so gewählten und geführten Vornamen wider-
spiegelnde eigene Geschlechtszuordnung gehöre zum in-
timsten Bereich der Persönlichkeit einesMenschen, der prin-
zipiell staatlichem Zugriff entzogen ist. Deshalb dürfe in das
Recht an dem Vornamen, der das Ergebnis der eigenen ge-
schlechtlichen Identitätsfindung des Namensträgers ist und
sie widerspiegelt, nur bei Vorliegen besonders gewichtiger
öffentlicher Belange eingegriffen werden. Der vom Persön-
lichkeitsrecht geschützteWunsch nachAusdruck der eigenen
Geschlechtlichkeit im Vornamen umfasse damit auch das
Recht, in der empfundenen Geschlechtlichkeit mit Namen
angesprochen und anerkannt zu werden und sich nicht im
Alltag Dritten oder Behörden gegenüber hinsichtlich der ei-
genen Sexualität gesondert offenbaren zu müssen.

Aus der Achtung der Menschenwürde und dem Grundrecht
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit folge das Gebot, den
Personenstand des Menschen dem Geschlecht zuzuordnen,
dem er nach seiner psychischen und physischen Konstitution
zugehört.

Schließlich wird die gesellschaftliche wie rechtliche Situati-
on der transsexuellen Menschen auf der europäischen Ebene
kritisch betrachtet. In den am 31.März 2010 verabschiedeten
Empfehlungen sprach sich das Ministerkomitee des Europa-
rats für eine reguläre Überprüfung der anschlägigen Gesetz-
gebung zwecks Vermeidung unnötiger Voraussetzungen für
eineGeschlechtsanpassung sowie für ein „schnelles, transpa-
rentes und zugängliches Verfahren“ zur Vornamensänderung
(Recommendation CM/Rec(2010)5). Ferner hat die Parla-
mentarische Versammlung des Europarats am 29. April 2010
alle Mitgliedstaaten aufgerufen, gesetzgeberische Vorkeh-
rungen zu unternehmen, die den transsexuellen Menschen
das Recht auf Ausstellen amtlicher Dokumente mit Angabe

des gewünschten Geschlechts einräumen, ohne zuvor einen
operativen Eingriff bzw. Hormontherapie durchführen zu
müssen (Resolution 1728 (2010)).

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Zur Überschrift

Die Bezeichnung „Transsexuelle“ wird von vielen Betroffe-
nen abgelehnt, da sie zu sehr medizinisch besetzt ist und an-
stelle der Geschlechtsidentität fälschlicherweise das Sexuelle
betont. Ebenfalls bezeichnen andere Begriffe wie etwa
„Transgender“, „Transidentität“ nicht das ganze Spektrum
der Thematik, mit dem sich das Gesetz befasst. Deshalb wird
der alte Name ohne die Angabe „in besonderen Fällen“ sowie
den Zusatz „(Transsexuellengesetz – TSG)“ beibehalten.

Erster Abschnitt
Änderung der Vornamen

Zu § 1

Zu Absatz 1

Die Vornamensänderung soll der besonderen Situation
Transsexueller Rechnung tragen und es ihnen ermöglichen,
in der ihrem Empfinden entsprechenden Geschlechtsrolle zu
leben, ohne sich im Alltag Dritten und Behörden gegenüber
offenbaren zu müssen. Sie fördert dadurch die soziale Inte-
gration der Antragsteller.

Das Verfahren für die Änderung der Vornamen wird daher
deutlich vereinfacht und nur vom Geschlechtsempfinden des
Antragstellers abhängig gemacht. Es wird nunmehr auf die
bisher geforderte mindestens dreijährige Dauer des Zwangs
des Zugehörigkeitsempfindens zum anderen Geschlecht so-
wie auf den irreversiblen Charakter dieses Empfindens ver-
zichtet. Die Transsexualität kann nicht diagnostiziert werden,
lediglich der Antragsteller selbst kann letztlich über seine ge-
schlechtliche Identität Auskunft geben. Ferner tastet eine
Überprüfung des Ergebnisses des Sich-Selbst-Begreifens
von Staats wegen den Sexualbereich des Menschen an, den
das Grundgesetz als Teil der Privatsphäre unter den verfas-
sungsrechtlichen Schutz des Artikels 2 Absatz 1 i. V. m. Arti-
kel 1 Absatz 1 GG gestellt hat.

Es wird weiter auf die Anrufung eines Gerichts verzichtet.
Der Antrag ist bei den nach jeweiligem Landesrecht für das
Personenstandswesen zuständigen Behörden zu stellen, so
dass die Vornamensänderung imRahmen eines Verwaltungs-
aktes erfolgt. Damit wird das Verfahren vereinfacht und be-
schleunigt, so wie das bei Berichtigungen ohne Mitwirkung
des Gerichts gemäß § 47 des Personenstandsgesetzes (PStG)
vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122) der Fall ist. Da es sich
bei Transsexualität um ebenfalls nicht der wahren Identität
des Antragstellers entsprechenden Angaben im Geburtenre-
gister des Antragstellers handelt, wird die unkomplizierte
Änderung des Registereintrags ermöglicht.

Die statusrechtlichen Zugangsvoraussetzungen in Nummer 2
entsprechen dem bisherigen TSG in der Fassung des Arti-
kels 3a des Gesetzes vom 20. Juli 2007 (BGBl. I S. 1566).

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2211

ZuAbsatz 2

Der Absatz stellt klar, dass das Verfahren für geschäftsunfä-
hige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen
durch den gesetzlichen Vertreter geführt wird. Der gesetzli-
che Vertreter einer geschäftsunfähigen Person bedarf für den
Antrag entsprechend der bisherigen Fassung des TSG der ge-
richtlichen Genehmigung.

ZuAbsatz 3

Die Vornamensänderung kann nur versagt werden, wenn sie
offenkundig missbräuchlich ist. Das ist besonders der Fall,
wenn sie zur Verschleierung der Identität beantragt wird. An-
sonstenwird demAntrag stets stattgegeben und auf diemedi-
zinisch wie verfassungsrechtlich fragwürdige Überprüfung
der Geschlechtsidentität verzichtet.

Zu § 2

Die Vorschrift soll den Betroffenen vor einer grundlosen
Aufdeckung der von ihm vor der Entscheidung geführten
Vornamen schützen. Dies gilt über § 4 Absatz 2 des Entwurfs
auch hinsichtlich der Änderung der Geschlechtszugehörig-
keit.

Durch dieAbsätze 2 bis 4wird dasOffenbarungsverbot näher
beschrieben. Zunächst wird klargestellt, dass, wie bei jeder
anderen Namensänderung auch, die geänderten Vornamen in
amtlichen Dokumenten und Registern zu verwenden sind.
Die schutzwürdigen Interessen der Personen, bei denen nur
der Vorname geändert wurde, gebieten es, die Anrede,
Dienst- und Berufsbezeichnungen sowie Angaben zu Ver-
wandtschaftsverhältnissen so zu verwenden, wie es der Vor-
namensführung entspricht. Absatz 3 bestimmt, dass das
Offenbarungsverbot auch bei zivilrechtlichen Verträgen gilt.
Absatz 4 bezieht in diese Grundsätze auch amtliche Doku-
mente sowie Zeugnisse aus früheren Arbeitsverhältnissen
ein, die vor der Rechtskraft der Entscheidung über die Vor-
namensänderung erteilt bzw. erstellt worden sind. Dies kön-
nen z. B. Schul-, Dienst- bzw. Arbeits-, Praktikum-, Schu-
lungszeugnisse sein, die der Betroffene im Berufsalltag be-
nötigt.

Absatz 5 bestimmt dieMissachtung der in denAbsätzen 1 bis 4
enthaltenen Verbote und Pflichte als ordnungswidrig und mit
einer Geldbuße bis zu fünfhundert Euro zu ahnden.

Zweiter Abschnitt
Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit

Zu § 3

Zu Absatz 1

DieVoraussetzungen einer Personenstandsänderung entspre-
chen denen des § 1. Der Antragsteller, dem unrichtige Anga-
ben – falsches Geschlecht – im Geburtseintrag eingetragen
worden sind, hat einen Rechtsanspruch auf deren Berichti-
gung.

Schon 2005 hat das BVerfG festgestellt:

„So erachtet es die Fachwelt auch bei einer weitgehend siche-
ren Diagnose ,Transsexualität‘ nicht mehr als richtig, daraus
stets die Indikation für geschlechtsumwandelnde Maß-
nahmen abzuleiten. Vielmehr müsse individuell im Rahmen

einer Verlaufsdiagnostik bei jedem einzelnen Betroffen fest-
gestellt werden, ob eine Geschlechtsumwandlung indiziert
sei. Auch zeigt der Anteil von 20 bis 30 Prozent der dauerhaft
Transsexuellen ohne Geschlechtsumwandlung an der Ge-
samtzahl der anerkannten Transsexuellen (vgl. DGfS, a. a. O.,
S. 264), dass die Annahme, ein Transsexueller strebe danach,
mit allen Mitteln seine Geschlechtsmerkmale zu verändern,
nicht der Wirklichkeit entspricht. Die These vom Durch-
gangsstadium, in dem sich der Transsexuelle mit „kleiner
Lösung“ hin zur „großen Lösung“ befinde, ist damit nicht
mehr tragfähig. Für eine unterschiedliche personenstands-
rechtliche Behandlung von Transsexuellen mit und ohne Ge-
schlechtsumwandlung sieht die Fachliteratur deshalb keine
haltbaren Gründe mehr (vgl. DGfS, a. a. O., S. 261 ff.).“

Es wird daher auf die Voraussetzung einer dauernden Fort-
pflanzungsunfähigkeit verzichtet. Der Gesetzgeber hat in-
zwischen durch die Zulassung der Stiefkindadoption bei
Lebenspartnern (§ 9 LPartG in der Fassung des Gesetzes zur
Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts) dieMöglich-
keit akzeptiert, dass zwei Männer oder zwei Frauen rechtlich
gemeinschaftliche Eltern von Kindern sind. Es besteht des-
halb kein Grund mehr, dies bei Transsexuellen verhindern zu
wollen.

Darüber hinaus wird die Personenstandsänderung nicht mehr
von der deutlichen operativen Annäherung an das Erschei-
nungsbild des anderen Geschlechts abhängig gemacht. Diese
Kategorie ist nicht zeitgemäß und lässt sich in einer indivi-
dualistischen Gesellschaft mit pluralistischen Lebensformen
nicht definieren. Außerdem bedeuten die sog. geschlechts-
umwandelndenMaßnahmen einen schweren operativen Ein-
griff in die Unversehrtheit des Körpers. Sie können in einigen
Fällen gesundheits- oder sogar lebensgefährdend sein und
stellen damit unzumutbare Hürden für die Entfaltung eigener
geschlechtlicher Identität dar.

Einzige Bedingungen für eine Personenstandänderung sind
das subjektive mit den bisherigen Angaben nicht überein-
stimmende Geschlechtsempfinden des Antragstellers sowie
die statusrechtlichen Zugangsvoraussetzungen der Nummer 2.
Damit sollen die rechtlichen Hürden abgebaut werden, die
dem Wunsch der transsexuellen Menschen entgegenstehen,
in der nicht von den transphobischenKlischees freienGesell-
schaft ein der Identität entsprechendes Leben zu führen.

ZuAbsatz 2

Der Absatz 2 stellt analog zu § 1 Absatz 2 klar, dass das Ver-
fahren für geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit
beschränkte Personen durch den gesetzlichen Vertreter ge-
führt wird. Der gesetzliche Vertreter einer geschäftsunfähi-
gen Person bedarf für den Antrag entsprechend der bisheri-
gen Fassung des TSG der gerichtlichen Genehmigung.

ZuAbsatz 3

Die Personenstandsänderung kann analog zur Vornamensän-
derung nur versagt werden, wenn sie offenkundig miss-
bräuchlich ist. Das ist besonders der Fall, wenn sie zur Ver-
schleierung der Identität beantragt wird. Ansonstenwird dem
Antrag stets stattgegeben und auf diemedizinischwie verfas-
sungsrechtlich fragwürdige Überprüfung der Geschlecht-
sidentität verzichtet.

Drucksache 17/2211 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ZuAbsatz 4

Nach diesem Absatz können familienrechtliche Institute des
Zusammenlebens weiter geführt werden, so dass die Rechte
und Pflichten der Eheleute bzw. Lebenspartner bestehen blei-
ben. Dies entspricht das dem heutigen Gesetzesstand. Aller-
dings wird die Möglichkeit eingeräumt, auf Antrag die Ehe
bzw. Lebenspartnerschaft in eine Lebenspartnerschaft bzw.
Ehe zu überführen. Dies soll verschiedengeschlechtlichen
Lebenspartnern die Eingehung einer Ehe ermöglichen, ohne
dass sie zum einjährigen Getrenntleben und zur darauf fol-
gendenAufhebung der Lebenspartnerschaft gezwungenwer-
den, was eine unbillige Härte darstellt. Mit der Überführung
der Ehe in eine Lebenspartnerschaft soll die Nichterkennbar-
keit der transsexuellen Identität eines Partners in einer
gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gewährleistet werden.

Zu § 4

Zu Absatz 1

Die Vorschrift entspricht der bisherigen Gesetzeslage. Die
aus der Geschlechtszugehörigkeit folgenden Rechte und
Pflichten des Betroffenen sollen sich von dem Tag an, von
dem an er als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen
ist, allgemein nach dem neuen Geschlecht richten. Ausnah-
men hiervon sind auf Grund gesetzlicher Vorschriften mög-
lich (siehe z. B. §§ 5 und 6).

ZuAbsatz 2

Es wird klargestellt, dass das Offenbarungsverbot nach § 2
auch für die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit An-
wendung findet. Darüber hinaus wird das Offenbarungsver-
bot auch auf die Angaben über die Geschlechtszugehörigkeit
sowie die vom Geschlecht abgeleiteten Buchstaben- oder
Zahlenkombinationen erstreckt. Sie müssen auch geändert
werden.

Zu § 5

Die Vorschrift entspricht der bisherigen Gesetzeslage und
soll die berechtigten Interessen der Kinder des Antragstellers
wahren. Dazu gehört insbesondere, dass sein Status als Vater
oder Mutter auf jeden Fall unberührt bleiben soll, so z. B. für
denUnterhalt, das Erbrecht, die Vaterschaftsfeststellung oder
die Ehelichkeitsanfechtung.

Zu § 6

§ 6 enthält Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz des
§ 4Absatz 1. Eine abschließendeAufzählung der Renten und
vergleichbaren wiederkehrenden Leistungen, die unberührt

bleiben sollen, ist bei der großen Zahl der in Frage kommen-
den Ansprüche nicht zweckmäßig.

ZuArtikel 2

Zu Absatz 1

DieÄnderung des § 1591 ist eineKonsequenz der Streichung
der Voraussetzung einer dauernden Fortpflanzungsunfähig-
keit bei der Personenstandsänderung. Es wird auf die Aus-
führungen zu § 3 Absatz 1 verwiesen.

ZuAbsatz 2

Durch den neuen Abschnitt 2 und § 47a wird das neue Ver-
fahren im Kapitel 8 „Berichtigungen und gerichtliches Ver-
fahren“ eingeführt. Danach ändern die Standesämter die Ge-
burtseinträge – Angaben über Vorname bzw. Geschlecht –
entsprechend den gestellten Anträgen.

ZuAbsatz 3

Die vorgesehene Änderung enthält eine redaktionelle Anpas-
sung.

ZuAbsatz 4

Der § 128a Absatz 1 der Kostenordnung wird gestrichen, da
das gerichtliche Verfahren nach dem TSG durch ein Verwal-
tungsverfahren vor den Standesämtern ersetzt wird.

ZuAbsatz 5

Die vorgesehene Änderung passt den § 15 Nummer 9 dem
neuen Namen des ÄVFGG an.

ZuAbsatz 6

Die vorgesehene Änderung passt die Anlage des Gesetzes
dem neuen Namen des ÄVFGG an.

ZuAbsatz 7

In § 4 Absatz 1 wird eine redaktionelle Anpassung vorge-
nommen.

In § 6 Absatz 2a wird der Verlagerung der Zuständigkeit auf
die Standesämter Rechnung getragen.

ZuArtikel 3

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des ÄVFGG wie das
Außerkrafttreten des TSG und stellt sie auf den Tag nach der
Verkündung des ÄVFGG.

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