BT-Drucksache 17/1925

Zukunft der landwirtschaftlichen Krankenversicherung

Vom 3. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1925
17. Wahlperiode 03. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Harald Weinberg, Dr. Martina Bunge, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Roland Claus, Inge Höger, Jens Petermann,
Ingrid Remmers, Kathrin Senger-Schäfer, Kersten Steinke, Sabine Stüber,
Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Kathrin Vogler und der Fraktion
DIE LINKE.

Zukunft der landwirtschaftlichen Krankenversicherung

CDU, CSU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass „einkom-
mensunabhängige Arbeitnehmerbeiträge“, im Klartext also Kopfpauschalen, in
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eingeführt werden sollen. Wie im
Sprachgebrauch üblich, wird das Wort „Kopfpauschale“ im weiteren Verlauf
dieser Kleinen Anfrage statt der irreführenden Wortneuschöpfung „Gesundheits-
prämie“ verwendet. Weiterhin wurde beschlossen, die Arbeitgeberbeiträge ein-
zufrieren und zukünftige Kostensteigerungen daher alleine auf die Versicherten
sowie auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abzuwälzen.

Im März 2010 wurde eine Regierungskommission eingesetzt, um die genaue
Ausgestaltung der Kopfpauschale festzulegen. Laut eigenen Aussagen gehört die
Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse
Aigner, dieser Kommission auch deshalb an, weil sie als Bundesagrarministerin
für die Krankenversicherung der Landwirte zuständig ist. Damit impliziert die
Bundesministerin, dass die Krankenversicherung der Landwirte Gegenstand der
Verhandlungen in dieser Kommission ist. Die Bundesregierung beabsichtigt also
möglicherweise, auch die landwirtschaftliche Krankenversicherung, die bislang
nicht an den Gesundheitsfonds angebunden ist, in ein Kopfpauschalensystem
umzugestalten.

Mittlerweile deuten viele Äußerungen der Bundesregierung darauf hin, dass
Kopfpauschalen wegen ihrer Unfinanzierbarkeit, wegen ihrer verheerenden so-
zialpolitischen Auswirkungen und wegen ihrer fehlenden Akzeptanz in der
Bevölkerung nur in einer sehr abgespeckten Version als Teilpauschalen einge-
führt werden sollen. Ein Vorschlag wurde öffentlich, statt des Sonderbeitrags von
0,9 Prozentpunkten eine Pauschale von 29 Euro einzuführen. Nach diesem Vor-
schlag würden alle bis zu einem Einkommen unterhalb 3 222,22 Euro in der
Krankenversicherung belastet, alle über diesem Einkommen würden entlastet.

Zur Einbeziehung der landwirtschaftlichen Krankenkassen in ein Kopfpauscha-

lensystem wurde bislang noch nichts öffentlich.

Am 18. Mai 2010 gab das Bundesministerium für Gesundheit per Pressemittei-
lung bekannt, dass die Regierungskommission nun doch nicht die Kopfpauscha-
lenpläne ausarbeiten solle, sondern dass diese vom Bundesminister für Gesund-
heit mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Koalition festgelegt werden
sollen. Erst dann sollen sie den übrigen Bundesministern in der Regierungskom-
mission vorgestellt werden.

Drucksache 17/1925 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Beabsichtigt die Bundesregierung, analog zu der allgemeinen gesetzlichen
Krankenversicherung auch in der landwirtschaftlichen Krankenversiche-
rung Kopfpauschalen einzuführen?

2. Falls nein, warum eignet sich dieses Konzept nicht für die landwirtschaft-
lichen Krankenkassen?

3. Falls nein, warum ist die Bundeslandwirtschaftsministerin Mitglied der Re-
gierungskommission zur Einführung der Kopfpauschalen?

4. Falls ja, welche monatlichen Kopfpauschalen standen bislang zur Diskus-
sion in der o. g. Kommission?

5. Welche Position vertritt das Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz in der o. g. Kommission bezüglich der Einfüh-
rung von Kopfpauschalen in der Krankenversicherung der Landwirte?

Welche Position vertritt das Bundesministerium bezüglich der Einführung
von Kopfpauschalen insgesamt in der gesetzlichen Krankenversicherung
aus verbraucherschutzpolitischer Sicht?

6. Wie soll eine Kopfpauschale in der landwirtschaftlichen Krankenversiche-
rung gestaltet sein?

7. Bedeutet die mögliche Einführung einer Kopfpauschale eine Erhöhung der
Beitragslast für landwirtschaftliche Betriebe?

8. Wie könnte ein Vorschlag, der als Kompensation die Abschaffung des Son-
derbeitrags in der GKV beinhaltet, den nur Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer zu zahlen haben, bezogen auf selbständige Unternehmer in der
Landwirtschaft umgesetzt werden?

Würde es für diese Personengruppe eine entsprechende Kompensation ge-
ben?

Wie gestaltet sich dies bezüglich der mitversicherten Familienangehörigen?

9. Wie soll der Sozialausgleich ausgestaltet werden?

Soll kein Geringverdienender durch die mit Einführung einer Kopfpau-
schale stattfindende faktische Erhöhung seiner Krankenversicherungsbei-
träge nach Sozialausgleich mehr zahlen als bisher?

10. Wie wirkt sich die Einführung einer Kopfpauschale auf den einkommens-
abhängigen Bundeszuschuss zu den Beiträgen der landwirtschaftlichen
Krankenkasse aus?

11. Soll durch den Sozialausgleich lediglich eine Hilfebedürftigkeit nach
Hartz IV vermieden werden?

12. Sollen lediglich Mitglieder unterhalb eines bestimmten Einkommens einen
Sozialausgleich erhalten?

13. Wie hoch wäre der notwendige Sozialausgleich bei einer analogen Umset-
zung des Vorschlags, die Beiträge für die Mitglieder um 0,9 Prozentpunkte
zu senken und gleichzeitig eine 29-Euro-Kopfpauschale einzuführen, und
wem würde er gewährt?

14. Ist analog zum beschlossenen Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge in der ge-
setzlichen Krankenversicherung auch ein Einfrieren der Steuerzuschüsse an
die Träger der Krankenversicherung der Landwirte geplant?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1925

15. Wird aus Sicht der Bundesregierung das System der eigenständigen land-
wirtschaftlichen Krankenversicherung im Verbund der sozialen Sicherung
der Landwirtschaft angesichts wachsender Unterschiede zur gesetzlichen
Krankenversicherung und des anhaltenden Strukturwandels in der Land-
wirtschaft dauerhaft Bestand haben?

16. Schließt die Beratung des Bundesgesundheitsministers mit den Partei- und
Fraktionsspitzen der Koalition die landwirtschaftliche Krankenversicherung
mit ein, und falls ja, weshalb ist die Bundeslandwirtschaftsministerin dann
nicht eingebunden?

Berlin, den 3. Juni 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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