BT-Drucksache 17/14228

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP - Drucksachen 17/13706, 17/14193 - Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten

Vom 26. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14228
17. Wahlperiode 26. 06. 2013

Änderungsantrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic,
Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
– Drucksachen 17/13706, 17/14193 –

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und
Überwachung von Prostitutionsstätten

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 2 wird wie folgt gefasst:

‚Artikel 2
Änderung der Gewerbeordnung

Die Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar
1999 (BGBl. I S. 202), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 24. April
2013 (BGBl. I S. 930) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 6 wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Dieses Gesetz findet auf die Vornahme sexueller Handlungen gegen Ent-
gelt (Prostitution) Anwendung, soweit im Sinne des § 30a Absatz 1 im ste-
henden Gewerbe die Prostitution Dritter angeboten oder ermöglicht wird.“

b) Dem Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:

㤠106 berechtigt nicht dazu, Weisungen zu treffen, die der sexuellen
Selbstbestimmung der die Prostitution ausübenden Person zuwiderlaufen.“

2. Nach § 30 wird folgender § 30a eingefügt:

㤠30a
Prostitutionsstätten

(1) Wer im stehenden Gewerbe Prostitution Dritter anbietet oder ermög-
licht (Betreiber einer Prostitutionsstätte), bedarf der Erlaubnis der zustän-

digen Behörde. Die Erlaubnis kann mit einer Befristung erteilt und mit Auf-
lagen verbunden werden, soweit dies zum Schutz der Allgemeinheit, der
Prostituierten, der Jugend oder der Kunden erforderlich ist. Unter den in
Satz 2 genannten Voraussetzungen sind auch die nachträgliche Aufnahme,
Änderung und Ergänzung von Auflagen zulässig.

Drucksache 17/14228 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

(2) Die Erlaubnis setzt voraus, dass der Betreiber

1. einen Geschäftsplan vorlegt, der sicherstellt, dass die jeweils von dem Be-
treiber und den Prostituierten übernommenen Pflichten in einem angemes-
senen – und eine Ausbeutung der Prostituierten ausschließenden – Ver-
hältnis stehen,

2. sämtliche Rechtsverhältnisse zwischen seiner Person und Dritten, die in
der Prostitutionsstätte die Prostitution ausüben, dokumentiert,

3. sichere und hygienische Einrichtungen vorhält und den in der Prostitu-
tionsstätte tätigen Personen Kondome zur Verfügung stellt.

(3) Die Erlaubnis ist insbesondere zu versagen, wenn

1. der Antragsteller die sich aus Absatz 2 ergebenden Pflichten nicht erfüllt,

2. der Antragsteller sozialversicherungsrechtliche Pflichten nicht beachtet,

3. ansonsten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller
oder eine der mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung
beauftragte Person die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässig-
keit nicht besitzt. Ein Antragsteller ist in der Regel als unzuverlässig
anzusehen, wenn er in den letzten fünf Jahren vor Stellung des Antrages
wegen einer oder mehrerer Straftaten gegen die persönliche Freiheit, ge-
gen das Leben, die körperliche Unversehrtheit sowie die sexuelle Selbst-
bestimmung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr
verurteilt worden ist.

(4) Die Erlaubnis ist zurückzunehmen, wenn bei ihrer Erteilung nicht be-
kannt war, dass Tatsachen der in Absatz 3 bezeichneten Art vorlagen. Sie ist
zu widerrufen, wenn nach ihrer Erteilung Tatsachen der in Absatz 3 bezeich-
neten Art eingetreten sind.

(5) Die Erlaubnis kann widerrufen werden, wenn eine der in der Erlaubnis
enthaltenen Auflagen nicht beachtet worden ist.

(6) Die durch das Erlaubnisverfahren erlangten Daten von Personen, die
die Prostitution ausüben, dürfen nur für die Überwachung der gewerblichen
Tätigkeit, die Überprüfung der Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher
Pflichten sowie statistische Erhebungen verwendet werden. Eine Weitergabe
von Daten der die Prostitution ausübenden Personen an private Dritte oder
die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen.“

3. Dem § 159 wird folgender § 160 angefügt:

㤠160
Übergangsregelung zu § 30a

Der Betrieb von Prostitutionsstätten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens
dieses Gesetzes in Betrieb sind, gilt bis zum 1. Januar 2014 als genehmigt.“

Berlin, den 25. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung
Das Prostitutionsgesetz hat auch nach Einschätzung von Praktikern der Polizei
und Staatsanwaltschaft einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der Aus-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14228

beutung von Prostituierten geleistet, weil es die Prostitution aus dem gesell-
schaftlichen Dunkelfeld geholt hat. Die Antragsteller stimmen jedoch mit den
Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP überein, dass der Schutz von Pro-
stituierten in Prostitutionsstätten dadurch verbessert werden kann und muss,
dass auf diese gewerberechtliche Regelungen angewandt werden.

Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ist jedoch zur Erreichung der Ziele
– insbesondere Schutz der Prostituierten vor Ausbeutung – unzureichend und
auch im Übrigen nicht hinreichend klar, so dass in der Gesetzesanwendung Pro-
bleme drohen.

Die Koalitionsfraktionen wollen in der Gewerbeordnung selbst nur die singuläre
Aussage treffen, dass Prostitutionsstätten der Überwachung bedürfen. Proble-
matisch ist schon, dass dieser Begriff nicht einmal im Ansatz definiert ist. Zwar
enthält die Begründung des Gesetzes insoweit Ausführungen, denen in der Ziel-
richtung zugestimmt werden kann, es darf jedoch bezweifelt werden, dass die
nötige einheitliche Verwaltungspraxis allein über die Gesetzesbegründung er-
reicht werden kann. Noch kritikwürdiger ist, dass der Gesetzentwurf der Koali-
tionsfraktionen noch nicht einmal im Ansatz definiert, welche Vorkehrungen
zum Schutz der Prostituierten in der Prostitutionsstätte zu beachten sind. Diese
wichtige Frage darf nicht der Verwaltungspraxis oder dem Verordnungsgeber
(dem im Übrigen hierzu auch keine Vorgaben gemacht werden) überlassen blei-
ben. Ohne klare Vorgaben im Gesetz droht die Gefahr, dass es keine hinrei-
chende Kontrolle gibt.

Deshalb sieht der Änderungsantrag – insoweit strenger als der Antrag der Koa-
litionsfraktionen – vor, dass eine Genehmigungspflicht für Prostitutionsstätten
eingeführt wird und in der entsprechenden Norm selbst Schutzregelungen für
die Prostituierte getroffen werden (vgl. § 30a Absatz 2 der Gewerbeordnung –
GewO n. F.).

Problematisch ist im Übrigen auch, dass durch den Entwurf der Koalitionsfrak-
tionen eine Vielfalt von Streitfragen ausgelöst werden können, die der Entwurf
in keiner Weise bearbeitet. Die bisherige gewerberechtliche Praxis der Länder
ging davon aus, dass die Regelungen der GewO auf den gesamten Bereich der
Prostitution nicht passen und deshalb nicht angewendet werden können. Wenn
nunmehr für den Bereich der Prostitutionsstätten eine Regelung in der GewO ge-
troffen wird, kann diese Aussage nicht ohne Weiteres aufrechterhalten werden.
Vertreten ließe sich daher, dass mit dem Gesetz – mittelbar – auch die Entschei-
dung getroffen worden sei, dass selbständige Prostituierte (außerhalb von Pros-
titutionsstätten) nunmehr einer Anzeigepflicht unterworfen seien und ihre Daten
veröffentlicht werden dürfen (vgl. § 14 GewO). Für die Straßenprostitution
könnte sich – paradoxerweise nicht in kleineren Gemeinden – sogar die Frage
stellen, ob nunmehr eine Genehmigungspflicht konstituiert werden soll (vgl.
Rendzikowski, Plädoyer für eine gewerberechtliche Reglementierung der Pros-
titution in: GewArch 2008, S. 432 bis 435). Beide Folgen würden viele Prosti-
tuierte voraussichtlich erneut in die Illegalität treiben und damit kontraproduk-
tive Wirkungen haben.

Der Änderungsantrag enthält insofern Modifikationen gegenüber dem Entwurf
der Koalitionsfraktionen. Die vorgeschlagenen Änderungen stellen jedoch keine
abschließende Bearbeitung des Regelungsbereiches dar. Vielmehr bedarf es in
der nächsten Legislaturperiode einer umfassenden Reform. Im Rahmen dieser
Reform wird zu prüfen sein, ob die Besonderheiten, die mit der Erbringung
sexueller Handlungen gegen Entgelt einhergehen, weitere gesetzliche Änderun-
gen erforderlich machen.

Drucksache 17/14228 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Im Einzelnen

Zu Nummer 1 (§ 6 GewO)

Zu Buchstabe a (Absatz 1 Satz 4 – neu – GewO)

§ 6 Absatz 1 Satz 4 GewO stellt den Anwendungsbereich der GewO explizit
klar. Eine Anzeigepflicht für selbständige Prosituierte (außerhalb von Prostitu-
tionsstätten) bzw. eine Genehmigungspflicht für die Straßenprostitution schei-
den demnach aus.

Zu Buchstabe b (Absatz 2 Satz 2 – neu – GewO)

§ 6 Absatz 2 GewO g. F. erklärt die Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen
Grundsätze der §§ 105 ff. GewO für alle Arbeitnehmer. Durch die Eröffnung des
Anwendungsbereiches der GewO für Prostitutionsstätten erscheint es vertretbar,
die Grundsätze der §§ 105 ff. GewO auch auf Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer in Prostitutionsstätten anzuwenden. Nach § 106 Satz 1 GewO g. F. kann
der Arbeitgeber „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermes-
sen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch […] gesetz-
liche Vorschriften festgelegt sind“. Der Änderungsantrag sieht – anders als der
Entwurf der Koalitionsfraktionen – eine gesetzliche Beschränkung des Wei-
sungsrechts gegenüber Personen, die die Prostitution ausüben, vor.

Zu Nummer 2 (§ 30a – neu – GewO)

Um einen einheitlichen Verwaltungsvollzug zu gewährleisten, enthält der Ände-
rungsantrag eine gesetzliche Definition des Begriffs der Prostitutionsstätte. Eine
Prostitutionsstätte ist danach gegeben, wenn im stehenden Gewerbe – d. h. nicht
im Reisegewerbe oder dem Messe-, Ausstellungs- oder Marktverkehr – die Pro-
stitution Dritter angeboten oder ermöglicht wird (vgl. § 30a Absatz 1 GewO).
Des Weiteren sieht der Änderungsantrag – insoweit strenger als der Gesetzent-
wurf der Koalitionsfraktionen – vor, dass eine Genehmigungspflicht für Pros-
titutionsstätten eingeführt wird und in der entsprechenden Norm selbst Schutz-
regelungen für die Prostituierten getroffen werden (vgl. § 30a Absatz 2 GewO).
Sofern der Antragsteller diesen Schutzpflichten nicht nachkommt, liegt ein
zwingender Versagungsgrund für die Erlaubnis vor (vgl. § 30a Absatz 3 Num-
mer 1 GewO). Nach § 30a Absatz 3 Nummer 3 Satz 1 GewO liegt ein zwingen-
der Versagungsgrund auch vor, wenn ansonsten Tatsachen die Annahme recht-
fertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuver-
lässigkeit nicht besitzt. Diese generelle Norm wird durch die Regelbeispiele des
§ 30a Absatz 3 Nummer 3 Satz 2 GewO beispielhaft erläutert, die Beispiele stel-
len jedoch keine erschöpfende Aufzählung dar.

Zu Nummer 3 (§ 160 – neu – GewO)

Für bestehende Prostitutionsstätten sieht § 160 GewO eine Übergangsfrist vor,
bis zu deren Ablauf der Betrieb als genehmigt gilt.

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