BT-Drucksache 17/13748

zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Klaus-Peter Flosbach, Peter Götz, Dr. Michael Meister, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Birgit Reinemund, Heiner Kamp, Dr. Volker Wissing, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP - Drucksachen 17/11461, 17/13343 - Lage der Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland

Vom 5. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13748
17. Wahlperiode 05. 06. 2013

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Britta Haßelmann, Tabea Rößner, Bettina Herlitzius,
Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Dr. Thomas Gambke,
Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian Kindler,
Maria Klein-Schmeink, Oliver Krischer, Dr. Tobias Lindner, Beate Müller-Gemmeke,
Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Gerhard Schick, Ulrich
Schneider, Dr. Harald Terpe, Arfst Wagner (Schleswig), Beate Walter-Rosenheimer
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der
Abgeordneten Klaus-Peter Flosbach, Peter Götz, Dr. Michael Meister, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Birgit Reinemund, Heiner Kamp, Dr. Volker Wissing,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksachen 17/11461, 17/13343 –

Lage der Kommunen in der Bundesrepublik Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Kommunen sind unterfinanziert

Die finanzielle Lage sehr vieler Kommunen ist schlecht. Hauptschuld an dieser
Misere ist ihre unzureichende Finanzausstattung. Die sozialen Kosten explo-
dierten im letzten Jahrzehnt (60 Prozent). Die kommunale Verschuldung nimmt
exzessiv zu und die Sachinvestitionen sinken. Das Ergebnis der chronischen
Unterfinanzierung, insbesondere im letzten Jahrzehnt, ist eine erhebliche kom-
munale Verschuldung von 133,6 Mrd. Euro Ende 2012 (inkl. Kassenkrediten).
Ergänzt wird diese finanzielle Bürde nach einer Untersuchung der KfW Banken-
gruppe durch einen kommunalen Investitionsstau in Höhe von 128 Mrd. Euro.
Allein im letzten Jahr stieg der verschobene Investitionsbedarf um 28 Mrd. Euro
an. Dies verdeutlicht: Die Kommunen brauchen eine bessere Finanzausstattung.
Erschwerend kommt die Entwicklung zu einer Zweiklassengesellschaft inner-
halb der kommunalen Familie hinzu. Die Steuereinnahmen verteilen sich höchst
ungleich. Die Folge ist eine exzessive Zunahme der Verschuldung der Kommu-
nen auch in konjunkturell guten Zeiten. Eklatant zeigt sich das bei den Kassen-
krediten. Trotz steigender Steuereinnahmen wuchsen sie 2011 um fast 10 Pro-
zent und erreichten Mitte 2012 ein Niveau von 48 Mrd. Euro. Seit dem Ende des
Jahres 2008 nahmen die Kassenkredite um 19 Mrd. Euro zu. Das entspricht

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einem Anstieg um 65 Prozent in drei Jahren. Ein starker Zusammenhang besteht
zwischen der Höhe der kommunalen Kassenkredite und den sozialen Pflichtaus-
gaben, d. h. soziale Leistungen können viele Kommunen nur über Kassenkredite
finanzieren.

Kommunen in schwierigen Haushaltslagen werden vom konjunkturellen Auf-
schwung abgekoppelt. Der saldierte Gesamtüberschuss aller Kommunen 2012
erreicht insbesondere die finanzstarken Gemeinden. Die KfW Bankengruppe
hält fest: Während Kommunen mit Defiziten diese 2012 minimal reduzieren
konnten, verdoppelten sich die Haushaltsüberschüsse der finanzstarken Kom-
munen gegenüber dem Vorjahr. Außerdem fallen die Investitionen bei hohem
Kassenkreditbestand besonders niedrig aus. Die Schere zwischen armen und
reichen Kommunen klafft immer weiter auseinander. Auch fließen die Förder-
mittel aus den Bundesprogrammen nicht zielgerichtet in die finanzschwachen
Kommunen. Hochverschuldete Kommunen können die erforderliche Kofinan-
zierung für Investitionen in Energie-, Klimaschutz- und Städtebauprojekte nicht
aufbringen.

Die finanziellen Nöte der Kommunen sind noch lange nicht überwunden. Jubel-
rufe der Bundesregierung über „das erfreuliche Jahr 2012“ aufgrund des erst-
maligen leichten Finanzierungsüberschusses nach Jahren hoher Defizite sind
vollkommen verfehlt. Das Jahresergebnis wurde auf Kosten von Zukunftsinves-
titionen erzwungen. Auch die Verschuldungsspirale dreht sich weiter: Laut
KfW-Kommunalpanel werden ein Drittel aller Städte und die Hälfte der Groß-
städte auch 2012 und 2013 ihre Kassenkreditbestände weiter ausweiten müssen.

Die Kommunen sind strukturell unterfinanziert. Bund und Länder sind als
Gesetzgeber gefragt, diese strukturelle Unterfinanzierung zu beseitigen. Die
ablehnende Haltung der Bundesregierung gegenüber weiteren Entlastungen der
Kommunen auf Kosten des Bundes ist falsch. Außerdem sind die Länder auf-
gerufen, durch funktionierende kommunale Finanzausgleiche zur besseren
Finanzausstattung ihrer Kommunen beizutragen und durch landespezifische
Entschuldungsfonds zu flankieren.

Kommunale Entlastungen Fehlanzeige: Steuersenkungen zu Lasten der Kom-
munen

Einzige nachhaltige Entlastung der Kommunen in dieser Legislaturperiode ist
die Übernahme der Grundsicherung im Alter, erwirkt durch Verhandlungen und
Druck der Bundesländer im Vermittlungsausschuss. Diese Entlastung ist gut und
dringend erforderlich. Sie ist jedoch nicht geeignet, den dramatischen Kosten-
zuwachs bei den sozialen Pflichtleistungen für die Kommunen insgesamt abzu-
federn. Die Übernahme der Grundsicherung im Alter kann deshalb nur ein erster
Schritt sein, ist sie doch nur für 10 Prozent der kommunalen Sozialausgaben ver-
antwortlich. Allein die jährlichen Ausgabensteigerungen bei den sozialen Leis-
tungen in Höhe von ca. 3,2 Prozent 2011 und 3,6 Prozent 2012 zeigen, wie
schnell weitere Kostensteigerungen diese Entlastung zunichte machen werden.
Deshalb sind Bund und Länder weiter gefordert. Eine spürbare Entlastung bei
den Sozialausgaben ist weiterhin notwendig.

Andere zentrale Gesetzesinitiativen der Bundesregierung wie das Wachstums-
beschleunigungsgesetz senken die kommunalen Steuereinnahmen jährlich um
ca. 1,3 Mrd. Euro und schwächen die finanzielle Basis der Kommunen nachhal-
tig. Insgesamt entziehen Steuergesetze wie die sog. Mövenpick-Steuer zwischen
2010 bis 2013 den Kommunen ca. 5,2 Mrd. Euro. Außerdem bagatellisiert die
Bundesregierung die Notlage der Kommunen durch Entlastungshinweise, wie
„durch Senkung der Sozialversicherungen werden die Kommunen auch bei den
Personalausgaben entlastet.“ Der exzessive Anstieg der Kassenkredite in den

letzten zehn Jahren wird mit dem Hinweis „die Inanspruchnahme der Kassen-
kredite ist kein flächendeckendes Problem“ marginalisiert. Aus Sicht der Bun-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13748

desregierung konzentrieren sich die Kassenkredite „nur“ auf fünf Bundesländer.
In diesen fünf Bundesländern wohnt aber knapp die Hälfte der bundesdeutschen
Bevölkerung. Die KfW Bankengruppe kommt zu dem Ergebnis „Kassenkredite
steigen ungebremst.“

Gemeindefinanzkommission ohne Ergebnis

Die Bundesregierung blockiert auch die wenigen eigenen Reformvorschläge.
Lösungsvorschläge der Gemeindefinanzkommission im Bereich Standards wer-
den aufgrund einer möglichen Lastenverschiebung zu Ungunsten des Bundes
verworfen. So wurden bisher erst 9 Prozent der ursprünglich 200 Vorschläge
umgesetzt. Die von der Bundesregierung aufgeführten Gesetzesvorhaben wur-
den dem Bund in zähen Verhandlungen von den Ländern abgerungen. Anstatt
neue Handlungsspielräume zu schaffen, droht den Kommunen dank der Unter-
stützung der Bundesregierung im Ministerrat der Europäischen Union sogar
eine erhebliche Einschränkung eigener Handlungsspielräume. Die Dienstleis-
tungskonzessionsrichtlinie der EU plant einen tiefen Eingriff in die wirtschaft-
liche Betätigung der Kommunen. Insbesondere die kommunale Betätigung im
Bereich der Trinkwasserversorgung und bei interkommunalen Kooperationen
wird unverhältnismäßig eingeschränkt.

Auch hat sich die Bundesregierung in der Gemeindefinanzkommission nicht
ernsthaft mit den Strukturproblemen der Städte und Gemeinden befasst. Sie
fokussierte ihre Kraft darauf, die Gewerbesteuer durch eine Reform der Einkom-
mensteuer zu ersetzen. Dieser Reformvorschlag hätte die kommunalen Steuer-
einnahmen um 5 Mrd. Euro gesenkt und scheiterte letztendlich an dem Wider-
stand der kommunalen Spitzenverbände, vieler Länder und der Opposition.

Insgesamt versäumte die Bundesregierung es, in der Gemeindefinanzkommis-
sion die Finanzen der Kommunen auf eine neue solide Basis zu stellen und Wege
zu eröffnen, überschuldete Kommunen aus ihrer ausweglosen Situation zu be-
freien.

128 Mrd. Euro kommunaler Investitionsstau

Die Bundesregierung höhlt die Unterstützung von kommunalen Investitionsent-
scheidungen systematisch aus. Den eigenen Konsolidierungsdruck beantwortet
die Bundesregierung gezielt mit Kürzungen zentraler Investitionsprogramme
der Kommunen. Das Zukunftsinvestitionsgesetz stammt noch aus der letzten
Legislaturperiode. Die Investitionen für die kommunale Verkehrsinfrastruktur
und Wohnraumförderung durch das Entflechtungsgesetz stellt die Bundesregie-
rung in Frage und verhindert durch die Verlängerung um lediglich ein Jahr bis
2014 Investitionssicherheit. Sie will eine degressive Ausgestaltung bis 2019.
Dies widerspricht dem seit Jahren festgestellten Investitionsstau bei der kommu-
nalen Verkehrsinfrastruktur, die für über ein Viertel des gesamten Investitions-
rückstands in Höhe von 128 Mrd. Euro verantwortlich ist.

Die Fördermittel für die Städtebauförderung wurden von einem Niveau von
610 Mio. Euro 2010 durch die Bundesregierung auf 455 Mio. Euro in 2011 ge-
kürzt. Nach weiteren Kürzungsandrohungen im Rahmen der Haushaltsberatun-
gen hat die Bundesregierung die Mittel jetzt auf dem viel zu niedrigen Niveau
von 455 Mio. Euro verstetigt. Sogar ein Gutachten der Bundesregierung setzt
den tatsächlichen Bedarf bei 700 Mio. Euro an. Das Erfolgsprogramm „Soziale
Stadt“ wurde durch die Kürzung der Bundesmittel um rund 70 Prozent im
November 2010 bedeutungslos. Die notdürftige Fortsetzung der Förderung er-
möglicht kaum die dringende Ausweitung auf neue Gebiete. Das Ergebnis ist:
2011 wurde nur ein Programmgebiet neu aufgenommen, 2009 waren es noch 48.

Das Gebäudesanierungsprogramm der KfW Bankengruppe wurde massiv ge-

kürzt, von 2,2 Mrd. Euro in 2009 auf rund 900 Mio. Euro in 2011. Inzwischen

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wurde es mit vielen Unsicherheiten und Änderungen auf derzeit rund 1,5 Mrd.
Euro festgeschrieben.

Die Initiativen Nationale Klimaschutzinitiative (NKI) und Energie- und Klima-
fond (EKF) sind hoffnungslos unterfinanziert und nicht geeignet, den immensen
Investitionsbedarf vor Ort zu stützen. Denn ihre Finanzierung hängt vom Son-
dervermögen des Energie- und Klimafonds ab und damit direkt vom Zertifika-
tepreis des Emissionshandels, die den Fonds füllen. Dieser ist allerdings einem
drastischen Preisverfall unterworfen. Verantwortlich hierfür ist die Bundesregie-
rung, die sämtlichen Reformanstrengungen auf europäischer Ebene bisher eine
Absage erteilt hat. Infolge der unzureichenden Finanzausstattung ist die Finan-
zierung wichtiger und notwendiger Effizienzprogramme höchst ungewiss.

Verschont von den systematischen Kürzungen kommunalrelevanter Förderpro-
gramme bleiben nicht einmal die wirtschaftspolitischen Lieblingsprojekte der
Bundesregierung: Die Förderung der Gemeinschaftsaufgabe zum Ausbau der
wirtschaftsnahen Infrastrukturmaßnahmen in den Kommunen verlor innerhalb
von zwei Jahren mehr als ein Drittel der Bundesfördermittel.

Die systematische Konsolidierung des Bundes auf Kosten der Investitionsförde-
rung der Kommunen verhindert die Chance, den zunehmenden Investitionsstau
zu verlangsamen. Der Handlungsbedarf wird in die Zukunft verschleppt.

Bund in der Verantwortung/Kommunale Pflichtaufgaben werden nicht ausfinan-
ziert

Die Übertragung von Aufgaben durch Bund und Länder an die Kommunen
muss mit der Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel einhergehen.
Hier muss das Prinzip gelten „Wer bestellt, bezahlt.“

Die Bundesregierung liefert zahlreiche Beispiele mangelnder Konnexität. So
werden die Kommunen bei der Finanzierung des Bildungs- und Teilhabepakets
im Stich gelassen: Die Bundesregierung erklärt in ihrer Antwort, dass die Finan-
zierung des außerschulischen Hortmittagessens und der Schulsozialarbeit mit
dem Jahr 2013 enden werde. Dies ist nicht nachvollziehbar. Gerade das Instru-
ment der Schulsozialarbeit funktioniert und zeigt Wirkung. Dies ist ein Allein-
stellungsmerkmal im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets.

Gravierend ist auch die Ignoranz der Bundesregierung gegenüber erheblichen
Finanzierungsproblemen beim Kitaausbau. Letztlich müssen Finanzlöcher von
den Kommunen als Ausfallbürgen getragen werden, um den Rechtsanspruch auf
einen Betreuungsplatz für unter 3-Jährige ab August dieses Jahres gewährleisten
zu können. Die von der Bundesregierung kalkulierten 750 000 Plätze für unter
3-Jährige sind für die Realisierung des Rechtsanspruchs nicht ausreichend.
Doch auch dieser zu niedrig angesetzte Bedarf ist kurz vor Inkrafttreten des
Rechtsanspruchs nicht umgesetzt. Laut dem Statistischen Bundesamt fehlen bis
zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs am 1. August 2013 noch 220 000 U3-
Plätze, um das auf Drängen der Länder um 30 000 Plätze aufgestockte Ziel von
780 000 Plätzen zu erreichen. Die Bundesregierung versäumt es seit 2010, auf
der Grundlage einer soliden Bedarfserhebung eine vernünftige und faire Finanz-
vereinbarung zu treffen und führt stattdessen das unsinnige Betreuungsgeld ein.

Kommunen werden allein gelassen

Die Bundesregierung ignoriert drängende Probleme und lässt den notwendigen
Weitblick vermissen. Sie bleibt Antworten auf die Probleme, die der Wohnungs-
mangel in Ballungszentren und Universitätsstädten aufwirft, schuldig. Eine Ver-
knüpfung von sozialem Wohnungsbau und sozialverträglicher energetischer
Stadtsanierung fehlt. Stattdessen wurde in 2011 der Heizkostenzuschuss zum

Wohngeld gestrichen, obwohl die Heizkosten drastisch angestiegen sind.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/13748

Die Bundesregierung hat es versäumt, die Kommunen fit für den demografi-
schen Wandel zu machen. Sie hat kein eigenes Demografiekonzept. Gipfeltref-
fen, die Förderung der regionalen Wirtschaft und befristete Projekte in einigen
wenigen Modellregionen reichen bei weitem nicht aus, die örtliche Daseinsvor-
sorge in weiten Regionen Deutschlands auch künftig noch aufrechtzuerhalten.
Dabei ist der Investitionsbedarf für Rück- und Umbau gravierend. Laut der KfW
Bankengruppe werden aktuell schon 20 Prozent der kommunalen Investitionen
in diesem Bereich getätigt. Der Bedarf nimmt auch kurzfristig noch zu. Die
Kommunen rechnen mit Investitionen in Höhe von 25 Mrd. Euro allein in den
nächsten fünf Jahren für diesen Bereich. Völlig kontraproduktiv ist deshalb die
Streichung der Bundesfördermittel im Programm der KfW Bankengruppe
„Altersgerecht Umbauen“ zum Jahr 2012 von 40 Mio. Euro auf null.

Das bestehende Kooperationsverbot in der Bildungspolitik erweist sich als
gravierendes Hindernis für die Erfüllung einer der zentralen kommunalen Auf-
gaben, der „Sicherung und Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge“. Die
Bundesregierung hat ihre eigene Idee, die Bildungseinrichtungen vor Ort durch
„Bildungsbündnisse“ zu stärken, torpediert, weil sie keinen Vorschlag zur Auf-
hebung des Kooperationsverbotes vorgelegt hat. Letztendlich sorgt die Beibe-
haltung des Kooperationsverbotes durch die Bundesregierung für die Ausklam-
merung der Bildungspolitik bzw. für nicht nachvollziehbare und umstrittene
Umwegkonstruktionen wie beim Bildungs- und Teilhabepaket.

Der Bund soll gemeinsam mit den Ländern die kommunalen Haushalte wieder
auf eine solide Finanzgrundlage stellen. Städte, Gemeinden und Gemeindever-
bände müssen ihre wichtigen und vielfältigen Aufgaben erfüllen können. Die
strukturelle Schieflage der Finanzen bildet hierfür ein hohes Hindernis. Der Ein-
spardruck des letzten Jahrzehnts hinterlässt tiefe Spuren in vielen Bereichen der
öffentlichen Daseinsvorsorge.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

1. die Finanzkraft der Kommunen zu stärken, indem ihre Einnahmen verbessert
werden durch

a) eine Erhöhung der Bundesbeteiligung an den reinen Kosten für Unter-
kunft und Heizung in zwei Schritten auf 37,7 Prozent. Inklusive der Fort-
führung des Ausgleichsbetrages für Warmwasser, der Verwaltungskosten
des Bildungspaktes, der Hortmittel, der Schulsozialarbeit und der Sonder-
quote für das Bildungs- und Teilhabepaket erhöht sich die Bundesbeteili-
gung auf 49 Prozent;

b) eine Ablösung der bisherigen Eingliederungshilfe durch ein Teilhabeleis-
tungsgesetz inklusive einer angemessen Beteiligung des Bundes an der
Finanzierung;

c) eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirt-
schaftssteuer unter Einbeziehung der freien Berufe sowie der land- und
forstwirtschaftlichen Betriebe und einer Ausweitung der Fremdfinanzie-
rungsanteile;

d) eine Reform der Grundsteuer hin zu einer Bemessungsgrundlage auf
Grundlage pauschalierter Verkehrswerte;

2. die Kommunen bei der Überwindung ihres Investitionsstaus zu unterstützen
durch

a) die Fortschreibung der Entflechtungsmittel bis 2019;

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b) eine Anhebung des Verpflichtungsrahmens der Bundesmittel für die Städ-
tebauförderung auf das ursprüngliche Niveau von 610 Mio. Euro und eine
perspektivische Erhöhung auf den tatsächlichen Bedarf von 700 Mio.
Euro jährlich;

c) die Fortführung des Programms „Soziale Stadt“ als Leitprogramm im
Rahmen der Städtebauförderung und der Aufstockung des Fördervolu-
mens mindestens auf das Niveau von 2009 in Höhe von 105 Mio. Euro;

d) eine Initiative, die die Teilnahme von Kommunen in prekären Haushalts-
lagen an Förderprogrammen ermöglicht;

e) die Auflage eines Energiesparfonds und dessen Ausstattung in Höhe von
jährlich 3 Mrd. Euro der aus dem Abbau klima- und umweltschädlicher
Subventionen finanziert wird, um damit u. a. die energetische Sanierung
ausgewählter Stadtviertel, insbesondere solcher mit einem hohen Anteil
einkommensschwacher Haushalte zu unterstützen oder ein Kommunal-
programm zur Sanierung öffentlicher Gebäude zu finanzieren;

f) zusätzlich zum Energieeinsparfonds eine verlässliche Ausstattung der Ge-
bäudesanierungsprogramme der KfW Bankengruppe in Höhe von 2 Mrd.
Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt;

g) zur Realisierung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung umge-
hend ein Sofortprogramm für Kommunen aufzulegen, zur Förderung der
Qualität in der Kindertagesbetreuung einen Rechtsanspruch auf einen
Ganztagsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr sowie bundesweit
einheitliche qualitative Mindeststandards im Achten Buch Sozialgesetz-
buch zu verankern, dafür insgesamt jährlich 1 Mrd. Euro zur Verfügung zu
stellen sowie die für das Betreuungsgeld eingeplanten Mittel umgehend in
den Kitaausbau zu investieren;

3. die Handlungsspielräume der Kommunen nicht unnötig zugunsten der Eröff-
nung von Märkten zu beschränken und zumindest die Trinkwasserversor-
gung sowie die zusätzlichen Einschränkungen zur interkommunalen Zusam-
menarbeit aus der Dienstleistungskonzession zu streichen, wenn sie als
Ganzes nicht mehr zu stoppen ist;

4. einen Nationalen Aktionsplan aufzulegen, der klare und explizite politische
Schritte zur Bewältigung des demografischen Wandels vorsieht und alle be-
troffenen Politikfelder umfasst;

5. im Rahmen der Verhandlungen mit den Ländern noch vor Ablauf der Legis-
latur einen Entwurf für eine Grundgesetzänderung vorzulegen, die eine be-
züglich der jeweiligen Verantwortlichkeit transparente Zusammenarbeit so-
wie eine neue Kooperations- und Vertrauenskultur von Bund und Ländern im
Bildungs- und Wissenschaftsbereich ermöglicht.

Berlin, den 4. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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