BT-Drucksache 17/13568

Nachhaltige und gerechte Rohstoffpolitik - Innovationsstrategie für die Wirtschaft

Vom 15. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13568
17. Wahlperiode 15. 05. 2013

Antrag
der Abgeordneten Dr. Tobias Lindner, Oliver Krischer, Ute Koczy, Kerstin Andreae,
Dr. Frithjof Schmidt, Dorothea Steiner, Nicole Maisch, Dr. Hermann E. Ott, Beate
Walter-Rosenheimer, Susanne Kieckbusch, Viola von Cramon-Taubadel,
Dr. Valerie Wilms, Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Harald Ebner,
Hans-Josef Fell, Katrin Göring-Eckardt, Maria Klein-Schmeink, Stephan Kühn,
Omid Nouripour, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Gerhard Schick, Hans-Christian Ströbele, Markus Tressel, Daniela Wagner und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nachhaltige und gerechte Rohstoffpolitik – Innovationsstrategie für die Wirtschaft

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Versorgung mit Rohstoffen zählt zu den strategisch bedeutendsten Themen
für die deutsche Wirtschaft. Die deutsche Industrie ist bei fast allen metallischen
Rohstoffen von Importen abhängig. Kein Auto, keine LED und keine Solarzelle
kommt ohne Schlüsselrohstoffe wie Kobalt, Platin oder Seltene Erden aus. Die
Transformation zu einer grünen, also klimaneutralen und ressourceneffizienten
Ökonomie, ist ohne die strategisch wichtigen High-Tech-Metalle undenkbar.
Wenn nicht durch gezielte Effizienzsteigerungen bzw. Einsparungsmaßnahmen
gegengesteuert wird, wird durch die rasche Entwicklung im Bereich von High
Tech und grünen Industrien die Nachfrage nach strategischen Rohstoffen wie
Seltenen Erden in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen. Eine kluge und
nachhaltige Rohstoffpolitik muss sicherstellen, dass wichtige Innovationen,
z. B. im Bereich Umwelttechnologien, nicht durch mangelnde Rohstoffverfüg-
barkeit behindert werden.

Gleichzeitig sind die Folgen des Rohstoffabbaus und des Rohstoffhandels für
rohstoffreiche Länder häufig negativ. Die Gewinnung und Weiterverarbeitung
der Rohstoffe geht in den Ländern des globalen Südens oft mit schweren sozia-
len Verwerfungen, Korruption, Menschenrechtsverletzungen, Eingriffen in Natur
und Landschaft, Flächenverschleiß, Material- und Energieverbrauch sowie
Schadstoffbelastungen in Boden, Wasser und Luft einher. Die Auswirkungen
von zerstörten Lebensräumen, sozialen Verteilungskonflikten bis hin zu kriege-
rischen Auseinandersetzungen stellen große Risiken sowohl für die Entwick-
lung der rohstoffreichen Länder als auch für eine langfristige und nachhaltige

Ressourcensicherung der rohstoffbeziehenden Länder dar. Darüber hinaus ver-
ursacht eine extensive Ressourcenextraktion nicht nur regionale ökologische
Schäden, sondern hat durch die Belastungen der Senken im globalen Umwelt-
raum (Erdatmosphäre, Meere etc.) negative Folgen auf globaler Ebene.

Diese Ausgangslage stellt die Gesellschaft vor eine große Herausforderung, der
die Rohstoffpolitik der Bundesregierung nicht gerecht wird. So setzt die im

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Oktober 2010 von der Bundesregierung vorgelegte Rohstoffstrategie einseitig
auf den Zugang zu und die Sicherung von Rohstoffen. Der Abbau von Wett-
bewerbsverzerrungen und Handelshemmnissen steht aktuell im Mittelpunkt der
gegenwärtigen Rohstoffpolitik.

Im Gegensatz dazu setzt eine grüne Rohstoffstrategie auf Effizienz, Recycling,
Substitution und Einsparung. Eine solch umfassende Innovationsstrategie ist
erforderlich für eine dauerhafte Sicherung der Rohstoffversorgung, für eine
nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen und für eine belastbare
Kooperation mit den rohstoffreichen Partnerländern. Die grüne Rohstoff-
strategie stellt den Zugang zu und den Umgang mit Rohstoffen auf eine gerechte
und nachhaltige Grundlage. Im Mittelpunkt stehen eine faire Verteilung von
Ressourcen und Entwicklungschancen für rohstoffreiche Entwicklungsländer.
Zudem geht es um die Entkopplung des Rohstoffverbrauchs vom wirtschaft-
lichen Wachstum unserer Gesellschaft. Dazu hat die Enquete-Kommission des
Deutschen Bundestages „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ in ihrem
jüngst vorgelegten Abschlussbericht (Bundestagsdrucksache 17/13300) frak-
tionsübergreifend festgestellt, dass eine absolute Reduktion des globalen
Ressourcenverbrauchs erforderlich ist. Solange Wachstum mit einem stetig
steigenden Ressourcenverbrauch einhergeht, ist es nicht nachhaltig. Es bedroht
die Ökosysteme der Erde und führt zu sozialen Verwerfungen. Eine nachhaltige
Wirtschaft kann es nur mit einer echten Reduktion des Ressourcenverbrauchs
und mit einer konsequenten Minderung der Umweltauswirkungen der Rohstoff-
wirtschaft geben.

Reine Beschaffungsstrategie und nationale Alleingänge der Bundesregierung
greifen zu kurz

Zentrales Element der Rohstoffpolitik der Bundesregierung sind die Rohstoff-
partnerschaften, die mit Kasachstan, der Mongolei und Chile bereits besiegelt
wurden. Das Beispiel Kasachstan verdeutlicht, dass die Bundesregierung bei
der Umsetzung ihrer Rohstoffstrategie Menschenrechte der Rohstoffsicherung
unterordnet. Weder die brutale Niederschlagung des Streiks von Ölarbeiterinnen
und Ölarbeitern im Dezember 2011 in Shanaosen, bei dem nach offiziellen An-
gaben 16 Menschen ums Leben kamen, noch die gelenkten Parlamentswahlen
vom Januar 2012 und die andauernden Verhaftungen von Oppositionellen und
Journalistinnen und Journalisten hielten die Bundesregierung davon ab,
Kasachstan im Februar 2012 durch Unterzeichnung der Rohstoffpartnerschaft
als privilegierten Rohstoffpartner aufzuwerten.

Die Zivilgesellschaft ist in die Rohstoffpartnerschaften nicht eingebunden, und
es ist seitens der Bundesregierung nicht vorgesehen, der Zivilgesellschaft in den
Governance-Strukturen der Rohstoffpartnerschaften eine Beteiligung zu er-
möglichen.

Zudem sind die deutschen Rohstoffpartnerschaften nicht in ein europäisches
oder internationales Konzept eingebunden. Statt eines immer härteren Wett-
kampfs der Nationen bedarf es der internationalen Kooperation und des Auf-
baus einer multilateralen Rohstoffgovernance. Denn ohne eine stärkere Institu-
tionalisierung der globalen Rohstoffpolitik und ohne verbindliche ökologische,
soziale und menschenrechtliche Standards gehen der Rohstoffabbau und -han-
del weiter auf Kosten der Menschen in rohstoffreichen Entwicklungsländern.

Vor diesem Hintergrund ist der Zusammenschluss der deutschen Wirtschaft in
einer Rohstoffallianz, die allein den Zugang zu Rohstoffen sichern soll, z. B.
durch Beteiligung an der Erschließung von Rohstoffen und durch Bündelung
der Nachfrage, kritisch zu bewerten. Mit einer solchen Allianz befeuert die
deutsche Wirtschaft den Wettlauf um Rohstoffe. Der Rohstoffallianz fehlt ein

klares Bekenntnis zur Einhaltung von Menschenrechts-, Arbeits-, Sozial- und
Umweltstandards bei ihrer Beteiligungen an Minen und Produktionsstätten in

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Schwellen- und Entwicklungsländern und transparente Verfahren. Dazu zählt
bspw. Transparenz bezüglich der Bedingungen, unter denen sich die Allianz auf
Engagements in einem Land einlässt. Schwerpunktthema der Rohstoffallianz
sollte vielmehr die Rohstoffeffizienz sein und als vordringlichste Aufgabe der
deutschen Wirtschaft angegangen werden. Um sich nicht allein auf Import-
sicherung zu beschränken, sollten deutsche Unternehmen zusätzlich mit Unter-
stützung der Bundesregierung eine optimierte, innovative und effizientere Ver-
arbeitung von Rohstoffen in der Bundesrepublik Deutschland und Europa voran-
bringen.

Die grüne Rohstoffstrategie steht für eine nachhaltige Nutzung der Rohstoffe
und die Steigerung der Wertschöpfung vor Ort. Dies muss in erster Linie mit
einem Transfer von Wissen, Know-how und Technologie verbunden sein. Ent-
scheidend ist, dass Rohstoffpolitik auf Augenhöhe mit den Förderländern statt-
findet, sich an verbindlichen menschenrechtlichen, ökologischen und sozialen
Standards orientiert, die Zivilgesellschaft vor Ort einbindet sowie in einem
gemeinsamen europäischen Rahmen gestaltet wird. Darüber hinaus ist klar: Im
Rohstoffsektor sind verpflichtende Maßnahmen dringend erforderlich.

Beim internationalen Kampf gegen die Auswirkungen der Ausbeutung von so-
genannten Konfliktrohstoffen ist der Auf- und Ausbau internationaler Zertifizie-
rungsverfahren ein Instrument, zu dem bereits erste, auch durch die Bundes-
regierung unterstützte Maßnahmen, etwa im Rahmen der internationalen Koope-
ration der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, laufen. Diese
gilt es ebenso wie die Auswirkungen der entsprechenden Regelung im US-ame-
rikanischen Dodd-Frank-Act (Sektion 1502) auf ihre Wirkungen hin zu evaluie-
ren, um negative Konsequenzen für Kleinschürferinnen und Kleinschürfer zu
minimieren. Zertifizierung im Rohstoffsektor kann nur dann ein erfolgreiches
Steuerungsinstrument sein, wenn die komplexen Zusammenhänge berücksich-
tigt und mit angegangen werden. Darüber hinaus ist die umfassende Einbindung
der lokalen Zivilgesellschaft grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche
Zertifizierung. Wenn ein einheitliches und übergreifendes Zertifizierungssystem
geschaffen werden soll, dann müssen dafür auch die großen Abnehmer, also die
Technologiekonzerne, für eine Beteiligung gewonnen werden. Die engagierte
Unterstützung der Bundesregierung und auch der deutschen Wirtschaft würde
den Aufbau von Zertifizierungsketten beschleunigen. Erfolgsversprechende An-
sätze müssen weiterverfolgt und verbessert werden. Klar ist: Um Zertifizierung
zu einem erfolgreichen Steuerungsinstrument werden zu lassen, ist ein umfas-
sendes und komplexes Regularium notwendig.

Darüber hinaus sollte sich die Bundesregierung für den Aufbau von Recycling-
Partnerschaften einsetzen. Auch in Schwellen- und Entwicklungsländern fällt
immer mehr Elektroschrott an. Darüber hinaus wird großer Teil des in Europa
anfallenden Elektroschrotts – häufig illegal – in Entwicklungsländer verschifft.
Bei der bisherigen Form des Recyclings in diesen Ländern sind die Auswirkun-
gen für Umwelt und Menschen oftmals verheerend. Außerdem gehen viele
wertvolle Stoffe verloren. Hier könnten vor Ort mit deutscher Unterstützung
Recyclingkapazitäten auf- und ausgebaut werden, die es erlauben, aus Elektro-
geräten Metalle auszubauen und zur Wiederverwertung anzubieten.

Entwicklungsländern mit großen Rohstoffvorkommen gelingt es selten, ihren
Rohstoffreichtum zu nutzen und ihn in nachhaltige und breite Entwicklungs-
prozesse umzuwandeln. Intransparenz und Korruption im Rohstoffsektor tragen
zu dieser Situation entscheidend bei. Darum braucht eine gerechte und nach-
haltige Rohstoffpolitik verbindliche globale und nationale Regulierungsansätze.
Freiwillige Initiativen, auf die die Bundesregierung setzt, reichen nicht aus.

Im Hinblick auf verpflichtende Transparenzregeln im Rohstoffsektor wurde im

April 2013 mit der Einigung von EU-Rat, Europäischem Parlament und EU-
Kommission ein Durchbruch erzielt. Obwohl die Bundesregierung in Brüssel

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massiv Widerstand geleistet hat, um substanzielle Regeln auf EU-Ebene zu ver-
hindern. Mit der EU-Transparenzregel werden Rohstoff- und Forstunternehmen
ihre Zahlungen (für Förderkonzessionen, Lizenzen, Steuern etc.) an die Regie-
rungen rohstoffreicher Länder auf Projektbasis offenlegen müssen. Solche
Transparenzregeln sind ein entscheidender Schritt im Kampf gegen undurch-
sichtige Geschäfte und Korruption im Rohstoffsektor.

Die Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene auch dem Thema der
Rohstoffspekulation widmen. Bei den gegenwärtigen Verhandlungen zur Re-
form der europäischen Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID)
sollte die Bundesregierung dafür sorgen, dass exzessive Spekulation auf Roh-
stoffe vermieden wird, ohne die wichtigen Absicherungsgeschäfte der Real-
wirtschaft zu beeinträchtigen. In diesen Rahmen sollte die Bundesregierung sich
auf die Ansätze des US-amerikanischen Dodd-Frank-Act stützen und sich für
eine Definition von „bona fide hedging“ sowie „exzessiver Spekulation“ in
der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) stark machen, ebenso wie die ILO-Konven-
tionen (Internationale Arbeitsorganisation) und bezüglich der Umwelt die
Aarhus-Konventionen.

Ressourceneffizienzprogramm der Bundesregierung ist ineffektiv

Am 8. März 2013 wurde vom Deutschen Bundestag das Ressourceneffizienz-
programm ProgRess beschlossen. ProgRess muss jedoch wesentlich konkretere
Impulse für die weitere praktische Entwicklung des Themas enthalten. Anstatt
konkrete Maßnahmen und verbindliche Ziele vorzuschlagen, wie der Ressour-
cenverbrauch effektiv und absolut gesenkt werden kann, bleibt es zu häufig bei
Ankündigungen und Prüfaufträgen. So werden zwar häufig die richtigen Pro-
bleme benannt und analysiert, doch es gibt keine Festlegung von verbindlichen
Maßnahmen, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Weiter ist zu kritisie-
ren, dass sich ProgRess auf Metalle und Mineralien beschränkt. Wichtige Frage-
stellungen im Zusammenhang mit anderen Ressourcen wie zum Beispiel
Wasser, Boden, Fläche, Luft, biotische Rohstoffe und Biodiversität/Ökosystem-
dienstleistungen werden dagegen ausgeblendet. Der o. g. Notwendigkeit von
absoluten Senkungen von Ressourcenverbräuchen begegnet das Ressourcen-
effizienzprogramm der Bundesregierung mit falschen Kennzahlen für Ver-
brauchsmessungen. Es werden nur Effizienzsteigerungen pro Produkteinheit in
den Blick genommen. Wenn die Produktion aber zunimmt, kann der absolute
Ressourcenverbrauch sogar auch zunehmen. Auch die neuen wissenschaft-
lichen Erkenntnisse über so genannte Rebound-Effekte (Rückschlageffekte),
die oftmals Effizienzstrategien konterkarieren, bleiben in ProgRess unberück-
sichtigt. Um den tatsächlichen Verbrauch von Ressourcen und die tatsächliche
Einsparung zu messen, braucht es also auch absolute Kennzahlen, ergänzend zu
den relativen Bezugskennzahlen von Ressourcenproduktivitäten. Es fehlt die
Erkenntnis, dass es politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Inno-
vationen bedarf, damit technologische Verbesserungen überhaupt wirksam wer-
den können.

Wichtige Maßnahmen einer Ressourceneffizienzstrategie zur Erzielung absolu-
ter Reduktionen müssten verbindliche und ambitionierte Recyclingquoten, ver-
besserte Rückgabemöglichkeiten und finanzielle Anreize für eine verbesserte
Sammlung, die Einführung des Top-Runner-Ansatzes sowie eine Förderabgabe
auf heimische Rohstoffe sein. Doch anstatt diese wichtigen Maßnahmen zu för-
dern, handelt es sich bei ProgRess um ein Sammelsurium von intransparenten
Programmen und Maßnahmen, welche jedoch an den wichtigen Problemen
häufig vorbeigehen. Weiter ist zu kritisieren, dass die Finanzierung der vor-
geschlagenen Maßnahmen völlig intransparent ist, da sie aus dem Haushalt er-
folgt und somit keine besonderen Mittel ausgewiesen sind. Die Probleme wer-

den also in ProgRess benannt, aber es fehlt ein schlüssiges Konzept, wie diesen
begegnet werden soll.

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Insbesondere bei der Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft sind zusätz-
liche Schritte möglich und erforderlich. Das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz
bleibt deutlich hinter den auch im ProgRess thematisierten Anforderungen zu-
rück. So wurde es versäumt, qualitativ höhere Anforderungen für eine ver-
mehrte Sammlung und Weiterverwendung von Rohstoffen aus dem Hausmüll
festzulegen. Die Müllverbrennung wird europarechtswidrig begünstigt. Wert-
volle Rohstoffe können auch weiterhin achtlos verbrannt werden, anstatt sie
konsequent fachgerecht zu recyceln. Die abfallwirtschaftliche Produktverant-
wortung ist auch von der Bundesregierung im ProgRess zu Recht als ein zentra-
les Instrument zur Erhöhung der Materialeffizienz durch die Abfallwirtschaft
identifiziert worden. Die bestehenden Vorgaben müssen jetzt konkretisiert und
die Nichteinhaltung durchgängig sanktioniert werden.

Bei Elektro- und Elektronikgeräten, die viele wichtige Rohstoffe enthalten, sind
bei der Umsetzung der Produktverantwortung neue Anstrengungen nötig, um
die Langlebigkeit, Wiederverwendung und Reparaturfähigkeit zu verbessern.
So muss es verhindert werden, gezielt die Lebensdauer eines Produkts zu be-
schränken (sog. geplante Obsoleszenz). Eine Option dafür ist z. B. die Verlänge-
rung der gesetzlichen Gewährleistungszeiten inklusive der Beweislastumkehr.
Auch die um sich greifende Praxis, in Elektronikgeräten Batterien und Akku-
mulatoren fest einzubauen, so dass sie von Verbraucherinnen und Verbrauchern
nicht mehr ausgewechselt werden können, sowie die Nichtverfügbarkeit von
Ersatzteilen, muss künftig verhindert werden, da sie der Zielsetzung eines spar-
samen Umgangs mit Rohstoffen und den Zielsetzungen des Kreislaufwirt-
schaftsgesetzes zuwider läuft. Daneben gilt es die Sammelquoten deutlich zu
verbessern, z. B. durch finanzielle Anreize wie Pfand- oder Leasingsysteme,
etwa für Mobiltelefone. In den letzten Jahren wurden laut Daten des „stiftung
elektro-altgeräte register“ (ear) mengenmäßig nur 40 bis 46 Prozent der jährlich
zugelassenen Elektrogeräte nach Ende der Nutzung wieder gesammelt.

Nachhaltige Rohstoffstrategie – Deutschland zum Weltmarktführer für Recycling-
und Effizienztechnologien machen

Der Deutsche Bundestag ist überzeugt, dass eine reine Außenhandels- und Roh-
stoffbeschaffungsstrategie nicht erfolgreich sein kann. Nicht nur lässt sie ent-
wicklungs- und umweltpolitische und menschenrechtliche Aspekte außer Acht,
ignoriert die Konsequenzen des Rohstoffabbaus und -handels für Mensch und
Natur in rohstoffreichen Entwicklungsländer und schürt die weltweiten Ver-
teilungskonflikte. Sie ignoriert auch das gewaltige Innovationspotential für
unsere Wirtschaft, das sich mit Recycling, Ressourceneffizienz und Substitu-
tion verbindet.

Effizienz und Recycling als Rohstoffgewinnungsstrategie

Mit einem klaren wirtschaftspolitischen Fokus auf Innovationen im Bereich
Recycling, Einsparung und Substitution von Rohstoffen können wir unsere
Abhängigkeit vom Weltmarkt reduzieren, in dem wir knappe Rohstoffe weniger
verwenden, wieder verwenden und durch günstigere und umweltschonendere
Rohstoffe ersetzen. Zugleich können wir so Schlüsseltechnologien entwickeln,
die uns zum weltweiten Leitmarkt für einen effizienten Rohstoffeinsatz werden
lassen.

Rohstoffeffizienz: Die Potenziale einer Effizienzstrategie sind riesig und bei
Weitem nicht ausgeschöpft. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette können
Unternehmen ansetzen, um den Rohstoffeinsatz zu optimieren. Rohstoffeinspa-
rungen können auf vielen Wegen realisiert werden: von Innovationen im Pro-
duktionsverfahren oder am Produktdesign über die Verlängerung der Produkt-

lebensdauer bis hin zu einer verbesserten Effizienz in der Nutzungsphase und
ein verstärktes Recycling. Experten schätzen, dass eine 20-prozentige Steige-

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rung der Materialeffizienz Betrieben des produzierenden Gewerbes in Deutsch-
land möglich ist, was einem Einsparpotential von 100 Mrd. Euro entsprechen
würde – durch effizienteren Einsatz von Materialien und effizientere Prozesse.
Voraussetzung, um dieses Potenzial zu heben, sind umfassende Angebote für
externe oder innerbetrieblich ausgestaltete Beratung sowie messbare und trans-
parente Effizienzziele und aussagekräftige Indikatoren, die auch den ökologi-
schen Rucksack der Produkte berücksichtigen. Die Entwicklung solcher Indi-
katoren sollte die Bundesregierung schwerpunktmäßig vorantreiben und zügig
zu einem praxistauglichen Stand bringen.

Der Effizienzgedanke muss stärker in die Gestaltung und Normung neuer
Produkte und Prozesse einbezogen werden. Dazu gehört auch, dass künftig die
Frage der Wiederverwertbarkeit der einzelnen Komponenten eines elektro-
nischen Geräts ganz am Anfang der Produktentwicklung stehen muss. Die Öko-
design-Richtlinie sollte um dynamische Effizienzstandards (Top-Runner) er-
gänzt werden. Grundlage hierfür sind bessere Daten zur Ressourceneffizienz
über den gesamten Lebenszyklus hinweg sowie einheitliche Standards für die
Messung der Ressourceneffizienz. Die verstärkte Nutzung vorhandener Sys-
teme wie des EU-Öko-Audits EMAS kann relevante Effizienzbeiträge liefern.
Die vorhandenen Initiativen und Ansätze gilt es, besser miteinander zu ver-
netzen.

Zukünftiges Ziel von Effizienzstrategien muss die absolute Senkung von
Ressourcenverbräuchen sein. Damit technologische Verbesserungen in diesem
Sinne wirksam werden können, bedarf es neben wirtschaftlicher auch sozialer
und kultureller Innovationen, die politisch ermöglicht werden müssen.

Recycling: Deutschland als rohstoffarmes Land muss die im Abfall enthaltenen
Wertstoffe bestmöglich nutzen. Abfälle sind riesige Rohstofflager, die erschlos-
sen werden müssen, so auch die aktuelle Studie der United Nations Environ-
ment Program zum Resource Panel. In Europa wird beispielsweise derzeit
lediglich 40 Prozent des Elektronikschrotts recycelt, der Rest landet oftmals in
der Verbrennung oder wird – häufig illegal – in Entwicklungsländer verschifft.
Obwohl Europa zu den weltgrößten Konsumenten Seltener Erden zählt, gibt es
bisher so gut wie kein Recycling von Seltenen Erden. Zudem sind die Recyc-
lingziele im derzeitigen Kreislaufwirtschaftsgesetz zu niedrig, um die Weiter-
verwendung von Produkten und Rohstoffen deutlich voranzubringen. Die
Bundesregierung sollte das Ziel verfolgen, rasch mindestens 80 Prozent aller
Siedlungsabfälle wiederzuverwerten, getrennt nach einzelnen Stofffraktionen
im Abfall. Diese Quote wird auch von den Verbänden und Entsorgern als realis-
tisch erachtet und führt zudem zu technischen Innovationen. Ihre verbindliche
Festschreibung könnte den nötigen Druck erzeugen, um bereits das Produkt-
design recyclinggerecht zu gestalten und damit eine effiziente und die Umwelt-
belastung reduzierende Wiederverwendung der Rohstoffe zu verwirklichen.
Auch die Recyclingquote für Bau- und Abbruchabfälle ist derzeit deutlich zu
niedrig.

Ein weiterer erfolgversprechender Weg zur effizienten Rohstoffnutzung ist
neben der Ressourceneinsparung die Substitution, also der Ersatz eines Stoffes,
der selten, schwer verfügbar oder ökologisch problematisch ist, durch einen an-
deren Stoff. Hier bedarf es Forschung u. a. über die Risiken von verschiedenen
Ressourcennutzungen und ebenfalls einer Unterstützung der Innovationstätig-
keit in kleinen und mittleren Unternehmen.

Instrumente: Die grüne Rohstoffstrategie beinhaltet einen breiten Maßnahmen-
mix, um Fortschritte bei Recycling, Substitution und Effizienz zu erzielen und
Innovationen zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu gehören die Weiterentwick-
lung der Ökodesign-Richtlinie, Normungspolitik und ordnungsrechtliche Vor-

gaben wie z. B. Änderungen im öffentlichem Vergabewesen, im Kreislaufwirt-
schaftsgesetz und im Elektro- und Elektronikgerätegesetz, rasche Einführung ei-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/13568

nes Wertstoffgesetzes oder einer Wertstoffverordnung zur Verbesserung der
Sammlung und des Recyclings von Wertstoffen, der Abbau von Investitions-
hemmnissen, der Ausbau der betrieblichen Effizienzberatung sowie For-
schungs- und Innovationsförderung. Zudem muss die Produktverantwortung
weiterentwickelt werden, um Langlebigkeit und Recycling zu stärken. Die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will zudem die Zusammenarbeit von Unter-
nehmen fördern. Dabei sollen die Abfälle und Nebenprodukte einiger Unterneh-
men als Ressource für andere Firmen nutzbar gemacht werden. Studien belegen,
dass in der gesamten EU bis zu 1,4 Mrd. Euro im Jahr gespart und 1,6 Mrd. Euro
generiert werden können. Diese Potenziale müssen ausgeschöpft werden.

Zentral für einen neuen, nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen ist auch die
Nachfrageseite. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen
haben ein hohes Interesse, verantwortungsvoll einzukaufen. Sie müssen mit
besserer Information, verlässlichen Zertifikaten und Labels gestärkt werden,
um die Nachfrage nach fair gehandelten, ressourceneffizienten und langlebigen
Produkten zu fördern. Erforderlich ist darum u. a. die Ergänzung von Energie-
effizienzlabels um das Kriterium der Rohstoffeffizienz.

Nicht nur Produkt-, sondern auch soziale Innovationen sind Grundlage für den
Wandel zu nachhaltigem Wirtschaften. Produkt-Service-Konzepte nach dem
Muster „Nutzen statt Besitzen“ sind ein vielversprechendes Beispiel, wie zum
Beispiel auch der wachsende Markt des Car Sharings zeigt. Er kann dazu bei-
tragen, die mit Effizienzsteigerungen einhergehenden Reboundeffekte zu min-
dern, fördert eine nachhaltige Mobilität und ist ein Schritt in Richtung eines
nachhaltigeren Lebensstils. Unternehmensinnovationen im Sinne von „Reduce,
Repair and Reuse“ sollen durch neue Marketingkonzepte, die im Vorfeld schon
Kundenmeinungen berücksichtigen, gestärkt werden. Solche Konzepte gilt es
zu fördern und auszubauen.

Mit Blick auf den Rohstoffabbau in Deutschland ist das antiquierte deutsche
Bergrecht zu reformieren. Dies wurde auch vom Sachverständigenrat für
Umweltfragen in seinem Umweltgutachten 2012 gefordert. Kaum ein Projekt
ohne tiefgreifende Konflikte, für deren Lösung das seit über 30 Jahren nicht
mehr entscheidend geänderte Bergrecht mit in großen Teilen noch älteren
Rechtsgrundsätzen, die ausschließlich auf die Rohstoffgewinnung ausgerichtet
sind, eher Hindernis als eine Hilfe ist. Moderne Bürgerbeteiligung, Transpa-
renz, Interessenabwägung sind beinahe Fremdworte bei der Genehmigung von
Bergbauvorhaben und deren Umsetzung. Die Zahlung einer Förderabgabe muss
vom Ausnahme- zum Regelfall werden. So sollen die negativen Umweltaus-
wirkungen des Abbaus internalisiert und effiziente Strukturen angereizt wer-
den.

Natürlich bleibt die deutsche Wirtschaft auch weiterhin auf den Zugang zu
Rohstoffen aus dem Ausland und Primärbergbau angewiesen. Es gibt Grenzen
der Wiederverwertung und Innovationen brauchen Zeit, bis sie Marktreife er-
reichen. Wir brauchen daher ein kluge Rohstoff-Diplomatie, die auf Gerechtig-
keit und Fairness setzt, umwelt-, entwicklungs-, friedens- und demokratie-
politische Aspekte einbezieht und die legitimen Entwicklungsinteressen der
Förderländer akzeptiert.

Die Steigerung der Ressourceneffizienz ist ein zentrales Anliegen einer öko-
logisch geprägten Rohstoffpolitik. Das Ressourceneffizienzprogramm ProgRess
muss einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Ziels der deutschen Nach-
haltigkeitsstrategie leisten, die Rohstoffproduktivität bis 2020 gegenüber 1994
zu verdoppeln.

Drucksache 17/13568 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm ProgRess baldmöglichst um fol-
gende verbindliche Ziele und Maßnahmen zu ergänzen:

1. Der inländische Rohstoffverbrauch pro Kopf (DMC) soll bis zum Jahr 2050
gegenüber 1994 halbiert werden. Für die Jahre 2020, 2030 und 2040 wer-
den Zwischenziele festgeschrieben.

2. Für den Rohstoffverbrauch in Rohstoffäquivalenten (RMC), der die Roh-
stoffrucksäcke bei Importen und Exporten berücksichtigt, werden ver-
gleichbare Ziele formuliert.

3. Diese Ziele werden durch eine Gruppe von Bereichszielen auf der Basis mit
vertretbarem Aufwand erhebbarer, aussagekräftiger Indikatoren konkreti-
siert.

4. Um den Beitrag der Kreislaufwirtschaft zur Rohstoffversorgung zu quanti-
fizieren, werden baldmöglichst Netto-Recyclingquoten erhoben. Auch für
diese Beiträge werden quantitative Ziele beschlossen.

5. ProgRess soll im Rahmen der nächsten Überarbeitung auf die Ressourcen
Energierohstoffe, Wasser, Boden, Fläche, Luft, biotische Rohstoffe und
Biodiversität/Ökosystemdienstleistungen ausgeweitet werden;

die Rohstoffeffizienz zu steigern:

6. Nach japanischem Vorbild sollen im europäischen Binnenmarkt für elektro-
nische Geräte dynamische Effizienzstandards (Top-Runner-Modell) ein-
geführt werden. Neben der Energieeffizienz sollen dabei auch Kriterien der
Rohstoffeffizienz berücksichtigt werden. In Deutschland wird diese Ent-
wicklung durch nationale Initiativen vorbereitet und unterstützt.

7. Die öffentliche Beschaffung soll ihrer Vorbildfunktion gerecht werden und
sich verstärkt an der Nutzung ressourceneffizienter Produkte und Dienst-
leistungen ausrichten. Lebenszykluskosten und Ressourcenverbrauch sol-
len – soweit ermittelbar – verpflichtendes Kriterium bei der öffentlichen
Beschaffung werden. Die Arbeiten der Allianz für nachhaltige Beschaffung
zur Einbeziehung von Ressourceneffizienz in die Leistungsbeschreibungen
sollten von der Bundesregierung unterstützt und aufgegriffen werden.

8. In enger Zusammenarbeit mit den Ländern ist ein umfassendes Beratungs-
angebot für Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unterneh-
men zur Senkung des Ressourcenverbrauchs einzurichten. Hierbei soll auf
die erfolgreiche Arbeit der vorhandenen Effizienz-Agenturen in den Län-
dern, wie z. B. der Effizienz-Agentur NRW, aufgebaut werden. Bisherige
Erfahrungen zeigen, dass in beratenen Unternehmen wirtschaftlich und
ökologisch erhebliche Potentiale erschlossen werden können.

9. Das EU-Umweltmanagementsystem EMAS soll den deutschen Unter-
nehmen verstärkt angeboten und für seine Einführung geworben werden.
Die Bundesregierung sollte im Interesse der Glaubwürdigkeit und aufgrund
der erzielbaren positiven Effekte EMAS nicht nur bei wenigen „Piloten“,
sondern in allen Ressorts und Behörden der Bundesregierung einführen.

10. In Deutschland soll auf Bundesebene eine verbindliche Förderabgabe von
mindestens 10 Prozent des Marktwertes auf alle Rohstoffe eingeführt wer-
den, um bei der Rohstoffgewinnung im eigenen Land Anreize zu einem
effizienteren Umgang zu setzen. Die Mittel sind aufkommensneutral für die
Steigerung der Ressourceneffizienz einzusetzen, schwerpunktmäßig für
Forschung, Entwicklung und Markteinführung von Innovationen zur

Steigerung der Effizienz der extraktiven Industrien und zur Verminderung
der von ihr erzeugten Umweltbelastungen sowie zur Substitution.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/13568

11. Das antiquierte deutsche Bergrecht soll umfassend reformiert werden. Die
Interessen Privater und wesentliche ökologische Aspekte werden im Bun-
desberggesetz nach wie vor nicht ausreichend berücksichtigt;

Rohstoffrecycling und Produktverantwortung weiterzuentwickeln:

12. Das Ziel geschlossener Stoffkreisläufe ist konsequent zu verfolgen. Zur
Förderung einer tatsächlichen Kreislaufwirtschaft von Rohstoffen sollen
das Kreislaufwirtschaftsgesetz weiterentwickelt und das Elektro- und
Elektronikgerätegesetz rasch überarbeitet werden.

13. Das von der Bundesregierung seit langem angekündigte Wertstoffgesetz
oder eine Wertstoffverordnung ist unverzüglich vorzulegen: Die Hersteller
von Produkten sollen stärker dafür verantwortlich gemacht werden, dass
ihre Produkte langlebiger sind – z. B. durch längere Garantie- und Gewähr-
leistungszeiten – und am Ende der Lebenszeit auch wiederverwertet oder
repariert werden können. Bestehende institutionalisierte Rücknahme- und
Verwertungspflichten (z. B. für Altautos) sollen ausgeweitet und durch
finanzielle Anreize gestärkt werden.

14. Für elektronische Geräte wie z. B. Mobiltelefone und Smartphones ist
gemeinsam mit Handel und Industrie ein zielführendes und effizientes
Pfandsystem zu entwickeln und einzuführen. Dieses soll Pilotcharakter für
die Erreichung des Ziels deutlich höherer Rücklaufquoten für alle Elektro-
nikgeräte haben. Wo freiwillige Anreize nicht ausreichen, müssen diese
durch ein innovatives Ordnungsrecht ergänzt werden;

Forschung und Entwicklung bis zur Marktreife zu fördern:

15. Rohstoffeffizienz, -recycling und -substitution sollten als Querschnitts-
anliegen in bestehenden Förderprogrammen implementiert werden. Dabei
sollten die Programmmittel insbesondere verstärkt auf Verbundprojekte
von Wissenschaft und Wirtschaft und auf interdisziplinäres Forschen (z. B.
zur Verknüpfung von Werkstofftechnologien und Nachhaltigkeitsaspekten)
konzentriert werden. Die Fördermaßnahmen der verschiedenen Ressorts
und Behörden der Bundesregierung und der von ihr unterstützten Institu-
tionen sind so zu koordinieren, dass Innovations- und Markteinführungs-
programme entstehen.

16. Die existierenden FuE-Förderprogramme (FuE = Forschung und Entwick-
lung) sollten anhand umfassender, zwischen den Ressorts der Bundesregie-
rung abgestimmter Kriterien evaluiert werden.

17. Die Bundesregierung soll veranlassen, dass die verschiedenen Forschungs-
und Förderprogramme der Bundesministerien ressortübergreifend auf
Lücken und Überschneidungen im Bereich von Rohstoffeffizienz, -recyc-
ling und -substitution untersucht werden. Auf Basis der Evaluation und der
Empfehlungen sollten wo nötig entsprechende Umstrukturierungen in der
Forschungspolitik vorgenommen werden.

18. Im Austausch mit den Bundesländern und den Hochschulen soll der Bund
sich dafür einsetzen, dass Rohstoffeffizienz, -recycling und -substitution
viel stärker in die Hochschulausbildung integriert werden. Um diesen
Prozess zu beschleunigen, sollte eine „Virtuelle Ressourcen-Hochschule“
etabliert oder eine entsprechende Länderinitiative vom Bund unterstützt
werden, die die vorhandenen Initiativen weiterentwickelt und ihre Ver-
breitung, auch durch Hochschulkooperationen, voranbringt.

Drucksache 17/13568 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

19. Die Forschung und Innovation für den Bereich Substitution/alternative
Werkstoffe (ohne Erdöl)/Flexibilität bei der Auswahl einzusetzender Roh-
stoffe und ihre Vernetzung sollen gestärkt und konzeptionell intensiv in die
Arbeiten zur Steigerung der Ressourceneffizienz einbezogen werden.

20. Die Forschung zum Themenkomplex Reboundeffekte und die damit ver-
bundenen Lösungsstrategien technischer und sozialer Innovationen soll
intensiviert und verstärkt auf Instrumentenvorschläge zur Kontrolle dieser
Effekte ausgerichtet werden;

eine international gerechte Rohstoffpolitik zu verwirklichen und globale Gover-
nance-Strukturen aufbauen:

21. Die Bundesregierung muss von ihrem bisherigen Konzept bilateraler Roh-
stoffpartnerschaften abrücken. Die Rohstoffpartnerschaften müssen in eine
europäische Gesamtstrategie für Rohstoffkooperationen und die ent-
sprechenden Initiativen der Kommission mit den jeweiligen Partnerländern
eingebunden werden. Sie werden den Herausforderungen nur als faire
Partnerschaften auf Augenhöhe und als Wirtschaftspartnerschaften gegen-
seitigen Nutzens gerecht. Im Mittelpunkt muss die nachhaltige Nutzung der
Rohstoffquellen, die Steigerung der Wertschöpfung vor Ort und die Ein-
bindung der örtlichen Zivilgesellschaft stehen. Die Vereinbarungen und ihre
Umsetzungen müssen an soziale, menschenrechtliche und ökologische
Standards gebunden werden und das Recht auf freie, frühe und informierte
Zustimmung (free, prior and informed consent) gewährleisten. Transparenz,
Korruptionsvorsorge und Bekämpfung müssen wesentliche Bestandteile der
Abkommen und ihrer Implementierung sein. Der Transfer von Know-how
und Technologie muss als konzeptionelles Element in die Abkommen ein-
bezogen werden. Im internationalen Warenverkehr soll eine verpflichtende
Zertifizierung entwickelt werden. Angestrebt wird, aufbauend auf die
Impulse aus dem Dodd-Frank-Act der USA, die Entwicklung eines
Instrumentariums, mit dessen Hilfe ein Produkt klar erkennbar ist, das auf
Basis von fairem Rohstoffabbau und -handel produziert wurde.

22. Die Bundesregierung sollte die erfolgsversprechenden Ansätze für Zertifi-
zierung weiterverfolgen und verbessern, indem im Rahmen der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit entsprechende Begleitmaßnahmen (etwa in
der Beratung im Sicherheits- und Justizsektor der Partnerländer) ausgebaut
und durch Capacity Development die entsprechenden Behörden gestärkt
werden.

23. Die Bundesregierung muss die auf EU-Ebene erzielte Einigung zu Trans-
parenzregeln im Rohstoffsektor zügig national umsetzen. Die Bundesregie-
rung soll sich in internationalen Gremien und im Austausch mit internatio-
nalen Partnerinnen und Partnern dafür einsetzen, dass die projektbasierte
Offenlegung von Rohstoffzahlungen wie in Artikel 1504 des Dodd-Frank-
Acts in den USA und der auf EU-Ebene beschlossenen Offenlegung von
weiteren Staaten verabschiedet werden und dadurch zur Schaffung eines
globalen Standards für Transparenz im Rohstoffsektor beizutragen. Die
Bundesregierung soll sich auf EU-Ebene für die umfassende Umsetzung
der Vorschläge des Europäischen Parlaments aus dem Bütikofer-Bericht
(2012) zur EU-Rohstoffstrategie und dem Gebrandy-Bericht (2013) zum
Fahrplan Ressourceneffizienz der Kommission einsetzen.

24. Der 2000 verabschiedete Tiefseebergbaukodex soll dringend weiterent-
wickelt, international verbindlich und national umgesetzt werden. Eine
Umweltverträglichkeitsprüfung muss international verbindlich werden und
der Kodex muss vor dem Seegerichtshof einklagbar sein. Der Tiefsee-
bergbau muss eine umfassende Erforschung der betroffenen Tiefseeöko-

systeme und der dort vorkommenden Arten voraussetzen. Zum besonderen
Schutz der Arktis brauchen wir einen internationalen Arktis-Vertrag.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/13568

25. Da die Rohstoffindustrie häufiger als andere Industriezweige in Konflikte
verstrickt ist, ist bei der Gestaltung der bilateralen und multilateralen Ver-
träge über die Rohstoffnutzung darauf zu achten, dass soziale und politi-
sche Spannungen im Partnerland nicht verschärft oder im Extremfall gar
Bürgerkriege direkt oder indirekt finanziert werden.

26. Die Bundesregierung muss extraterritoriale Staatenpflichten im Rohstoff-
sektor anerkennen und sich für die Einhaltung und Umsetzung der UN
Guiding Principles on Business and Human Rights einsetzen. Die Ent-
wicklung und Verankerung eines Sanktionsinstrumentariums bei Nichtein-
haltung der Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) für multinationale Unternehmen und der OECD-
Leitlinien zur Sorgfaltspflicht in mineralischen Wertschöpfungsketten in
Konfliktzonen soll vorangetrieben werden.

27. Durch begleitende und abgestimmte Maßnahmen der Entwicklungszusam-
menarbeit sollen rohstoffreiche Entwicklungsländer strukturell gestärkt
werden: Unterstützung beim Aufbau einer verantwortungsvollen Regie-
rungsführung (Good Governance) und effektiver Steuersysteme, beim Auf-
bau von Kapazitäten vor Ort, beim Transfer von Wissen und Technologie
etc.

28. Den bilateralen Rohstoffderivate-Handel möglichst vollständig auf geregelte
Handelsplätze zu übertragen. Für Händler müssen strenge Berichtspflichten
eingeführt werden.

29. Die Überwachung von Rohstoffderivaten sowie des Handels mit physi-
schen Rohstoffen soll durch bestehende Finanzaufsichtsbehörden verstärkt
durchgeführt werden. Zudem muss die Einrichtung einer Spezialbehörde
für die Überwachung von Rohstoffderivaten sowie des Handels mit physi-
schen Rohstoffen geprüft werden.

30. Die Bundesregierung soll freiwillige Maßnahmen wie EITI, Kimberley-
Prozess etc. verstärkt unterstützen.

31. Durch Aufbau eines Internationalen Metall Forums (ähnlich dem Inter-
nationalem Energie Forum), welches Industrieländer, Schwellenländer und
Entwicklungsländer zusammenbringt und internationale Kooperation im
Rohstoffbereich fördert, soll die Kooperation der Zivilgesellschaft weiter-
entwickelt und genutzt werden.

32. Durch Ausbau der „International Metal Study Groups (Lead, Zinc, Nickel,
Copper)“, um z. B. auch die angegliederten Hochtechnologierohstoffe zu
beinhalten, ist die Forschungszusammenarbeit auszubauen.

33. International ist eine kontinuierliche zwischenstaatliche Zusammenarbeit
zur Steigerung der Ressourceneffizienz erforderlich. Ein zentraler Baustein
wäre der Aufbau einer Internationalen Sustainable Resource Agency
(ISRA), welche den effizienten und nachhaltigen Abbau von Rohstoffen in
allen Mitgliedstaaten durch Erfahrungsaustausch und Know-how-Transfer
unterstützen sowie Ressourceneffizienz, Substitution und Recycling voran-
bringen würde.

Berlin, den 14. Mai 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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