BT-Drucksache 17/13544

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/10974, 17/11474, 17/13524 - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/.../EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. .../2012 über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz)

Vom 15. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13544
17. Wahlperiode 15. 05. 2013

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke,
Lisa Paus, Birgitt Bender, Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian Kindler, Maria
Klein-Schmeink, Markus Kurth, Dr. Tobias Lindner, Brigitte Pothmer, Elisabeth
Scharfenberg, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10974, 17/11474, 17/13524 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/…/EU über den
Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von
Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts
an die Verordnung (EU) Nr. …/2012 über die Aufsichtsanforderungen an
Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Finanzkrise hat die Schwächen bankinterner Risikomodelle schonungslos
aufgedeckt. Noch immer wird es Großbanken allerdings erlaubt, ihren Eigenka-
pitalbedarf anhand selbst erstellter Risikomodelle zu errechnen, deren Wahr-
scheinlichkeitsaussagen sich in Krisen als untauglich erwiesen haben.

Vor allem in den USA und in Großbritannien hat sich daher ein Umdenken ent-
wickelt. Wirtschaftswissenschaftler haben verstanden, dass ihre Prognosen und
Modelle an den Finanzmärkten an klare Grenzen stoßen. Während die durch-
schnittliche Lebensdauer einer Glühbirne zuverlässig vorhersehbar ist, gilt dies
nicht für das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr oder die Ausfallwahr-
scheinlichkeit eines Immobilienkredits. Während ökonomische Modelle immer
nur historische Daten zur Vorhersage der Zukunft nutzen können, kann
menschliches Verhalten durchaus diametral von der Vergangenheit abweichen.
Wir können also nicht exakt vorhersagen, wie riskant beispielsweise bestimmte

Immobilienwetten in den USA sind. Für eine einzelne Bank ist es sinnvoll und
notwendig, Risikoeinschätzungen für einzelne Investitionen auch anhand von
Risikomodellen vorzunehmen. Wenn man Banken allerdings erlaubt, kein Ei-
genkapital vorzuhalten, weil ihr Modell aussagt, es sei kein Eigenkapital not-
wendig, setzt man die Finanzmärkte und die Allgemeinheit einem enormen
Risiko für den Fall aus, dass die Modelle versagen.

Drucksache 17/13544 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Bis zur Finanzkrise wurde Bankenregulierung ausschließlich auf der Ebene
einzelner Banken betrieben. Wechselwirkungen zwischen Banken wurden un-
terschätzt und in der Aufsichtspraxis weitgehend ignoriert. In einer sozialen
Marktwirtschaft ist es jedoch nicht Aufgabe staatlicher Regulierung, die be-
triebswirtschaftlichen Risiken einzelner Wirtschaftsakteure zu begrenzen. Viel-
mehr muss die Regulierung dafür sorgen, dass betriebswirtschaftliche Risiken
nicht zu volkswirtschaftlichen werden und den dazu notwendigen Ordnungs-
rahmen setzen.

Daher braucht es eine Notbremse im Finanzsystem, die ein zu starkes Absinken
des tatsächlichen Eigenkapitalniveaus der Banken verhindert, unabhängig da-
von, was interne Modelle der Banken ausrechnen. Wenn alle Banken tatsäch-
lich mehr Eigenkapital vorhalten, wird das Finanzsystem auch insgesamt resis-
tenter gegenüber externen Schocks. Dazu verschafft eine höhere Eigenkapital-
ausstattung dem für eine Marktwirtschaft fundamentalen Haftungsprinzip wie-
der Geltung, indem zuerst diejenigen für Verluste haften, die in guten Zeiten
auch die Gewinne erhalten haben. Eine solche Schuldenbremse für Banken
(Leverage Ratio) wurde bereits vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht
vorgeschlagen. Laut dem aktuellen Vorschlag müssen Banken mindestens
3 Prozent an Eigenkapital im Verhältnis zu ihrem gesamten Geschäftsvolumen
vorhalten. Obwohl es sich hierbei um einen Minimalkonsens handelt, versucht
die schwarz-gelbe Bundesregierung, diesen weiter aufzuweichen, indem sie
eine Schuldenbremse nur veröffentlichen, nicht aber verbindlich einführen will.
Mit dieser Entscheidung stellt sich die Bundesregierung gegen die überwäl-
tigende Mehrheit deutscher Ökonomen. Die Allianz für eine verbindliche
Leverage Ratio reicht vom Sachverständigenrat der Bundesregierung, dem Bei-
rat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, dem Europäischen
Rat für Systemrisiken (ESRB) über zahlreiche Top-Ökonomen bis hin zu
Finance Watch. Andere Jurisdiktionen wie Kanada haben bereits eine Leverage
Ratio eingeführt oder agieren wie Großbritannien und die USA auf inter-
nationaler Ebene wenigstens nicht als Gegner einer Schuldenbremse wie die
Bundesregierung. Das zeigt, dass die Bundesregierung die Probleme der Krise
nicht verstanden hat und unwillens ist, die Probleme effektiv anzugehen.

Stattdessen verfällt die Bundesregierung der längst wiederlegten Argumenta-
tion einiger hochverschuldeter Banken, nach welcher höhere Eigenkapitalan-
forderungen die Kreditkosten erhöhten. Jeder Mittelständler weiß, dass nied-
rige Eigenkapitalquoten zu höheren Zinsanforderungen bei der Finanzierung
führen. Höhere Eigenkapitalquoten führen daher grundsätzlich zu niedrigeren
Fremdkapitalkosten, sodass die Gesamtkapitalkosten konstant bleiben – der
Beweis dafür wurde bereits 1958 erbracht und wurde 1985 mit dem Wirt-
schaftsnobelpreis gekrönt. Ausnahmen hiervon können nur aus zwei Gründen
auftreten. Erstens können Eigenkapital- anders als Fremdkapitalkosten nicht
steuerlich abgesetzt werden. Zweitens könnten Fremdkapitalgeber schon heute
die Risiken der Bank außer Acht lassen, weil sie im Zweifel immer mit einer
Rettung durch die Steuerzahler rechnen. Ein Verzicht auf eine Schuldenbremse
für Banken kann daher nur erklärt werden, wenn die Reduzierung des Steuer-
volumens des Finanzsektors sowie die Beibehaltung der Haftung durch die
Steuerzahler im Sinne der Bundesregierung wären.

Das theoretische Konstrukt der bisherigen Bankenregulierung hat versagt und
muss nun um eine bindende Schuldenbremse für Banken erweitert werden. Im
US-Kongress wird gerade für einen interfraktionellen Antrag geworben, der
eine Leverage Ratio in Höhe von 15 Prozent des Geschäftsvolumens einführen
möchte. Andrew Haldane, der die Bank of England im Baseler Ausschuss für
Bankenaufsicht vertritt, hält einen Zielkorridor von 4 bis 7 Prozent für ausrei-
chend. Als ersten Schritt fordert der Deutsche Bundestag die verbindliche Ein-

führung einer Leverage Ratio in Säule 1 der Eigenkapitalanforderungen. Lang-
fristig ist jedoch eine deutlich höhere Quote notwendig.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13544

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich in einem ersten Schritt auf europäischer Ebene sowie im Baseler Aus-
schuss für Bankenaufsicht konsequent für eine Stärkung des bilanziellen
Eigenkapitals der Institute durch eine verbindliche Schuldenbremse für
Banken (Leverage Ratio) in Höhe von 3 Prozent des Geschäftsvolumens in
Säule 1 der Eigenkapitalanforderungen bis 2017 einzusetzen;

2. sich auf europäischer Ebene sowie im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht
konsequent für eine Stärkung makroprudentieller Regulierungsmechanis-
men und langfristig für eine deutliche Erhöhung der Leverage Ratio einzu-
setzen.

Berlin, den 15. Mai 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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