BT-Drucksache 17/12838

WHO-Tabakrahmenkonvention umsetzen - Vollständiges Tabakwerbeverbot einführen

Vom 19. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12838
17. Wahlperiode 19. 03. 2013

Antrag
der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. Martina Bunge, Karin Binder, Jan Korte,
Diana Golze, Agnes Alpers, Matthias W. Birkwald, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst,
Nicole Gohlke, Ulla Jelpke, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring,
Yvonne Ploetz, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma, Dr. Petra
Sitte, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

WHO-Tabakrahmenkonvention umsetzen – Vollständiges Tabakwerbeverbot
einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland hat sich mit der Unterzeichnung des Rahmenübereinkommens zur
Eindämmung des Tabakgebrauchs der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
verpflichtet, Maßnahmen zur Eingrenzung der tabakbedingten gesundheit-
lichen und gesellschaftlichen Schäden einzuleiten. Die Konvention sieht insbe-
sondere ein „umfassendes Verbot aller Formen von Tabakwerbung, Förderung
des Tabakverkaufs und Tabaksponsoring“ vor. Als Werbung wird „jede Form
der kommerziellen Kommunikation, Empfehlung oder Handlung mit dem Ziel,
der Wirkung oder der wahrscheinlichen Wirkung, ein Tabakerzeugnis oder den
Tabakgebrauch unmittelbar oder mittelbar zu fördern“ verstanden. Die WHO-
Tabakrahmenkonvention ist der einzige völkerrechtlich verbindliche interna-
tionale Vertrag im Gesundheitsbereich.

Das Werbeverbot sollte laut Vertragstext spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten
der WHO-Konvention im Jahr 2005 umgesetzt worden sein. Doch noch immer
können unter anderem Außen- und Kinowerbung, Werbung am Verkaufsort,
Werbung in Tabakhandel und Rauchermagazinen, Sponsoring nicht grenzüber-
schreitender Events, Markentransfer durch Vermarktung des Produktes in einer
anderen Produktkategorie (Brand-Stretching) und andere verkaufsfördernde
Aktivitäten wie kostenloses Verteilen von Tabakerzeugnissen oder von sonstigen
Werbegeschenken legal stattfinden (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 17/11613).

Die Reduktion des Tabakkonsums ist auch als nationales Gesundheitsziel defi-
niert. Zur Umsetzung wurde von der zuständigen Experten-Arbeitsgemein-
schaft bereits im Jahr 2003 ein „vollständiges Verbot direkter und indirekter

Tabakwerbung“ empfohlen. Die damalige rot-grüne Bundesregierung ist hier
tatenlos geblieben. Sehr aktiv war sie aber, als eine EU-Richtlinie bereits mit
Beschluss vom 6. Juli 1998 ein umfassendes Werbe- und Sponsoringverbot für
Tabakprodukte vorsah. Mit ähnlichen Argumenten wie die Tabakindustrie, die
ebenfalls geklagt hat, erkämpfte sie die Nichtigkeit der Richtlinie vor dem Eu-
ropäischen Gerichtshof (vgl. Pressemitteilung des EuGH Nr. 72/2000). Die
Richtlinie wurde 2003 stark verwässert wieder eingebracht und enthielt nur noch

Drucksache 17/12838 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ein abgeschwächtes Werbe- und Promotionsverbot. Aber auch hier strengte die
rot-grüne Bundesregierung wieder eine Nichtigkeitsklage an – und verlor dies-
mal. Marianne Tritz, bis 2005 grüne Bundestagsabgeordnete, wurde später als
Cheflobbyistin der Tabakindustrie angestellt (Quelle: www.lobbypedia.de).

Inzwischen setzen die Regierungskoalitionen zwar die EU-Tabak-Gesetzgebung
klaglos um, nicht aber die WHO-Konvention. Diese Aufgabe wäre maßgeblich
der Koalition aus SPD und CDU/CSU zugekommen, aber sowohl diese als auch
die nachfolgende Koalition aus CDU/CSU und FDP ist tatenlos geblieben. Es er-
staunt daher nicht, dass CDU/CSU und FDP nach Berichten der „Frankfurter
Rundschau“ von Lobbyisten der Tabakindustrie noch im November 2012 als
„Verbündete“ bezeichnet wurden (www.fr-online.de/wirtschaft/tabakindustrie-
im-dunstkreis-der-tabak-lobby,1472780,20775826.html).

Die Bundesregierung begründet 2012 das Ausbleiben eines Verbots etwa der
Außen- und Kinowerbung damit, dass neun Jahre nach Unterzeichnung des
WHO-Vertrags „die Diskussion innerhalb der Bundesregierung noch nicht ab-
geschlossen“ sei (vgl. Bundestagsdrucksache 17/11613). Dies empört umso
mehr, als auch der Deutsche Bundestag schon im Jahr 2004 mit der Verabschie-
dung des Gesetzes zum Tabakrahmenübereinkommen der Bundesregierung
einen eindeutigen Handlungsauftrag gegeben hat, den Vertragstext umzusetzen
und damit alle Formen des Tabakmarketings zu unterbinden.

Die Auswirkungen dieser Politik sind unter anderem in den Werbeausgaben der
Tabakindustrie abzulesen. Diese haben sich aufgrund der unvollständigen Be-
schränkungen nur verschoben, aber nicht insgesamt verringert. Im Gegenteil:
Selbst nach Angaben der Tabakindustrie, die im Drogen- und Suchtbericht der
Drogenbeauftragten der Bundesregierung abgedruckt werden, haben sich die
Marketingausgaben von 182 Mio. Euro im Jahr 2005 auf knapp 200 Mio. Euro
im Jahr 2010 noch erhöht. Insbesondere im Bereich der Tabak-Promotion kam
es zu einem Anstieg von knapp 86 Mio. Euro (2005) auf über 127 Mio. Euro
(2010). Diese Zahlen würden aber „nur zu Teilen die Ausgaben für indirekte
Marketingmaßnahmen und Konsumentenansprachen“ beinhalten. Auch „darü-
ber hinausgehende Marketingmaßnahmen“ sind in den Angaben nicht enthal-
ten. Unabhängige Zahlen fehlen dazu nach wie vor.

Dass die Tabaklobby offen zugibt, man habe „über Jahrzehnte einen guten
Draht zur Politik aufgebaut. Die Regierung ist unseren Argumenten gegenüber
aufgeschlossen.“ ist daher nachvollziehbar. Zudem sei es in keinem anderen
Land so einfach, mit der Politik ins Gespräch zu kommen wie in Deutschland
(www.fr-online.de/wirtschaft/tabakindustrie-im-dunstkreis-der-tabak-lobby,
1472780,20775826.html). Es verwundert auch nicht, dass der Bundesminister
für Gesundheit Daniel Bahr die neuerlichen Vorschläge der EU-Kommission
erst einmal prüfen will.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

der Umsetzungsverpflichtung des Tabakrahmenübereinkommens endlich nach-
zukommen und insbesondere zur vollständigen Unterbindung der Tabakwer-
bung im Sinne des Vertragstextes und der entsprechenden Leitlinien unverzüg-
lich einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Berlin, den 19. März 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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