BT-Drucksache 17/12710

Entwurf eines Gesetzes über die Verwendung von Polizistinnen und Polizisten des Bundes im Ausland - Auslandsverwendungsgesetz Bundespolizei

Vom 13. März 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12710
17. Wahlperiode 13. 03. 2013

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour,
Hans-Christian Ströbele, Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, Katja
Keul, Memet Kilic, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz, Josef Philip Winkler und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes über die Verwendung von Polizistinnen und Polizisten des
Bundes im Ausland – Auslandsverwendungsgesetz Bundespolizei

A. Problem

Die Bundesrepublik Deutschland engagiert sich international bereits seit einigen
Jahren verstärkt für den Aufbau rechtsstaatlicher polizeilicher Infrastruktur, ins-
besondere in Ländern, in denen die staatlichen Strukturen aufgrund innerer Un-
ruhen oder bewaffneter Konflikte bis hin zum völligen Scheitern geschwächt
sind. Das Engagement umfasst die Teilnahme an multilateralen, von den Verein-
ten Nationen oder der Europäischen Union mandatierten Missionen sowie bila-
teral vereinbarte Unterstützungshandlungen. Überwiegend geht es um Ausbil-
dungs-, Trainings- und Beratungsmaßnahmen in den jeweiligen Zielländern,
zum Teil sind aber auch operative Tätigkeiten Gegenstand des Einsatzes. Immer
wieder werden deutsche Polizistinnen und Polizisten auch in Einsätze geschickt,
in denen die Sicherheitslage vor Ort prekär ist und die Beamtinnen und Beamten
potentiell mit Situationen konfrontiert werden, die ihr Leben und ihre persönli-
che Sicherheit gefährden. Zudem entsendet die Bundesregierung auch Polizei-
kräfte in Staaten, mit denen eine Kooperation aus menschenrechtlichen und
rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zumindest höchst problematisch ist. Relevant
sind hier in erster Linie die Bundespolizei und das Bundeskriminalamt.

Unabhängig vom Einsatzfeld und von der eingesetzten Behörde mangelt es dem
gesamten Bereich der polizeilichen Auslandsverwendung an parlamentarischer
Beteiligung und Kontrolle. Mit Ausnahme der multilateral mandatierten Mis-
sionen verfügt der Deutsche Bundestag – wie auch bundesweit die Landtage –
beispielsweise über kein rechtlich verbindliches Beteiligungs- bzw. Rückholrecht.
Eine aktive, regelmäßige und ausführliche Unterrichtung durch die Bundes-
regierung findet in der Praxis nur rudimentär statt, über bilaterales Engagement
wird der Bundestag im Zweifel allenfalls auf Nachfrage ins Bild gesetzt. Nicht
selten erfährt das Parlament erst aus der Presse von Missständen. Diese Situation
ist für eine parlamentarische Demokratie, die der Rechtsstaatlichkeit und den

Menschenrechten verpflichtet ist, untragbar. Genau wie im Falle des Einsatzes
von Militär muss die Volksvertretung das Recht haben, so umfassend und genau
wie möglich darüber informiert zu sein, wo und wie die Bundesrepublik
Deutschland ihre Polizistinnen und Polizisten einsetzt.

Drucksache 17/12710 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B. Lösung

Um das parlamentarische Kontrolldefizit im Bereich der polizeilichen Aus-
landsverwendung zu beheben, sind Vorschriften des Bundespolizeigesetzes, des
Bundeskriminalamtgesetzes und des Bundesbeamtengesetzes entsprechend zu
ändern bzw. anzupassen.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Der Gesetzentwurf hat auf die öffentlichen Haushalte keine näher bezifferbaren
Auswirkungen.

1. der Vereinten Nationen,
zeibeamten eintritt oder sich die Menschenrechtssitua-
2. einer regionalen Abmachung oder Einrichtung gemäß
Kapitel VIII der Charta der Vereinten Nationen, der
die Bundesrepublik Deutschland angehört, oder

3. der Europäischen Union

im Ausland verwendet werden. Die Verwendung der
Bundespolizei darf nicht gegen den Willen des Staates er-

tion im Verwendungsgebiet erheblich verschlechtert, hat
die Bundesregierung den Bundestag unverzüglich zu un-
terrichten. Nach Beendigung einer Verwendung legt die
Bundesregierung dem Bundestag einen umfassenden Be-
richt über Verlauf und Ergebnisse der Verwendung vor.

(4) Der Bundestag kann durch Beschluss verlangen,
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12710

Entwurf eines Gesetzes über die Verwendung von Polizistinnen und Polizisten des
Bundes im Ausland – Auslandsverwendungsgesetz Bundespolizei

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bundespolizeigesetzes

Das Bundespolizeigesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2978, 2979),
das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 21. Juli 2012
(BGBl. I S. 1566) geändert worden ist, wird wie folgt geän-
dert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Die Angabe zu § 8 wird wie folgt geändert:

„Verwendung im Ausland im Rahmen internationaler
Polizeimissionen“.

b) Nach der Angabe zu § 8 wird folgende Angabe einge-
fügt:

„§ 8a Sonstige Verwendung im Ausland“.

c) Nach der Angabe zu § 8a wird folgende Angabe ein-
gefügt:

„§ 8b Allgemeine Zulässigkeitsgrenzen der Aus-
landsverwendung“.

d) Nach der Angabe zu §8b wird folgende Angabe ein-
gefügt:

㤠8c Allgemeine Informationsrechte des Bundes-
tages“.

e) Die Angabe zu § 65 wird wie folgt geändert:

„Amtshandlungen von Beamten der Bundespolizei im
Zuständigkeitsbereich eines Landes“.

2. § 8 wird wie folgt gefasst:

㤠8

Verwendung im Ausland im Rahmen
internationaler Polizeimissionen

(1) Die Bundespolizei kann zur Mitwirkung an polizei-
lichen oder anderen nichtmilitärischen Aufgaben im Rah-
men von internationalen Maßnahmen auf Ersuchen und
unter Verantwortung

Satz 1 trifft die Bundesregierung. Die Wahrnehmung der
in Satz 1 bezeichneten Aufgaben durch die Bundespoli-
zei richtet sich nach den dafür geltenden völkerrechtli-
chen Vereinbarungen oder den auf Grund solcher Verein-
barungen getroffenen Regelungen. Insbesondere sind die
verwendeten Beamtinnen und Beamten der Bundespoli-
zei bei den ihnen übertragenen Aufgaben an das Grund-
gesetz sowie die Europäische Konvention zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten gebunden.

(2) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag
vor Abschluss einer Vereinbarung über die Teilnahme der
Bundespolizei an einer Maßnahme gemäß Absatz 1 ins-
besondere über

a) den Inhalt des Ersuchens der in Absatz 1 Satz 1 Num-
mer 1 bis 3 aufgeführten Institutionen,

b) den Verwendungsauftrag inklusive der für die zu ent-
sendenden Angehörigen der Bundespolizei vorgese-
henen Aufgaben,

c) das Verwendungsgebiet inklusive der dortigen politi-
schen und rechtsstaatlichen Lage,

d) die Gefährdungslage im vorgesehenen Verwendungs-
gebiet inklusive eines Konzepts zur Sicherung der
verwendeten Beamtinnen und Beamten,

e) die rechtlichen Grundlagen der Verwendung,

f) die Höchstzahl der zu entsendenden Polizeibeamtin-
nen und Polizeibeamten des Bundes,

g) die geplante Dauer der Verwendung,

h) die voraussichtlichen Kosten und die Finanzierung.

(3) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag
vierteljährlich über den Verlauf der Verwendungen von
Angehörigen der Bundespolizei nach Absatz 1. Sie stellt
dabei insbesondere dar, wie viele Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte sich im Auslandseinsatz befinden und wie
sich der Verlauf der einzelnen Verwendungen sowie die
politische und rechtsstaatliche Situation und Entwick-
lung in dem Staat darstellen, auf dessen Hoheitsgebiet die
Maßnahme erfolgt. Verändern sich die Begleitumstände
der Verwendung im Ausland, sodass eine Gefahr für Leib
oder Leben der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Poli-
folgen, auf dessen Hoheitsgebiet die Maßnahme stattfin-
den soll. Die Entscheidung über die Verwendung nach

dass eine gemäß Absatz 1 laufende Verwendung unver-
züglich beendet wird.“

Drucksache 17/12710 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Nach § 8 wird folgender § 8a eingefügt:

㤠8a

Sonstige Verwendung im Ausland

(1) Die Bundespolizei kann, unbeschadet des § 8, im
Ausland verwendet werden, wenn die Verwendung auf
einer bilateralen zwischenstaatlichen Vereinbarung be-
ruht oder der Beschluss des Rates 2008/615/JI vom
23. Juni 2008 (ABl. L 210 vom 6.8.2008, S. 1) dies vor-
sieht.

(2) Unter entsprechender Anwendung des § 8 Absatz 2
Satz 2 Buchstabe b bis h unterrichtet die Bundesregie-
rung den Bundestag vor Abschluss einer Vereinbarung
über die Teilnahme der Bundespolizei an einer Maßnah-
me gemäß Absatz 1.

(3) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag
vierteljährlich über den Verlauf der Verwendungen von
Angehörigen der Bundespolizei nach Absatz 1. Sie stellt
dabei insbesondere dar, wie viele Polizeibeamtinnen und
Polizeibeamte sich im Auslandseinsatz befinden und wie
sich der Verlauf der einzelnen Verwendungen sowie die
politische und rechtsstaatliche Situation und Entwick-
lung in dem Staat darstellt, auf dessen Hoheitsgebiet die
Maßnahme erfolgt. Verändern sich die Begleitumstände
der Verwendung im Ausland, sodass eine Gefahr für Leib
oder Leben der eingesetzten Polizeibeamtinnen und Poli-
zeibeamten eintritt oder sich die Menschenrechtssitua-
tion im Verwendungsgebiet erheblich verschlechtert, hat
die Bundesregierung den Bundestag unverzüglich zu un-
terrichten. Nach Beendigung einer Verwendung legt die
Bundesregierung dem Bundestag einen umfassenden Be-
richt über Verlauf und Ergebnisse der Verwendung vor.

(4) Der Bundestag kann durch Beschluss verlangen,
dass eine Verwendung gemäß Absatz 1 unverzüglich be-
endet wird.

(5) Die Bundespolizei kann ferner im Einzelfall zur
Rettung von Personen aus einer gegenwärtigen Gefahr
für Leib oder Leben im Ausland verwendet werden. Die
Verwendung ist nur für humanitäre Zwecke oder zur
Wahrnehmung dringender Interessen der Bundesrepublik
Deutschland und im Einvernehmen mit dem Staat, auf
dessen Hoheitsgebiet die Maßnahme stattfinden soll, zu-
lässig. Die Entscheidung trifft der Bundesminister des In-
nern im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt.

(6) Die Wahrnehmung der in den Absätzen 1 und 5 be-
zeichneten Aufgaben durch die Bundespolizei richtet
sich nach den dafür geltenden völkerrechtlichen Verein-
barungen oder den auf Grund solcher Vereinbarungen ge-
troffenen Regelungen. § 8 Absatz 1 Satz 5 gilt entspre-
chend.“

4. Nach § 8a wird folgender § 8b eingefügt:

㤠8b

Allgemeine Zulässigkeitsgrenzen
der Auslandsverwendung

(1) Verwendungen nach den §§ 8 und 8a sind unzuläs-
sig, wenn die Bundesregierung zum Zeitpunkt der Ent-
sendung nach ihren Möglichkeiten die Sicherheit der ent-

(2) Verwendungen nach den §§ 8 und 8a sind auch
dann unzulässig, wenn zum Zeitpunkt der Entsendung
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass im Verwen-
dungsgebiet die international anerkannten Menschen-
rechte und Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit systema-
tisch durch Missbrauch hoheitlicher Gewalt von Seiten
des Empfangsstaates verletzt werden.“

5. Nach § 8b wird folgender § 8c eingefügt:

㤠8c

Allgemeine Informationsrechte des Bundestages

Die §§ 8 bis 8b lassen sonstige Informationsrechte des
Bundestages unberührt.“

6. § 65 Absatz 2 wird aufgehoben.

Artikel 2
Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes

Das Bundeskriminalamtgesetz in der Fassung vom 7. Juli
1997 (BGBl. I S. 1650), zuletzt geändert durch Artikel 1 des
Gesetzes vom 6. Juni 2009 (BGBl. I S. 1226), wird wie folgt
geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 3 fol-
gende Angabe eingefügt:

„§ 3a Internationale Personalpräsenz“.

2. Nach § 3 wird folgender § 3a eingefügt:

㤠3a

Internationale Personalpräsenz

(1) Unbeschadet sonstiger allgemeiner Informations-
rechte des Bundestages unterrichtet die Bundesregierung
den Bundestag vierteljährlich über die laufende dienstli-
che Verwendung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
des Bundeskriminalamtes im Ausland. Die Unterrichtung
enthält Angaben insbesondere über

a) den Verwendungsauftrag,

b) den Verwendungszweck,

c) das Verwendungsgebiet inklusive der dortigen politi-
schen und rechtsstaatlichen Lage,

d) die rechtlichen Grundlagen der Verwendung,

e) die Zahl der entsendeten Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter des Bundes und

f) die geplante Dauer der Verwendung.

Berührt die Unterrichtung Informationen über Verwen-
dungen, deren Offenlegung laufende strafrechtliche Er-
mittlungen im Rahmen einer internationalen Kooperation
gefährden würde, sind die betreffenden Unterlagen bei
der Geheimschutzstelle des Bundestages zu hinterlegen.

(2) Der Bundestag kann durch Beschluss verlangen,
dass eine Verwendung im Ausland unverzüglich beendet
wird, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass
Diensthandlungen im Rahmen einer Verwendung gegen
das Grundgesetz bzw. gegen die Verpflichtungen der
Bundesrepublik Deutschland, die sich aus internationalen
sandten Beamtinnen und Beamten vor Ort nicht gewähr-
leisten kann.

bzw. europäischen Menschenrechtsabkommen ergeben,
verstoßen. Das Recht nach Satz 1 steht dem Bundestag

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12710

auch dann zu, wenn er auf Grund konkreter Anhaltspunk-
te zu der Auffassung gelangt, dass eine weitere Zusam-
menarbeit mit Behörden des jeweiligen Empfangsstaates
auf Grund dessen rechtsstaatswidriger bzw. menschen-
rechtswidriger behördlicher Praxis nicht gerechtfertigt
ist. Das Recht des Bundesministeriums des Innern bzw.
des Bundeskriminalamtes auf Rückholung auf Grund
rechtlicher oder dienstlicher Erwägungen bleibt unbe-
rührt.“

Artikel 3
Änderung des Bundesbeamtengesetzes

Nach § 29 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes in der
Fassung der Bekanntmachung vom 5. Februar 2009 (BGBl. I
S. 160), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom
6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2515), wird folgender Satz
eingefügt:

„Dies gilt unbeschadet der §§ 8 und 8a des Bundespolizei-
gesetzes sowie des § 3a des Bundeskriminalamtgesetzes.“
rittin und Fraktion
Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 13. März 2013

Renate Künast, Jürgen T

nen bzw. im Fall der Europäischen Union von einer supra- wendungen gelten soll. Der Bundestag als demokratisch

nationalen Organisation getragen werden. Durch die neue
Überschrift wird dieser Fokus noch ausdrücklicher als zuvor
dokumentiert.

legitimierte Volksvertretung hat ein berechtigtes Interesse
nicht nur daran, einen genauen Überblick darüber zu haben,
wo und in welcher Weise Polizeikräfte des Bundes weltweit
Drucksache 17/12710 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Die Auslandsverwendung von Angehörigen der Bundespoli-
zei wurde bisher in zwei verschiedenen Abschnitten des
Bundespolizeigesetzes geregelt. Die Verwendung in interna-
tionale mandatierten Missionen findet sich nach bisheriger
Regelung im Abschnitt „Aufgaben und Verwendungen“
(§ 8), bilateraler internationale Kooperation und solche im
Rahmen der EU im Abschnitt „Organisation und Zuständig-
keiten“ (§ 65). Diese unterschiedliche Verortung ist nicht
zwingend und wenig systematisch. Sie wird durch den vor-
liegenden Gesetzentwurf aufgehoben. Es ist systematisch
weitaus sinnvoller, den gesamten Bereich der Auslandsver-
wendung in demselben Abschnitt des Gesetzes zu regeln.

Die Auslandsverwendung von Angehörigen des Bundes-
kriminalamtes ist über die allgemeinen beamtenrechtlichen
Regelungen hinaus bislang nicht im Besonderen geregelt – ein
in Anbetracht in der Praxis stattfindender, aus menschen-
rechtlicher bzw. rechtsstaatlicher Sicht potentiell brisanter
Kooperationen äußerst problematischer Zustand.

Im Kern dient der vorliegende Entwurf dazu, die Kontroll-
rechte des Bundestags im Hinblick auf das weltweite polizei-
liche Engagement der Bundesrepublik Deutschland zu
stärken. Hierzu bedarf es einer Konkretisierung der Informa-
tionsrechte sowie einer damit einhergehenden Ausweitung
der Kontrollmöglichkeiten inklusive der Rückrufmöglich-
keit in bestimmten Fällen. Der Entwurf stellt die Zuständig-
keit der Bundesregierung für die außenpolitischen Belange
der Bundesrepublik Deutschland nicht grundsätzlich in Fra-
ge. Er ist jedoch Ausdruck des legitimen Interesses und
rechtlichen Anspruchs des Gesetzgebers, ein umfassendes
Bild über die Aktivitäten und Maßnahmen der Exekutiven zu
bekommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es in der
Sache darum geht, zu welchen Zwecken die Regierung die
ihr per Gesetz zur Verfügung gestellten Befugnisse verwen-
det. Dabei muss der Gesetzgeber gerade beim Einsatz von
Sicherheitsbehörden außerhalb des Hoheitsgebiets die Mög-
lichkeit der Einflussnahme haben.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Bundespolizeigesetzes)

Zu Nummer 1

Die Änderungen in der Inhaltsübersicht sind durch die fol-
genden Änderungen im Gesetzestext bedingt.

Zu Nummer 2

Wie bisher bezieht sich § 8 des Bundespolizeigesetzes
(BPolG) in erster Linie auf die Entsendung von Polizeikräf-
ten in Missionen, die von zwischenstaatlichen Organisatio-

tags bzw. die Kontrolle durch diesen über die Entsendung
von Bundespolizeikräften konkretisieren und stärken. Über
die allgemeine Informationspflicht und das auch nach alter
Gesetzeslage vorhandene Rückholrecht hinaus ist die Bun-
desregierung nunmehr aktiv verpflichtet, das Parlament nach
konkreten Kriterien frühzeitig in Entsendungsentscheidun-
gen einzubinden und regelmäßig über die jeweils stattfin-
denden Einsätze auf dem Laufenden zu halten. Dadurch soll
die Transparenz hinsichtlich der Verwendung bundesdeut-
scher Polizeikräfte, insbesondere in Krisengebieten, für Par-
lament und Öffentlichkeit gesteigert werden. Gleichzeitig
fördert die neue Regelung die demokratische Legitimierung
solcher internationaler Verwendungen. Dies auch im Interes-
se der entsandten Einsatzkräfte selbst, die nunmehr mit stär-
kerer parlamentarischer Rückendeckung in die Einsätze ge-
hen können. Die Regelmäßigkeit der Berichtspflichten soll
gewährleisten, dass sowohl Regierung als auch Parlament in
kürzeren Abständen über Recht- und Zweckmäßigkeit sowie
Vertretbarkeit und erzielte Ergebnisse der Einsätze beraten.

Zu Nummer 3

Der neu einzufügende § 8a bezieht sich auf jedwede Aus-
landsverwendung, die nicht im Rahmen eines multinationa-
len Mandats stattfindet. Umfasst ist hier die bilaterale Aus-
bildungsunterstützung auf internationaler Ebene unabhängig
vom konkreten Personalumfang ebenso wie internationale
Beratungstätigkeiten. Insbesondere ist hier auch die Verwen-
dung im Rahmen des so genannten Prümer Vertrags, der in-
zwischen in den Besitzstand der Europäischen Union über-
gegangen ist, geregelt. Damit wird die bisherige Regelung
des § 65 Absatz 2 in etwas veränderter Form in den neuen
§ 8a integriert. Der Begriff der bilateralen zwischenstaat-
lichen Vereinbarung fasst die bisher alternativ genannten
Verwendungsvoraussetzungen der völkerrechtlichen Verein-
barung sowie der Zustimmung des Bundesministeriums des
Innern zusammen.

Anders als der bisherige § 65 regelt § 8a in den Absätzen 2
und 3 nunmehr parallel zu den international mandatierten
Polizeimissionen nach § 8 eine konkrete Unterrichtungs-
pflicht der Bundesregierung über sämtliche Verwendungen
von Angehörigen der Bundespolizei außerhalb des Hoheits-
gebiets der Bundesrepublik Deutschland. Durch diese Rege-
lung sollen die bestehenden Defizite im Hinblick auf die In-
formationspolitik der Bundesregierung und den daraus
folgenden Mangel an Information oder sogar Kenntnis von
solchen Einsätzen des Parlaments überwunden werden.

Ebenfalls anders als bisher erstreckt § 8a Absatz 4 nunmehr
das Rückholrecht des Deutschen Bundestages auf sämtliche
Auslandsverwendungen. Es ist kein Grund ersichtlich, wes-
halb das Rückholrecht bei international mandatierten Mis-
sionen, nicht aber bei bilateralen oder EU-internen Ver-
Die neuen Absätze 2 und 3 repräsentieren das Kernanliegen
des § 8 BPolG neu, indem sie die Beteiligung des Bundes-

eingesetzt werden, sondern auch daran, einzuschreiten,
wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Ent-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/12710

sendung nicht (mehr) mit dem menschenrechtlichen bzw.
rechtsstaatlichen Anspruch der Bundesrepublik Deutschland
vereinbar ist und/oder Angehörige der Bundespolizei in
Situationen geschickt werden, in denen ihre persönliche
Sicherheit und Unversehrtheit nicht gewährleistet ist. Der
Bundestag muss die Möglichkeit haben, sich schützend vor
die Angehörigen der Bundespolizei zu stellen.

Absatz 5 entspricht vom Wortlaut her dem Absatz 2 des bis-
herigen § 8 und ist aus Gründen der Systematik in den neuen
§ 8a eingeflossen.

Zu Nummer 2

Neben Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten sind auch
Vollzugsbeamtinnen und -beamte der Kriminalpolizei aus
Bund und Ländern im Rahmen internationaler Zusammenar-
beit aktiv, sei es zur Ausbildung und Beratung, zur Ausrüs-
tungshilfe, zwecks Informationsaustauschs (Verbindungs-
beamte/Interpol) bzw. Ermittlungen oder zum Personen- und
Objektschutz. Diese globale Präsenz findet insbesondere
auch in Staaten mit aus menschenrechtlicher und rechtsstaat-
licher Sicht fragwürdigen Standards statt. Vor diesem Hin-
Absatz 6 stellt parallel zur entsprechenden Regelung in § 8
klar, dass die Bindung an völkerrechtliche Vereinbarungen
und insbesondere menschenrechtliche Standards auch für
Verwendungen nach § 8a gilt.

Zu Nummer 4

Der neu einzufügende § 8b dient in erster Linie der Klarstel-
lung, dass internationales Engagement der Bundesrepublik
im Bereich Polizei stets und nur unter der Prämisse stattfin-
det, dass für die Sicherheit der zu entsendenden Beamtinnen
und Beamten im Einsatzgebiet gesorgt ist und bei der Grun-
dentscheidung über die Zusammenarbeit mit anderen Staa-
ten die Wahrung der international anerkannten Menschen-
rechte und von rechtstaatlichen Grundsätzen Vorrang hat.
Deutsche Polizeikräfte sollen davor bewahrt werden, leicht-
fertig in unsichere, unübersichtliche und rechtsstaatlich un-
tragbare Situationen entsandt zu werden.

Zu Nummer 5

Der neu einzufügende § 8c dient der Klarstellung, dass der
Bundestag inklusive seiner jeweiligen dazu befugten Gre-
mien, Fraktionen und Abgeordneten weiterhin, auch über die
Vorschriften des Bundespolizeigesetzes hinaus von seinem/
ihrem Recht auf Information gegenüber der Bundesregie-
rung Gebrauch machen darf/dürfen.

Zu Nummer 6

Aufgrund des neuen § 8a ist der bisherige Absatz 2 des § 65
obsolet.

Zu Artikel 2 (Änderung des Bundeskriminalamt-
gesetzes)

Zu Nummer 1

Die Änderungen in der Inhaltsübersicht sind durch die fol-
genden Änderungen im Gesetzestext bedingt.

tergrund ist auch im kriminalpolizeilichen Bereich eine stär-
kere parlamentarische Kontrolle geboten. Der Deutsche
Bundestag hat einen Anspruch darauf zu erfahren, wo und in
welcher Funktion Angehörige der Kriminalpolizei des Bun-
des international im Einsatz sind. Zu diesem Zweck begrün-
det der neu eingefügte § 3a eine an die Regelungen des
Bundespolizeigesetzes angelehnte aktive, regelmäßige Be-
richtspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Parlament
(Absatz 1), sowie ein parlamentarisches Rückholrecht in be-
sonders gelagerten Fällen (Absatz 2).

In Fällen, in denen Mitarbeiter des BKA im Rahmen völker-
rechtlicher Vereinbarungen an (verdeckten) Ermittlungen
außerhalb des Bundesgebiets teilnehmen, kann es zum
Schutz staatlicher Strafverfolgungsinteressen sowohl seitens
der Bundesrepublik Deutschland als auch seitens anderer
Staaten erforderlich sein, Informationen über die konkrete
Verwendung unter Verschluss zu halten. Zu diesem Zweck
stellt Satz 2 des § 3a Absatz 1 klar, dass die Bundesregierung
ihrer Unterrichtungspflicht auch dann gerecht wird, wenn sie
die relevanten Unterlagen in der Geheimschutzstelle des
Bundestags hinterlegt.

Zu Artikel 3 (Änderung des Bundesbeamten-
gesetzes)

Der neu eingefügte Satz 2 soll gesetzlich klarstellen, dass
eine Auslandsverwendung von Angehörigen der Bundes-
polizei sowie des Bundeskriminalamtes stets nur unter den
Voraussetzungen der §§ 8 und 8a des Bundespolizeigesetzes
sowie des § 3a des Bundeskriminalamtsgesetzes stattfinden
darf.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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