BT-Drucksache 17/12467

Umfassende Modernisierung und Respektierung der Menschenrechte in Aserbaidschan unabdingbar machen

Vom 26. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12467
17. Wahlperiode 26. 02. 2013

Antrag
der Abgeordneten Franz Thönnes, Dr. Rolf Mützenich, Christoph Strässer,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ute Kumpf, Thomas Oppermann,
Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln),
Ute Koczy, Tom Koenigs, Marieluise Beck (Bremen), Agnes Brugger,
Ingrid Hönlinger, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Memet Kilic, Jerzy Montag,
Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umfassende Modernisierung und Respektierung der Menschenrechte
in Aserbaidschan unabdingbar machen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Zwischen der Europäischen Union und Aserbaidschan bestehen vielfältige Be-
ziehungen in den Feldern Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Seit
2009 finden weite Teile der europäischen Zusammenarbeit mit Aserbaidschan
im Rahmen der Östlichen Partnerschaft (ÖP) der EU statt, deren Gründungs-
mitglied Aserbaidschan ist. Die Europäische Nachbarschaftspolitik verfolgt mit
der ÖP das Ziel einer weitreichenden Annäherung zwischen den Partnerländern
und der EU und unterstützt in diesem Kontext umfassende politische, wirt-
schaftliche und gesellschaftliche Reformen in den jeweiligen Ländern. Seit
2010 führt die EU mit Aserbaidschan Verhandlungen über ein Assoziierungs-
abkommen. Ziel ist eine vertiefte und partnerschaftliche Kooperation der EU
mit einem demokratischen und rechtsstaatlichen Aserbaidschan. Schon jetzt ist
Aserbaidschan insbesondere in ökonomischer Hinsicht ein wichtiger Partner
der EU in der Region des südlichen Kaukasus. Stabilität und Weiterentwick-
lung der Beziehungen sind in beiderseitigem Interesse. Eine umfassende
Modernsierung Aserbaidschans ist hierfür unabdingbar.

Für den Modernisierungsprozess Aserbaidschans stellt der andauernde Konflikt
mit Armenien um die Region Berg-Karabach eine große Belastung dar. Die
massive militärische Aufrüstung der Konfliktparteien und die steigenden Rüs-
tungsausgaben Aserbaidschans gefährden das Zusammenleben in den einzel-

nen Staaten wie der Region insgesamt. Die fortwährende Kriegsrhetorik lenkt
vom dringenden Erfordernis der Durchsetzung demokratischer Standards und
gesamtgesellschaftlichen Wohlstands ab. In Bezug auf den Konflikt um Berg-
Karabach unterstützt der Deutsche Bundestag die Arbeit der Minsk-Gruppe der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Nur mit
friedlichen Mitteln und multilateralen Institutionen ist dieser Konflikt dauerhaft
zu lösen. Gespräche und Dialogbereitschaft mit allen Beteiligten können einen

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Weg aus diesem Konflikt weisen, Beschuldigungen in beide Richtungen jedoch
sicher nicht. Wie in den „Madrid Principles“ gemeinsam mit den beteiligten
Partnern der OSZE vereinbart, wäre der Beginn des Rückzugs der armenischen
Truppen aus den angrenzenden Gebieten um Berg-Karabach ein wichtiges Sig-
nal für den ersten Schritt zur Erarbeitung einer langfristigen Friedenslösung,
die sowohl dem Anspruch Aserbaidschans auf territoriale Integrität als auch
dem Selbstbestimmungsrecht der Menschen in Berg-Karabach Rechnung trägt.
Der Deutsche Bundestag befürchtet, dass die Bereitschaft zu Kooperation und
Kompromissfindung unzureichend ist, und bedauert den jahrelangen Stillstand
der Verhandlungen zur Konfliktbeilegung. Die EU sowie die Akteure der
OSZE-Minsk-Gruppe müssen entschlossener handeln und mehr Druck auf die
Konfliktparteien ausüben, um die Verhandlungen endlich mit neuem Leben zu
füllen und eine beständige Reproduktion von nationalistischen Feindbildern in
kommenden Generationen zu verhindern.

In den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Aserbaidschan, die
durch ihre wechselseitige Abhängigkeit geprägt sind, ist die stärkere Nutzung
von Synergiepotenzialen geboten. Für die EU gehört Aserbaidschan zu den be-
deutendsten Lieferanten und wichtigsten Transitländern fossiler Rohstoffe. Für
Aserbaidschan wiederum sind die EU-Mitgliedstaaten wichtigste Abnehmer
von Exportgütern und Handelspartner. Aserbaidschan ist auf europäische Un-
terstützung bei der Modernisierung und breiteren Aufstellung seiner Wirtschaft
angewiesen. Für eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung des Landes
werden Alternativen zu einer auf dem Export fossiler Rohstoffe basierten Wirt-
schaft benötigt. Hier könnte die EU gemeinsam mit Aserbaidschan Koopera-
tionsprojekte zur Förderung erneuerbarer Energien und größerer Energie-
effizienz ins Leben rufen, von denen beide Seiten profitieren würden, und stär-
ker auf die Einhaltung internationaler Umwelt- und Sozialstandards drängen.

Nach wie vor besteht jedoch bei den politischen und wirtschaftlichen Eliten
Aserbaidschans kein ernsthaftes Interesse an wirtschaftlicher Diversifizierung.
Die erhebliche Abhängigkeit Aserbaidschans vom Erdöl- und Erdgasexport
dauert an. Einseitig wird auf die Abschöpfung von Gewinnen aus dem Roh-
stoffexport statt auf Modernisierung und Nachhaltigkeit gesetzt. Die Folgen
sind marode und erneuerungsbedürftige Industrieanlagen, eine veraltete Infra-
struktur, beträchtliche Umweltschäden und das weitgehende Brachliegen gan-
zer Produktionszweige. In Aserbaidschan investierende Unternehmen sind wei-
terhin mit einem Mangel an Rechtssicherheit konfrontiert. Problematisch bleibt
darüber hinaus die mangelnde Bekämpfung von Klientelismus und Korruption,
die in Aserbaidschan strukturelle Ausmaße annehmen. Die daraus entstehenden
Mehrkosten bedeuten für das Land gesamtwirtschaftliche Wohlstandsverluste
und behindern den Ausbau der internationalen Wirtschaftsbeziehungen.

Modernisierungsbedürftig sind des Weiteren das Sozial-, Bildungs- und Ge-
sundheitssystem des Landes. Massive Korruption steht auch hier der Effektivi-
tät der vorhandenen Einrichtungen entgegen und untergräbt die Chancengleich-
heit. So kommen die Einnahmen aus dem Rohstoffsektor in erster Linie den
autokratischen Eliten des Landes zu gute, die breite Bevölkerung profitiert
nicht davon. Die erhebliche soziale Schieflage wird dadurch verfestigt, dass die
wachsenden privaten Bildungsangebote nicht für alle erschwinglich sind, wäh-
rend die Qualität des öffentlichen Bildungssektors sinkt. Von sozialem Aus-
schluss sind insbesondere Frauen betroffen, denen es zunehmend schwerer
fällt, in Führungspositionen aufzusteigen. Die Gesundheitsversorgung ist für
große Teile der Bevölkerung mangelhaft.

Der Deutsche Bundestag bedauert, dass in den zurückliegenden Jahren kaum
Fortschritte Aserbaidschans in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaat-

lichkeit verzeichnet werden konnten. Stattdessen sind ein zunehmend auto-
ritärer Kurs der aserbaidschanischen Staatsführung und die systematische Un-

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terdrückung oppositioneller Kräfte festzustellen. Sowohl die Präsidentschafts-
wahlen 2008 als auch die Parlamentswahlen 2010 waren durch schwerwie-
gende Verstöße gegen internationale Standards für demokratische Wahlen und
aserbaidschanisches Recht gekennzeichnet. Wahlbeobachtungsmissionen der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stellten er-
hebliche Unregelmäßigkeiten und Manipulationen vor, während und nach den
Wahlvorgängen fest. Zu kritisieren sind insbesondere die Einschränkung der
Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die Behinderung einer unabhängigen
Berichterstattung sowie die Benachteiligung oppositioneller Kandidatinnen und
Kandidaten, wobei Frauen insgesamt in der aserbaidschanischen Politik nach
wie vor deutlich unterrepräsentiert sind. Seit 20 Jahren haben keine freien und
fairen Wahlen in Aserbaidschan stattgefunden. Die im Jahr 2009 von Präsident
Ilham Aliyev durchgesetzte Möglichkeit zur unbegrenzten Verlängerung seiner
Amtszeit ist ein schwerer Rückschlag für die demokratische Entwicklung des
Landes.

Mit Blick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen 2013 sollte sich die in-
ternationale Gemeinschaft frühzeitig darum bemühen, dass demokratische Ver-
fahren strikt eingehalten und durch die OSZE, insbesondere im Rahmen einer
Langzeit-Wahlbeobachtungsmission, überwacht werden. Zu befürchten ist dar-
über hinaus, dass im Vorfeld der Wahlen militaristische und nationalistische
Äußerungen zunehmen. Auch deshalb muss auf internationaler Ebene mehr
Druck ausgeübt und deeskalierende Maßnahmen eingefordert werden.

Zu den drängendsten Herausforderungen im Bereich Rechtsstaatlichkeit zählt
nach wie vor die Unabhängigkeit des aserbaidschanischen Justizwesens. Zwei-
fel bestehen hier insbesondere bei der Ernennung von Richterinnen und Rich-
tern sowie bei der Urteilsfindung. Erforderlich sind umfassende Justizreformen,
denn ohne ein souveränes, berechenbares und transparentes Rechtssystem kann
es weder eine politische noch eine nachhaltige wirtschaftliche Modernisierung
des Landes geben.

Für eine umfassende Modernisierung Aserbaidschans ebenso unentbehrlich ist
eine selbstbewusste und vielfältige Zivilgesellschaft. Die Regierungspolitik
zielt jedoch auf deren Marginalisierung ab. Die Menschenrechtslage hat sich in
den letzten Jahren weiter verschlechtert. So sind die Meinungs- und Versamm-
lungsfreiheit stark eingeschränkt. Regierungskritischen Kundgebungen wird
die Genehmigung verweigert, Proteste werden häufig gewaltsam aufgelöst, die
Teilnehmenden verhaftet und in verkürzten Verfahren zu teilweise mehrjähri-
gen Haftstrafen verurteilt. Besorgniserregend ist insbesondere die Zunahme der
Inhaftierungen von, häufig jugendlichen, Menschenrechtsaktivistinnen und - akti-
visten. Immer wieder kommt es zur Misshandlung und Folter von Inhaftierten,
was in einigen Fällen den Tod der Betroffenen zur Folge hatte. Trotz einer Am-
nestie befinden sich weiterhin zahlreiche Personen in politischer Haft, wie auch
der Bericht des Sonderberichterstatters der Parlamentarischen Versammlung
des Europarates über politische Gefangene festgestellt hat. Nichtregierungsor-
ganisationen und oppositionelle Parteien sind mit wachsenden Schwierigkeiten
bei der Registrierung konfrontiert, was ihre Arbeitsfähigkeit drastisch ein-
schränkt. In der Hauptstadt Baku werden regelmäßig gesetzwidrige Enteignun-
gen sowie Zwangsräumungen durchgeführt und private Wohnhäuser zerstört.
Der Schutz von Menschen vor Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orien-
tierung oder ihrer Geschlechtsidentität ist nach wie vor unzureichend.

Die modernisierungsfeindliche Politik der Regierung Ilham Aliyev findet ihren
Niederschlag auch im Umgang mit kritischen Stimmen in den Medien. Aser-
baidschan gehört zu den Ländern, in denen die Medien am wenigsten frei sind.
Im weltweiten Vergleich nimmt Aserbaidschan in der Rangliste der

Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen unter 179 Staaten den
162. Platz ein. TV- und Radiosender können nicht unabhängig berichten und

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werden umfassend vom Staat kontrolliert. Journalistinnen und Journalisten
werden ebenso wie Onlineaktivistinnen und -aktivisten bei ihrer Arbeit durch
die Behörden behindert und müssen mit willkürlichen Verhaftungen sowie
Misshandlungen rechnen. Sie werden massiv bedrängt, ihre Ausrüstung be-
schlagnahmt oder zerstört und in politisch motivierten Prozessen unter Vorwän-
den verurteilt. Mehrere Medienvertreterinnen und -vertreter befinden sich in
Haft. Der anhaltende staatliche Druck auf die beiden letzten oppositionellen
Zeitungen, Azadlıq und Yeni Müsavat, entzieht diesen zunehmend ihre wirt-
schaftliche Grundlage und stellt einen schweren Angriff auf die Pressefreiheit
dar.

Der Deutsche Bundestag hat den 2001 erfolgten Beitritt Aserbaidschans zum
Europarat begrüßt. Mit seinem Beitritt hat sich Aserbaidschan der Gewährleis-
tung von Grund- und Menschenrechten sowie zur Einhaltung von demokra-
tischen und rechtsstaatlichen Standards verpflichtet. Es bestehen jedoch ange-
sichts der andauernden Repressionen erhebliche Zweifel daran, dass die Füh-
rung Aserbaidschans bereit ist, europäische Werte, wie sie in der Satzung des
Europarates verankert sind, zu respektieren und in die politische Praxis umzu-
setzen. In diesem Zusammenhang unterstreicht der Bundestag seine Auffas-
sung, dass das Vorgehen Aserbaidschans gegen die Tätigkeit des Sonderbe-
richterstatters der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über politi-
sche Gefangene inakzeptabel ist. Die seit Jahren andauernde Weigerung, dem
Sonderberichterstatter ein Einreisevisum auszustellen, gegen ihn und weitere
Versammlungsmitglieder gerichtete persönliche Angriffe sowie Versuche Aser-
baidschans, der Parlamentarischen Versammlung die Zuständigkeit für poli-
tische Gefangene zu entziehen, behindern nicht nur die bestimmungsgemäße
Arbeit des Europarates, sondern gefährden seine Glaubwürdigkeit insgesamt.

Der Deutsche Bundestag bekräftigt seine Auffassung, dass Offenheit und
Pluralismus unabdingbare Voraussetzungen für das langfristige und stabile
Zusammenleben in einer Gesellschaft sind. Unterdrückung führt dazu, dass
sich eine Gesellschaft nicht in ihrer ganzen Vielfalt artikulieren kann. Sie ver-
schleiert Missstände, bis diese sich so verdichtet haben, dass das gesamte poli-
tische System erschüttert wird. Indem die aserbaidschanische Staatsführung auf
Repressionen und die Festigung autoritärer Strukturen setzt, schadet sie sowohl
den eigenen Wirtschafts- und innerstaatlichen Stabilitätsinteressen als auch
dem Ruf Aserbaidschans und seinen internationalen Beziehungen. Der derzei-
tige politische Kurs der aserbaidschanischen Regierung unter Präsident Ilham
Aliyev steht dem weiteren Ausbau der Zusammenarbeit mit der Europäischen
Union im Weg. Die Durchführung von politischen Reformen und eine aktive
Bereitschaft zur Einleitung eines gesellschaftlichen Wandels sind Vorausset-
zungen für eine weitere Annäherung an die europäische Wertegemeinschaft.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, im bilateralen wie im europäischen
Dialog mit der aserbaidschanischen Staatsführung deutlich entschiedener die
Wahrung von Grund- und Menschenrechten sowie demokratischer und
rechtsstaatlicher Prinzipien einzufordern und sich für ein abgestimmtes Han-
deln der EU diesbezüglich einzusetzen. Insbesondere gilt es, diejenigen Kräfte
in Aserbaidschan, die sich zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschen-
rechten bekennen, durch die Förderung grenzüberschreitenden Austauschs zu
unterstützen. Die Entwicklungszusammenarbeit mit Aserbaidschan im Rahmen
der im Jahr 2001 unter der rot-grünen Bundesregierung initiierten Kaukasus-
Initiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ) muss stärker auf Fortschritte bei der Stärkung von Demo-
kratie und Rechtsstaatlichkeit sowie im Bereich der Menschenrechte drängen.
Über Rechtsstaatlichkeit und Demokratie hinaus bietet die Kaukasus-Initiative
einen tragfähigen Rahmen, um nachhaltiges Wirtschaften, Umweltschutz und

die klima- und zukunftsgerechte Lösung von Energiefragen in Aserbaidschan
zu fördern.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/12467

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• eine abgestimmte Politik auch und gerade mit Blick auf die Lage der Men-
schenrechte in Aserbaidschan zu formulieren und gemeinsam zu praktizie-
ren; hier muss endlich eine klare Linie erkennbar werden;

• gegenüber aserbaidschanischen Stellen die Notwendigkeit der Respektie-
rung und Förderung der Grund- und Menschenrechte aller Bürgerinnen und
Bürger, der Einleitung demokratischer und rechtsstaatlicher Reformen sowie
eines aktiven Kampfes gegen Korruption für eine weitere Annäherung an
die Europäische Union zu betonen;

• für ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
bei Maßnahmen einzutreten, welche eine Behebung rechtsstaatlicher Defi-
zite, Schritte zur Demokratisierung und eine Stärkung der aserbaidschani-
schen Zivilgesellschaft unterstützen sollen;

• bilateral sowie gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten darauf zu drängen,
dass die Regierung Aserbaidschans bereits ausgehandelte Teile des Assozi-
ierungsabkommens mit der EU einhält und entsprechende Reformen einlei-
tet;

• sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass transparente, überprüfbare und
zeitlich fixierte Zielvorgaben zum Schutz und zur Förderung der Menschen-
rechte, insbesondere hinsichtlich Medien-, Meinungs-, Vereinigungs- und
Versammlungsfreiheit, in das Assoziierungsabkommen mit Aserbaidschan
aufgenommen werden;

• in der bilateralen und europäischen Zusammenarbeit mit Aserbaidschan
Maßnahmen zur Förderung der Pressefreiheit zu entwickeln, um den staat-
lichen Druck von den oppositionellen Zeitungen zu nehmen und unabhän-
gige Fernsehsender zu schaffen;

• sich für mehr internationalen Druck, insbesondere seitens der Mitglieder der
Minsk-Gruppe der OSZE, auf die Konfliktparteien des Berg-Karabach-Kon-
fliktes einzusetzen und in enger Abstimmung mit den internationalen Akteu-
ren ein Ende von Kriegsrhetorik und militärischer Aufrüstung, die Einlei-
tung vertrauensbildender Maßnahmen sowie den Beginn von ernsthaften
Verhandlungen zur Konfliktbeilegung einzufordern;

• die aserbaidschanische Regierung auf ihre aus der Mitgliedschaft im Euro-
parat und in der OSZE erwachsenden Verpflichtungen hinzuweisen;

• mit Blick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen darauf zu drängen,
dass die Regierung Aserbaidschans die in der Vergangenheit von OSZE-
Wahlbeobachtungsmissionen festgestellten Probleme und Defizite behebt,
und sich im Rahmen der OSZE für die Durchführung einer Langzeit-Wahl-
beobachtungsmission in Aserbaidschan einzusetzen;

• sich auch auf höchster politischer Ebene für die sofortige Freilassung und
Rehabilitierung der inhaftierten Medienvertreterinnen und -vertreter und al-
ler politischen Gefangenen einzusetzen und die Umsetzung von Urteilen des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anzumahnen;

• gegenüber der Regierung Aserbaidschans ihre Besorgnis über die zuneh-
mende Inhaftierung von Jugend- und Menschenrechtsaktivistinnen und - akti-
visten sowie die Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit
zum Ausdruck zu bringen und die vollständige und transparente Aufklärung
von Misshandlungen durch Staatsbedienstete einzufordern;

• die aserbaidschanische Regierung zu überzeugen, mehr Mittel in den öffent-
lichen Bildungssektor zu investieren, Korruption im Bildungssektor zu
bekämpfen, die Qualität der Bildung zu steigern, auch nichttechnische

Studiengänge zu fördern und die Teilhabemöglichkeiten zu vergrößern;

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• sich dafür einzusetzen, dass aserbaidschanischen Studierenden, die aufgrund
des Eintretens für europäische Werte zwangsweise exmatrikuliert wurden
oder anderen Repressalien ausgesetzt sind, Studienmöglichkeiten innerhalb
der EU angeboten werden und dabei auch die Vergabe entsprechender Sti-
pendien geprüft wird;

• sich auf europäischer Ebene für eine Lockerung der EU-Visabestimmungen
einzusetzen, um insbesondere den zivilgesellschaftlichen Austausch und Be-
gegnungen mit den demokratischen Gesellschaften Europas zu erleichten,
wobei auch die Sicherheitsinteressen Deutschlands und der EU nicht außer
Acht gelassen werden dürfen;

• in diesem Sinne auch und schon im Vorfeld einer Visaliberalsierung auf
EU-Ebene sicherzustellen, dass bei der Vergabe von Visa durch deutsche
Auslandsvertretungen vorhandene Spielräume im Rahmen des geltenden
EU-Rechts genutzt werden;

• in Abstimmung mit den EU-Mitgliedstaaten Aserbaidschan anzubieten, den
Prozess der wirtschaftlichen Diversifizierung – insbesondere die Förderung
von Alternativen zum Export fossiler Rohstoffe, den Ausbau erneuerbarer
Energien und die Erhöhung der Energieeffizienz – durch Kooperations-
projekte, den Aufbau von Kapazitäten vor Ort sowie durch Wissens- und
Technologietransfer zu unterstützen;

• in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der Kaukasus-
Initiative entschiedener auf Fortschritte im Bereich der Menschenrechte und
bei der Entwicklung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu drängen,
Aserbaidschan verstärkt beim Aufbau funktionsfähiger Institutionen zu
unterstützen und durch Dezentralisierungsmaßnahmen sowie Förderung
zivilgesellschaftlicher Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen
Demokratisierungsprozesse auf allen Ebenen zu stärken;

• im Rahmen der Kaukasus-Initiative des BMZ in der Zusammenarbeit mit
Aserbaidschan Fragen von Korruption und Intransparenz, insbesondere im
Rohstoffsektor, zu adressieren; auf die Einhaltung von sozialen, ökolo-
gischen und Menschenrechtsstandards und auf angemessene Beteiligung der
lokalen Bevölkerung an den Gewinnen im Rohstoffsektor zu drängen; Aser-
baidschans Bemühungen um Transparenz im Rohstoffsektor als Land, das
die Anforderungen der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI)
erfüllt, zu unterstützen und die aserbaidschanischen Akteurinnen und Ak-
teure zu ermutigen, verbindliche Transparenzstandards im Rohstoffsektor zu
verankern.

Berlin, den 26. Februar 2013

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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