BT-Drucksache 17/124

Menschenrechte in Sri Lanka stärken

Vom 2. Dezember 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 17/124
17. Wahlperiode 02. 12. 2009

Antrag
der Abgeordneten Ute Koczy, Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Marieluise Beck
(Bremen), Viola von Cramon-Taubadel, Kai Gehring, Ulrike Höfken, Ingrid
Hönlinger, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Markus Kurth, Agnes Malczak,
Jerzy Montag, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Harald Terpe, Josef Philip Winkler und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechte in Sri Lanka stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die rund 37 Jahre währenden bewaffneten Auseinandersetzungen in Sri Lanka
zwischen den „Befreiungstigern von Tamil Eelam“ (LTTE) und der Regierung
sind vor wenigen Monaten zu einem vorläufigen Ende gekommen. Sie haben
bis zu 100 000 Opfer gefordert. Immer noch leben mehr als 100 000 haupt-
sächlich tamilische Flüchtlinge – darunter rund 30 000 Kinder – unter meist ka-
tastrophalen humanitären Bedingungen in 41 Lagern, die vom Militär kontrol-
liert werden. Krankheiten breiten sich aus, die hygienischen Bedingungen sind
inakzeptabel.

Der Vertreter des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für die Men-
schenrechte intern vertriebener Menschen, Walter Kälin, stellte nach einem
dreitägigen Besuch in Sri Lanka am 29. September 2009 dringenden Hand-
lungsbedarf fest und kritisierte den langsamen Prozess der Entlassung der
Flüchtlinge. Amnesty International kritisierte kürzlich den Fortbestand von
noch 41 Lagern. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) äu-
ßerte sich besorgt über Sicherheitsbedingungen und Vorfälle in den Lagern der
Binnenflüchtlinge und forderte umgehende Verbesserungen. Durch den Mon-
sun verschärfen sich die Bedingungen in den Lagern zusätzlich.

Für ausländische und einheimische Journalistinnen und Journalisten ist eine un-
abhängige Berichterstattung nahezu unmöglich, da sie sich nicht frei in den La-
gern bewegen können und von der Regierung unter Druck gesetzt werden. Die
Bedrohungen und Verfolgungen von kritischen Journalistinnen und Journalis-
ten, Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern und Oppositionellen in
allen Teilen des Landes halten nach wie vor an.

Auch nach Ende der Kampfhandlungen herrscht in Sri Lanka ein Klima der

Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen wie extralegale Hinrichtungen
und für Kriegsverbrechen auf Seiten der Regierung, der paramilitärischen
Gruppen und der Rebellen. Unabhängige Untersuchungen der Verbrechen wer-
den nicht erlaubt oder eingeleitet. Das Land befindet sich im Ausnahmezu-
stand.

Drucksache 17/124 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Das Menschenrechtsprüfverfahren zu Sri Lanka bei der Europäischen Kommis-
sion zwecks Fortsetzung von Handelspräferenzen (Generalised System of Pref-
erences; GSP Plus) ist mit dem Sachverständigenbericht im Oktober 2009 zu
einem ersten Abschluss gekommen. Die EU hat Sri Lanka Handelspräferenzen
vor allem im Bereich Bekleidung gewährt und dabei die Umsetzung des Inter-
nationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, des Übereinkom-
mens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung oder Strafe sowie des Übereinkommens zu den Rechten des Kin-
des zur Vertragsbedingung gemacht. Die Gutachter der Europäischen Kommis-
sion für das GSP-Plus-Verfahren kommen zum Schluss, dass die Regierung Sri
Lankas die Aufgaben aus dem Vertrag mit der EU nicht erfüllt. Ebenso stellt
der für den Bereich Handel zuständige Sprecher der Europäischen Kommis-
sion, Lutz Güllner, fest, dass Sri Lanka seinen menschenrechtlichen Verpflich-
tungen nicht im notwendigen Maße nachgekommen ist. Die Europäische Kom-
mission wird daher die EU-Mitgliedstaaten konsultieren, um über eine
vorübergehende Suspendierung der Handelspräferenzen zu beraten.

Die gegenwärtige Regierung scheint nicht zu realisieren, dass ein militärischer
Sieg allein nicht zum dauerhaften Frieden führen wird. Eine politische Lösung
setzt einen Prozess unter Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen voraus. Dies
setzt ebenfalls voraus, eine Entwicklungsstrategie mit dem Ziel zu erarbeiten,
die großen materiellen Differenzen zwischen dem Süden des Landes und dem
Norden bzw. Osten des Landes zu überwinden. Ohne eine nachhaltige Verbes-
serung der Lebensbedingungen, den angemessenen Zugang zu Grunddiensten
in den Bereichen Bildung und Gesundheit, sowie verbesserten Leistungen im
Wasser- und Energiebereich, wird keine dauerhaft friedliche Entwicklung zu
erreichen sein. Damit eng verbunden sind eine Entwicklung föderaler Ansätze
und Strukturen, eine Stärkung lokaler Autonomie und Reformen im institutio-
nellen Aufbau des Landes.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich für die zügige Auflösung der Lager und die Rückkehr der Binnenflücht-
linge in ihre Heimatgemeinden sowie den sofortigen ungehinderten Zugang
internationaler humanitärer Hilfsorganisationen in die Lager einzusetzen;

2. sich bis zu deren Auflösung für eine Verbesserung der humanitären Situation
in den Lagern der hauptsächlich tamilischen Flüchtlinge einzusetzen;

3. sich für die Einhaltung der Genfer Konventionen in Sri Lanka, vor allem be-
züglich der Behandlung von Gefangenen durch die Armee, einzusetzen;

4. den internationalen Druck auf die Regierung Sri Lankas mit dem Ziel zu ver-
stärken, dass die Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Men-
schenrechte, die von Regierung, paramilitärischen Gruppen und Rebellen be-
gangen wurden, untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft
gezogen werden;

5. sich besonders für den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -ver-
teidigern und Journalistinnen und Journalisten in Sri Lanka einzusetzen;

6. sich für den freien Zugang internationaler Beobachterinnen und Beobachter
sowie von Journalistinnen und Journalisten einzusetzen;

7. Bund und Länder aufzufordern, angesichts der angespannten Menschen-
rechtslage in Sri Lanka, einen Abschiebestopp für alle Flüchtlinge aus Sri
Lanka zu erlassen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anzu-
weisen, bei noch laufenden Asylverfahren zumindest Abschiebehindernisse
anzuerkennen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/124

8. im Rahen des EU-Konsultationsprozesses die weitere Gewährung von erwei-
terten europäischen Handelspräferenzen (APS Plus) für Sri Lanka von deut-
lichen Verbesserungen der Menschenrechtssituation abhängig zu machen
und, solange diese nicht eindeutig nachweisbar sind, sich klar für die Suspen-
dierung der Handelspräferenzen einzusetzen;

9. eine umfassende Wiederaufnahme der entwicklungspolitischen Kooperation
jenseits der humanitären Hilfe von der Verbesserung der Menschenrechts-
situation abhängig zu machen.

Berlin, den 2. Dezember 2009

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.