BT-Drucksache 17/11916

Die deutsche Finanzaufsicht in der Libor-Affäre

Vom 14. Dezember 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11916
17. Wahlperiode 14. 12. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann,
Lisa Paus, Kerstin Andreae, Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian Kindler,
Dr. Tobias Lindner, Elisabeth Scharfenberg, Beate Walter-Rosenheimer und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die deutsche Finanzaufsicht in der Libor-Affäre

Im vergangenen Sommer wurden Manipulationen am Londoner Interbanken-
Zinssatz Libor bekannt. Wenige der vielen Fehlentwicklungen an den Finanz-
märkten haben derart breite Auswirkungen. Denn dieser Zins ist Referenzpunkt
von Darlehen, Derivaten und Wertpapieren im Wert von Hunderten Billionen
Euro.

Zur Rolle der deutschen Finanzaufsicht bei Aufdeckung und Aufarbeitung der
Manipulation gibt es bisher kaum gesicherte Informationen, obwohl auch zumin-
dest die Deutsche Bank AG (vgl. beispielsweise Süddeutsche Zeitung vom
26. Juli 2012, „Wie die ,French Connection‘ zuschlug“) beteiligt war und gegen
die damalige West LB AG (vgl. Reuters vom 17. März 2011, „Kreise: Ermittler
nehmen wegen Libor fünf Banken ins Visier“) ermittelt wurde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchem Tag und durch wen haben nach Kenntnis der Bundesregierung
die Deutsche Bundesbank oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
aufsicht (BaFin) erstmals Kenntnis von einer möglichen Manipulation des
Libor-Zinses erhalten, und zu welchen konkreten Handlungen, wie bei-
spielsweise Untersuchungen oder Aufsichtsgesprächen, hat diese Kenntnis
dann geführt?

2. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung Berichte zutreffend, nach denen die
Deutsche Bundesbank prüft oder geprüft hat, bis zu welcher Hierarchiestufe
in der Deutschen Bank AG die mutmaßliche Verwicklung in die Libor-Mani-
pulation gereicht hat und ob auch Anshu Jain in seiner Rolle als früherer Chef
der Investmentsparte der Deutschen Bank AG von der Manipulation Kenntnis
hatte (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 26. Juli 2012, „Wie die ,French Connec-
tion‘ zuschlug“)?

Wenn ja, wann wurden diese Untersuchungen nach Kenntnis der Bundes-

regierung aufgenommen?

Zu welchen Ergebnissen haben diese Untersuchungen nach Kenntnis der
Bundesregierung bisher geführt?

Wann ist mit einem Abschluss dieser Untersuchungen nach Kenntnis der
Bundesregierung zu rechnen?

Drucksache 17/11916 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Sind Berichte zutreffend, wonach die BaFin im Jahr 2010 Untersuchungen
im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Manipulation des Libor-Zinses
aufnahm und sich hierbei mit den britischen (FSA) und US-amerikanischen
Finanzaufsichtsbehörden (CFTC) abstimmte (vgl. Süddeutsche Zeitung vom
26. Juli 2012, „Wie die ,French Connection‘ zuschlug“, oder FINANCIAL
TIMES DEUTSCHLAND, 7. Juli 2012, „Libor-Skandal: BaFin beraumt
Sonderprüfung bei Deutscher Bank an“)?

Wenn ja, zu welchen Erkenntnissen führten die damaligen Untersuchungen,
und was war der konkrete Auslöser der Untersuchung und Untersuchungs-
gegenstand?

4. Inwiefern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang
mit der internen Aufarbeitung der Libor-Manipulation innerhalb der Deut-
schen Bank AG (vgl. beispielsweise Süddeutsche Zeitung vom 26. Juli
2012, „Wie die ,French Connection‘ zuschlug“) eine Zusammenarbeit und/
oder einen Informationsaustausch mit den deutschen Finanzaufsichtsbehör-
den, und seit wann?

5. Welche Schritte haben nach Kenntnis der Bundesregierung die BaFin und/
oder die Deutsche Bundesbank infolge von Medienberichten im März 2011
unternommen, wonach die Aufsichtsbehörden in den USA, Japan und
Großbritannien international abgestimmt wegen mutmaßlicher Manipula-
tion des Libor u. a. gegen die damalige West LB AG Ermittlungen aufge-
nommen haben (vgl. Reuters, 17. März 2011, „Kreise: Ermittler nehmen
wegen Libor fünf Banken ins Visier“)?

6. An welchem Tag wurde konkret die BaFin-Sonderprüfung bei der Deut-
schen Bank AG im Zusammenhang mit der Libor-Manipulation anberaumt,
was ist Untersuchungsgegenstand dieser Sonderprüfung, und wann wird
die Sonderprüfung voraussichtlich abgeschlossen sein?

7. Wurde im Zusammenhang mit etwaigen im Jahr 2010 beginnenden Unter-
suchungen der BaFin auch der Frage einer möglichen Verwicklung deut-
scher Kreditinstitute nachgegangen, und wieso hat es dann noch bis mut-
maßlich zum Jahr 2012 gedauert, eine entsprechende Sonderprüfung bei der
Deutschen Bank AG zu veranlassen (vgl. beispielsweise FINANCIAL TIMES
DEUTSCHLAND, 7. Juli 2012, „Libor-Skandal: BaFin beraumt Sonderprü-
fung bei Deutscher Bank an“)?

8. Wann gab es nach Kenntnis der Bundesregierung von welchen anderen
Aufsichts- und/oder Justiz- oder sonstigen Behörden aus dem In- oder Aus-
land Ersuchen auf Amtshilfe an die BaFin und/oder die Deutsche Bundes-
bank und/oder andere Behörden in Deutschland im Zusammenhang mit ei-
ner möglichen Manipulation des Libor-Zinses (bitte einzeln nach Datum
und Amtshilfe beantragender Behörde sowie angefragter Institution in
Deutschland aufschlüsseln)?

9. Wann haben nach Kenntnis der Bundesregierung die BaFin und/oder die
Deutsche Bundesbank und/oder andere Behörden in Deutschland im Zu-
sammenhang mit einer möglichen Libor-Manipulation jeweils Amtshilfe
für welche konkreten anderen Aufsichts- und/oder Justiz- oder sonstigen
Behörden aus dem In- oder Ausland geleistet (bitte einzeln nach Datum,
Amtshilfe leistender sowie empfangender Behörde aufschlüsseln)?

10. War nach Kenntnis der Bundesregierung die mögliche Manipulation des
Libor in der Vergangenheit bereits Thema in internationalen Aufsichtsgre-
mien (beispielsweise Financial Stability Board oder supervisory colleges),
und wenn ja, wann genau in welchen konkreten Gremien?
11. Welche sonstigen, in vorherigen Fragen nicht thematisierten Handlungen,
Analysen oder sonstige Tätigkeiten hat die deutsche Finanzaufsicht nach

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Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit der (zunächst mut-
maßlichen) Libor-Manipulation wann unternommen?

12. Welche konkreten Handlungen, Analysen oder sonstigen Tätigkeiten hat
nach Kenntnis der Bundesregierung die deutsche Finanzaufsicht hinsicht-
lich etwaiger Manipulation des Euribor (Euro Interbank Offered Rate) in-
folge der (zunächst mutmaßlichen) Manipulation des Libor unternommen,
und wann genau?

13. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung zum Stand und zu Zwischen-
ergebnissen von Ermittlungen der Europäischen Kommission hinsichtlich
einer etwaigen Manipulation des Euribor, inwiefern sind deutsche Finanz-
aufsichtsbehörden an diesen Ermittlungen beteiligt, und wann werden nach
Kenntnis der Bundesregierung die Kommissionsermittlungen abgeschlos-
sen sein?

14. Welche konkreten Schritte hat nach Kenntnis der Bundesregierung die
deutsche Finanzaufsicht infolge von Berichten des Jahres 2011 unternom-
men, wonach die Deutsche Bank AG zwischen den Jahren 2007 bis 2009
Verluste in Höhe von bis zu 12 Mrd. US-Dollar nicht ausgewiesen habe
(vgl. Reuters, 6. Dezember 2012: „Deutsche Bank weist ,FT‘-Bericht über
versteckte Verluste zurück“)?

15. Liegen der Bundesregierung inzwischen Daten des Anhangs 1 des mit Spa-
nien vereinbarten Memorandum of Understanding vor (wenn ja, bitte alle
vorhandenen Daten anfügen; vgl. Antwort zu Frage 5 auf Bundestagsdruck-
sache 17/11585)?

16. Liegen der Bundesregierung gemäß des mit Zypern vereinbarten Memoran-
dum of Understanding die Zwischenergebnisse der Werthaltigkeitsprüfun-
gen („due diligence review“) hinsichtlich der Kreditportfolien zypriotischer
Banken vor (wenn ja, bitte alle vorliegenden Daten anfügen)?

Welche Daten liegen der Bundesregierung zur Passivastruktur der voraus-
sichtlich zu stützenden zypriotischen Banken vor (bitte etwaig vorhandene
Daten bankenspezifisch nach Eigenkapital, Einlagen, nachrangige Verbind-
lichkeiten/Hybridkapital, besicherte Verbindlichkeiten wie beispielsweise
Pfandbriefe und unbesicherte Verbindlichkeiten aufführen)?

17. Falls der Bundesregierung die in beiden vorherigen Fragen erfragten Daten
nicht vorliegen, wie kann die Bundesregierung dann einschätzen und kon-
trollieren, dass die anstehenden Bankenstabilisierungen in Spanien und
Zypern für die europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler so kos-
tenschonend wie möglich erfolgen und nicht stattdessen im Zuge der Ban-
kenstabilisierungen höhere Risiken als nötig auf die Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler übertragen werden?

Berlin, den 14. Dezember 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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