BT-Drucksache 17/11590

Verbandsklagerecht im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz implementieren

Vom 20. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11590
17. Wahlperiode 20. 11. 2012

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Diana Golze,
Matthias W. Birkwald, Dr. Martina Bunge, Heidrun Dittrich, Dr. Barbara Höll,
Ulla Jelpke, Katja Kipping, Jan Korte, Jutta Krellmann, Jens Petermann,
Dr. Ilja Seifert, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler, Katrin Werner, Jörn Wunderlich,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Verbandsklagerecht im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz implementieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, „Benachtei-
ligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des
Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Al-
ters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“. Doch die
derzeitige Ausgestaltung des AGG ist nicht geeignet, diskriminierte Men-
schen in ausreichender Weise zu schützen. Es fehlt die Möglichkeit, ergän-
zend zur individuellen Klage Betroffener auch Verbänden ein Klagerecht ein-
zuräumen.

2. Insbesondere für einen effektiven Abbau von Diskriminierungen aus struk-
turellen Gründen wäre ein Verbandsklagerecht im AGG notwendig. Dies
zeigen in besonders deutlicher Weise die Erfahrungen mit den geschlechts-
diskriminierenden Arbeitsbewertungssystemen in der Bundesrepublik
Deutschland. Es existiert seit vielen Jahren in der Entlohnung zwischen Frauen
und Männern ein verfestigter Unterschied von mehr als 20 Prozent, der sich
auch in den sechs Jahren seit Inkrafttreten des AGG nicht verändert hat.

Bisher existiert gegen diese strukturelle Diskriminierung nur die Möglichkeit
der Individualklage betroffener Frauen. Es sind daher auch nur wenige posi-
tiv beschiedene Klagen auf geschlechtsneutrale Entgeltzahlung bekannt*.
Selbst in bereits entschiedenen Verfahren erstreckt sich die Rechtskraftbin-
dung der Entscheidung nur auf den jeweiligen Einzelfall. Die dem Einzelfall
zugrunde liegenden diskriminierenden Entlohnungssysteme und Tarifver-
tragsstrukturen bleiben jedoch auch nach der Klage bestehen.

3. Die geltende Fassung des AGG kann das strukturelle Ungleichgewicht zwi-
schen den Frauen als Klägerinnen und den jeweiligen Unternehmen im Ar-

beitsgerichtsverfahren nicht beseitigen. Die Individualklage als einziger
Rechtsweg legt das finanzielle Risiko auf die Schultern der klagenden Frau,
welche zudem in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem sie beschäftigenden
Unternehmen steht. Eine Diskriminierung ist von der einzelnen Klägerin au-

* Vergleiche Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2012): Ausgewählte Entscheidungen deutscher
Gerichte zum Antidiskriminierungsrecht. Stand: 31. Dezember 2011; Berlin, 17. April 2012.

Drucksache 17/11590 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
ßerdem schwer zu beweisen, da sie meist keinen Einblick in das Entloh-
nungssystem des Unternehmens hat.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf zur Änderung des AGG vorzulegen, mit dem ein Verbands-
klagerecht implementiert wird. Es soll Verbände ermächtigen, auch ohne indivi-
duell klagewillige Betroffene Klage zu erheben.

Berlin, den 20. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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