BT-Drucksache 17/11587

Entwurf eines Gesetzes über Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung

Vom 20. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11587
17. Wahlperiode 20. 11. 2012

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch,
Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus,
Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze,
Kornelia Möller, Jens Petermann, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes über Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung

A. Problem

Zur Bewältigung ihrer Aufgaben sind die Kommunen in den letzten Jahren zu-
nehmend dazu übergegangen, Unternehmen als privatrechtliche Kapitalgesell-
schaften, nämlich Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und Aktien-
gesellschaften (AG), zu gründen und zu betreiben. In vielen Fällen haben auch
Private Anteile an diesen Gesellschaften erworben. Diese Verlagerung der Er-
bringung von Leistungen der Daseinsvorsorge von der Kommunalverwaltung
auf Unternehmen in privater Rechtsform hat zu einem erheblichen Verlust der
Steuerungsfähigkeit zulasten der kommunalen Vertretungskörperschaften ge-
führt.1

Wählen die Kommunen für die Erreichung ihres öffentlichen Zwecks die
Rechtsform einer Kapitalgesellschaft des Privatrechts, erwachsen ihr aus der
Wahl der Rechtsform Beschränkungen bei der Erfüllung ihrer Ingerenzpflicht.
Hiernach sind die Kommunen aus demokratischen und rechtsstaatlichen Grün-
den dazu verpflichtet, angemessenen Einfluss auf kommunale Unternehmen
auszuüben. Allerdings stehen den Kommunen nur in geringem Umfang Wei-
sungsrechte zur Verfügung, um auf die Entscheidungen der Gesellschaftsor-
gane Einfluss zu nehmen.

Besondere Defizite weist dabei die AG auf. Die Kommune kann beim gegen-
wärtigen Stand des Aktienrechts weder den Mitgliedern des Vorstands noch de-
nen des Aufsichtsrats Weisungen erteilen. Ein Weisungsrecht besteht nur gegen-
über den Vertretern der Kommune in der Hauptversammlung. Dies ermöglicht
aber keinen erheblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen, da
die Hauptversammlung nur dann über Maßnahmen der Geschäftsführung ent-
scheidet, wenn sie ihr vom Vorstand vorgelegt werden.
Auch bei der GmbH mit obligatorischem Aufsichtsrat fehlen Weisungsrechte
der Kommune gegenüber den Mitgliedern des Aufsichtsrats. Die Einflussmög-
lichkeiten sind aber insoweit größer, als dass sich die Kommune im Gesell-

1 Diese Einschätzung gibt die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung, zitiert
nach Schoepke, VBlBW 1994, S. 81 (82).

Drucksache 17/11587 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schaftsvertrag Weisungsrechte und Zustimmungsvorbehalte gegenüber den Ge-
schäftsführern vorbehalten kann.2

B. Lösung

Zur Verwirklichung demokratischer Kontrolle von kommunalen Unternehmen
in privater Rechtsform bedarf es spezieller Rechtsvorschriften, die insbesondere
durch Auskunfts- und Weisungsrechte zugunsten der Kommunen, die Öffent-
lichkeit der Sitzungen des Aufsichtsrats, die Synchronisierung von Amtszeit des
Aufsichtsrats und Wahlperiode der kommunalen Vertretungskörperschaft und
die Regelung des Verhältnisses von öffentlichem Unternehmenszweck und Ge-
sellschafterinteressen eine effektive demokratische Steuerung und Kontrolle
kommunaler Unternehmen in privatrechtlicher Rechtsform ermöglichen.3

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Für die öffentliche Hand entstehen keine zusätzlichen finanziellen Belastungen.
2 Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 557.
3 Ähnlich Schoepke, VBlBW 1994, S. 81 (82).

gan der Gesellschaft auf Vorschlag der Kommune gewählt. (2) Die Länder können durch Gesetz regeln, dass die von

Der Vorstand bzw. die Geschäftsführer berufen zu diesem
Zweck eine Sitzung des für die Wahl der Mitglieder des
Aufsichtsrats zuständigen Organs der Gesellschaft ein. Die
Einberufung ist unmittelbar nach Eingang des Wahlvor-
schlags der Kommune bei der Gesellschaft vorzunehmen.

einer Gesellschaft mit unmittelbarer kommunaler Beteili-
gung in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft mit mittelbarer
kommunaler Beteiligung entsandten und die auf Vorschlag
der Gesellschaft mit unmittelbarer kommunaler Beteiligung
vom zuständigen Organ der Gesellschaft mit mittelbarer
Drucksache 17/11587 – 3 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes über Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1

Anwendungsbereich, Anwendungsvorrang

(1) Dieses Gesetz und die Gesetze, die die Länder auf
Grund dieses Gesetzes erlassen, gelten für die Kapital-
gesellschaften, an denen kommunale Gebietskörperschaften
und die von ihnen gebildeten juristischen Personen des öf-
fentlichen Rechts (Kommunen) mit mehr als 25 vom Hun-
dert des Grund- bzw. Stammkapitals beteiligt sind (Kapital-
gesellschaften mit unmittelbarer kommunaler Beteiligung),
und für Kapitalgesellschaften, an denen eine Kapitalgesell-
schaft mit unmittelbarer kommunaler Beteiligung mit mehr
als 25 vom Hundert des Grund- bzw. Stammkapitals betei-
ligt ist (Kapitalgesellschaften mit mittelbarer kommunaler
Beteiligung).

(2) Die Vorschriften dieses Gesetzes und der Gesetze, die
die Länder auf Grund dieses Gesetzes erlassen, gehen den
entgegenstehenden Bestimmungen des Aktiengesetzes, des
Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter
Haftung und der Gesetze über die Mitbestimmung der Ar-
beitnehmer vor.

(3) Von den Bestimmungen dieses Gesetzes und den Ge-
setzen, die die Länder auf Grund dieses Gesetzes erlassen
haben, kann in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag der
Gesellschaft nicht abgewichen werden.

§ 2

Mitglieder des Aufsichtsrats

(1) Auf die Entsendungsrechte ist die Beschränkung des
§ 101 Absatz 2 Satz 4 des Aktiengesetzes nicht anzuwen-
den.

(2) Die Amtszeit der von der Kommune entsandten oder
auf ihren Vorschlag von den Organen der Gesellschaft ge-
wählten Mitglieder des Aufsichtsrats endet mit dem Ablauf
der Wahlperiode des Organs der Kommune, das für die Be-
nennung der Mitglieder des Aufsichtsrats zuständig ist.

(3) Die Kommunen können die auf ihren Vorschlag von
den Organen der Gesellschaft gewählten Mitglieder des
Aufsichtsrats jederzeit abberufen.

(4) Endet die Amtszeit der auf Vorschlag der Kommune
gewählten Mitglieder des Aufsichtsrats gemäß Absatz 2
oder durch Abberufung gemäß Absatz 3 vor der Amtszeit
der übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats, werden die Nach-
folgerinnen oder Nachfolger von dem dafür zuständigen Or-

§ 3

Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht

Die Länder können durch Gesetz bestimmen, welchen
Organen und Bediensteten der Kommune gegenüber die
Mitglieder des Aufsichtsrats einer Gesellschaft mit unmit-
telbarer oder mittelbarer kommunaler Beteiligung nicht zur
Verschwiegenheit verpflichtet sind und unter welchen Vo-
raussetzungen sie die Öffentlichkeit über Vorgänge im Auf-
sichtsrat unterrichten dürfen.

§ 4

Öffentlichkeit der Sitzungen des Aufsichtsrats

(1) Die Sitzungen des Aufsichtsrats finden öffentlich
statt. Der Aufsichtsrat kann mit der Mehrheit der abgegeben
Stimmen die Öffentlichkeit von der Sitzung ausschließen,
wenn und soweit dies zum Schutz berechtigter Interessen
Dritter oder zur Wahrung von Geheimnissen der Gesell-
schaft, deren Bekanntwerden der Gesellschaft einen schwe-
ren Nachteil zufügen kann, zwingend erforderlich ist. Ebenso
kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn Aus-
kunftspersonen nur in nichtöffentlicher Sitzung vor dem
Aufsichtsrat aussagen wollen.

(2) Der wesentliche Inhalt der nichtöffentlichen Beratun-
gen und die in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Be-
schlüsse sind öffentlich bekannt zu geben, sobald der Grund
für den Ausschluss der Öffentlichkeit weggefallen ist. Per-
sonenbezogene Daten sind in anonymer Form öffentlich be-
kannt zu machen, sofern die Unmöglichkeit der Identifi-
zierung der betroffenen Person durch die Anonymisierung
gewährleistet ist.

§ 5

Weisungen der Kommune

(1) Die Länder können durch Gesetz bestimmen, ob die
von der Kommune entsandten und auf ihren Vorschlag
durch das zuständige Organ der Gesellschaft mit unmittel-
barer kommunaler Beteiligung gewählten Mitglieder des
Aufsichtsrats an Weisungen der Kommune gebunden sind.
Ebenso können die Länder durch Gesetz bestimmen, dass
die von der Kommune entsandten und auf ihren Vorschlag
vom zuständigen Organ der Gesellschaft mit unmittelbarer
kommunaler Beteiligung gewählten Mitglieder des Auf-
sichtsrats in bestimmten Angelegenheiten einem Beschluss
des Aufsichtsrats nur mit Zustimmung der Kommune zu-
stimmen dürfen.
Das für die Wahl zuständige Organ der Gesellschaft ist an
den Wahlvorschlag der Kommune gebunden.

kommunaler Beteiligung gewählten Mitglieder des Auf-
sichtsrats an Weisungen der Kommune gebunden sind und

Drucksache 17/11587 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

für die Zustimmung zu bestimmten Entscheidungen des
Aufsichtsrats der Zustimmung der Kommune bedürfen.

(3) Ein Beschluss des Aufsichtsrats ist nicht deshalb un-
wirksam, weil ein Mitglied des Aufsichtsrats bei der Stimm-
abgabe einer Weisung zuwider oder ohne die erforderliche
Zustimmung gehandelt hat.

§ 6

Interessen der Gesellschaft und öffentlicher Zweck

(1) Die Interessen einer Gesellschaft, an der neben Kom-
munen noch natürliche oder juristische Personen des bür-
gerlichen Rechts beteiligt sind, werden durch Maßnahmen
der Geschäftsführung und Beschlüsse der Gesellschafts-
organe, die zu einem Ausbleiben oder einer erheblichen
Minderung eines Überschusses oder zum zeitweiligen Wert-
verlust der Gesellschaftsanteile führen, nicht verletzt, wenn

1. das Ausbleiben oder eine erhebliche Minderung des
Überschusses oder der Wertverlust der Gesellschafts-
anteile zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Maß-
nahme der Geschäftsführung voraussichtlich nicht län-
ger als fünf Jahre andauern wird, und

2. die Maßnahme der Geschäftsführung dem von der Kom-
mune mit der Gesellschaft verfolgten öffentlichen Zweck
dient.

Gleiches gilt für Gesellschaften an denen eine Kapital-
gesellschaft mit unmittelbarer kommunaler Beteiligung be-
teiligt ist.

(2) Auf ein Ausbleiben eines Überschusses oder einen
Wertverlust der Gesellschaftsanteile kann sich ein Gesell-
schafter für die Anfechtung eines Beschlusses der Gesell-
schaftsorgane nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des
Absatzes 1 vorliegen.

(3) Ein Gesellschafter kann für ein Ausbleiben eines auf
ihn entfallenden Anteils am Überschuss oder für einen
Wertverlust seines Gesellschaftsanteils keinen Schadens-
ersatz verlangen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1
vorliegen.

§ 7

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 20. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

6 Schoepke, VBlBW 1994, S. 81 (82); Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl.

1997, Rn. 561.

7 Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 561.
8 So für den Bedarf an Beobachtbarkeit des Regierungshandelns durch
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11587

Begründung

A. Allgemeines

Die Möglichkeit der Kommune, Einfluss auf die Gesell-
schaft zu nehmen, ist sowohl bei der AG als auch bei der
GmbH inhaltlich begrenzt, wenn es sich um gemischtwirt-
schaftliche Unternehmen handelt, an denen neben der Kom-
mune private Dritte beteiligt sind. Bei diesen Unternehmen
könnte es unzulässig sein, dass die Kommune als Gesell-
schafterin den von ihr mit dem Unternehmen verfolgten öf-
fentlichen Zweck in einer Weise geltend macht, der die Inte-
ressen der privaten Gesellschafter verletzt. Dies, weil die ge-
sellschaftsrechtliche Treuepflicht alle Gesellschafter – und
damit auch die Kommune – dazu verpflichtet, zum Vorteil
des Unternehmens zu wirken und die anderen Gesellschafter
nicht zu benachteiligen.4 Als Interessen der privaten Gesell-
schafter schützt das Gesellschaftsrecht das Interesse am Er-
halt des Werts ihrer Beteiligung und das Interesse an der Ver-
zinsung des in das Unternehmen investierten Kapitals.5
Diese Interessen privater Anteilseigner können in Wider-
spruch zum Interesse der Kommune an der Erreichung des
mit dem Unternehmen verfolgten öffentlichen Zwecks gera-
ten. So hat die Kommune z. B. ein Interesse an einer mög-
lichst billigen Abgabe der vom Unternehmen angebotenen
Leistungen, um die sozialen Belange bei der Versorgung der
Einwohnerinnen und Einwohner mit Gütern der Daseinsvor-
sorge wahren zu können. Dieses Interesse verlangt nach
möglichst niedrigen Preisen bei hoher Qualität und Versor-
gungssicherheit. Dies alles führt dazu, dass die Kommune
tendenziell ein Interesse an möglichst geringen Unterneh-
mensgewinnen haben muss. Wenn die sozialen Belange bei
der Versorgung der Einwohnerinnen und Einwohner nicht
anders zu berücksichtigen sind, muss die Kommune auch
völlig auf Gewinne aus dem Unternehmen verzichten, um
die Leistungen zu einem sozial angemessenen Tarif anbieten
zu können. Dies aber steht in Widerspruch zum Interesse der
privaten Mitgesellschafter an einer Verzinsung ihres Gesell-
schaftsanteils. Bei solchen Konflikten schützt das Gesell-
schaftsrecht insbesondere die Minderheitsgesellschafter ge-
gen die Mehrheit der Gesellschafter, indem es den Minder-
heitsgesellschaftern das Recht einräumt, ihre Interessen ver-
letzende Beschlüsse der Gesellschafter anzufechten oder von
den Mehrheitsgesellschaftern Schadensersatz wegen entgan-
gener Gewinne aus der Unternehmensbeteiligung geltend zu
machen. Damit kann die Kommune insbesondere soziale Ge-
sichtspunkte, die den Unternehmensgewinn schmälern, nur
bis zur Grenze des nach ihrer Treuepflicht Zulässigen gegen
private Minderheitsgesellschafter durchsetzen. Weiter ge-
hende soziale Interessen bei der Versorgung der Einwohne-
rinnen und Einwohner kann die Kommune in einer gemischt-
wirtschaftlichen Gesellschaft nicht einmal als Mehrheitsge-
sellschafterin durchsetzen. Insoweit begrenzt die Wahl der
privaten Rechtsform des Unternehmens die Erreichung der
mit dem Unternehmen verfolgten öffentlichen Zwecke.

Die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf Vor-
stand, Geschäftsführung und Aufsichtsrat von Gesellschaf-
ten, die nichtöffentlich tätig sind und deren Mitglieder weit-
reichenden Verschwiegenheitspflichten unterliegen, schränkt
die Verwirklichung des im Demokratieprinzip enthaltenen
Prinzips der Öffentlichkeit ein, das eines der Wesensmerk-
male der kommunalen Selbstverwaltung ist.6 Insbesondere
dadurch, dass die Vertreter der Kommune in der Gesellschaft
der Vertretungskörperschaft gegenüber in vielen Fällen nach
§ 394 des Aktiengesetzes (AktG) zur Verschwiegenheit ver-
pflichtet sind, wird die demokratische Kontrolle der Unter-
nehmen und der Vertreter der Kommune in ihnen durch die
Vertretungskörperschaft der Kommune beeinträchtigt.7 Zu-
dem macht die Nichtöffentlichkeit der Sitzungen des Auf-
sichtsrats die demokratische Kontrolle der Tätigkeit der
kommunalen Vertreter im Aufsichtsrat durch die Bürgerin-
nen und Bürger der Kommune unmöglich. Dagegen kann de-
mokratische Kontrolle nur dann stattfinden, wenn die zur
Kontrolle Berufenen die Möglichkeit haben, Kenntnis vom
Handeln der zu Kontrollierenden zu nehmen.8 Ohne diese
Kontrollmöglichkeit droht die Gefahr, dass sich die Organe
der Gesellschaft vom Willen der demokratisch legitimierten
Vertretungskörperschaft der Kommune und der Bürgerinnen
und Bürger entkoppeln und letztere keine Möglichkeit ha-
ben, die Organe der Gesellschaft zur Einhaltung ihres Wil-
lens zu zwingen.

Zudem kann die nach gegenwärtiger Rechtslage bestehende
Unmöglichkeit der Ablösung von Aufsichtsratsmitgliedern
durch die Kommune zu einem Verlust demokratischer Legi-
timation der Aufsichtsratsmitglieder führen. Während von
der Kommune entsandte Aufsichtsratsmitglieder von ihr
nach § 103 Absatz 2 AktG jederzeit abberufen werden kön-
nen, bedarf die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds, das
auf Vorschlag der Kommune von der Hauptversammlung der
AG gewählt wurde, gemäß § 103 Absatz 1 AktG eines Be-
schlusses der Hauptversammlung. Damit kann die Kom-
mune ohne Zustimmung der Mehrheit der übrigen Aktionäre
ein auf ihren Vorschlag gewähltes Aufsichtsratsmitglied
nicht vor Ablauf der regulären Amtszeit abberufen. Die
Möglichkeit der Abberufung ist jedoch eine wichtige Vo-
raussetzung demokratischer Verantwortlichkeit und Kon-
trolle. Die Möglichkeit der Abberufung ist die Aussicht auf
eine Sanktion. Aus ihr folgt die Motivation des Amtsträgers,
dem Willen der Körperschaft, die ihn ins Amt gewählt hat, zu
folgen.9 Zwar ist die Möglichkeit der Abberufung schon
damit gegeben, dass ein Mitglied des Aufsichtsrats von der
Kommune nicht für eine weitere Amtszeit vorgeschlagen
wird, wenn es sein Aufsichtsratsmandat nicht in Überein-
stimmung mit dem Willen der Vertretungskörperschaft der
4 Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 558.
5 Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 555.

das Parlament DiFabio in Brenner/Huber/Möstl (Hrsg.), Badura-FS,
2004, S. 77 (82).

9 Von Simson, VVDStRL Bd. 29, S. 3 (32).

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Kommune ausgeübt hat. Damit wäre zwar dem Demokratie-
prinzip Genüge getan. Jedoch wäre mit der Zulässigkeit einer
jederzeitigen Abberufung eine weit effektivere Verantwort-
lichkeit der Aufsichtsratsmitglieder verbunden. Hierdurch
könnte die Verwirklichung des Demokratieprinzips bei der
wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen optimiert wer-
den.

Schließlich sind die Amtszeiten der Aufsichtsratsmitglieder
nicht mit den Wahlperioden der kommunalen Vertretungs-
körperschaften synchron. Dies führt dazu, dass nicht sofort
am Beginn einer neuen Wahlperiode der Vertretungskörper-
schaft eine Neuwahl der kommunalen Vertreter im Auf-
sichtsrat erfolgt, sondern erst im Verlauf der Wahlperiode,
sobald die Amtszeit des Aufsichtsrats endet. Eine Anpassung
der Besetzung des Aufsichtsrats an die durch die Neuwahl
hergestellten Mehrheitsverhältnisse in der Vertretungskör-
perschaft ist mithin nicht schon zu Beginn der Wahlperiode
möglich.

B. Einzelbegründung

Zu § 1

Absatz 1 legt fest, dass die Regelungen des Gesetzes für alle
Kapitalgesellschaften – das sind im Wesentlichen die AG
und die GmbH – gelten, an denen eine Kommune unmittel-
bar oder mittelbar mit einem Mindestanteil am Grund- bzw.
Stammkapital beteiligt ist. Außerdem regelt die Norm, dass
kommunale Gebietskörperschaften in dem Gesetz als Kom-
munen und Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteili-
gung als Kapitalgesellschaften mit unmittelbarer bzw. mittel-
barer kommunaler Beteiligung bezeichnet werden. Dabei
sind kommunale Gebietskörperschaften zunächst die Ge-
meinden und Landkreise. Darüber hinaus steht den Landes-
gesetzgebern die Gesetzgebungsbefugnis dafür zu, weitere
kommunale Gebietskörperschaften zu schaffen. Sollte das
jeweilige Landesrecht weitere kommunale Gebietskörper-
schaften etablieren (z. B. in Niedersachsen die Region Han-
nover), werden auch diese von § 1 Absatz 1 umfasst. Unter
den aus den kommunalen Gebietskörperschaften gebildeten
juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind alle Zu-
sammenschlüsse von kommunalen Gebietskörperschaften
zu verstehen, die nach dem jeweiligen öffentlichen Recht des
Landes eigene Rechtspersönlichkeit besitzen. Das sind vor
allem die Zweckverbände und die gemeinsamen Kommunal-
unternehmen in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen
Rechts. Auch für die Schaffung weiterer Rechtsformen sol-
cher Zusammenschlüsse liegt die Gesetzgebungskompetenz
bei den Ländern. Von den Ländern neu geschaffene Rechts-
formen kommunaler Zusammenschlüsse unterfallen eben-
falls § 1 Absatz 1.

Der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes ist be-
schränkt. Es erfasst nach § 1 Absatz 1 Kapitalgesellschaften,
an denen eine Kommune mit mehr als 25 Prozent am Grund-
bzw. Stammkapital beteiligt ist, und Kapitalgesellschaften,
an denen eine Kapitalgesellschaft mit vorstehender kommu-
naler Beteiligung mit mehr als 25 Prozent beteiligt ist. Auf
Kapitalgesellschaften mit mittelbarer oder unmittelbarer Be-
teiligung einer Kommune unterhalb dieser Grenze findet das
Gesetz keine Anwendung.

im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Rechtfer-
tigung des § 4 näher erläutert werden.

Damit, dass der Anwendungsbereich dieses Gesetzes auf Ge-
sellschaften mit kommunaler Beteiligung beschränkt ist, sind
die Normen dieses Gesetzes als Ausnahmevorschriften aus-
gewiesen, die nur auf Gesellschaften mit kommunaler Betei-
ligung anzuwenden sind. Für die übrigen Kapitalgesellschaf-
ten und Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung unter-
halb der in § 1 Absatz 1 festgelegten Quote verbleibt es bei
den bisherigen Regelungen im AktG, dem GmbH-Gesetz
(GmbHG) und den Mitbestimmungsgesetzen.

Absatz 2 bestimmt, dass die Regelungen dieses Gesetzes und
der Gesetze, die die Länder aufgrund dieses Gesetzes erlas-
sen, Vorrang vor den anders lautenden Regeln des AktG, des
GmbHG und der Mitbestimmungsgesetze haben. Durch
diese Regelungstechnik werden zwei Ziele erreicht: Zum ei-
nen sind die Normen der genannten Gesetze, die den Normen
dieses Gesetzes und der Landesgesetze widersprechen, auf
Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung im Sinne
des § 1 Absatz 1 nicht anzuwenden. Die Anwendung aller
Normen dieses Gesetzes auf Gesellschaften mit kommunaler
Beteiligung im Sinne des § 1 Absatz 1 wird so gesichert.
Zum anderen bleiben alle Normen des AktG, des GmbHG
und der Mitbestimmungsgesetze, die diesem Gesetz nicht
widersprechen, weiterhin auf Gesellschaften mit kommuna-
ler Beteiligung im Sinne des § 1 Absatz 1 anwendbar. Dieses
nur punktuelle Abweichen vom für alle Kapitalgesellschaf-
ten geltenden Gesellschaftsrecht macht es überflüssig, die
gesamten Rechtsverhältnisse der Gesellschaften mit kom-
munaler Beteiligung in einem gesonderten Gesetz regeln zu
müssen: Soweit dieses Gesetz keine besonderen Regelungen
enthält, gelten die Bestimmungen des AktG, des GmbHG
und der Mitbestimmungsgesetze auch für Gesellschaften mit
kommunaler Beteiligung im Sinne des § 1 Absatz 1.

Absatz 3 verbietet Regelungen in der Satzung bzw. dem Ge-
sellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit kommunaler Betei-
ligung, die von den Regelungen dieses Gesetzes abweichen.
Das gleiche gilt für die Gesetze, die die Länder aufgrund der
§§ 3 und 5 Absatz 1 erlassen können. Dadurch wird verhin-
dert, dass die Kommunen bei der Gestaltung von Gesell-
schaftsverträgen die Bestimmungen dieses Gesetzes unter-
laufen können. So dienen § 3 (Aufhebung der Verschwiegen-
heitspflicht gegenüber den Organen der Kommune) und § 4
(Öffentlichkeit der Sitzungen des Aufsichtsrats) der Schaf-
fung von Transparenz der Arbeit der Gesellschaftsorgane vor
allem gegenüber den Organen der Kommune, die ihre Ver-
treter in diese Organe entsandt hat. So soll gesichert werden,
dass die Vertretungskörperschaft der Kommune alle Infor-
mationen erhält, die für die Beurteilung der Arbeit der von
ihr entsandten Aufsichtsratsmitglieder und für die Einfluss-
nahme auf die Gesellschaft erforderlich sind. Das Recht, von
diesen Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag abzuweichen,
könnte dazu führen, dass die Vertretungskörperschaft der
Kommune und die Bürgerinnen und Bürger der Kommune
– wie bei der bisherigen Rechtslage – kaum Informationen
über die Tätigkeit des Aufsichtsrats erhalten. Um die demo-
kratische Verantwortlichkeit der Vertreter der Kommune im
Aufsichtsrat sowohl gegenüber der Vertretungskörperschaft
der Kommune als auch gegenüber den Bürgerinnen und Bür-
Diese Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs hat
rechtspolitische und verfassungsrechtliche Gründe, die unten

gern effektiv zu gestalten, bedarf es aber eines gesicherten
Informationsflusses aus dem Aufsichtsrat in die Vertretungs-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/11587

körperschaft und in die Öffentlichkeit, der am sichersten
durch zwingende gesetzliche Vorgaben gesichert ist.

Zu § 2

Absatz 1 soll die Einwirkungsmöglichkeiten der Kommune
auf die Gesellschaft verbessern. Dazu wird die Beschrän-
kung des § 101 Absatz 2 Satz 4 AktG aufgehoben, nach der
Rechte der Aktionäre zur Entsendung von Mitgliedern in den
Aufsichtsrat auf ein Drittel der Vertreter der Aktionäre im
Aufsichtsrat begrenzt sind. Insbesondere bei kommunalen
Mehrheitsbeteiligungen kann diese Beschränkung dazu füh-
ren, dass die Zahl der Mitglieder, die die Kommune in den
Aufsichtsrat entsenden kann, geringer ist als es der Höhe
ihrer Beteiligung an der Gesellschaft entspräche. Ohne die
Beschränkung kann ein der Höhe der Beteiligung entspre-
chender Anteil an Aufsichtsratsvertretern der Kommune
durch Entsendungsrechte gesichert werden; es bedarf dann
nicht der Wahl der Vertreter der Kommune durch die Haupt-
versammlung.

Absatz 2 bindet die Amtszeit der von der Kommune entsand-
ten und der auf ihren Vorschlag von den Organen der Gesell-
schaft gewählten Aufsichtsratsmitglieder an die Dauer der
Wahlperiode des Organs der Kommune, das die Aufsichts-
ratsmitglieder bestimmt hat. Dies ist in den meisten Ländern
die Vertretungskörperschaft der Kommune; in Hessen ist
dies der Gemeindevorstand. Mit dieser Regelung soll sicher-
gestellt werden, dass die von der Kommune in den Aufsichts-
rat zu entsendenden Vertreter am Beginn jeder Wahlperiode
der Vertretungskörperschaft neu gewählt werden müssen. So
ist dafür gesorgt, dass die personelle Zusammensetzung des
Aufsichtsrats der Aufsichtsratsmitglieder an die durch die
Wahl geänderten Mehrheitsverhältnisse in der Vertretungs-
körperschaft angepasst werden muss. Damit erhalten vor al-
lem neu in der Vertretungskörperschaft vertretene Fraktionen
und Minderheitenfraktionen die Möglichkeit, sofort am Be-
ginn der Wahlperiode – und nicht erst mit Ablauf der Amts-
zeit des Aufsichtsrats – eigene Vertreter für den Aufsichtsrat
zu benennen.

Absatz 3 enthält das Recht der Kommune, auch die auf ihren
Vorschlag von den Organen der Gesellschaft gewählten Auf-
sichtsratsmitglieder jederzeit abzuberufen. § 103 Absatz 2
AktG enthält ein solches Recht nur für entsandte Aufsichts-
ratsmitglieder. Nach § 103 Absatz 1 AktG bedarf die Ab-
berufung von gewählten Aufsichtsratsmitgliedern eines Be-
schlusses der Hauptversammlung. Bei diesem Stand des Ak-
tienrechts hätte eine Kommune, wenn sie nur Minderheitsge-
sellschafterin der Gesellschaft ist, keine Möglichkeit, ein auf
ihren Vorschlag gewähltes Aufsichtsratsmitglied ohne Zu-
stimmung anderer Aktionäre aus dem Aufsichtsrat zu entfer-
nen. Eine unmittelbare Sanktion für Verstöße des Aufsichts-
ratsmitglieds gegen Weisungen der Kommune wäre nicht
möglich. Die Kommune hätte lediglich die Möglichkeit, das
Aufsichtsratsmitglied nach Ende seiner Amtszeit nicht er-
neut für die Wahl in den Aufsichtsrat vorzuschlagen. Bis da-
hin müsste die Kommune mit der Gefahr leben, dass ihr Ver-
treter im Aufsichtsrat erneut gegen Weisungen verstoßen und
damit zum Nachteil der Kommune handeln könnte. Durch
ein Abberufungsrecht auch hinsichtlich der auf ihren Vor-
schlag gewählten Aufsichtsratsmitglieder erhält die Kom-

reagieren; die Verantwortlichkeit des Aufsichtsratsmitglieds
gegenüber der Kommune wird erheblich effektiver.

Absatz 4 regelt die Nachwahl von kommunalen Vertretern im
Aufsichtsrat, die die nach Absatz 2 ausgeschiedenen und die
nach Absatz 3 abberufenen kommunalen Vertreter bis zum
Ablauf der Amtszeit des Aufsichtsrats ersetzen. Die Wahl er-
folgt – wie die Wahl der ausgeschiedenen bzw. abberufenen
Aufsichtsratsmitglieder – durch das dafür zuständige Organ
der Gesellschaft. Dieses Organ ist jedoch an den Wahlvor-
schlag der Kommune gebunden. Dadurch ist gewährleistet,
dass die Anzahl der kommunalen Vertreter im Aufsichtsrat
auch nach der Nachwahl der ursprünglichen Anzahl ent-
spricht und dass nur die von der Kommune benannten Kan-
didaten gewählt werden können. Das für die Geschäftsfüh-
rung der Gesellschaft zuständige Organ hat die Wahlsitzung
des für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder zuständigen Or-
gans unmittelbar, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, einzuberu-
fen, sobald die Kommune ihm ihren Wahlvorschlag übermit-
telt hat. Dadurch wird gesichert, dass die Sitze der Kommune
im Aufsichtsrat nicht über längere Zeit unbesetzt bleiben.

Die Absätze 2 bis 4 sind mit ihrem Wortlaut für Kapital-
gesellschaften mit unmittelbarer Beteiligung einer Kom-
mune konzipiert; sie regeln abweichend vom AktG die
Rechte der Aktionärin bzw. Gesellschafterin Kommune bei
der Besetzung von Aufsichtsräten. Vergleichbare Regelun-
gen für Gesellschaften mit nur mittelbarer kommunaler Be-
teiligung – an denen nicht die Kommune selbst, sondern eine
kommunale Kapitalgesellschaft beteiligt ist – hätten einer
sehr komplexen Regelungstechnik bedurft, da bei Gesell-
schaften mit mittelbarer kommunaler Beteiligung die Rechte
der Aktionärin bzw. Gesellschafterin von der Gesellschaft
und nicht von der Kommune ausgeübt werden. Damit hätte
geregelt werden müssen, welche Rechte der Kommune ge-
genüber der Gesellschaft, an der sie unmittelbar beteiligt ist,
zustehen, um letztere dazu zu verpflichten, ihre Rechte als
Aktionärin bzw. Gesellschafterin der Gesellschaft mit mittel-
barer kommunaler Beteiligung im Interesse der Kommune
auszuüben. Eine solch komplexe Regelung kann in der
Rechtspraxis leicht zu Ergebnissen führen, die von den Re-
gelungszielen des Gesetzgebers erheblich abweichen. Daher
sollten entsprechende Regelungen nicht ohne zwingende
Notwendigkeit gesetzlich fixiert werden. Eine solche Not-
wendigkeit besteht hier jedoch nicht. So sind Tochterunter-
nehmen kommunaler Kapitalgesellschaften in der Praxis fast
ausnahmslos in der Rechtsform der GmbH organisiert; die
Rechtsform der AG kommt in der Praxis nur bei Mutter-
unternehmen zur Anwendung. Bei der GmbH können die
Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag regeln, wem das
Recht zur Besetzung des Aufsichtsrats und zur Abberufung
seiner Mitglieder zustehen soll. Die Ausnahme sind nur Ge-
sellschaften, die der Mitbestimmung nach dem Gesetz über
die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (MitbestG) und dem
Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Auf-
sichtsrat (DrittelbG) unterliegen. Bei allen nicht mitbe-
stimmten GmbHs – welche in der Praxis die weit überwie-
gende Mehrzahl der Tochterunternehmen von Gesellschaften
mit kommunaler Beteiligung darstellen dürften – können die
Besetzung des Aufsichtsrats und die Abberufung seiner Mit-
glieder durch die kommunale Vertretungskörperschaft, die
Amtszeit des Aufsichtsrats und die Entsendungsrechte also
mune die Möglichkeit, sofort auf Abweichungen des Auf-
sichtsratsmitglieds von den Interessen der Kommune zu

bereits nach der gegenwärtig geltenden Rechtslage durch den
Gesellschaftsvertrag so geregelt werden, dass die Rechte der

Drucksache 17/11587 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Kommune gegenüber der Gesellschaft mit mittelbarer kom-
munaler Beteiligung den auf unmittelbare Beteiligungen zu-
geschnittenen Regelungen des § 2 entsprechen; besonderer
gesetzlicher Regelungen bedarf es daher nicht.

Zu § 3

Diese Vorschrift ermöglicht es den Ländern, die von der
Kommune entsandten oder auf ihren Vorschlag gewählten
Mitglieder des Aufsichtsrats von ihrer Verschwiegenheits-
pflicht gemäß der §§ 116, 93 Absatz 1, § 394 AktG gegenüber
den Organen der Kommune und gegenüber der Öffentlich-
keit zu entbinden. Diese Übertragung der Regelungskompe-
tenz stellt den praktikabelsten Weg dar, um zu einer Verbes-
serung der Transparenz der Tätigkeit von Unternehmen mit
kommunaler Beteiligung zu gelangen. So steht den Ländern
die Gesetzgebungskompetenz für Auskunftsansprüche der
Organe der Kommune gegenüber den kommunalen Vertre-
tern im Aufsichtsrat und für die Berichtspflichten der Letzt-
genannten gegenüber den Organen der Kommune zu. Im Zu-
sammenhang mit den Regelungen über die Adressaten der
Berichte der Aufsichtsratsmitglieder können die Länder
zugleich darüber bestimmen, inwieweit die Aufsichtsrats-
mitglieder gegenüber den Adressaten der Berichte der Ver-
schwiegenheit unterliegen sollen. Eine eigene Regelung der
Verschwiegenheit gegenüber den Organen der Kommune
durch den Bund wäre weniger sinnvoll. Bei ihr müsste der
Bundesgesetzgeber die unterschiedliche Rechtslage hin-
sichtlich der Berichtspflichten der Aufsichtsratsmitglieder
beachten. Dies führt einerseits zu einer unübersichtlichen
Regelung, da sie auf mehrere landesrechtliche Regelungs-
konzepte zugeschnitten sein müsste. Und andererseits
müsste der Bundesgesetzgeber seine Regelung regelmäßig
an Änderungen des Landesrechts anpassen, wenn ein neues
landesrechtliches Regelungskonzept nicht in der bundes-
rechtlichen Regelung berücksichtigt ist.

Zudem bedarf es einer bundeseinheitlichen Regelung nicht,
um das beabsichtigte Ziel einer weitgehenden Befreiung der
Aufsichtsratsmitglieder von der Verschwiegenheit gegenüber
der Kommune zu erreichen. So haben viele Bundesländer
schon jetzt Bestimmungen in ihre Gemeindeordnungen auf-
genommen, die die Aufsichtsratsmitglieder zu umfassenden
Auskünften gegenüber den kommunalen Vertretungskörper-
schaften verpflichten.10 Diese bleiben derzeit unwirksam, da
die Verschwiegenheitspflicht aus den §§ 116, 93 Absatz 1,
§ 394 AktG als Bundesrecht nach Artikel 31 des Grundge-
setzes (GG) die landesrechtlichen Berichtspflichten unwirk-
sam macht. Bei der in § 3 vorgeschlagenen Neuregelung auf
Bundesebene würden die bereits bestehenden landesrecht-
lichen Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht wirk-
sam. Zudem ist zu erwarten, dass auch die übrigen Länder
vergleichbare Vorschriften erlassen, da sie nur wegen des
bisher entgegenstehenden Bundesrechts von solchen Rege-
lungen Abstand genommen haben.

Die mit § 3 beabsichtigte Verteilung der Gesetzgebungskom-
petenzen zwischen Bund und Ländern verstößt nicht gegen
das Grundgesetz. So unterfallen die Kompetenz zur Rege-

lung des bürgerlichen Rechts (Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1
GG) und die für die Regelung des Rechts der Wirtschaft (Ar-
tikel 74 Absatz 1 Nummer 11 GG) der konkurrierenden Ge-
setzgebung. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung
haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz, wenn und
soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz kei-
nen Gebrauch gemacht hat, Artikel 72 Absatz 1 in Verbin-
dung mit Absatz 2 GG. Mit § 3 erklärt der Bundesgesetz-
geber, dass er von seiner Regelungskompetenz keinen Ge-
brauch machen will und überlässt den Ländern die Gesetz-
gebungskompetenz in dem in der Norm beschriebenen
Umfang.

Zu § 4

Die Norm stellt eine Abweichung von der Regel des § 109
Absatz 1 AktG, nach dem Sitzungen des Aufsichtsrats aus-
nahmslos nichtöffentlich stattfinden, dar. Dabei orientiert
sich der Wortlaut von § 4 an den Vorschriften der Länder
über die Öffentlichkeit der Sitzungen der Vertretungskörper-
schaften der Kommunen.

§ 4 Absatz 1 ordnet an, dass die Sitzungen des Aufsichtsrats
von Gesellschaften mit kommunaler Beteiligung grundsätz-
lich öffentlich stattzufinden haben. Hierdurch wird ein ge-
genüber dem bisherigen Rechtszustand wesentlich größeres
Maß an Transparenz der Aufsichtsratstätigkeit in kommuna-
len Unternehmen erreicht. So können sich sowohl die Mit-
glieder der Organe der Kommune als auch interessierte Bür-
gerinnen und Bürger als Zuschauerinnen und Zuschauer in
den Sitzungen über die Arbeit der kommunalen Vertreter im
Aufsichtsrat und über die Lage des Unternehmens infor-
mieren.

Die Öffentlichkeit kann nur in den im Gesetz ausdrücklich
erwähnten drei Ausnahmefällen ausgeschlossen werden. Die
erste Fallgruppe sind berechtigte Interessen Dritter an der
Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten sowie ihrer
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Hier ist die Gesell-
schaft dazu verpflichtet, die Daten nicht zu veröffentlichen.
Um dieser Pflicht genügen zu können, bedarf es des Aus-
schlusses der Öffentlichkeit, wenn solche Daten im Auf-
sichtsrat zu besprechen sind. Als weitere Fallgruppe ist der
Schutz der Geheimnisse der Gesellschaft aufgeführt. Dieser
rechtfertigt einen Ausschluss der Öffentlichkeit nur dann,
wenn die Geheimhaltung erforderlich ist, um einen Schaden
zu verhüten, der der Gesellschaft aus der Veröffentlichung
des Geheimnisses drohen kann. Dies kann insbesondere der
Fall sein, wenn die Veröffentlichung von Daten über be-
stimmte Produktionsverfahren oder über bestimmte zukünf-
tige Projekte den Wettbewerbern der Gesellschaft nicht
bekannt werden dürfen, da andernfalls die Wettbewerber die
Informationen zur Schädigung des Unternehmens oder zur
Verringerung der Marktchancen der Gesellschaft nutzen
könnten. Alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die diese
Voraussetzungen nicht erfüllen, sind im Aufsichtsrat in
öffentlicher Sitzung zu behandeln. Der Effekt dessen ist, dass
die Geheimnisse der Gesellschaft im Moment ihrer Behand-
lung in öffentlicher Sitzung den Charakter eines Geheim-
nisses verlieren, da sie nunmehr offenkundig sind. Daher
unterliegen die Aufsichtsratsmitglieder hinsichtlich der öf-
fentlich behandelten Geheimnisse der Gesellschaft nach de-

ren öffentlicher Behandlung keiner Verschwiegenheitspflicht
mehr.

10 Artikel 93 Absatz 2 BayGO; § 97 Absatz 7 BbgKVerf; § 71 Absatz 4
KV M-V; § 138 Absatz 4 NKomVG; § 98 Absatz 2 SächsGemO.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/11587

Als letzte Fallgruppe nennt die Norm Fälle, in denen eine
Auskunftsperson, die der Aufsichtsrat befragen möchte, nur
in nichtöffentlicher Sitzung Aussagen machen will. Diese
Fallgruppe ist erforderlich, da bis auf die Mitglieder des
Vorstands keine Auskunftsperson verpflichtet ist, auf Fragen
des Aufsichtsrats zu antworten. Um zu verhindern, dass dem
Aufsichtsrat Informationen unzugänglich bleiben, Auskunfts-
personen nur deshalb die Beantwortung von Fragen verwei-
gern, weil sie dies in öffentlicher Sitzung tun müssten, ist ein
Ausschluss der Öffentlichkeit von der Sitzung angebracht.

Absatz 2 verpflichtet dazu, den wesentlichen Inhalt der
nichtöffentlichen Beratungen in öffentlicher Sitzung bekannt
zu machen. Dies hat dann stattzufinden, wenn der Grund für
den Ausschluss der Öffentlichkeit nicht mehr vorliegt. Dies
ist insbesondere dann der Fall, wenn die öffentliche Bekannt-
machung eines Geheimnisses der Gesellschaft keinen Scha-
den für die Gesellschaft mehr verursachen kann. Personen-
bezogene Daten dürfen nur anonymisiert öffentlich bekannt-
gemacht werden. Sie dürfen nicht öffentlich bekanntgemacht
werden, wenn die betroffene Person trotz der Anonymisie-
rung anhand der Daten identifiziert werden kann.

§ 4 könnte in die privaten Mitgesellschaftern zustehende Be-
rufsfreiheit des Artikel 12 GG eingreifen, da er ihnen verbie-
tet, Angaben der Gesellschaft geheim zu halten, die vom
Aufsichtsrat zwingend in öffentlicher Sitzung zu behandeln
sind. Hierin könnte eine Regelung der Berufsausübung lie-
gen. Ob ein solcher Eingriff vorliegt, kann jedoch dahinste-
hen, da er verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Dies ist
dann der Fall, wenn vernünftige Erwägungen des Allgemein-
wohls für die Regelung der Berufsausübung sprechen.11 Die
Regelung soll die bei der gegenwärtigen Rechtslage beste-
henden Defizite bei der demokratischen Kontrolle kommu-
naler Unternehmen in privater Rechtsform beseitigen (vgl.
zu diesen Defiziten oben unter 1.). Die Geheimhaltung von
Angaben der Gesellschaft gegenüber der kommunalen Ver-
tretungskörperschaft und der demokratischen Öffentlichkeit
der Wählerinnen und Wähler soll weitgehend aufgehoben
werden, indem die Sitzungen der Aufsichtsräte kommunaler
Unternehmen öffentlich tagen. Die hierdurch verstärkte
Transparenz unternehmensinterner Vorgänge führt zum ei-
nen dazu, dass die Mitglieder der Vertretungskörperschaft
über die Tätigkeit des Unternehmens und der Vertreter der
Kommune in dessen Organen informiert sind. Erst mit diesen
Informationen erhalten sie die Grundlagen, die für die demo-
kratisch gebotene Einflussnahme auf das Unternehmen not-
wendig sind. Nur mit diesen Informationen können die kom-
munalen Vertretungskörperschaften Vertreterinnen und Ver-
treter in den Unternehmensorganen für Abweichungen vom
Willen der Kommune zur Verantwortung ziehen; die Rege-
lung dient damit auch der Stärkung der demokratischen Le-
gitimation des unternehmerischen Handelns der Unterneh-
mensorgane. Zum anderen erhalten auch die Wählerinnen
und Wähler aus öffentlichen Aufsichtsratssitzungen die In-
formationen, deren sie bedürfen, um ihre Wahlentscheidung
auch aufgrund des wirtschaftlichen Handelns der Kommu-
nalpolitikerinnen und -politiker in den Organen kommunaler
Unternehmen abhängig machen zu können; auch insofern
dient die Öffentlichkeit der Aufsichtsratssitzungen der Stär-

kung der demokratischen Verantwortlichkeit der Kommu-
nalpolitikerinnen und -politiker.

Der Einfluss der Kommune auf das Unternehmen muss
rechtlich und tatsächlich gegeben sein, damit ihre Stärkung
einen ausreichenden rechtfertigenden Grund für einen
Grundrechtseingriff abgibt. Die Möglichkeit der Einfluss-
nahme der Kommune auf unternehmerische Entscheidungen
ist rechtlich abhängig von der Höhe der Beteiligung der
Kommune am Grund- bzw. Stammkapital der Gesellschaft.
Eine Beteiligung von mehr als einem Viertel des Grund- bzw.
Stammkapitals sichert einen tatsächlichen Einfluss auf die
Verwirklichung des mit der Gesellschaft verfolgten Zwecks
und auf die Tätigkeit der Organe des Unternehmens. So be-
dürfen Änderungen der Satzung der AG nach § 179 Absatz 2
AktG und des Gesellschaftsvertrags der GmbH nach § 53
Absatz 2 GmbHG einer Mehrheit von drei Vierteln des bei
der Beschlussfassung vertretenen Grund- bzw. Stammkapi-
tals. Verfügt die Kommune über einen Anteil von mehr als
einem Viertel des Grund- bzw. Stammkapitals, kann sie ver-
hindern, dass die zwischen ihr und den übrigen Gesellschaf-
tern vereinbarte Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag gegen
ihren Willen geändert werden. Sie kann mit diesem Einfluss
die Verwirklichung des Zwecks des Unternehmens, der re-
gelmäßig mit dem von der Kommune verfolgten öffentlichen
Zweck zusammenfallen wird, sichern, indem sie verhindern
kann, dass die bei Unternehmensgründung zwischen ihr und
den übrigen Gesellschaftern vereinbarte Zweckbestimmung
der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags gegen ihren Wil-
len geändert wird. Den gleichen effektiven Einfluss kann sie
auf die Tätigkeit der Organe des Unternehmens ausüben. Es
ist den anderen Gesellschaftern nicht möglich, gegen den
Willen der Kommune die Bestimmungen der Satzung bzw.
des Gesellschaftsvertrags, die die Rechte und Pflichten und
damit die Vorgaben für die Tätigkeit der Unternehmens-
organe regeln, zu ändern. Mithin setzt die in § 1 Absatz 1 des
Gesetzes als Anwendungsbereich für § 4 vorgesehene Betei-
ligung von über einem Viertel des Grund- bzw. Stammkapi-
tals die Kommune rechtlich und praktisch in den Stand,
effektiven Einfluss auf die Erfüllung des bei Unternehmens-
gründung festgelegten Unternehmenszwecks und die recht-
lichen Grundlagen der Tätigkeit der Unternehmensorgane
auszuüben, da sie auf Dauer jede gegen ihren Willen erfol-
gende Änderung der entsprechenden Regelungen in Satzung
bzw. Gesellschaftsvertrag verhindern kann.

Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die
in § 1 Absatz 1 aufgestellten Voraussetzungen für Gesell-
schaften mit mittelbarer kommunaler Beteiligung. Durch
ihren Anteil am Grund- bzw. Stammkapital erhält die Kom-
mune effektiven Einfluss auf die Muttergesellschaft. Diese
wiederum hat durch ihren Kapitalanteil effektiven Einfluss
auf die Tochtergesellschaft, an der sie beteiligt ist. Die Kom-
mune kann ihren Einfluss auf das Mutterunternehmen dazu
nutzen, dass dieses im Interesse der Kommune Einfluss auf
die Tochtergesellschaft ausübt.

Damit erfüllt § 1 Absatz 1 die für die verfassungsrechtliche
Rechtfertigung des durch § 4 bewirkten Eingriffs in die Frei-
heit der Berufsausübung notwendige Voraussetzung einer
effektiven Möglichkeit der demokratischen Steuerung und
Kontrolle der Gesellschaft.
Auch die zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des
Grundrechtseingriffs erforderliche Verhältnismäßigkeit des 11 BVerfG, NJW 2002, S. 3091 (3092).

Drucksache 17/11587 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

durch § 4 bewirkten Eingriffs in die Freiheit der Berufsaus-
übung ist gegeben. Insbesondere drohen den privaten Gesell-
schaftern keine unzumutbaren Beeinträchtigungen, die denk-
bar außer Verhältnis zu dem mit der Regelung bezweckten
Erfolg stehen. Solchen unzumutbaren Beeinträchtigungen ist
durch die Zulassung des Ausschlusses der Öffentlichkeit
vorgebeugt. Dadurch wird die Geheimhaltung von Informa-
tionen über das Unternehmen ermöglicht, deren öffentliches
Bekanntwerden schwere Nachteile für das Unternehmen,
deren Duldung den Gesellschaftern nicht zuzumuten ist, aus-
lösen kann.

Zu § 5

Absatz 1 regelt die Gesetzgebungskompetenz der Länder
für die Schaffung von Weisungsrechten der Kommune ge-
genüber den von ihr in den Aufsichtsrat entsandten oder auf
ihren Vorschlag gewählten Aufsichtsratsmitgliedern in Ge-
sellschaften mit unmittelbarer kommunaler Beteiligung. Ab-
satz 2 enthält eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz
bezüglich der Weisungsrechte der Kommune gegenüber den
Mitgliedern von Aufsichtsräten der Gesellschaften mit mit-
telbarer kommunaler Beteiligung. Für die Begründung die-
ser Regelungen gelten ähnliche Erwägungen wie die zu § 3:
Die Regelung der Weisungsrechte durch die Länder stellt
den praktikabelsten Weg dar, um zu einer Stärkung der Ver-
antwortlichkeit der Vertreter der Kommune im Aufsichtsrat
zu gelangen. So steht den Ländern die Gesetzgebungskom-
petenz für die Schaffung von Weisungsrechten der Organe
der Kommune gegenüber den Vertretern der Kommune in
der Hauptversammlung bzw. in der Gesellschafterversamm-
lung zu. Mit der durch die Vorschrift geregelten Gesetz-
gebungskompetenz können die Länder entscheiden, ob sie
diese Weisungsbindung der Vertreter der Kommune in der
Gesellschaft auf die kommunalen Vertreter im Aufsichtsrat
erstrecken oder eine besondere Regelung für die Mitglieder
des Aufsichtsrats schaffen wollen. Eine Bundesregelung
wäre zudem verfassungsrechtlich bedenklich. So ist das
Rechtsverhältnis zwischen der Kommune und ihren Ver-
tretern im Aufsichtsrat der Gesellschaft mit kommunaler
Beteiligung durch das Kommunalrecht bestimmt, das in
der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder
steht. Ein bundesrechtliches Weisungsrecht der Kommune
als Aktionärin bzw. Gesellschafterin gegenüber ihren Ver-
tretern im Aufsichtsrat hätte nicht nur Wirkung im gesell-
schaftsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Aktionärin
bzw. Gesellschafterin und Aufsichtsratsmitglied, sondern
hätte auch Auswirkungen auf das kommunalrechtliche
Rechtsverhältnis zwischen der Kommune und ihren Vertre-
tern im Aufsichtsrat. Vor allem schlösse ein Weisungsrecht
in einer gesellschaftsrechtlichen Regelung des Bundes für
die Länder praktisch aus, den Kommunen ein Weisungs-
recht zu versagen, da die Kommunen auch ohne ein landes-
rechtliches Weisungsrecht auf das bundesrechtliche zurück-
greifen können. Um zu vermeiden, dass der Bund auf diese
Weise die Entscheidungsfreiheit der Länder bei der Gestal-
tung des Kommunalrechts beschränkt, sollte die Regelung
der Weisungsrechte vollständig den Ländern überlassen
werden.

Wie auch bei § 3 bedarf es bei § 5 keiner bundesgesetzlichen
Regelung, um gesetzliche Weisungsrechte in allen Bundes-

Vertretungskörperschaften normiert.12 In einigen Ländern
sind die Kommunen dazu verpflichtet, Weisungsrechte der
Kommune gegenüber den kommunalen Vertretern im Auf-
sichtsrat in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen.13 Es steht
damit nicht zu befürchten, dass die Länder von der ihnen in
§ 5 eingeräumten Gesetzgebungsbefugnis keinen Gebrauch
machen werden.

Die mit den Absätzen 1 und 2 beabsichtigte Verteilung der
Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern
verstößt nicht gegen das Grundgesetz. So unterfallen die
Kompetenz zur Regelung des bürgerlichen Rechts (Artikel 74
Absatz 1 Nummer 1 GG) und die für die Regelung des Rechts
der Wirtschaft (Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 GG) der kon-
kurrierenden Gesetzgebung. Im Bereich der konkurrierenden
Gesetzgebung haben die Länder die Gesetzgebungskompe-
tenz, wenn und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungs-
kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat (Artikel 72 Absatz 1
GG). Mit Absatz 1 erklärt der Bundesgesetzgeber, dass er von
seiner Regelungskompetenz keinen Gebrauch machen will,
und überlässt den Ländern die Gesetzgebungskompetenz in
dem in der Norm beschriebenen Umfang.

Absatz 3 regelt die Rechtsfolgen eines Verstoßes des Auf-
sichtsratsmitglieds gegen eine Weisung für die Gültigkeit
eines Beschlusses des Aufsichtsrats. Damit Meinungsver-
schiedenheiten zwischen der Kommune und ihren Vertretern
im Aufsichtsrat nicht die Tätigkeit des Aufsichtsrats behin-
dern, sollten die Beschlüsse des Aufsichtsrats trotz des wei-
sungswidrigen Abstimmungsverhaltens gültig sein.

Zu § 6

Die Vorschrift soll die durch die gesellschaftsrechtliche Treue-
pflicht gegebene Beschränkung der Verwirklichung des mit
der Gesellschaft von der Kommune verfolgten öffentlichen
Zwecks bei gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften besei-
tigen. Dazu enthält die Norm in Absatz 2 eine Duldungs-
pflicht, die vor allem zulasten der privaten Gesellschafter
wirkt. Die Gesellschafter müssen Maßnahmen der Ge-
schäftsführung dulden, die zu einem Wertverlust der Gesell-
schaftsanteile oder zur erheblichen Minderung oder dem
Ausschluss eines Jahresüberschusses führen.

Diese Duldungspflicht besteht nur, wenn die zwei in Absatz 1
aufgeführten Bedingungen kumulativ erfüllt sind: Der Zu-
stand der Herabsetzung des Überschusses bzw. des Wert-
verlusts der Gesellschaftsanteile darf voraussichtlich nicht
länger als fünf Jahre andauern und die Maßnahme der Ge-
schäftsführung muss der Erreichung des von der Kommune
mit der Gesellschaft verfolgten öffentlichen Zwecks dienen.
Solche Geschäftsführungsmaßnahmen sind insbesondere In-
vestitionsvorhaben, die erforderlich sind, um eine Leistung
der Daseinsvorsorge erbringen zu können, die aber so hohe
Kosten verursacht, dass wegen des Abtragens der zur Fi-
nanzierung aufzunehmenden Darlehen ein Jahresgewinn für
mehrere Jahre nicht zu erwarten ist. Auch Tarifsenkungen,
die der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zu sozial an-

12 § 97 Absatz 1, 2 BbgKVerf; § 71 Absatz 1, 2 KV M-V; § 113 Absatz 1
GO NW; § 88 Absatz 1, 3 GemO RP; § 119 Absatz 1, 2 GO LSA;
ländern durchzusetzen. So haben viele Landesgesetzgeber
bereits jetzt umfassende Weisungsrechte der kommunalen

§ 104 Absatz 2 i. V. m. § 25 Absatz 1 GO SH.
13 Artikel 93 Absatz 2 BayGO; § 108 Absatz 5 Nr. 2 GO NW; § 87 Ab-

satz 3 Nr. 3 GemO RP.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/11587

gemessenen Preisen dienen, aber einen Jahresgewinn nicht
mehr ermöglichen, sind Geschäftsführungsmaßnahmen, die
von Absatz 1 erfasst sind.

Die Feststellung, dass der Wertverlust der Gesellschaftsan-
teile oder das Ausbleiben eines Jahresüberschusses nicht län-
ger als fünf Jahre anhalten wird, ist eine Prognoseentschei-
dung, die im Zeitpunkt des Beschlusses über die Maßnahme
der Geschäftsführung, spätestens jedoch im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung über die Anfechtung eines Be-
schlusses getroffen werden muss. Dieser Prognose sind das
erforderliche wirtschaftliche Wissen und die Erfahrungen mit
der konkreten Gesellschaft in der Vergangenheit zugrunde zu
legen. Ergibt sich aus diesem Wissens- und Erfahrungshori-
zont der nachvollziehbare Schluss, dass Wertminderung bzw.
Ausschluss des Gewinns nicht länger als fünf Jahre andauern
werden, verstößt der Beschluss der Gesellschaftsorgane nicht
gegen die berechtigten Interessen der Gesellschafter.

Die Rechtsfolgen der Duldungspflicht sind in Absatz 2 gere-
gelt: Die Gesellschafter können zum einen keinen Schadens-
ersatz wegen der entgangenen Gewinne oder des Wertver-
lusts ihrer Gesellschaftsanteile verlangen. Damit sind Scha-
densersatzansprüche gegen die Gesellschaft, die Mitgesell-
schafter, die Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrats
ausgeschlossen. Zum anderen schließt die Duldungspflicht
aus, dass sich Gesellschafter für die Anfechtung eines Be-
schlusses von Vorstand bzw. Geschäftsführung, Aufsichtsrat
oder Hauptversammlung bzw. Gesellschafterversammlung
auf das Ausbleiben eines Überschusses oder den Wertverlust
ihrer Gesellschaftsanteile berufen können. Mit Letzterem
wird nicht ausgeschlossen, dass die Gesellschafter den frag-
lichen Beschluss des Gesellschaftsorgans aus anderen
Rechtsgründen anfechten können.

Die in Absatz 1 festgelegten Bedingungen für die Duldungs-
pflicht sind das Ergebnis der Abwägung zwischen den
grundrechtlich geschützten Interessen der privaten Anteils-
eigner und dem öffentlichen Interesse der Kommune. Sie
sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Inter-
esse der privaten Gesellschafter am Erhalt des Werts ihrer
Geschäftsanteile und ihr Kapitalverzinsungsinteresse – also
ihr Interesse an der Erzielung eines Überschusses – sind vom
Eigentumsgrundrecht des Artikel 14 Absatz 1 GG ge-
schützt.14 Der Gesetzgeber darf Inhalt und Schranken des Ei-
gentums gesetzlich regeln. Solche Inhalts- uns Schrankenbe-
stimmungen sind jedoch verfassungswidrig, wenn sie kein
von der Verfassung legitimiertes Regelungsziel verfolgen
oder unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers
durch die gesetzliche Bestimmung nicht ausgeschlossen sind
und das Gesetz keinerlei Vorkehrungen gegen derartige un-
verhältnismäßige Beschränkungen enthält.15

Das die Regelung legitimierende Ziel ist die Verwirklichung
des von der Kommune mit der Gesellschaft verfolgten öffent-
lichen Zwecks. Dieser öffentliche Zweck besteht in einem
Bedürfnis der Gemeindeeinwohnerinnen und -einwohner an
den von der Gesellschaft angebotenen Waren und Dienstlei-
tungen. Diesen Zweck kann die Kommune mit dem Unter-
nehmen nur verfolgen, wenn sie über einen tatsächlich und

rechtlich gesicherten Einfluss auf die Gesellschaft verfügt,
durch welchen sie die Zweckerreichung durch das Unterneh-
men steuern kann. Daher bedarf es zur verfassungsrechtli-
chen Rechtfertigung des Eingriffs in das Grundrecht auf Ei-
gentum eines effektiven Einflusses der Kommune auf das Un-
ternehmen. Dass dies bei einer unmittelbaren oder mittelba-
ren Beteiligung der Kommune am Stamm- bzw. Grundkapital
von über 25 Prozent der Fall ist, wurde bereits zu § 4 erläutert.

Die Verhältnismäßigkeit der Belastung der Gesellschafter ist
mit den Voraussetzungen des § 6 Absatz 1 gewahrt. Insbe-
sondere ist die Regelung geeignet, das mit ihr verfolgte Ziel
zu erreichen. Die Norm soll gewährleisten, dass auch unwirt-
schaftliche Geschäftsführungsmaßnahmen durchgeführt
werden können, wenn dies für die Erreichung des mit der Ge-
sellschaft verfolgten öffentlichen Zwecks erforderlich ist.
Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass Anfechtungsrechte
und Schadensersatzforderungen der Gesellschafter, die die
Kommune von der Durchsetzung der für die Erreichung des
öffentlichen Zwecks erforderlichen Geschäftsführungsmaß-
nahmen abhalten könnten. Die Schaffung einer Duldungs-
pflicht ist auch erforderlich, um das Regelungsziel zu errei-
chen. Es steht kein milderes, gleich kostengünstiges Mittel
zur Verfügung, um die Durchsetzung des öffentlichen
Zwecks gegen die Eigentumsinteressen der privaten Gesell-
schafter zu ermöglichen. Die Regelung ist auch angemessen,
da die Schwere des Eingriffs in die Eigentümerinteressen der
privaten Anteilseigner nicht außer Verhältnis zum erreichba-
ren Erfolg steht. Der Zeitraum von fünf Jahren, in denen die
Anteilseigner keine Gewinnausschüttung erwarten können
und eine Wertminderung ihres Gesellschaftsanteils hinneh-
men müssen, beeinträchtigt deren wirtschaftliche Lage nicht
über Gebühr. Dies schon deshalb nicht, da nach Ablauf dieser
Zeit wieder Gewinne ausgeschüttet werden und auch der
Wert des Gesellschaftsanteils wieder steigen wird. Insofern
ist die Einbuße allenfalls eine vorübergehende; ein endgülti-
ger wirtschaftlicher Verlust wird den Gesellschaftern nicht
zugemutet. Mit einem Zeitraum von fünf Jahren wird den
privaten Anteilseignern auch keine zu lange Zeit der Ge-
winnreduktion und des Wertverlusts ihrer Anteile zugemutet.
Vielmehr ist ein solcher Zeitraum auch in der Privatwirt-
schaft üblich. Bei großen Investitionen nehmen Unterneh-
men nicht selten so lange Zeiträume, in denen keine oder nur
geringe Gewinne ausgeschüttet werden, freiwillig in Kauf,
um große Investitionsvorhaben zu finanzieren oder um für
notwendig erachtete Umstrukturierungsmaßnahmen vorzu-
nehmen. Da also ein so langer freiwilliger Verzicht auf Ge-
winnausschüttungen von den Teilnehmern am Wirtschafts-
verkehr nicht als unzumutbar angesehen wird, steht die mit
der Duldungspflicht verbundene wirtschaftliche Belastung
nicht außer Verhältnis zum Regelungsziel. Ein längerer Zeit-
raum dürfte dagegen nicht mehr üblich sein und wäre damit
unverhältnismäßig.

Die Regelung verstößt zudem nicht gegen Europarecht; ins-
besondere sind die Grundfreiheiten und das Beihilferecht
nicht verletzt.16

16 Vgl. hierzu die die Ausarbeitung „Zur europarechtskonformen Aus-
14 Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 555.
15 BVerfGE 100, 226 (244 f.).

gestaltung einer Kapitalgesellschaft mit kommunaler Beteiligung“ des
Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 4. April
2012, Az.: WD 11 – 3000 – 56/12.

Drucksache 17/1158 ndestag – 17. Wahlperiode

H. Heene
ese
7 – 12 – Deutscher Bu

Zu § 7

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
mann

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