BT-Drucksache 17/11568

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/10200, 17/10202, 17/10812, 17/10823, 17/10824, 17/10825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013) hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Vom 20. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11568
17. Wahlperiode 20. 11. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Priska Hinz (Herborn), Katja Dörner,
Dr. Tobias Lindner, Stephan Kühn, Kerstin Andreae, Dr. Anton Hofreiter,
Dr. Valerie Wilms, Hans-Christian Ströbele, Lisa Paus, Harald Ebner, Bettina
Herlitzius, Oliver Krischer, Markus Kurth, Elisabeth Scharfenberg, Daniela Wagner
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10200, 17/10202, 17/10812, 17/10823, 17/10824, 17/10825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013
(Haushaltsgesetz 2013)

hier: Einzelplan 12
Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. keine Mittel für den Weiterbau der A 100 in Berlin nachträglich in den Stra-
ßenbauplan einzustellen und keine Baufreigabe für die teuerste Autobahn
Deutschlands zu erteilen,

2. Straßenbaumittel stattdessen vorrangig in die Erhaltung und in die Fertig-
stellung bereits laufender Projekte zu investieren.

II. Der Deutsche Bundestag stellt dazu fest:

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) plant
ab dem Jahr 2013 offenbar die Finanzierung für den drei Kilometer langen und
500 Mio. Euro teuren Weiterbau der A 100 in Berlin, denn für den Autobahnbau
in Berlin sind in den Jahren 2013 und 2014 insgesamt 110 Mio. Euro eingeplant.
Ab dem Jahr 2014 wird damit für dieses eine Projekt im Land Berlin mehr in den

Neu- und Ausbau investiert als in Flächenländern wie Bayern, Baden-Württem-
berg oder Niedersachsen, da die Ansätze für den Neu- und Ausbau der Bedarfs-
planprojekte bundesweit um mehr als die Hälfte abgesenkt werden.

Der Weiterbau der A 100 wäre das teuerste Autobahnprojekt Deutschlands. Der
Weiterbau einer sechsspurigen innerstädtischen Autobahn entstammt Planungs-
phantasien der „autogerechten Stadt“ aus den 60er-Jahren, bei denen amerika-

Drucksache 17/11568 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

nische Städte Paten standen. Dabei sinkt die Autonutzung in der Berliner
Innenstadt seit Jahren und für den weiträumigen Verkehr steht der Berliner
Autobahnring zur Verfügung, in dessen Ausbau der Bund massiv investiert. Mit
einem vom BMVBS im Jahr 2008 errechneten Nutzen-Kosten-Verhältnis von
3,6 liegt die Wirtschaftlichkeit des Weiterbaus der A 100 zudem im unteren
Drittel der planfestgestellten 114 Straßenbauprojekte (das durchschnittliche
Nutzen-Kosten-Verhältnis lag beim Bundesverkehrswegeplan 2003 für Stra-
ßenbauprojekte bei deutlich über 5).

Neben den 500 Mio. Euro für eine überflüssige Autobahn, muss der Bund auch
für das Missmanagement beim Bau des neuen Berliner Flughafens mit mindes-
tens 312 Mio. Euro geradestehen. Auch wenn diese Summe möglicherweise
nicht den Investitionshaushalt belasteten wird, so ist doch angesichts der Schul-
denbremse klar, dass die Mehrkosten für den Flughafen Berlin Brandenburg
den Spielraum für Investitionen in Verkehrsnetze weiter einschränken. Dass
Berlin aus dem massiv geschrumpften Topf für Neu- und Ausbaumittel nun
auch noch mit der Finanzierung einer Stadtautobahn belohnt werden soll, ver-
steht im Rest Deutschlands niemand.

Statt eine überflüssige Autobahn zu finanzieren, sollten die Erhaltungsmittel
verstärkt und bereits begonnene Projekte fertiggestellt werden. Der Mittelbe-
darf für die Erhaltung der Bundesfernstraßen liegt weitaus höher als der Haus-
haltsansatz. Der Substanzverzehr der Infrastruktur nimmt daher immer weiter
zu. In den Jahren 2010 und 2011 wurden 46 Prozent mehr für den Neu- und
Ausbau von Autobahnen und 33 Prozent mehr für den Neu- und Ausbau von
Bundesstraßen ausgegeben als im Haushalt vorgesehen. Die tatsächlich veraus-
gabten Mittel für den Erhalt lagen um 10 bzw. 20 Prozent unter den Haushalts-
ansätzen. Besonders negativ hervorgetan bei dieser Mittelverschiebung haben
sich Bayern (238 Prozent mehr für den Autobahnneubau) und Niedersachsen
(182 Prozent mehr für Bundesstraßen).

Hohe Soll-Ansätze für den Erhalt werden dadurch systematisch zu niedrigen Ist-
Ausgaben. Da dies eindeutig gegen den Willen des Haushaltsgesetzgebers geht,
will die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die gegenseitige Deckungs-
fähigkeit von Erhalt- und Neu- und Ausbautiteln aufheben. Sie soll nur noch in
eine Richtung erhalten bleiben: Nicht verausgabte Neu- und Ausbautitel können
in den Erhalt umgeschichtet werden. Ein Umschichten vom Erhalt will die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN grundsätzlich ausschließen.

Für die im Bau befindlichen Bundesfernstraßenprojekte besteht nach Angaben
des BMVBS in den Jahren 2013 bis 2016 ein Mittelbedarf von 4,5 Mrd. Euro,
davon sind 1,7 Mrd. Euro nicht gedeckt. Derzeit planfestgestellt, nicht aber im
Straßenbauplan enthalten, waren zum 1. August 2012 insgesamt 114 Bundes-
fernstraßenprojekte mit einem Bauvolumen von über 6 Mrd. Euro.

Die 570 Mio. Euro zusätzlich im Rahmen des Infrastrukturbeschleunigungs-
programms II rechtfertigen keine milliardenschweren Neubeginne. Das sehen
der ADAC e. V. und das Deutsche Verkehrsforum e. V. genauso: So erklärte der
ADAC-Vizepräsident für Verkehr Ulrich Klaus Becker nach der Einigung im
Koalitionsausschuss: „Es ergibt keinen Sinn, mit den zusätzlichen Mitteln wei-
tere Neubauprojekte im Fernstraßenbereich anzustoßen, wenn nicht einmal die
Finanzierung der im Bau befindlichen Strecken gesichert ist. Ich kann nur davor
warnen, mit Bauprojekten, für die das Geld nie und nimmer reicht, knapp ein
Jahr vor der Bundestagswahl auf Wählerfang zu gehen.“ Und der Präsidiums-
vorsitzende des Deutschen Verkehrsforums e. V., Klaus-Peter Müller erklärte:
„Die Gelder sollten in den Erhalt und in laufende Neubauprojekte fließen. Ver-
mieden müssen hingegen Spatenstiche für komplett neue Maßnahmen, die den
Spielraum im Haushalt der kommenden Jahre weiter einschränken würden. Ge-

nerell gilt: Die zusätzlichen Mittel sollten optimal für Maßnahmen eingesetzt

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11568

werden, die dem Gesamtnetz den größten Nutzen bringen.“ Diese Haltung wird
auch von den Umweltverbänden geteilt.

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat bei den Infrastruktur-
beschleunigungsprogrammen I und II erfolgreich durchgesetzt, dass die einzel-
nen Maßnahmen einer Einwilligung durch den Haushaltsausschuss bedürfen.
Dieses Prinzip sollte der Haushaltsausschuss generell anwenden. Eine nachträg-
liche Aufnahme von Projekten in den Straßenbauplan bzw. eine Baufreigabe
sollte nur mit Zustimmung des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages erfolgen. Nur
so kann verhindert werden, dass über die Frage, ob mit der A 100 ein neues
Großprojekt begonnen werden soll, nur exekutiv zwischen dem BMVBS und
dem Land Berlin entschieden wird.

Berlin, den 19. November 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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