BT-Drucksache 17/1150

Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 28 Absatz 1 - Kommunales Ausländerwahlrecht)

Vom 23. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1150
17. Wahlperiode 23. 03. 2010

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Ingrid Hönlinger, Britta
Haßelmann, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz,
Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 28 Absatz 1 – Kommunales Ausländerwahlrecht)

A. Problem

Es ist nach wie vor dringend erforderlich, die Integration aller hier wohnenden
ausländischen Bürgerinnen und Bürger durch die dem demokratischen Prinzip
entsprechende Einräumung des Kommunalwahlrechtes zu fördern.

B. Lösung

Durch Änderung von Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) sollen die-
jenigen hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer, die nicht die Staatsange-
hörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, nach Maßgabe
von Landesrecht bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden wahlberechtigt und
wählbar sein. Zudem soll ausdrücklich klargestellt werden, dass die Einräumung
des Wahlrechtes ebenfalls das Abstimmungsrecht auf kommunaler Ebene bein-
haltet.

Der Gesetzentwurf entspricht sinngemäß der vom Bundesrat am 26. September
1997 (Bundesratsdrucksache 515/97 (Beschluss)) beschlossenen Fassung, die
der Deutsche Bundestag wegen des Ablaufs der 13. Legislaturperiode nicht be-
raten hat. Das Land Rheinland-Pfalz hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf
in der 16. Legislaturperiode in den Bundesrat eingebracht (Bundesratsdruck-
sache 623/07). Es ist daher davon auszugehen, dass der Lösungsansatz auf weit-
gehende Zustimmung trifft.

C. Alternativen

Keine
D. Kosten

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Keine

2. Vollzugsaufwand

Keine unmittelbaren Kosten. Mittelbar entstehen den Kreisen und Gemeinden
Kosten infolge der Erweiterung des Kreises der Wahlberechtigten.

Drucksache 17/1150 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

E. Sonstige Kosten

Keine

Berlin, den 23. März 2010

Renate Künast, Jürgen Tr
Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

ittin und Fraktion
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1150

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 28 Absatz 1 – Kommunales Ausländerwahlrecht)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Absatz 2 des Grund-
gesetzes ist eingehalten:

Artikel 1

Änderung des Grundgesetzes

In Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundes-
republik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1), das
zuletzt durch … geändert worden ist, wird Satz 3 durch die
folgenden Sätze ersetzt:

„Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen,
die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Euro-
päischen Union besitzen, nach Maßgabe von Recht der Euro-
päischen Union, sowie Personen, die die Staatsangehörigkeit
eines Drittstaats besitzen und die ihren ständigen Wohnsitz
im Bundesgebiet haben, nach Maßgabe des Landesrechts
wahlberechtigt und wählbar. Die nach Satz 3 wahlberechtig-
ten Personen sind auch berechtigt, an Abstimmungen in den
Kreisen und Gemeinden teilzunehmen.“

rung des Grundgesetzes der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 16/6628) verwiesen.

Mit diesem Gesetzentwurf verfolgt die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Ziel der Erweiterung des
Kommunalwahlrechtes auf Drittstaatsangehörige weiter.
Bereits in der letzten Wahlperiode hatte die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hierzu einen Gesetzentwurf in
den Bundestag eingereicht (Bundestagsdrucksache 16/6628).
Dieser wurde mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, FDP und SPD abgelehnt.

Zustimmung für die Einräumung des Kommunalwahlrechtes
für Drittstaatsangehörige gibt es auch seitens fachkundiger
Experten. So haben in der 16. Wahlperiode im Rahmen der
Anhörung im Innenausschuss zu oben genanntem Gesetzent-
wurf die von den Fraktionen FDP, SPD, DIE LINKE. sowie
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN benannten Sachverständigen
ein umfassendes Kommunalwahlrecht auch für Drittstaats-
angehörige befürwortet. Insbesondere hat der von der
SPD-Fraktion benannte Sachverständige, Prof. Dr. Klaus
Sieveking, bekräftigt, „dass mit der Einräumung des kommu-
nalen Ausländerwahlrechts die Integrationsbemühungen zu
unterstützen sind und das Gebot der Gleichbehandlung ein-
zulösen ist.“ (Ausschussdrucksache 16(4)495 E). In diesem
Sinne hat sich auch Dr. Felix Hanschmann vom Max-Planck-
Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
ausgesprochen und betont, dass die Einführung des aktiven
und passiven Kommunalwahlrechts für Unionsbürger und
das aktive und passive Wahlrecht bei Wahlen zum Europäi-
schen Parlament, den vom Bundesverfassungsgericht be-
haupteten Zusammenhang von Volkssouveränität, Staatsan-
gehörigkeit und Staatsbürgerschaft widerlegt haben (Aus-
schussdrucksache 16(4)495 F).

Angesichts der breiten Zustimmung auch von zivilgesell-
schaftlichen Organisationen und Verbänden, wie beispiels-
weise dem DGB, ist die Zeit gekommen, der Benachtei-
ligung von Drittstaatsangehörigen beim Wahlrecht durch
eine Ergänzung im Grundgesetz abzuhelfen.

EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, die ihren Wohnsitz in
einem Mitgliedstaat haben, dessen Staatsangehörigkeit sie
nicht besitzen, haben das aktive und passive Wahlrecht bei
Kommunalwahlen. Ausländerinnen und Ausländer aus Dritt-

Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil entstehen so „demo-
kratiefreie“ Zonen. Die Mehrheit wird dort zur Minderheit.

Wenn EU-Bürger, die seit drei Monaten in Deutschland
wohnhaft sind, bei Kommunalwahlen wählen dürfen und
Drittstaatsangehörige, die seit vierzig Jahren in Deutschland
wohnen, nicht wählen dürfen, entspricht das nicht dem allge-
meinen Gerechtigkeitsempfinden und dem neuen integra-
tionspolitischen, überparteilichen Konsens.

In anderen EU-Ländern ist das Kommunalwahlrecht für
Drittstaatsangehörige eine Selbstverständlichkeit, so in
Estland, Finnland, Luxemburg, Schweden, Irland, Däne-
mark, Belgien oder der Niederlande. Dort haben Auslände-
rinnen und Ausländer, unabhängig von ihrer Staatsangehö-
rigkeit, das Recht, mitzubestimmen, wenn es um die Angele-
genheiten ihrer Kommune geht.

Auch ausländischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern
sollten in ihrem Wohnort mitbestimmen dürfen, wie öffent-
liche Gelder politisch genutzt werden.

Die Migrantinnen und Migranten, die sich dauerhaft in
einem EU-Mitgliedstaat niedergelassen haben, sind prak-
tisch und sozial „EU-Inländer“. Der Ausschluss dieses Per-
sonenkreises vom kommunalen Wahlrecht stellt eine Diskri-
minierung bei der Ausübung der politischen Rechte dar und
führt zu sozialen und gesellschaftlichen Problemen. Des-
wegen ist eine Grundgesetzänderung, die eine Beteiligung an
den Kommunalwahlen prinzipiell allen Einwohnerinnen und
Einwohnern einer Kommune ermöglicht, vorzunehmen.

Der neue Artikel 28 Absatz 1 Satz 4 GG schreibt vor, dass in
dem Fall, in dem Ausländerinnen und Ausländern das Kom-
munalwahlrecht zusteht, diese ebenfalls das Abstimmungs-
recht auf kommunaler Ebene besitzen. Damit werden dahin
gehende Zweifel an der Auslegung des bisherigen Artikels 28
Absatz 1 Satz 3 GG ausgeräumt, ob das Grundgesetz mit der
Einräumung des Wahlrechtes für die Unionsbürgerinnen und
Unionsbürger auch die Gewährung des Abstimmungsrechtes
auf kommunaler Ebene zuließ.

In den Ländern, in denen keine plebiszitären Elemente auf
kommunaler Ebene existieren, findet Satz 4 selbstverständ-
lich keine Anwendung.
Drucksache 17/1150 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

Es wird auf die Diskussion in der Gemeinsamen Verfas-
sungskommission von Bundestag und Bundesrat (Bundes-
ratsdrucksache 800/93, S. 97 ff.) sowie die Sachver-
ständigenanhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Ände-

staaten wurde dieses Recht bislang nicht eingeräumt. Dieser
Teil unserer Bevölkerung ist also von der politischen Teil-
habe ausgeschlossen. Durch dieses Demokratiedefizit dürfen
Millionen von Menschen nicht dort wählen, wo sie leben. In

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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