BT-Drucksache 17/11374

Sportförderung neu denken - Strukturen verändern

Vom 7. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11374
17. Wahlperiode 07. 11. 2012

Antrag
der Abgeordneten Jens Petermann, Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Steffen
Bockhahn, Roland Claus, Ulla Jelpke, Jan Korte, Caren Lay, Sabine Leidig, Ralph
Lenkert, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Kornelia Möller, Petra
Pau, Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Raju Sharma, Kersten Steinke, Sabine Stüber,
Alexander Süßmair, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Sportförderung neu denken – Strukturen verändern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Sport hat eine herausragende Bedeutung für die Gesellschaft. Durch ihn werden
positive Werte vermittelt, er trägt zu einer gesünderen Lebensweise bei und hat
wertvolle integrative Effekte. Sowohl der Breiten- als auch der Spitzensport sind
unverzichtbar für die Gesellschaft. Spitzensportlerinnen und Spitzensportler
sind Vorbilder und können Menschen dazu animieren, sich selbst Ziele zu setzen
und auf deren Erreichung hinzuarbeiten. Die Förderung des Breitensports ist auf
Dauer auch für den Spitzensport unerlässlich, da besonders in diesem Bereich
eine effektive Nachwuchsförderung stattfinden muss.

Die derzeitige Verteilung der Sportfördermittel ist intransparent und nicht nach-
vollziehbar. Außerdem werden durch die aktuellen Ergebnisse der deutschen
Mannschaft bei internationalen Sportveranstaltungen, wie zuletzt den Olym-
pischen Spielen 2012 in London, Fragen hinsichtlich ihrer Effektivität aufge-
worfen. Das Instrument der Zielvereinbarungen hat sich in seiner bisherigen
Form nicht bewährt. Die Verteilung von Steuermitteln muss transparent nach
einheitlichen Kriterien erfolgen und die Verwendung der Mittel muss überprüf-
bar sein.

Die alleinige Zuständigkeit der Länder für die Bildungspolitik bringt auch für
den Bereich des Sports erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Insbesondere das
Kooperationsverbot aus Artikel 104b des Grundgesetzes für Bund und Länder
hat nachteilige Auswirkungen auf die Nachwuchsfindung und -förderung. Für
einen erfolgreichen Spitzensport ist es wichtig, dass sowohl Schul- als auch Ver-
einssport weiterentwickelt und stärker gefördert werden. Es ist unerlässlich,
dass es ein einheitliches Sportförderkonzept gibt und die Aufgaben von Bund
und Ländern gemeinsam wahrgenommen werden. Derzeit sind die Möglichkei-

ten der Finanzierung in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich, so dass es
wichtig ist, eine ausgewogene Verteilung der Ausgaben festzulegen. Bildung ist
auch im Bereich des Sports eine Gemeinschaftsaufgabe.

Die Spitzensportförderung bei Bundespolizei, Bundeswehr und Zoll ist nicht ge-
eignet, um flächendeckende Sportförderung entsprechend den eigenen Bedürf-
nissen zu garantieren. Viele Spitzensportlerinnen und Spitzensportler entschei-
den sich lediglich aus der Not heraus für eine Laufbahn bei den genannten

Drucksache 17/11374 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Behörden. Sportlerinnen und Sportler, die ein Studium absolvieren wollen, sind
schlechter gestellt als beispielsweise die Angehörigen einer Sportfördergruppe
der Bundeswehr. Darüber hinaus bietet gerade die Bundeswehr im Anschluss an
die sportliche Karriere auch keine ausreichenden beruflichen Perspektiven.
Langfristige und verlässliche Förderung ist wichtiger als kurzzeitige finanzielle
Absicherung und vereinzelte Prämien. Die Sportlerinnen und Sportler sollen die
Möglichkeit haben, eine Laufbahn entsprechend ihren Fähigkeiten und Interes-
sen einzuschlagen und die freie Wahlmöglichkeit hinsichtlich ihrer beruflichen
Orientierung haben. Studentinnen und Studenten, die eine Karriere im Spitzen-
sport wählen, müssen geeignete Studien- und Trainingsbedingungen haben.
Diese Möglichkeiten müssen auch Sportlerinnen und Sportlern mit Behinderung
eröffnet werden. Der Sport von Menschen mit Behinderung ist grundsätzlich
nach den gleichen Kriterien zu fördern wie der Sport von Menschen ohne Be-
hinderung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ein neues Konzept für die Sportförderung in Deutschland vorzulegen und die da-
für nötigen gesetzlichen Änderungen als Voraussetzung für dessen Umsetzung
zu initiieren. Das Konzept soll folgende Schwerpunkte aufweisen:

1. Einrichtung eines Sportministeriums, das eine effektive und transparente
Mittelvergabe zu sichern hat und Ansprechpartner für die Belange des Sports
ist,

2. Aufhebung des Kooperationsverbotes im Bereich der Bildung, um den Schul-
sport einheitlich zu qualifizieren und die einer sportlichen Karriere bisher
hinderlichen Schulwechsel zu erleichtern,

3. Aufhebung der Kompetenzteilung zwischen Bund und Ländern, um die
Förderung von Menschen sowohl mit als auch ohne Behinderung von der Be-
wegung im frühkindlichen Alter über den Kinder-, Jugend- und Breitensport
bis hin zur Talentsichtung und -förderung in gemeinsamer Verantwortung
wahrzunehmen,

4. Entwicklung einer flächendeckenden qualifizierten Übungsleiter- und Trai-
nerausbildung, die sowohl Menschen mit als auch ohne Behinderung umfasst
sowie einer existenzsichernden Tätigkeit der hauptamtlichen Trainerinnen
und Trainer,

5. Maßnahmen, um in Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen darauf
hinzuwirken, dass alle Sportstätten in Deutschland in einen barrierefreien
Zustand versetzt werden und zeitnah den Anforderungen an einen modernen
Sportstättenbetrieb gerecht werden.

Berlin, den 7. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die Debatte über die Umgestaltung der Sportförderung in Deutschland ist längst
überfällig, und mit ihr müssen auch konkrete Maßnahmen einhergehen.

Aktuell sind die Sportfördermittel auf neun Einzelpläne des Haushalts verteilt.

Das System ist kompliziert und intransparent. Die Beantragung von Sportförder-
mitteln ist häufig mit hohen bürokratischen Hürden verbunden. Durch die Ein-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11374

richtung eines eigenen Sportministeriums sollen diese Hürden abgebaut und das
System der Sportförderung übersichtlicher gestaltet werden.

Die herausragende Bedeutung des Sports für die Gesellschaft muss in seiner
Gesamtheit begriffen werden. Breiten-, Leistungs-, Gesundheits- und Schul-
sport stehen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und bedingen sich
gegenseitig. Nur wenn dieses Verhältnis entsprechend gewürdigt wird, können
die positiven Wirkungen des Sports in die Gesellschaft übertragen werden. Die-
ser Verantwortung muss der Bund in enger Zusammenarbeit mit Ländern und
Kommunen gerecht werden.

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