BT-Drucksache 17/11076

Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Sozialen Arbeitsmarktes

Vom 17. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11076
17. Wahlperiode 17. 10. 2012

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Katrin Göring-Eckardt,
Beate Müller-Gemmeke, Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Thomas Gambke,
Britta Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Sven-Christian Kindler, Maria
Klein-Schmeink, Oliver Krischer, Dr. Tobias Lindner, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Gerhard Schick, Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Sozialen Arbeitsmarktes

A. Problem

Der arbeitsmarktpolitische Instrumentenkasten des Zweiten Buches Sozial-
gesetzbuch (SGB II) weist eine Leerstelle im Bereich der öffentlich geförderten
Beschäftigung auf. Die existierenden Instrumente des § 16 SGB II bieten den
Jobcentern zwar diverse Möglichkeiten zur Förderung von Menschen mit Ver-
mittlungshemmnissen, allerdings sind die Instrumente bei einer Vielzahl von
ihnen wirkungslos. Ihnen bleibt daher der Zugang zum Arbeitsmarkt dauerhaft
verwehrt. Infolgedessen droht ihnen ein Leben am Rande der Gesellschaft.

Das betrifft insbesondere Menschen, die auch bei einer hohen Arbeitskräf-
tenachfrage aufgrund vielfältiger Vermittlungshemmnisse mittelfristig keine
Chancen auf eine ungeförderte Beschäftigung haben. Für sie existiert kein län-
gerfristig angelegtes Angebot, das ihnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht
und neue Perspektiven jenseits des Arbeitslosengeld-II-Bezugs eröffnet. Um
diese Lücke zu schließen, ist die Ergänzung der Leistungen zur Eingliederung in
Arbeit im SGB II um einen Sozialen Arbeitsmarkt erforderlich. Mit einem ver-
lässlich gestalteten Angebot wird überdies die bisherige programmatische Dis-
kontinuität im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung beendet.

Die Zielgruppe für einen Sozialen Arbeitsmarkt wurde bislang von den arbeits-
marktpolitischen Instrumenten nicht erreicht. Dies zeigen exemplarisch die
Erfahrungen mit dem sogenannten Beschäftigungszuschuss, der mit verschlech-
terten Förderbedingungen seit dem 1. April 2012 als „Förderung von Arbeits-
verhältnissen“ (§ 16e SGB II) im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch verankert ist.

Die Arbeitgeber sind bei der Förderung von Arbeitsverhältnissen verpflichtet,
mindestens 25 v. H. des Arbeitsentgelts selbst aufzubringen. Dies stellt vielfach
für Arbeitgeber ein unüberwindliches Hindernis zur Einstellung von Menschen

mit besonders komplexen Problemlagen dar. Auch die Budgetierung des Instru-
ments im Eingliederungstitel und der starr begrenzte Förderzeitraum verhin-
dern, dass es in seiner jetzigen Ausgestaltung den arbeitsmarktfernsten Personen
zugute kommt.

Auch Arbeitslose mit multiplen Problemlagen haben Potentiale, die durch ge-
eignete Mittel gestärkt und ausgebaut werden können. An diese Potentiale kann
angeknüpft werden, wenn eine Teilhabebasis geschaffen wird, von der aus neue

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Chancen entwickelt werden können. Gegenwärtig werden diese Potentiale je-
doch nur unzureichend gefördert.

B. Lösung

Notwendig ist eine ergänzende Regelung, durch die sich auf lange Sicht auch für
Menschen mit besonders schweren Vermittlungshemmnissen und komplexen
Problemlagen neue Erwerbsperspektiven ergeben.

Für über 25jährige Menschen mit mindestens zwei weiteren in der Person lie-
genden Vermittlungshemmnissen (z. B. gesundheitliche und/oder soziale Ein-
schränkungen), die darüber hinaus seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind
und nicht in Ausbildung oder Arbeit vermittelt werden konnten, wird eine zu-
sätzliche Fördermöglichkeit geschaffen. Diese Kriterien treffen derzeit auf bis
zu 200 000 Menschen in Deutschland zu.

Um auch für diese Menschen eine Teilhabeperspektive zu schaffen, wird auf
Basis des bestehenden § 16e SGB II (Förderung von Arbeitsverhältnissen) mit
einer zusätzlichen zweiten Säule ein echter Sozialer Arbeitsmarkt geschaffen.
Die bereits bestehende Förderung von Arbeitsentgelten bis zu 75 Prozent des
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelts wird dafür um die zusätzliche
Möglichkeit einer Förderung bis zu 100 Prozent des sozialversicherungspflich-
tigen Arbeitsentgelts ergänzt. Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach der
Leistungsfähigkeit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Voraussetzung
für diese neue Fördermöglichkeit ist, dass die relevanten lokalen Arbeits-
marktakteure diesem Arbeitsverhältnis im Rahmen eines lokalen Konsenses zu-
stimmen. Durch diesen lokalen Konsens entsteht ein öffentlich geförderter und
gesellschaftlich akzeptierter Beschäftigungsbereich, der einerseits sozialintegra-
tiv wirkt und andererseits eine Brückenfunktion in den regulären Arbeitsmarkt
übernimmt. Die Beschäftigungsverhältnisse bieten den Teilnehmenden verläss-
liche Strukturen, ermöglichen deren soziale Stabilisierung und lassen perspekti-
visch einen Übergang in den regulären Arbeitsmarkt zu. Der Soziale Arbeits-
markt steht prinzipiell für alle Tätigkeiten bei allen Arbeitgebern offen.

Der Soziale Arbeitsmarkt soll Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnis-
sen eine neue und verlässliche Perspektive schaffen und soziokulturelle Teilhabe
ermöglichen. Die Teilnahme am Sozialen Arbeitsmarkt beruht auf Freiwillig-
keit. Es müssen die individuellen Vermittlungshemmnisse dieser Arbeitslosen
und ihre Wege aus der Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt des Lösungsansatzes ste-
hen, denn nur mit einer auf den Einzelfall abgestimmten Integrationsstrategie
kann ihnen nachhaltig geholfen werden. Daher wird über die genannte Ergän-
zung hinaus des Weiteren die Förderdauer des § 16e SGB II flexibilisiert, so dass
Personen auch über einen Zeitraum von zwei Jahren hinaus gefördert werden
können. Grundlage der Förderung ist jeweils eine maßnahmenübergreifende in-
dividuelle Integrationsstrategie. Zur Vermeidung von „Creaming-“, „Einsperr-“
und Mitnahmeeffekten sind ein sorgfältiges Auswahlverfahren, die regelmäßige
Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen, die Feststellung der erreichten
Zwischenziele sowie begleitende Maßnahmen, Beratung und Vermittlung vor-
gesehen.

Die Arbeitsentgelte und der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträ-
gen im Sozialen Arbeitsmarkt werden aus Bundesmitteln bezuschusst. Zur Finan-
zierung werden Einsparungen bei den passiven Leistungen (Regelsatz Arbeits-
losengeld II, Kosten der Unterkunft) herangezogen. Durch diesen Passiv-Aktiv-
Transfer werden zukünftig verstärkt Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert und
neue Perspektiven für die Betroffenen aufgebaut.

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C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Dem Bundeshaushalt würden pro 50 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern
jährliche Kosten in Höhe von von ca. 340 Mio. Euro entstehen. Diese sinken er-
heblich (um ca. 130 Mio. Euro), wenn die am Sozialen Arbeitsmarkt beteiligten
Kommunen ihre Einsparungen bei den Kosten der Unterkunft zur Finanzierung
des Sozialen Arbeitsmarktes in Form eines Passiv-Aktiv-Transfers einspeisen.
Darüber hinaus entstehen Mehreinnahmen von nahezu 280 Mio. Euro bei den
Sozialversicherungen sowie ca. 40 Mio. Euro Steuermehreinnahmen bei Bund,
Ländern und Kommunen.

Berlin, den 17. Oktober 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch

§ 16e des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grund-
sicherung für Arbeitsuchende – in der Fassung der Bekannt-
machung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das zu-
letzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Der Zuschuss nach Absatz 1 richtet sich nach der Leis-
tungsfähigkeit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
und dem berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelt.“

2. Absatz 3 wird wie folgt geändert:

a) Die Wörter „Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte
Person kann einem Arbeitgeber zugewiesen werden“
werden durch die Wörter „Der Zuschuss nach Absatz
1 beträgt bis zu 75 Prozent des berücksichtigungsfähi-
gen Arbeitsentgelts“ ersetzt.

b) Nach dem Wort „wenn“ werden die Wörter „die er-
werbsfähige leistungsberechtigte Person“ eingefügt.

c) Nummer 1 wird wie folgt geändert:

aa) Das Wort „sie“ wird gestrichen und das Wort
„und“ wird durch ein Komma ersetzt.

bb) Nach dem Wort „ist“ werden die Wörter „und in
der Regel das 25. Lebensjahr vollendet hat,“ ein-
gefügt.

d) In Nummer 2 wird das Wort „sie“ gestrichen.

e) In Nummer 3 werden die Wörter „möglich ist und“
durch die Wörter „wird aufnehmen können und“ er-
setzt.

f) Nummer 4 wird wie folgt gefasst:

„4. mit ihr eine maßnahmeübergreifende individuelle
Integrationsstrategie vereinbart wurde.“

3. Nach Absatz 3 werden die folgenden Absätze 4 bis 7 ein-
gefügt:

„(4) Der Zuschuss nach Absatz 1 beträgt bis zu
100 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsent-
gelts, wenn die Agenturen für Arbeit im Benehmen mit

den in § 18 Absatz 1 genannten Beteiligten der Förde-
rung zustimmen (lokaler Konsens), die erwerbsfähige
leistungsberechtigte Person ergänzend zu den Vorausset-
zungen nach Absatz 3 Nummer 1 durchgängig mindes-
tens 24 Monate arbeitslos ist und mindestens ein weiteres
Vermittlungshemmnis vorliegt.

(5) Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förde-
rung sowie die Integrationsfortschritte sind mindestens
alle zwei Jahre bzw. bei gegebenem Anlass zu überprü-
fen. Verringern sich die Aufwendungen des Arbeitgebers
oder verbessert sich die Leistungsfähigkeit des erwerbs-
tätigen Leistungsberechtigten, ist der Zuschuss entspre-
chend anzupassen.

(6) Die Förderdauer beträgt bis zu 24 Monate. Sie wird
um jeweils bis zu weiteren 24 Monaten verlängert, wenn
die Voraussetzungen einer Förderung weiterhin gegeben
sind.

(7) Während der Förderung erfolgt eine regelmäßige
Beratung und Vermittlung durch die Agentur für Arbeit.
Dafür ist die leistungsberechtigte Person von ihrem Ar-
beitgeber freizustellen. Eine Förderung nach dieser Vor-
schrift schließt die Förderung des erwerbsfähigen Leis-
tungsberechtigten durch Maßnahmen nach den §§ 16,
16a und 16f nicht aus.“

4. Die bisherigen Absätze 4 und 5 werden die Absätze 8 und 9.

5. Nach Absatz 9 werden die folgenden Absätze 10 und 11
angefügt:

„(10) Zur Finanzierung dieser Zuschüsse wird die Um-
wandlung passiver Leistungen in ein Arbeitsentgelt er-
möglicht (Passiv-Aktiv-Transfer). Die hierfür zur Verfü-
gung stehenden Mittel sind im Bundeshaushalt unter
einem gesonderten Titel auszuweisen.

(11) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
untersucht die Auswirkungen auf die erwerbsfähigen
Leistungsberechtigten, den Arbeitsmarkt und die öffent-
lichen Haushalte und berichtet dem Deutschen Bundes-
tag hierüber jährlich bis zum 31. Dezember, beginnend
mit dem Jahr 2013.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
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Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Sozialen Arbeitsmarktes

Vom …

sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gewährt. Auf
Der Soziale Arbeitsmarkt steht für alle Tätigkeiten bei allen
diese Weise kann er dauerhaft etabliert werden. Anstelle von

Arbeitslosigkeit wird Arbeit finanziert.

Dafür wird neben den bestehenden Instrumenten des §16

Arbeitgebern offen, sofern sie ein Arbeitsverhältnis mit einer
langzeitarbeitslosen Person über 25 Jahren mit mindestens
zwei personenbezogenen Vermittlungshemmnissen begrün-
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11076

Begründung

A. Allgemeines

Die Notwendigkeit eines Sozialen Arbeitsmarktes liegt auf
der Hand. Selbst in konjunkturell guten Zeiten bleibt eine
große Zahl von Menschen vom regulären Arbeitsmarkt aus-
geschlossen. Derzeit gibt es etwa eine Million Menschen in
Deutschland, die länger als zwölf Monate arbeitslos gemel-
det sind. Hinzu kommen viele Menschen, die nicht mehr ar-
beitslos gemeldet sind, gleichwohl aber arbeitswillig und be-
schäftigungsfähig sind. Diese Zahl hat bei weitem nicht in
dem Maße abgenommen wie es die Entwicklung des Ar-
beitsmarktes als Ganzes erwarten ließ. Besonders schlechte
Chancen haben aktuell rund 200 000 Personen, die bereits
seit mehr als zwei Jahren arbeitslos sind und besonders kom-
plexe Problemlagen aufweisen. Insbesondere sie werden von
den vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten nicht
erreicht.

Ziel des Sozialen Arbeitsmarktes ist es, den Menschen, die
mittelfristig keine Chance auf eine ungeförderte Beschäfti-
gung haben, eine neue Perspektive zu eröffnen sowie gesell-
schaftliche Teilhabe, die sich in Deutschland stark über Er-
werbsarbeit definiert, zu ermöglichen. Das grundsätzliche
Ziel einer ungeförderten Beschäftigung wird durch den So-
zialen Arbeitsmarkt nicht aufgegeben. Im Gegenteil, die
Wahrscheinlichkeit auf eine ungeförderte Beschäftigung
wird für die Teilnehmenden sogar steigen, da dieses Instru-
ment arbeitsmarktnah angelegt ist und sie an den regulären
Arbeitsmarkt herangeführt werden.

Der Soziale Arbeitsmarkt ist nicht dazu da, Arbeitsuchende
in eine Beschäftigung zu zwingen. Er beruht auf freiwilliger
Teilnahme. Allerdings ist von einem signifikanten Interesse
von Seiten der Langzeitarbeitslosen auszugehen. Dies zei-
gen u. a. die Erfahrungen mit den Arbeitsgelegenheiten. Im
Sozialen Arbeitsmarkt werden reguläre sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigungsverhältnisse angeboten, die vielen
Menschen einen Ausstieg aus dem Grundsicherungsbezug
ermöglichen können.

Die existierenden Instrumente der öffentlich geförderten Be-
schäftigung erreichen nicht alle Betroffenen und sind nicht
genügend aufeinander abgestimmt, so dass sinnvoll aufein-
ander aufbauende Förderketten teilweise unmöglich sind.
Die Menschen, die eine Perspektive jenseits des Arbeitslo-
sengeld-II-Bezugs benötigen, leiden zudem unter der pro-
grammatischen Diskontinuität und der immer wieder in Fra-
ge gestellten Finanzierung dieser Programme. Der Soziale
Arbeitsmarkt schafft dagegen eine verlässliche Planungs-
grundlage für die Betroffenen, für die Jobcenter und für die
Arbeitgeber.

Statt passiver Leistungen bei Langzeitarbeitslosigkeit wie
Arbeitslosengeld II und Unterkunftskosten werden im So-
zialen Arbeitsmarkt Zuschüsse zum Arbeitsentgelt für eine

gerarbeit“ ersetzt. Eine Förderung im Rahmen des Sozialen
Arbeitsmarktes ist in eine mehrstufige, maßnahmenübergrei-
fende und personenbezogene Integrationsstrategie einzubin-
den. Dafür sind perspektivisch in einem weiteren Schritt die
Kriterien für alle weiteren Instrumente der öffentlich geför-
derten Beschäftigung zu schärfen und besser aufeinander ab-
zustimmen sowie beispielsweise die Frage der Zusätzlich-
keit grundsätzlich zu überprüfen.

Die Einrichtung des Sozialen Arbeitsmarkts soll überdies
von der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns flan-
kiert werden. Eine verbindliche Lohnuntergrenze schützt
nicht nur Beschäftigte vor Armutslöhnen und sorgt für faire
Wettbewerbsbedingungen. Sie kann auch dazu beitragen,
dass im Sozialen Arbeitsmarkt Beschäftigte existenzsichern-
de Löhne erzielen und gänzlich unabhängig vom Arbeitslo-
sengeld-II-Bezug werden können.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1 (Absatz 2 Satz 1)

Auf die Benennung einer maximalen Höhe des Zuschusses
wird verzichtet, da diese in den folgenden Absätzen 3 und 4
differenzierter geregelt wird.

Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach der Leistungsfä-
higkeit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Um die-
sen Satz zu ermitteln, ist ein einzelfallbezogenes Verfahren
zu etablieren, wie es sich z. B. bei Leistungen des Nachteils-
ausgleichs für Schwerbehinderte bewährt hat.

Die Entlohnung der Beschäftigungsverhältnisse im Sozialen
Arbeitsmarkt soll sich an den tariflichen bzw. ortsüblichen
Löhnen oder einem geltenden Mindestlohn orientieren.

Zu Nummer 2 (Absatz 3)

Im Absatz 3 werden im Wesentlichen die personenbezoge-
nen Voraussetzungen des § 16e Absatz 3 in der bisherigen
Fassung mit der maximalen Leistungshöhe von 75 Prozent
des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts verknüpft.
Um zu vermeiden, dass es zu Mitnahmeeffekten kommt und
Arbeitsverhältnisse von Menschen gefördert werden, die
auch andere Möglichkeiten haben, bedarf es weiterhin einer
klaren und engen Definition der Voraussetzungen einer För-
derung.

Die Buchstaben a bis c Doppelbuchstabe aa enthalten redak-
tionelle Anpassungen.

Zu Buchstabe c

Zu Doppelbuchstabe bb
SGB II ein Sozialer Arbeitsmarkt auf Grundlage des § 16e
SGB II eingerichtet, der auch das Bundesprogramm „Bür-

den. Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben, sollen vorrangig in Ausbildung vermittelt werden. In

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besonderen und zu begründenden Ausnahmefällen, wie zum
Beispiel wenn aufgrund einer Behinderung die Teilhabe an
einer sonstigen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeits-
platz auf besondere Schwierigkeiten stößt, kann von dieser
Vorgabe abgewichen werden.

Zu Buchstabe f

Über die Förderung wird im Einzelfall und vor Ort entschie-
den. Hierfür wird ein Assessment vorgeschrieben. Aufgrund
der multiplen Problemlagen der Betroffenen sollte neben den
zuständigen Fallmanagern auch der psychologische Dienst
der Arbeitsagentur in die Entscheidung einbezogen werden.
Gegebenenfalls kann der Entscheidungsprozess auch im
Rahmen einer speziellen Kommission unter Einbeziehung
der Geschäftsführung des Jobcenters bzw. unter Hinzuzie-
hung externer Dritter erfolgen. Bevor Jobcenter Personen in
den Sozialen Arbeitsmarkt vermitteln können, müssen sie
gemeinsam mit den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
eine maßnahmenübergreifende Integrationsstrategie erarbei-
tet und vereinbart haben und dabei mindestens sechs Monate
lang eine verstärkte vermittlerische Unterstützung geleistet
haben. Damit wird gewährleistet, dass es kurz- und mittel-
fristig voraussichtlich keine andere Möglichkeit gibt, die Be-
troffenen in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren.

Zu Nummer 3

Zu Absatz 4

Der Absatz 4 begründet eine zusätzliche Säule des Sozialen
Arbeitsmarktes. Wenn in Abweichung zu Absatz 3 zwei wei-
tere Bedingungen erfüllt sowie ein lokaler Konsens herge-
stellt sind, ist ein Zuschuss von bis zu 100 Prozent des be-
rücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts möglich. Dabei han-
delt es sich um zwei Merkmale, die die Person betreffen und
eine Voraussetzung an das so geförderte Arbeitsverhältnis.

Personen, deren Arbeitsverhältnis mit bis zu 100 Prozent
förderfähig ist, müssen eine besonders komplexe Problem-
lage aufweisen. Dies ist der Fall, wenn die Person durch min-
destens drei in ihrer Person liegende Vermittlungshemmnis-
se besonders schwer beeinträchtigt ist. Die Erfahrungen mit
dem Beschäftigungszuschuss haben gezeigt, dass neben so-
genannten zugeschriebenen Vermittlungshemmnissen wie
etwa Alter, Migrationshintergrund usw. insbesondere auch
„in der Person“ liegende Hemmnisse eine Integration in den
Arbeitsmarkt verhindern. Neben Suchterkrankungen, Ob-
dachlosigkeitserfahrungen können dies zum Beispiel schwere
persönliche Krisen sein. Einzeln, häufig aber auch kumuliert
sind sie ursächlich dafür, dass die personale Integrität dieser
Menschen in physischer, psychischer und/oder sozialer Hin-
sicht versehrt ist.

Zudem wird eine besonders lange Arbeitslosigkeit von min-
destens 24 Monaten vorausgesetzt. Über die Förderung wird
im Einzelfall und vor Ort ebenfalls mit einem verpflichten-
den Assessment wie unter Absatz 3 beschrieben entschieden.

Mit bis zu 100 Prozent förderfähig sind nur Arbeitsverhält-
nisse, wenn diesen ein lokaler Konsens zugrunde liegt. Ein-
bezogen werden die lokalen Arbeitsmarktpartner. In § 18
Absatz 1 SGB II werden als Beteiligte des örtlichen Arbeits-
marktes Gemeinden, Kreisen und Bezirke, die Träger der

mern und berufsständischen Organisationen genannt, ohne
dass diese Aufzählung abschließend ist. Der lokale Konsens
mit diesen Arbeitsmarktpartnern gewährleistet eine praxis-
nahe und abgestimmte Handhabung vor Ort. Diese sollte im
Rahmen einer mit dem örtlichen Beirat nach § 18d SGB II
abgestimmten lokalen Arbeitsmarktstrategie erfolgen. Dieses
Vorgehen stellt sicher, dass die beabsichtigen Zielgruppen
des Sozialen Arbeitsmarktes erreicht werden und verhindert
zudem mögliche Konflikte und Wettbewerbsverzerrungen
durch eine 100-Prozent-Förderung.

Die Förderung stellt auch keine unzulässige Beihilfe nach
Artikel 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV) dar. Nach der Entscheidung
der Europäischen Kommission zu § 16a SGB II, der Vorgän-
gervorschrift des § 16e SGB II, stellen beschäftigungswirk-
same Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen im Sinne von
Artikel 87 Absatz 1 des EG-Vertrags (jetzt Artikel 107 Ab-
satz 1 AEUV) dar, wenn die Maßnahmen allgemeiner Natur
sind. Allgemeiner Natur sind Maßnahmen nach Auffassung
der Europäischen Kommission, wenn sie jedem Unterneh-
men, das eine hilfebedürftige Person einstellen möchte, of-
fenstehen, ohne dass die Förderung an bestimmte Eigen-
schaften oder Anforderungen an den Arbeitgeber gebunden
wäre (Europäische Kommission, Beihilfemaßnahme N 594/
2007, 18. März 2008, Rn. 20). Die vorgesehene Regelung ist
in Bezug auf die Arbeitgeber nicht selektiv. Sie konzentriert
sich nicht nur auf wenige Arbeitgeber, sondern erfasst die
Vielfalt und Breite des gesamten Arbeitsmarkts und stellt da-
her eine Maßnahme allgemeiner Natur dar.

Zu Absatz 5

Regelmäßige Überprüfungen der Fördervoraussetzungen
sind notwendig, um „Einsperr- und Mitnahmeeffekte“ zu
vermeiden. Das betrifft sowohl die Voraussetzungen an die
teilnehmende Person und deren gegebenenfalls veränderte
Leistungsfähigkeit als auch bei einer Förderung nach Absatz 4
an die Tätigkeit. Turnusgemäße Überprüfungen alle zwei
Jahre schließen anlassbezogene Prüfungen außerhalb dieser
Reihe nicht aus.

Die Zuschüsse sind den tatsächlichen Aufwendungen für Ar-
beitsentgelt und Sozialversicherungskosten anzupassen.

Zu Absatz 6

Eine Förderung im Sozialen Arbeitsmarkt ist auf maximal
24 Monate befristet. Sie wird aber in der Folge jeweils ver-
längert, wenn die Fördervoraussetzungen weiterhin gegeben
sind. Die grundsätzliche Befristung stellt sicher, dass der So-
ziale Arbeitsmarkt keine Einbahnstraße ist. Es soll auf
Grundlage der erzielten Fortschritte anhand der vereinbarten
Integrationsstrategie überprüft werden, ob eine weitere För-
derung über den § 16e erfolgen oder ein nächster Integra-
tionsschritt gegangen werden kann. Der Rechtsanspruch auf
Weiterförderung, sofern die Fördervoraussetzungen weiter-
hin gegeben sind, stellt auf der anderen Seite sicher, dass
Teilnehmende nicht einfach wieder in die passive Arbeitslo-
sigkeit abgeschoben werden können.

Zu Absatz 7

Das Ziel einer ungeförderten Beschäftigung im ersten Ar-

freien Wohlfahrtspflege, die Vertreter der Arbeitgeber sowie
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Kam-

beitsmarkt wird mit der Teilnahme am Sozialen Arbeits-
markt nicht aufgegeben. Entsprechend werden die Teilneh-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/11076

merinnen und Teilnehmer kontinuierlich durch die
Arbeitsagenturen beraten und vermittelt. Darüber hinaus
bleibt die Möglichkeit der Betreuung und Förderung im Rah-
men des SGB II nach den §§ 16, 16a, 16f sowie der beruf-
lichen Weiterbildung nach den §§ 81 bis 87 SGB III auch im
sozialen Arbeitsmarkt erhalten, da etliche Arbeitsuchende
der Zielgruppe nicht ohne weitere unterstützende Angebote
in Beschäftigung gebracht werden. Es können beispielswei-
se begleitende sozialpädagogische Betreuung, Maßnahmen
zur Gesundheitsförderung oder zur Sprachförderung erfor-
derlich werden. Entsprechende Unterstützung kann bereits
im Rahmen des Integrationsplans nach Absatz 3 Satz 4 und
somit als Bestandteil der individuellen Integrationsstrategie
vereinbart werden.

Zu Nummer 4

Es handelt sich um redaktionelle Anpassungen.

Zu Nummer 5

Zu Absatz 10

Anhand der zu erwarteten Teilnehmerzahl werden die Kos-
ten des Sozialen Arbeitsmarktes prognostiziert. Sie sind in

einen gesonderten Titel des Bundeshaushalts einzustellen
und gesondert auszuweisen. Da es sich bei den Teilnehme-
rinnen und Teilnehmern im Regelfall um ehemalige Grund-
sicherungsempfänger handelt, sind weniger Mittel bei den
passiven Leistungen (Regelsatz Arbeitslosengeld II) anzu-
setzen. Auch die Kosten der Unterkunft sinken entspre-
chend. Begleitende Regelungen stellen sicher, dass auch die
bei den sich am Sozialen Arbeitsmarkt beteiligenden Kom-
munen eingesparten Kosten der Unterkunft der Finanzierung
des Passiv-Aktiv-Transfers zugutekommen.

Zu Absatz 11

Eine begleitende Evaluation ist notwendig, um die Auswir-
kungen auf die erwerbsfähigen Leistungsbezieher, den Ar-
beitsmarkt und die öffentlichen Haushalte zu beobachten.
Dem Deutschen Bundestag wird jährlich bis zum 31. De-
zember beginnend mit dem Jahr 2013 über die Ergebnisse
berichtet.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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