BT-Drucksache 17/10843

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland

Vom 26. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10843
17. Wahlperiode 26. 09. 2012

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Memet Kilic, Ekin Deligöz,
Josef Philip Winkler, Katja Dörner, Kai Gehring, Tom Koenigs, Agnes Krumwiede,
Jerzy Montag, Ingrid Hönlinger, Dr. Konstantin von Notz, Tabea Rößner,
Krista Sager, Ulrich Schneider, Arfst Wagner (Schleswig), Wolfgang Wieland und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern
von Menschenhandel in Deutschland

A. Problem

Die Europaratskonvention gegen Menschenhandel ist am 1. Februar 2008 in
Kraft getreten, mittlerweile von 37 Staaten ratifiziert und von neun weiteren ge-
zeichnet. Die Konvention stellt Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung und
zur Arbeitsausbeutung als erstes international rechtsverbindliches Dokument
ausdrücklich in einen menschenrechtlichen Kontext und verpflichtet die Mit-
gliedstaaten zu umfassenden Maßnahmen zur Prävention von Menschenhandel,
der Strafverfolgung der Täter/-innen und dem Schutz der Opfer. Ihr Geltungsbe-
reich umfasst alle Formen von Menschenhandel, gleichgültig, ob er im Kontext
organisierter Kriminalität steht oder nicht. Den Staaten werden unter anderem
umfangreiche Informationspflichten und die Pflicht zur Identifikation von Op-
fern auferlegt sowie die Entschädigungsrechte der Betroffenen gestärkt.

B. Lösung

Die Umsetzung der Europaratskonvention erfordert gesetzliche Neuregelungen
in den Bereichen des Aufenthaltsgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes,
der Strafprozessordnung, des Zweiten und Dritten Buches Sozialgesetzbuch, des
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes, der Gewerbeordnung sowie der Beschäf-
tigungsverordnung.

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten
Keine.

nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des
Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a

des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, ist ab-
weichend von § 11 Absatz 1, auch wenn er vollzieh-
bar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden
Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen,

b) In Absatz 8 werden nach dem Wort „Abschiebung“
die Wörter „von einer durch die Ausländerbehörde
beauftragten nichtstaatlichen Fachstelle“ eingefügt.

c) Nach Absatz 8 wird folgender Absatz 9 angefügt:
Drucksache 17/10843 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern
von Menschenhandel in Deutschland

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Aufenthaltsgesetzes

Das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt
durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. Juni 2012 (BGBl. I
S. 1224) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 11 Absatz 1 Satz 3 werden die Wörter „auf Antrag“
gestrichen.

2. In § 15a Absatz 1 wird nach Satz 2 folgender Satz einge-
fügt:

„Hiervon ausgenommen sind Ausländer, die Opfer von
Straftaten nach den §§ 232, 233 oder § 233a des Straf-
gesetzbuchs, nach § 10 des Schwarzarbeitsbekämpfungs-
gesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungs-
gesetzes sind.“

3. § 25 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 4a wird wie folgt gefasst:

„(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat
nach den §§ 232, 233 oder § 233a des Strafgesetz-
buchs wurde, ist abweichend von § 11 Absatz 1, auch
wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufent-
haltserlaubnis zu erteilen, wenn

1. seine vorübergehende Anwesenheit im Bundes-
gebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straf-
tat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafge-
richt für sachgerecht erachtet wird, weil ohne
seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts
erschwert wäre, und

2. er jede Verbindung zu den Personen, die beschul-
digt werden, die Straftat begangen zu haben, ab-
gebrochen hat.

Darüber hinaus ist dem Opfer einer in Satz 1 genann-
ten Straftat eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen,
wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet zur Vermei-
dung einer Härte erforderlich ist. Hierbei sind das
Kindeswohl und die persönliche Situation des Opfers
zu berücksichtigen. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entspre-
chend.“

b) Absatz 4b wird wie folgt gefasst:

„(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat

von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für
sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben
die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre.

Die Aufenthaltserlaubnis soll auch erteilt oder verlän-
gert werden, wenn der Ausländer seine im Zusam-
menhang mit der Tat entstandenen zivil- oder arbeits-
rechtlichen Ansprüche noch nicht durchgesetzt hat.“

4. § 26 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 2 wird die Angabe „§ 25 Abs. 3“ durch
die Wörter „§ 25 Absatz 3, 4a und 4b“ ersetzt.

bb) Satz 3 wird aufgehoben.

b) Dem Absatz 3 werden die folgenden Sätze angefügt:

„Einem Ausländer, der seit drei Jahren eine Aufent-
haltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a besitzt und zum
Zeitpunkt der Tat minderjährig war, ist eine Nieder-
lassungserlaubnis zu erteilen, wenn der dauerhafte
Aufenthalt im Bundesgebiet zum Wohl des Kindes er-
forderlich ist oder sich der Ausländer in einer schuli-
schen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hoch-
schulstudium befindet. Ferner ist einem Ausländer,
der seit drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach
§ 25 Absatz 4a besitzt, eine Niederlassungserlaubnis
zu erteilen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 9 Ab-
satz 2 Nummer 2, 4 und 9 vorliegen und der Auslän-
der sich im Alltagsleben mündlich verständigen kann.
Von den Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Nummer 2
und 9 sowie den geforderten Sprachkenntnissen wird
abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer kör-
perlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder
Behinderung oder wegen eines vergleichbaren Falls
nicht erfüllen kann.“

5. In § 44 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c wird die Angabe
„§ 25 Abs. 1 oder Abs. 2“ durch die Wörter „§ 25 Ab-
satz 1, 2, 3, 4a oder 4b“ ersetzt.

6. § 59 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 7 wird wie folgt geändert:

aa) Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhalts-
punkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer
in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b
Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abwei-
chend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist von
mindestens drei Monaten.“

bb) Satz 2 wird aufgehoben.
wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundes-
gebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat

„(9) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Aus-
länder Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10843

§ 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, kön-
nen die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder eine
Fachberatungsstelle gegen Menschenhandel oder eine
Fachberatungsstelle, die Teil einer formalisierten Ko-
operationsbeziehung mit der Polizei ist, geben.“

7. Dem § 62 Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Ausländer, denen die Ausländerbehörde eine Ausreise-
frist nach § 59 Absatz 7 gesetzt hat, dürfen nicht in Ab-
schiebehaft genommen werden.“

8. § 87 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 werden die Wörter „Öffentliche Stellen
mit Ausnahme von Schulen sowie Bildungs- und Er-
ziehungseinrichtungen“ durch die Wörter „Polizei-
und Ordnungsbehörden sowie öffentliche Stellen mit
der Aufgabe der Strafverfolgung und -vollstreckung“
ersetzt.

b) In Absatz 2 Satz 1 werden die Wörter „Öffentliche
Stellen“ durch die Wörter „Die in Absatz 1 genannten
Stellen“ ersetzt und werden die Wörter „; das Jugend-
amt ist zur Mitteilung nach Nummer 4 nur verpflich-
tet, soweit dadurch die Erfüllung der eigenen Aufga-
ben nicht gefährdet wird“ gestrichen.

c) Absatz 3 wird aufgehoben.

9. In § 98a Absatz 2 werden die Wörter „eine geringere
oder“ gestrichen.

Artikel 2

Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes

In § 6 Absatz 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes in der
Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl. I
S. 2022), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom
22. November 2011 (BGBl. I S. 2258) geändert worden ist,
werden die Wörter „§ 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes
besitzen“ durch die Wörter „§ 24 Absatz 1, § 25 Absatz 4a
oder 4b des Aufenthaltsgesetzes besitzen oder denen eine
Ausreisefrist gemäß § 59 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes
gesetzt wurde“ ersetzt.

Artikel 3

Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch

Dem § 7 Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialge-
setzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der Fas-
sung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I
S. 850, 2094), das zuletzt durch … geändert worden ist, wer-
den nach dem Wort „aufhalten“ die Wörter „oder bei denen
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie Opfer einer
Straftat nach den §§ 232, 233 oder § 233a des Strafgesetzbu-
ches wurden.“ eingefügt.

Artikel 4

Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch

24. März 1997, BGBl. I S. 594, 595), das zuletzt durch …
geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:

„Die gerichtliche Durchsetzung eigener arbeits- oder sozial-
rechtlicher Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis be-
gründet in der Regel ein schutzwürdiges Interesse von voll-
ziehbar ausreisepflichtigen Ausländern an dem Ausschluss
der Übermittlungen.“

Artikel 5

Änderung des Schwarzarbeits-
bekämpfungsgesetzes

Das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz vom 23. Juli
2004 (BGBl. I S. 1842), das zuletzt durch Artikel 8 des Ge-
setzes vom 22. November 2011 (BGBl. I S. 2258) geändert
worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 4 wird folgender § 4a eingefügt:

㤠4a

Hinweispflichten

Ergeben sich bei der Prüfung nach § 2 Anhaltspunkte
dafür, dass Personen Opfer einer Straftat nach den
§§ 232, 233 oder § 233a des Strafgesetzbuchs, nach § 10
Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzar-
beitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeit-
nehmerüberlassungsgesetzes sind, sind sie möglichst
frühzeitig, regelmäßig schriftlich in einer für sie ver-
ständlichen Sprache darauf hinzuweisen, dass sie

1. einen Anspruch auf eine mindestens dreimonatige
Ausreisefrist gemäß § 59 Absatz 7 des Aufenthaltsge-
setzes und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
nach Maßgabe von § 25 Absatz 4a oder 4b des Auf-
enthaltsgesetzes haben können,

2. Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtun-
gen oder Gewerkschaften erhalten können, etwa in
Form von Beratung oder Rechtsschutz, sowie

3. die aus dem Beschäftigungsverhältnis erwachsenen
arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche geltend ma-
chen können.“

2. Dem § 13 Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:

„Die gerichtliche Durchsetzung eigener arbeits- oder so-
zialrechtlicher Ansprüche aus dem Beschäftigungsver-
hältnis begründet in der Regel ein schutzwürdiges Inte-
resse von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern an
dem Ausschluss der Übermittlungen.“

Artikel 6

Änderung der Gewerbeordnung

In § 139b der Gewerbeordnung in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), das
zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 15. Dezember 2011
(BGBl. I S. 2714) geändert worden ist, wird folgender Ab-
satz 9 angefügt:

„(9) Ergeben sich im Rahmen der Aufsicht Anhaltspunkte

Dem § 405 Absatz 6 des Dritten Buches Sozialgesetz-

buch – Arbeitsförderung – (Artikel 1 des Gesetzes vom
dafür, dass Personen Opfer einer Straftat nach den §§ 232,
233 oder § 233a des Strafgesetzbuchs, nach § 10 Absatz 1

Drucksache 17/10843 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämp-
fungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlas-
sungsgesetzes sind, sind sie möglichst frühzeitig, regelmäßig
schriftlich in einer für sie verständlichen Sprache darauf hin-
zuweisen, dass sie

1. einen Anspruch auf eine mindestens dreimonatige Aus-
reisefrist gemäß § 59 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes
und auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Maß-
gabe von § 25 Absatz 4a oder 4b des Aufenthaltsgesetzes
haben können,

2. Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen
oder Gewerkschaften erhalten können, etwa in Form von
Beratung oder Rechtsschutz, sowie

3. die aus dem Beschäftigungsverhältnis erwachsenen ar-
beits- und sozialrechtlichen Ansprüche geltend machen
können.“

Artikel 7

Änderung der Beschäftigungsverfahrens-
verordnung

In § 6a der Beschäftigungsverfahrensverordnung vom
22. November 2004 (BGBl. I S. 2934), die zuletzt durch Ar-
tikel 12 Absatz 5 des Gesetzes vom 22. November 2011
(BGBl. I S. 2258) geändert worden ist, wird die Angabe
„§ 25 Abs. 4a“ durch die Angabe „§ 25 Absatz 4b“ ersetzt.

Artikel 8

Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes

Dem § 11a des Arbeitsgerichtsgesetzes in der Fassung der
Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853, 1036),
das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 24. November
2011 (BGBl. I S. 2302) geändert worden ist, wird folgender
§ 11b eingefügt:

㤠11b

Prozessstandschaft von Verbänden

Wollen vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer ihre ar-
beits- und sozialrechtlichen Ansprüche aus einem Beschäfti-
gungsverhältnis geltend machen, können an ihrer Stelle und
mit ihrem Einverständnis anerkannte Verbände klagen, die
nach ihrer Satzung die Rechte von Migrantinnen und Mi-
granten als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Bun-
des- oder Landesebene vertreten und nicht bereits selbst am
Prozess beteiligt sind.“

Artikel 9

Ausgleichsfonds für Opfer
von Menschenhandel

(1) Es wird ein Fonds für Ausgleichsleistungen für Opfer
von Menschenhandel bei dem Bundesamt für Justiz einge-
richtet.

(2) Der Deutsche Bundestag stellt dem Fonds die finan-
ziellen Mittel für die zur Erfüllung der Aufgaben notwendige

(4) Weitere Modalitäten werden durch eine Satzung gere-
gelt.

Artikel 10

Berichterstatterstelle „Menschenhandel
und schwere Arbeitsausbeutung“

§ 1

Berichterstatterstelle „Menschenhandel und
schwere Arbeitsausbeutung“

(1) Beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frau-
en und Jugend wird eine Berichterstatterstelle „Menschen-
handel und schwere Arbeitsausbeutung“ eingerichtet. Sie ist
unabhängig und fachlich eigenständig.

(2) Der Berichterstatterstelle ist die für die Erfüllung ihrer
Aufgaben notwendige Personal- und Sachausstattung zur
Verfügung zu stellen. Sie ist im Einzelplan des Bundesminis-
teriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einem
eigenen Kapitel auszuweisen.

§ 2

Rechtsstellung der Berichterstatterstelle

(1) Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend ernennt auf der Grund-
lage eines öffentlichen Auswahlverfahrens eine Person zur
Leitung der Berichterstatterstelle für eine Amtszeit von
vier Jahren. Diese Amtszeit kann einmal um vier Jahre ver-
längert werden. Die Person steht nach Maßgabe dieses Ge-
setzes in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum
Bund. Sie ist in der Ausübung ihres Amtes unabhängig und
nur dem Gesetz unterworfen.

(2) Das Amtsverhältnis beginnt mit der Aushändigung der
Urkunde über die Ernennung durch die Bundesministerin
oder den Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend.

(3) Das Amtsverhältnis endet außer mit dem Ablauf der
Amtszeit

1. spätestens mit Erreichen der Altersgrenze nach § 51 Ab-
satz 1 und 2 des Bundesbeamtengesetzes,

2. mit der Entlassung.

Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend entlässt die Leiterin oder den
Leiter der Berichterstatterstelle vor Ablauf der Amtszeit auf
deren/dessen Verlangen oder wenn Gründe vorliegen, die bei
einer Richterin oder einem Richter auf Lebenszeit die Ent-
lassung aus dem Dienst rechtfertigen.

(4) Das Rechtsverhältnis der Leitung der Berichterstatter-
stelle gegenüber dem Bund wird durch Vertrag mit dem Bun-
desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
geregelt.

§ 3

Aufgaben der Berichterstatterstelle „Menschenhandel
und schwere Arbeitsausbeutung“

(1) Die Berichterstatterstelle nimmt insbesondere folgen-
de Aufgaben wahr:

1. Beobachtung und Bewertung der nationalen Entwicklun-

Personal- und Sachausstattung zur Verfügung.

(3) Die Höhe der Leistung ist begrenzt.
gen im Bereich Menschenhandel/schwere Arbeitsaus-
beutung,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/10843

2. Messung der Ergebnisse von Maßnahmen zur Bekämp-
fung des Menschenhandels und der schweren Arbeitsaus-
beutung unter besonderer Berücksichtigung der Maßnah-
men zur Durchsetzung der Rechte der Betroffenen,

3. Entwicklung von Konzepten, Strategien, Maßnahmen
zur Verbesserung der rechtlichen und tatsächlichen Situ-
ation der Betroffenen von Menschenhandel/schwerer Ar-
beitsausbeutung.

(2) Die Umsetzung dieser Aufgaben erfolgt insbesondere
durch folgende Maßnahmen:

1. Berichterstattung an den Bundestag über die Entwick-
lung der Bekämpfung des Menschenhandels alle zwei
Jahre,

2. Sammlung und Auswertung von Daten staatlicher und
nichtstaatlicher Einrichtungen,

3. regelmäßige Konsultationen insbesondere mit Organisa-
tionen der Zivilgesellschaft, die im Bereich der Stelle tä-
tig sind,

4. regelmäßige Konsultationen mit den in ihrem Zuständig-
keitsbereich tätigen Beauftragten der Bundesregierung
und des Deutschen Bundestages,

5. Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen.

§ 4

Befugnisse

Alle Bundesbehörden und sonstigen öffentlichen Stellen
im Bereich des Bundes sind verpflichtet, die Berichterstat-
terstelle bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen,
insbesondere die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die
Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten blei-
ben unberührt.

Artikel 11

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 25. September 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Die Änderung in § 11 Absatz 1 Satz 3 setzt die Anforderun- im Strafverfahren abhängig macht, nicht gerecht.
gen aus der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 29. April 2004 (sog. Freizügig-
keitsrichtlinie) um. Hierzu hat die EU-Kommission im Rah-

Mit der Änderung erhalten Opfer von Menschenhandel eine
Aufenthaltserlaubnis, wenn ihre Anwesenheit für ein Straf-
verfahren von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht
Drucksache 17/10843 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines
Menschenhandel ist ein komplexes Problem, das im nationa-
len, europäischen und internationalen Kontext auftritt. Im-
mer mehr Menschen werden im Zusammenhang mit Men-
schenhandel Opfer von physischer und psychischer Gewalt.
Menschenhandel kann sich sowohl in Form von sexueller als
auch von Arbeitsausbeutung manifestieren. Fallzahlen in
den Wirtschaftsbereichen Gastronomie- und Hotelgewerbe,
Sexindustrie, Landwirtschaft, Baubranche, der Fleisch ver-
arbeitenden Industrie sowie in Privathaushalten, in der Pfle-
ge oder bei Au-Pairs nehmen zu. In der Bundesrepublik rich-
ten sich die Unterstützungsstrukturen bisher weitgehend an
Betroffene des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung.
Das Unterstützungssystem für Betroffene des Menschenhan-
dels zur Arbeitsausbeutung weist noch wesentliche Lücken
auf.

Die Europaratskonvention gegen Menschenhandel ist am
1. Februar 2008 in Kraft getreten, mittlerweile von 37 Staa-
ten ratifiziert und von neun weiteren gezeichnet. Deutsch-
land gehörte zwar zu den ersten Zeichnern der Konvention
(2005), ist nun aber unter den letzten Staaten des Europarats,
die das Instrument ratifizieren. Die Konvention stellt Men-
schenhandel zur sexuellen Ausbeutung und zur Arbeitsaus-
beutung als erstes international rechtsverbindliches Doku-
ment ausdrücklich in einen menschenrechtlichen Kontext
und verpflichtet die Mitgliedstaaten zu umfassenden Maß-
nahmen zur Prävention von Menschenhandel, der Straf-
verfolgung der Täter/-innen und dem Schutz der Opfer. Ihr
Geltungsbereich umfasst alle Formen von Menschenhandel,
gleichgültig ob er im Kontext organisierter Kriminalität steht
oder nicht. Den Staaten werden unter anderem umfangreiche
Informationspflichten und die Pflicht zur Identifikation von
Opfern auferlegt, sowie die Entschädigungsrechte der Be-
troffenen gestärkt. Zum Teil sind die Rechte unabhängig von
der Bereitschaft der Opfer, im Strafverfahren als Zeugen/
Zeuginnen aufzutreten, zu gewähren. Die Überwachung der
Umsetzung der Konvention obliegt einer 15-köpfigen Ex-
pertengruppe (GRETA).

Die Umsetzung der Europaratskonvention erfordert gesetz-
liche Neuregelungen in den Bereichen des Aufenthaltsgeset-
zes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Zweiten und
Dritten Buches Sozialgesetzbuch, des Schwarzarbeitsbe-
kämpfungsgesetzes, der Gewerbeordnung, der Beschäfti-
gungsverordnung und sonstigen Bereichen, die im Folgen-
den einzeln erläutert werden.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Aufenthaltsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 11)

erklärt, dass die Mitgliedstaaten nicht gesetzlich vorschrei-
ben dürfen, dass ein von ihnen verhängtes Aufenthaltsverbot
unbefristet gilt, und dass sie dem Bürger nicht die Last auf-
erlegen dürfen, die Aufhebung oder zeitliche Beschränkung
des Aufenthaltsverbotes zu beantragen.

Darüber hinaus ist das Antragserfordernis nicht mit der
Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und
des Rates vom 16. Dezember 2008 (sog. Rückführungsricht-
linie) vereinbar. Nach Artikel 11 Absatz 2 Satz 1 der Rück-
führungsrichtlinie wird die Dauer des Einreiseverbots fest-
gesetzt. Die Ausländerbehörde hat somit bereits in der
Rückkehrentscheidung, anderenfalls nachträglich von Amts
wegen eine Frist festzusetzen. Einer Antragstellung bedarf
es nicht.

Zu Nummer 2 (§ 15a)

Mit der Änderung sollen Opfer von den in § 25 Absatz 4a
und 4b genannten Straftaten aus der Verteilung ausgenom-
men werden. Die Verteilung ist für die Opfer nicht zumutbar
und für die Strafverfolgung der Täter hinderlich. Die Opfer
müssen sich zum einen entscheiden, ob sie mit den Strafver-
folgungsbehörden kooperieren können und wollen oder ob
sie ausreisen möchten. Hierfür werden sie in der Regel von
spezialisierten Beratungsstellen betreut. Zum Teil werden
die Opfer von den Tätern bedroht, so dass die Polizei sie et-
wa durch Unterbringung in geschützten Unterkünften ab-
schirmen muss. Entscheiden sie sich für eine Aussage, müs-
sen sie eng mit den örtlich zuständigen Ermittlungsbehörden
kooperieren. Die Beratung und Kooperation wird erheblich
erschwert, wenn die Personen an einen anderen Ort verteilt
werden.

Mit der Änderung wird nicht ausgeschlossen, dass Opfer von
Menschenhandel an einen anderen Ort ziehen, wenn dies zu
ihrem Schutz notwendig ist. In diesen Fällen sollen die Be-
hörden in Kooperation mit spezialisierten Beratungsstellen
den vom Opfer gewollten Umzug vorbereiten und begleiten.

Zu Nummer 3 (§ 25)

Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach den Absätzen 4a
und 4b wird als Anspruchsnorm ausgestaltet.

Zu Buchstabe a (Absatz 4a)

Die Neuregelung dient der Umsetzung von Artikel 14 Ab-
satz 1 und 2 der Europaratskonvention gegen Menschenhan-
del. Danach sind die Vertragsstaaten verpflichtet, Opfern
einen verlängerbaren Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn der
Aufenthalt aufgrund der persönlichen Situation des Opfers
erforderlich ist oder das Kindeswohl dies erfordert. Diesen
Anforderungen wird der bisherige § 25 Absatz 4a, der den
Erhalt der Aufenthaltserlaubnis allein von der Beteiligung
men des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland
wegen mangelnder Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie

für sachgerecht erachtet wird und sie jede Verbindung zu den
Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/10843

haben, abgebrochen haben. Hierbei ist zu beachten, dass
Nummer 2 nicht jeden Kontakt zwischen Opfer und Be-
schuldigten untersagt, sondern nur soweit er dem Opfer-
schutz oder dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse zuwi-
derläuft. Insbesondere ist die Geltendmachung eigener
Ansprüche des Opfers gegenüber dem Beschuldigten kein
Versagungsgrund. Nummer 3 wird gestrichen, weil die Be-
reitschaft als Zeuge auszusagen als Erteilungsvoraussetzung
nicht erforderlich ist. Denn nach den §§ 51, 70, 161a StPO
sind Zeugen zur Aussage verpflichtet; auf ihre Bereitschaft
kommt es nicht an.

Darüber hinaus ist dem Opfer von Menschenhandel nach
Satz 2 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Auf-
enthalt in Deutschland zur Vermeidung einer Härte erforder-
lich ist. Hierbei sind das Kindeswohl und die persönliche Si-
tuation des Opfers zu berücksichtigen. Die Einführung einer
Härtefallregelung ist notwendig, weil es gegen die Aussage
im Strafverfahren nachvollziehbare Gründe geben kann, die
Opfer aber schutzbedürftig bleiben. Zum Beispiel können
manche Opfer aus psychischen Gründen nicht aussagen, an-
dere wollen nicht aus Angst vor einer Gefährdung ihrer An-
gehörigen oder ihrer selbst. Schließlich können die Täter
nicht immer ermittelt werden.

Bei der Beurteilung der persönlichen Situation des Opfers
sind insbesondere Art und Ausmaß der psychischen oder
physischen Belastung zu berücksichtigen sowie das Alter
und die persönlichen Umstände des Opfers.

Eine Härte, die den Aufenthalt erfordert, liegt insbesondere
bei Gefahr folgender Situationen vor:

• Keine ausreichende medizinische Versorgung, ein-
schließlich psychologischer oder psychotherapeutischer
Behandlung im Herkunftsland;

• Geltendmachung und Durchsetzung eigener Rechtsan-
sprüche bei Ausreise in das Herkunftsland erschwert oder
unmöglich;

• Stigmatisierung oder andere Formen der Belastung nach
Ausreise in das Herkunftsland wegen der Prostitutionstä-
tigkeit.

Die o. g. Prüfungskriterien werden in die Allgemeine Ver-
waltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz aufgenommen.

Mit dem Verweis auf Absatz 1 Satz 4 erhalten Opfer von
Menschenhandel die gesetzliche Berechtigung zur Aus-
übung einer Erwerbstätigkeit.

Zu Buchstabe b (Absatz 4b)

Das Erfordernis der „besonderen Härte“ wird gestrichen. Die
geltende Vorschrift bestimmt den Vorrang der Durchsetzung
von Ansprüchen nach der Rückkehr ins Herkunftsland vor
der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland
und verunmöglicht damit die Rechtsdurchsetzung für einen
Großteil der Betroffenen von schwerer Arbeitsausbeutung.
Es ist für Betroffene in der Regel mit besonderen Schwierig-
keiten verbunden, ihre Ansprüche aus dem Herkunftsland
außerhalb der EU durchzusetzen. Die besondere Härte wird
somit eher der Regelfall als die Ausnahme sein. Menschen,
die ohne Papiere in Deutschland arbeiten, verfügen überwie-
gend nicht über ausreichende Ressourcen und Wissen für ge-

kunftslandes erschweren es, notwendige Unterlagen und Do-
kumente für ein gerichtliches Verfahren beizubringen.

Durch die Formulierung „seine im Zusammenhang mit der
Tat entstandenen zivil- und arbeitsrechtlichen Ansprüche“
wird klargestellt, dass nicht nur zur Durchsetzung eines
Lohnanspruchs, sondern auch zur Durchsetzung weiterge-
hender Ansprüche z.B. aufgrund eines Arbeitsunfalls, ge-
sundheitsschädigender Arbeitsbedingungen oder auch psy-
chischer Beeinträchtigungen, die Aufenthaltserlaubnis in der
Regel erteilt oder verlängert werden soll.

Zu Nummer 4 (§ 26)

Mit der Änderung in Absatz 1 wird die Mindestgültigkeits-
dauer der Aufenthaltserlaubnis für Opfer von Menschenhan-
del und Arbeitsausbeutung gemäß § 25 Absatz 4a und 4b auf
ein Jahr festgesetzt. Eine kürzere Mindestdauer würde dem
Anliegen widersprechen, die Opfer zu stabilisieren. Ohnehin
dauern die Strafverfahren in der Regel mehrere Jahre, so
dass eine Überprüfung der Erteilungsvoraussetzungen im
Sechsmonatsrhythmus einen unnötigen Verwaltungsauf-
wand und eine unzumutbare Mehrbelastung der teilweise
stark traumatisierten Opfer zur Folge hat.

Mit der Änderung in Absatz 3 wird einem Opfer von Men-
schenhandel, das zum Zeitpunkt der Tat minderjährig war,
unabhängig von den allgemeinen Voraussetzungen der Nie-
derlassungserlaubnis gemäß § 9, eine Niederlassungserlaub-
nis nach § 26 erteilt, wenn die dauerhafte Integration zum
Wohl des Kindes erforderlich ist oder sich der Ausländer in
einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem
Hochschulstudium befindet. Ferner ist einem Ausländer, der
seit drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a
besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn die
Voraussetzungen gemäß § 9 Absatz 2 Nummer 2, 4 und 9
vorliegen und der Ausländer sich im Alltagsleben mündlich
verständigen kann. Von den Voraussetzungen des § 9 Absatz 2
Nummer 2 und 9 sowie den geforderten Sprachkenntnissen
wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körper-
lichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinde-
rung oder wegen eines vergleichbaren Falls nicht erfüllen
kann. Ein „vergleichbarer Fall“ kommt insbesondere in Be-
tracht, wenn die Voraussetzungen aufgrund des Alters oder
Gebrechlichkeit sowie aufgrund von Lernschwäche oder
Bildungsferne bei dem Betroffenen nicht vorausgesetzt wer-
den können. Die hier vorgeschlagene Härtefallregelung für
Opfer von Menschenhandel soll als Vorbild dienen für eine
allgemeine Härtefallregelung im Rahmen der Niederlas-
sungserlaubnis nach § 9 AufenthG.

Durch die Verkürzung der Voraufenthaltsdauer für eine Nie-
derlassungserlaubnis auf drei Jahre soll den schutzbedürfti-
gen Opfern eine sichere Aufenthaltsperspektive geboten
werden.

Zu Nummer 5 (§ 44)

Mit der Änderung erhalten auch subsidiär geschützte Perso-
nen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Absatz 3 be-
sitzen, sowie Opfer von Menschenhandel und Arbeitsaus-
beutung mit einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Absatz 4a
oder 4b einen Anspruch auf Teilnahme an einem Integra-
richtliche Auseinandersetzungen. Mangelnde Erfahrung mit
dem deutschen Rechtssystem sowie die Entfernung des Her-

tionskurs. Eine Gleichstellung mit anerkannten Flüchtlin-
gen, die bereits über einen Teilnahmeanspruch verfügen, ist

Drucksache 17/10843 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

geboten, weil auch subsidiär geschützte Personen regelmä-
ßig längerfristig in Deutschland leben bzw. Opfern von Men-
schenhandel und Arbeitsausbeutung mit diesem Gesetzent-
wurf die Möglichkeit zu einem längerfristigen Aufenthalt
eingeräumt werden soll. Da diese Personengruppen sich also
längerfristig in Deutschland aufhalten, sind ihnen verbindli-
che Integrationsangebote zur Verfügung zu stellen.

Zu Nummer 6 (§ 59)

Zu Buchstabe a (Absatz 7)

Bei den Doppelbuchstaben aa und bb handelt es sich um eine
Folgeänderung zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 25 Absatz 4a
und 4b AufenthG).

Zu Buchstabe b (Absatz 8)

Die Änderung stellt klar, dass nicht die Ausländerbehörde,
sondern von ihr beauftragte nichtstaatliche Fachstellen die
betroffenen Opfer über ihre Rechte nach der Richtlinie 2009/
52/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom
18. Juni 2009 (sog. Sanktionsrichtlinie) zu unterrichten ha-
ben. Nichtöffentliche Fachstellen arbeiten mit einem Netz-
werk von für die Rechtsdurchsetzung erforderlichen Rechts-
anwälten und Dolmetschern und haben die Expertise für eine
Beratung in der stark belastenden Situation der Abschie-
bung. Insofern können sie besser gewährleisten, dass die Op-
fer tatsächlich ihre Rechte in Anspruch nehmen.

Zu Buchstabe c (Absatz 9 – neu)

Der neue Absatz 9 soll dazu beitragen, dass mehr von Men-
schenhandel und Arbeitsausbeutung Betroffene von den
ihnen zustehenden Schutzregelungen profitieren. In der bis-
herigen Praxis machen die Behörden nur sehr restriktiv von
der Erteilung der Bedenkfrist Gebrauch. Die Ausländer-
behörde erteilt die Bedenkfrist in der Regel nur, wenn die
Strafverfolgungsbehörden konkrete Hinweise erteilen, dass
es sich bei dem Ausländer um ein Opfer von Menschenhan-
del handeln kann.

Ein Teil der Betroffenen kommt aber nicht mit der Polizei in
Kontakt, sondern ist „nur“ den Beratungsstellen bekannt.
Diese Betroffenen geben sich so lange nicht zuerkennen, bis
sie sicher sein können, dass ihr Kontakt mit den Behörden
nicht zur Abschiebung führt. Das hat zur Folge, dass eine be-
stimmte Gruppe von Betroffenen faktisch nicht unter den
Anwendungsbereich der Regelung fällt.

Dieses Problem ist auch schon in der Allgemeinen Verwal-
tungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz aufgegriffen worden.
Unter Nummer 50.2a.1.2 wird ausgeführt, dass konkrete An-
haltspunkte für ein Vorliegen von Menschenhandel durch
eine Strafverfolgungsbehörde oder durch eine Fachbera-
tungsstelle für Opfer von Menschenhandel benannt werden
können. Da die Regelung in der Allgemeinen Verwaltungs-
vorschrift nicht effektiv ist, ist eine Änderung im Gesetz not-
wendig.

Zu Nummer 7 (§ 62)

Die Änderung dient der Umsetzung der Verpflichtung zur
Gewährleistung einer angemessenen und sicheren Unter-

vention gegen Menschenhandel. Darüber hinaus läuft die
Unterbringung in der Abschiebehaft dem Sinn und Zweck
der Bedenkfrist gemäß § 59 Absatz 7 zuwider. Betroffene
sollen in dieser Phase vor Tätern geschützt sein, sich erholen
und zu einer Entscheidung über ihren Verbleib in Deutsch-
land und die Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden ge-
langen können.

Zu Nummer 8 (§ 87)

Die Meldepflicht aller öffentlichen Stellen an die Ausländer-
behörden stellt das größte Hindernis bei der Wahrnehmung
der sozialen Rechte von Menschen dar, die ohne Aufent-
haltsstatus in Deutschland leben. Die Betroffenen vermeiden
den Kontakt mit allen staatlichen Einrichtungen aus Furcht,
dass dadurch ihr Aufenthalt in Deutschland bekannt wird. So
kommen ihnen Leistungen, auf die sie einen Anspruch ha-
ben, nicht zugute. Das betrifft insbesondere auch Opfer von
Menschenhandel.

Mit der Änderung sind nicht mehr alle öffentlichen Stellen
zur Datenübermittlung an die Ausländerbehörden verpflich-
tet, sondern nur die Polizei- und Ordnungsbehörden sowie
öffentliche Stellen mit der Aufgabe der Strafverfolgung und
-vollstreckung. Andere öffentliche Stellen dürfen personen-
bezogene Daten über Menschen ohne Aufenthaltsstatus
nicht mehr an die Ausländerbehörden weitergeben.

Die Änderung berücksichtigt in ausgewogenem Maße das
ordnungspolitische Interesse der Migrationskontrolle sowie
das rechtsstaatliche Interesse, gesetzlich verankerte soziale
Grund- und Menschenrechte für jeden praktisch wirksam zu
machen. Die öffentlichen Stellen, die der Gefahrenabwehr
sowie der Strafrechtspflege dienen, sind weiterhin verpflich-
tet, durch die Übermittlung von Daten, illegale Einwande-
rung und illegalen Aufenthalt zu verhindern. Dagegen ist
den öffentlichen Stellen, deren Kernaufgabe die Gewährung
sozialer Rechte ist, die Datenübermittlung untersagt, denn
die Übermittlungspflicht steht der Erfüllung ihrer Aufgaben
entgegen. Nur wenn Anspruchsberechtigte sicher sein kön-
nen, dass die Ausländerbehörde über ihren Aufenthalt nicht
informiert werden, werden sie sich an die Leistungsträger
wenden, um ihre Rechte wahrzunehmen.

Durch die Änderung soll Menschen ohne Aufenthaltsstatus
insbesondere der Zugang zu Bildung, gesundheitlicher Ver-
sorgung und zu arbeitsgerichtlichem Rechtsschutz ermög-
licht werden. Gleichzeitig wird die herrschende Rechtsunsi-
cherheit darüber beendet, welche Stellen meldepflichtig
i. S. d. § 87 AufenthG sind.

Zu Nummer 9 (§ 98a)

Bisher gibt es in Deutschland nur in einigen Wirtschaftsbran-
chen einen vorgeschriebenen Mindestlohn. Praxis und For-
schung zeigen, dass illegal Beschäftigte zum Teil in sehr
schlechte Arbeitsbedingungen einwilligen müssen, da sie
zum einen keinen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt ha-
ben und sich zum anderen aufgrund ihres irregulären Aufent-
haltsstatus in einer schwachen Verhandlungsposition gegen-
über dem Arbeitsgeber befinden. Diese Situation in
Kombination mit mangelnden Sprach- und Rechtskenntnis-
sen führt in der Praxis auch dazu, dass Betroffene nicht sel-
kunft für die Zeit der Ausreisefrist gemäß Artikel 13 Absatz 2
in Verbindung mit Artikel 12 Absatz 1 der Europaratskon-

ten Dokumente wie Arbeitsverträge unterzeichnen, ohne zu
wissen, welchen Bedingungen sie damit zustimmen. In Ar-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/10843

beitsverhältnissen, die weder gesetzliche noch tarifvertragli-
che Regelungen über Mindestvergütung vorsehen, wird die
Lohngrenze nach unten erst mit der zivilrechtlichen Sitten-
widrigkeit markiert. Aktuelle Urteile zeigen, um welche
Summen es sich dabei handelt. Hier eröffnet die geltende Re-
gelung in § 98a Absatz 2 Möglichkeiten, das Lohnniveau
deutlich zu unterlaufen und schwere Formen der Arbeitsaus-
beutung zu begünstigen. Daher wird mit der Änderung die
Möglichkeit für den Arbeitgeber gestrichen, einen geringere
Vergütung als die vermutete, übliche Vergütung nachzuwei-
sen.

Der Bezug auf die übliche Vergütung stellt auch keine unzu-
lässige Beschränkung der Vertragsautonomie dar. So ist zum
Beispiel für den Bereich der legalen Beschäftigung gesetz-
lich vorgesehen, dass die Agentur für Arbeit gemäß § 39 Ab-
satz 2 Nummer 2 AufenthG einer Aufenthaltserlaubnis nach
§ 18 AufenthG nur zustimmen kann, wenn die Beschäfti-
gung des Ausländers nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedin-
gungen als die vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer er-
folgt. Dies bezieht sich auch auf die Vergütung.

Zu Artikel 2 (Änderung des Asylbewerber-
leistungsgesetzes)

Die Änderung dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/81/
EG vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthalts-
titeln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhan-
dels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung ge-
leistet wurde und die mit den zuständigen Behörden
kooperieren („Opferschutzrichtlinie“).

Durch die Einbeziehung von Opfern von Menschenhandel
und Arbeitsausbeutung in § 6 Absatz 2 AsylbLG erhalten die
Betroffenen die notwendigen medizinischen und psychothe-
rapeutischen Leistungen, etwa wenn sie durch Gewalt kör-
perliche Schäden erlitten haben oder aus diesem Grund psy-
chologischer Betreuung bedürfen.

Zu Artikel 3 (Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch)

Artikel 12 Absatz 1a i. V. m. Absatz 6 der Konvention ver-
pflichtet die Staaten, für Opfer von Menschenhandel unab-
hängig von ihrer Kooperationsbereitschaft im Strafverfahren
Bedingungen zu schaffen, unter denen ihr Lebensunterhalt
sichergestellt ist. Drittstaater haben im Rahmen der Bedenk-
frist nach § 59 Absatz 7 AufenthG unabhängig von ihrer
Aussagebereitschaft Anspruch auf Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz. EU-Bürger, die in einem
Strafverfahren aussagen, können derzeit Leistungen nach
dem SGB II erhalten. Für sie gilt auch der Leistungsaus-
schluss nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB II in den
ersten drei Monaten nicht. Dies ist mittlerweile über einen
fachlichen Hinweis zu § 7 SGB II der Bundesagentur für Ar-
beit in der Fassung vom 20. November 2011 klargestellt
worden. Unklar ist aber die Rechtslage für Opfer, die nicht
aussagebereit sind oder die eine Bedenkzeit brauchen. So
sieht zwar der Wortlaut des fachlichen Hinweis zu § 7
SGB II keine Differenzierung zwischen Zeugen und Nicht-
Zeugen vor und spricht generell von „EU-Bürger aus Mit-
gliedstaaten, die Opfer […] geworden sind“. Die Argumen-

enthG auch für EU-Bürger Anwendung findet, wenn es eine
günstigere Rechtsstellung vermittelt als das FreizügG/EU
(vgl. § 11 Absatz 1 Satz 5 FreizügG/EU). Dies wiederum
knüpft an § 25 4a AufenthG an, der die Zeugenaussage vo-
raussetzt.

Zum einen ist die Rechtslage daher unklar und zum anderen
hat die Weisung keine verbindliche Rechtskraft. Es muss
eine Regelung für Betroffene EU-Bürger unabhängig von
ihrer Kooperationsbereitschaft im Strafverfahren auf Ge-
setzesebene getroffen werden.

Zu Artikel 4 (Änderung des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch)

Der in § 405 Absatz 6 neu eingefügte Satz 6 stellt fest, dass
in der Regel das schützenswerte Interesse der vollziehbar
ausreisepflichtigen Ausländer an der Durchsetzung eigener
arbeits- und sozialrechtlicher Ansprüche aus einem Beschäf-
tigungsverhältnis das Interesse des Staates an der Datenüber-
mittlung überwiegt.

Die Änderung gewährleistet im Zusammenspiel mit den Än-
derungen in Artikel 87 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes und
§ 13 Absatz 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes,
dass Betroffene von Arbeitsausbeutung und Menschenhan-
del ohne rechtmäßigen Aufenthaltsstatus oder Duldung ihre
Ansprüche vor den Arbeitsgerichten geltend machen kön-
nen.

Die Änderung dient der richtigen Umsetzung der Richtlinie
2009/52/EG des europäischen Parlaments und des Rates
vom 18. Juni 2009 (sog. Sanktionsrichtlinie), welche die
Mitgliedstaaten in Artikel 6 Absatz 2a in Verbindung mit
Absatz 1 der Richtlinie verpflichtet, wirksame Verfahren zur
Durchsetzung der ausstehenden Lohnzahlungen irregulärer
Einwanderinnen und Einwanderer einzuführen.

Zu Artikel 5 (Änderung des Schwarzarbeits-
bekämpfungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 4a – neu)

Die Einfügung von § 4a dient der Umsetzung von Artikel 15
Absatz 1 des Übereinkommens des Europarats gegen Men-
schenhandel, der eine umfassende Information der Betroffe-
nen über ihre Rechte sowie über deren Durchsetzbarkeit in
Gerichts- oder Verwaltungsverfahren ab dem ersten Kontakt
mit den Behörden vorsieht. Dies betrifft Behörden, die in
Kontakt mit den Betroffenen kommen können, wie die Fi-
nanzkontrolle Schwarzarbeit.

Die Änderung ergänzt die unzureichenden Informations-
pflichten der Behörden in § 406h der Strafprozessordnung
sowie in § 59 Absatz 8 des Aufenthaltsgesetzes, nach denen
Betroffene über Rechte im Zusammenhang mit dem Straf-
verfahren bzw. vor ihrer Abschiebung über ihre Rechte aus
Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der EU-Sanktionsricht-
linie zu unterrichten sind.

Zur konsequenten Umsetzung der Rechtsansprüche der Be-
troffenen auf Lohn und Schadenersatz sind die Informations-
pflichten auf alle Kontrollbehörden auszuweiten und so früh
wie möglich im Prozess der Opferidentifikation zu veran-
kern. Hier bietet es sich an, im Rahmen der Prüfbefugnisse
tationsgrundlage ist aber das im FreizügG/EU enthaltene
Schlechterstellungsverbot, das sicherstellt, dass das Auf-

der Finanzkontrolle Schwarzarbeit eine Hinweispflicht ein-
zuführen für den Fall, dass Personen angetroffen werden, die

Drucksache 17/10843 – 10 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

von Menschenhandel oder schwerer Arbeitsausbeutung be-
troffen sind. Die Betroffenen sind darauf hinzuweisen, dass
sie 1. Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtun-
gen oder Gewerkschaften erhalten können, etwa in Form
einer Beratung oder Rechtsschutz, 2. nach Maßgabe der § 59
Absatz 7, § 25 Absatz 4a und 4b des Aufenthaltsgesetzes
eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können oder ihnen eine
dreimonatige Ausreisefrist gesetzt werden kann, und 3. sie
die aus dem Beschäftigungsverhältnis erwachsenen arbeits-
und sozialrechtlichen Ansprüche geltend machen können.

Zu Nummer 2 (§ 13)

Die Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für
Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Dritt-
staatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäfti-
gen, verpflichtet die Mitgliedstaaten in Artikel 6 Absatz 2a
in Verbindung mit Absatz 1 wirksame Verfahren zur Durch-
setzung der ausstehenden Lohnzahlungen irregulärer Ein-
wanderinnen und Einwanderer einzuführen. Dies bedeutet,
dass es nicht nur um die Einräumung von Lohnansprüchen
auf dem Papier geht, sondern auch darum, dass diese An-
sprüche tatsächlich durchgesetzt werden können. Diese Ver-
pflichtung wird mit den Regelungen im Gesetz zur Umset-
zung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen
Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an
den EU-Visakodex vom 22. November 2011, BGBl. I 2258
nicht erfüllt. Die weiterhin bestehende Übermittlungspflicht
der Gerichte nach § 13 Absatz 3 ist ein Hindernis bei der
Durchsetzung von Arbeitsrechten irregulärer Einwanderin-
nen und Einwanderer und steht daher dem Erfordernis der
Wirksamkeit der einzurichtenden Verfahren entgegen.

Der in § 13 Absatz 3 neu eingefügte Satz 3 stellt daher fest,
dass in der Regel das schützenswerte Interesse der vollzieh-
bar ausreisepflichtigen Ausländer an der Durchsetzung eig-
ner arbeits- und sozialrechtlicher Ansprüche aus einem Be-
schäftigungsverhältnis das Interesse des Staates an der
Datenübermittlung überwiegt.

Die Änderung gewährleistet im Zusammenspiel mit den
Änderungen in § 87 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes und
§ 405 Absatz 6 SGB III, dass Betroffene von Arbeitsausbeu-
tung und Menschenhandel ohne rechtmäßigen Aufenthalts-
status oder Duldung ihre Ansprüche vor den Arbeitsgerich-
ten geltend machen können.

Zu Artikel 6 (Änderung der Gewerbeordnung)

Siehe die Begründung zu Artikel 5 Nummer 1.

Zu Artikel 7 (Änderung der Beschäftigungs-
verfahrensverordnung)

Da mit diesem Gesetzentwurf Opfer von Menschenhandel
per Gesetz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt
werden, ist die Regelung in § 6a für diese Personengruppe
obsolet geworden. Jedoch soll die Möglichkeit einer Be-
schäftigung ohne Vorrangprüfung nach § 6a nunmehr Op-
fern von Arbeitsausbeutung mit einer Aufenthaltserlaubnis
gemäß § 25 Absatz 4 b AufenthG eingeräumt werden. Mit
Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtli-

22. November 2011, BGBl. I S. 2258 vom 25. November
2011 sind Opfern von Arbeitsausbeutung weitgehend die
Rechte der Opfer von Menschenhandel nach den §§ 232, 233
StGB eingeräumt worden. Das gilt etwa für Ausreisefrist
nach § 59 Absatz 7 AufenthG, die Aufenthaltserlaubnis ge-
mäß § 25 4b AufenthG sowie den daran anknüpfenden An-
spruch auf Leistungsbezug nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 des
Asylbewerberleistungsgesetzes. Damit auch im Beschäfti-
gungsrecht die Rechte der verschiedenen Opfergruppen
nicht auseinanderfallen, wird Opfern von Arbeitsausbeutung
die Möglichkeit eingeräumt, eine Beschäftigung ohne Vor-
rangprüfung der Bundesagentur für Arbeit aufnehmen zu
können. Die erleichterte Möglichkeit zur Beschäftigung
kann darüber hinaus ein Anreiz zur Kooperation mit den
Strafverfolgungsbehörden sein.

Zu Artikel 8 (Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes)

Mit dem neu eingeführten § 11a wird eine gesetzliche Pro-
zessstandschaft für die Geltendmachung arbeits- und sozial-
rechtlicher Ansprüche vollziehbar ausreisepflichtiger Aus-
länderinnen und Ausländer für Verbände eingeführt.
Unabhängig von dem Hindernis der Übermittlungspflicht
nach § 87 Absatz 2 AufenthG bleibt für irreguläre Einge-
wanderte generell das Risiko, im Kontakt mit staatlichen
Stellen als statuslos erkannt zu werden. Mit der Prozess-
standschaft wird ein dadurch in der Regel bestehendes mas-
sives Machtungleichgewicht zwischen dem Arbeitgeber und
dem Arbeitnehmer ohne rechtmäßigen Aufenthaltsstatus
ausgeglichen und die Wirksamkeit von arbeitsgerichtlichen
Verfahren für Menschen ohne Aufenthaltsstatus sicherge-
stellt. Eine Geltendmachung des Lohns durch Verbände in
Prozessstandschaft kann zudem helfen, wenn sich die Be-
schäftigten bereits wieder außerhalb Deutschlands aufhalten.
Die Änderung entspricht der in Artikel 13 Absatz 2 der
Sanktionsrichtlinie verankerten Vorgabe, prozessuale Betei-
ligungsmöglichkeiten für Verbände zur Unterstützung illegal
Beschäftigter einzuführen, um die Wirksamkeit der Verfah-
ren zur Durchsetzung von Lohnansprüchen sicherzustellen.

Zu Artikel 9 (Ausgleichsfonds für Opfer von
Menschenhandel)

Die Einrichtung eines Ausgleichsfonds für Opfer von Men-
schenhandel dient der Umsetzung von Artikel 15 Absatz 4
der Konvention des Europarates gegen Menschenhandel, der
die Garantie zur Entschädigung der Opfer vorsieht.

Der Ausgleichsfonds schließt Lücken, die im Zusammen-
hang mit der Rechtsdurchsetzung gegen die Täter und im Be-
reich des staatlichen Entschädigungsrechts bestehen.

Bei der Realisierung ihrer Rechtsansprüche stößt ein Groß-
teil der Opfer von Menschenhandel in der Praxis auf ver-
schiedene Probleme. Zum Beispiel sind die Täter häufig in-
solvent oder bei ihnen können keine Vermögenswerte
sichergestellt werden. Selbst wenn Betroffene einen Titel auf
Schadenersatzzahlung erstreiten, können sie ihn nicht voll-
strecken. Dies führt in der Praxis dazu, dass Betroffene häu-
fig nur mit einem Bruchteil der Summe, die ihnen rechtlich
zusteht, von den Tätern entschädigt werden.

Auch die Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen des

cher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung
nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom

sozialen Entschädigungsrechts gelingt Betroffenen von
Menschenhandel nur in seltenen Fällen. In Deutschland kön-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 11 – Drucksache 17/10843

nen Opfer von Menschenhandel staatliche Entschädigungs-
leistungen über das Opferentschädigungsgesetz (OEG) oder
die gesetzliche Unfallversicherung erhalten. Auch dies ge-
lingt aufgrund diverser Hindernisse nur vereinzelt in Aus-
nahmefällen.

Schwierigkeiten der aktuellen Gesetzeslage

• faktische Koppelung des Verfahrens vor dem Versor-
gungsamt auf Opferentschädigung an das Strafverfahren –
ohne Strafverfahren ist es kaum möglich, eine Entschädi-
gung zu bekommen,

• lange Verfahrensdauer – Verfahren vor dem Versorgungs-
amt dauern häufig mehrere Jahre,

• beschränkte Rechtsfolge – kein Ersatz des immateriellen
Schadens, Beschränkung auf einzelne Aspekte des mate-
riellen Schadens, kein Ersatz des entgangenen Verdiens-
tes,

• Anspruch auf Leistungen nach dem OEG nur bei recht-
mäßigem Aufenthalt.

Der Fonds dient im Schwerpunkt nicht der Entschädigung
der Betroffenen sondern ist als Ausgleichsfonds konzipiert,
der Lücken auffangen soll, die entstehen, wenn Betroffene
ihre Titel nicht vollstrecken können.

Nur in Ausnahmefällen sollen Härtefälle direkt entschädigt
werden. Das kann z.B. der Fall sein bei schweren psychi-
schen oder physischen Schäden, wenn die Täter nicht ermit-
telt werden und die Betroffenen daher keine eigenen Ge-
richtsverfahren führen können.

Zu Artikel 10 (Berichterstatterstelle „Menschen-
handel und schwere Arbeits-
ausbeutung“)

Zu § 1 Absatz 1

Nach Absatz 1 wird eine Berichterstatterstelle errichtet und
dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend zugeordnet. Dies dient der Umsetzung der Verpflich-
tung aus Artikel 19 der Richtlinie 2011/36/EU des Europäi-
schen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Ver-
hütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum
Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbe-
schlusses 2002/629/JI des Rates.

Die Berichterstattung ist nach den Zielen der Richtlinie, der
Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels sowie
dem Schutz der Rechte der Opfer von Menschenhandel, aus-
gerichtet.

Die Zuständigkeit der Berichterstatterstelle erstreckt sich auf
die Phänomene Menschenhandel und schwere Arbeitsaus-
beutung und umfasst schwerpunktmäßig den Geltungsbe-
reich der Vorschriften der §§ 180a, 181a, 232, 233, 233a,
236, 291 des Strafgesetzbuchs sowie der Vorschriften § 10
Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeits-
bekämpfungsgesetzes und nach § 15a des Arbeitnehmer-
überlassungsgesetzes.

Hintergrund dafür ist das Ziel, die Engführung auf die straf-

ger Unterstützungsstrukturen für die Betroffenen von Men-
schenhandel zur Arbeitsausbeutung“) haben gezeigt, dass
Menschenhandel und schwere Formen der Arbeitsausbeu-
tung in der Praxis zum Teil ineinander übergehende Phäno-
mene und nur selten trennscharf voneinander zu definieren
sind. Der Unrechtsgehalt sowie Verletzungsfolgen bei den
Betroffenen sind vergleichbar. So ist für eine Berichterstat-
tung, die eine differenzierte Bewertung über Ursachen und
Entwicklungen des Phänomens sowie die Situation der Op-
fer leistet, eine breitere thematische Zuständigkeit zu wäh-
len.

Zu § 1 Absatz 2

Die Vorschrift gibt der Berichterstatterstelle Anspruch auf
die für die Erfüllung ihrer Aufgaben not- wendige Personal-
und Sachausstattung, die in einem eigenen Kapitel auszu-
weisen ist.

Zu § 2 Absatz 1

Absatz 1 Satz 1 regelt die Ernennung der Leitung der Be-
richterstatterstelle durch die Bundesministerin oder den
Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Satz 2 sieht vor, dass die Leitung der Berichterstatterstelle in
einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Bund
steht. Die Ausgestaltung als öffentlich-rechtliches Amt trägt
der Regelung in Satz 3 zur Stellung der Leitung Rechnung,
die vorsieht, dass diese unabhängig in Ausübung ihres Am-
tes und nur dem Gesetz unterworfen ist. Durch diese Unab-
hängigkeit soll eine objektive und ausschließlich an den in-
haltlichen Zielen der Richtlinie orientierte Berichterstattung
ermöglicht werden. Sie soll die dafür erforderliche Akzep-
tanz bei den staatlichen wie nichtstaatlichen Stellen, die mit
dem Thema Menschenhandel beschäftigt sind, ermöglichen.

Zu § 2 Absatz 3

Absatz 3 benennt die Fälle der Beendigung des Amtsverhält-
nisses. Nach Nummer 1 und 2 endet das Amtsverhältnis au-
ßer mit dem Ablauf der Dienstzeit mit dem Erreichen der Al-
tersgrenze nach § 41 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes
sowie mit der Entlassung. Eine Entlassung erfolgt nach Satz 2
auf Verlangen der Leitung der Berichterstatterstelle oder in
den Fällen, die bei einer Richterin oder einem Richter auf
Lebenszeit eine solche rechtfertigen.

Zu § 2 Absatz 4

Absatz 4 sieht die Regelung des Rechtsverhältnisses der Lei-
tung der Berichterstatterstelle durch Vertrag mit dem Bun-
desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
vor, der der Zustimmung der Bundesregierung bedarf. Inhalt
des Vertrags werden neben Regelungen zur Bezahlung und
Versorgung insbesondere solche betreffend Nebentätigkei-
ten, Annahme von Belohnungen und Geschenken, Amts-
verschwiegenheit, Aussagegenehmigung, Vertretungsfragen
und der Dienst- und Rechtsaufsicht sein.

Zu § 3 Absatz 1
rechtliche Definition des Menschenhandels zu vermeiden.
Forschungsergebnisse (BMAS 2011, „Entwicklung tragfähi-

Die Aufgaben der Berichterstatterstelle orientieren sich an
den Vorgaben aus Artikel 19 der Richtlinie.

Drucksache 17/1084 ndestag – 17. Wahlperiode

H. Heene
ese
3 – 12 – Deutscher Bu

Zu § 3 Absatz 2

Die Berichterstatterstelle hat zur Umsetzung ihrer Aufgaben
alle zwei Jahre einen Bericht an den Bundestag vorzulegen.
Die Berichte werden sich mit variierender Schwerpunktset-
zung regelmäßig auf die Situation der Betroffenen von
Menschenhandel und schwerer Arbeitsausbeutung, ihren
Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung, Schutz und Unter-
stützung sowie der Entwicklung im Bereich der Strafverfol-
gung beziehen. Grundlage sind die Verpflichtungen
Deutschlands aus einschlägigen internationalen, europä-
ischen Rechtsdokumenten.

Im Rahmen der Berichtslegung erhebt die Berichterstatter-
stelle in einem ausgewogenen Verhältnis Daten bei staat-
lichen wie nichtstaatlichen Stellen.

Zur Identifizierung von Berichtsschwerpunkten, zur Diskus-
sion von Befunden und Empfehlungen hält die Berichterstat-
terstelle regelmäßige Konsultationen mit nichtstaatlichen
Stellen, die in der Praxis mit Betroffenen von Menschenhan-
del und schwerer Arbeitsausbeutung in Kontakt kommen,
wie zum Beispiel spezialisierte Beratungsstellen gegen Men-
schenhandel, Stellen aus dem Bereich des Flüchtlingsschutz
und der Migration sowie mit Gewerkschaften.

Durch die in dieser Vorschrift vorgesehene Konsultation mit
den in ihrem Zuständigkeitsbereich betroffenen Beauftrag-
ten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages
wird sichergestellt, dass die Erfahrungen dieser Stellen so-
wie die Ergebnisse anderer Berichte soweit sie thematische
Schnittstellen aufweisen, einbezogen werden. Hierzu gehört
beispielsweise der Bericht der Beauftragten der Bundesre-
gierung für Migration, Flüchtlinge und Integration nach § 94
Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes.

In die Empfehlungen des Berichtes können Erkenntnisse aus
den nach Absatz 1 Nummer 2 und 3 durchzuführenden Da-
tensammlungen und wissenschaftlicher Untersuchungen ein-
fließen.

Zu Artikel 11 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
mann

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