BT-Drucksache 17/10776

Wohnen muss bezahlbar bleiben

Vom 25. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10776
17. Wahlperiode 25. 09. 2012

Antrag
der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, Karin Binder, Steffen Bockhahn,
Roland Claus, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Jan Korte,
Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch,
Thomas Lutze, Kornelia Möller, Jens Petermann, Richard Pitterle, Ingrid Remmers,
Michael Schlecht, Dr. Ilja Seifert, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Wohnen muss bezahlbar bleiben

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

– In Deutschland gibt es rund 40 Millionen Wohnungen, wovon ca. 24 Millio-
nen Mietwohnungen sind.

– Die übergroße Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner sind demnach Mie-
terinnen und Mieter. Das Mietrecht berührt damit zwangsläufig in starkem
Maße deren soziale Interessen und muss zur Wahrung des sozialen Friedens
für einen angemessenen Ausgleich zu den Vermieterinteressen sorgen.

– Eine einseitige Veränderung des Mietrechts zu Gunsten der Vermieterseite
hätte zwangsläufig ein Ungleichgewicht zur Folge und würde die soziale
Spaltung in der Gesellschaft rasant beschleunigen.

– Eine Mietrechtsreform, die dem Anspruch, die energetische Sanierung von
Wohnraum voranzubringen, gerecht werden will, muss dazu beitragen, die
Kostenexplosion im Mietwohnungsbereich zu dämpfen und einen Konsens
zwischen den Interessen der Mieter- und der Vermieterseite herstellen. Mit
einer Kombination aus neuen mietrechtlichen Regelungen und verlässlicher,
zielgenauer öffentlicher Förderung können Mieter- und Vermieterinteressen
in Einklang gebracht und die Ziele der energetischen Sanierung tatsächlich
erreicht werden. Die finanzielle Situation vieler Haushalte – gerade im Hin-
blick auf stark gestiegene Heiz- und Nebenkosten sowie die Entwicklung der
Nettokaltmiete in den letzten Jahren – verbietet ein einseitiges Abwälzen der
Kosten für den altersgerechten und energetischen Umbau des Wohnungsbe-
standes auf die Mieterinnen und Mieter.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

Änderungen der mietrechtlich relevanten Gesetze vorzulegen, die ein sozial aus-
gewogenes Rechtsverhältnis zwischen Mieterinnen und Mietern sowie Vermie-
tern herstellen und dauerhaft sichern.

Drucksache 17/10776 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Die Änderungen sollen Folgendes regeln:

1. Im gesamten Bundesgebiet werden qualifizierte Mietspiegel sowie Betriebs-
und Heizkostenspiegel flächendeckend eingeführt. Die Erstellung erfolgt auf
einheitlicher Grundlage. Die ortsübliche Vergleichsmiete wird in einem
transparenten und für alle Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbaren Ver-
fahren auf der Grundlage aller Bestandsmieten gebildet. Die Zuständigkeit
hierfür soll bei den Ländern liegen.

2. Die Erhöhung der Nettokaltmiete bei bestehenden Mietverhältnissen und bei
Neuvermietung wird an die Verbesserung des bisherigen Wohnstandards
gekoppelt. Ohne wohnwertverbessernde Maßnahmen sind Mieterhöhungen
höchstens im Rahmen des Inflationsausgleiches zulässig.

3. Die Höhe der Wohnkosten für angemessenen Wohnraum darf höchstens
30 Prozent des Nettoeinkommens eines Mieterhaushaltes betragen. Die
Obergrenze wird durch das bundesdurchschnittliche Haushaltsnettoeinkom-
men bestimmt. Die Höhe des Wohngeldes wird in Anlehnung an die Mieten-
und Einkommensentwicklung jährlich so angepasst, dass Mietsteigerungen
ausgeglichen werden.

4. Die höchstmögliche Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete wird
auf 5 Prozent begrenzt.

5. Energetische Sanierungsmaßnahmen und die Schaffung barrierefreien
Wohnraums werden für den Vermieter erleichtert durch einen Rechtsan-
spruch auf öffentliche Förderung.

Es werden die haushalterischen Voraussetzungen für einen auskömmlichen
finanziellen Rahmen der entsprechenden Förderprogramme geschaffen. Ziel
ist die Verdoppelung der Sanierungsquote der Wohnungsbestände (Stand:
2009) und die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 80 Prozent bis 2050.

6. Energetische Sanierungsmaßnahmen sind nur dann duldungspflichtig, wenn
durch die Maßnahmen für die Mieterinnen und Mieter keine unzumutbaren
Härten entstehen und die Energieeinsparung mindestens den aktuellen Vor-
gaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) entspricht.

7. Im Rahmen der öffentlichen Förderung der Modernisierungsmaßnahmen ge-
währleistet die Bundesregierung eine kostenlose Mieter- und Energiebera-
tung.

8. Zur Vermeidung von Obdachlosigkeit ist eine ersatzlose Räumung der Woh-
nung nach Kündigung nicht zulässig.

Berlin, den 25. September 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Ursprüngliche Regelungen des Mietrechts zur Dämpfung der Miethöhe, wie
z. B. der Mietspiegel, haben ihre Wirkung verloren oder sich in ihrer Wirkung
ins Gegenteil verkehrt.

Die aktuell geführten wohnungs- und mietenpolitischen Untersuchungen bele-
gen, dass Mieterinnen und Mieter nicht mehr nur mit höheren Nettokaltmieten,

sondern mit insgesamt ansteigenden Wohnkosten belastet sind. Neueste Studien
weisen nach, dass der Anteil der Mieterhaushalte, die mehr als 50 Prozent ihres

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10776

Nettoeinkommens für Wohnkosten aufbringen müssen, schon heute rund
40 Prozent aller Haushalte erfasst.

Gestiegene Heiz- und Stromkosten führen immer häufiger dazu, dass Menschen
zum Verzicht auf die Beheizung ihrer Wohnung gezwungen oder gar wegen
unbezahlter Energierechnungen von der Versorgung abgeschnitten werden. Das
bedeutet nicht schlechthin eine drastische Verschlechterung der Lebens-
umstände für die Betroffenen, sondern vor allem eine grobe Verletzung ihrer
Menschenwürde und ihrer Menschenrechte.

Eine Mietrechtsänderung, die die sozialen Folgen nicht abwägt, verfehlt nicht
nur ihr Ziel, sondern sie trägt auch dazu bei, dass die Gesellschaft sozial und kul-
turell weiter auseinander driftet, so dass eine positive Stadt- und Gesellschafts-
entwicklung nicht befördert, sondern massiv behindert wird.

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