BT-Drucksache 17/10769

Entwurf eines Gesetzes zur verfassungsrechtlich gebotenen, rückwirkenden Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften

Vom 25. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10769
17. Wahlperiode 25. 09. 2012

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Dr. Konstantin von Notz,
Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Sven-Christian Kindler, Jerzy Montag,
Claudia Roth (Augsburg), Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines Gesetzes zur verfassungsrechtlich gebotenen, rückwirkenden
Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf
Lebenspartnerschaften

A. Problem

Das Bundesverfassungsgericht hat seit 2009 in vier Entscheidungen die Un-
gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und der Ehe wegen
der Unvereinbarkeit mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) beanstan-
det. Demnach sind die familienrechtlichen Institutionen der Ehe und der Lebens-
partnerschaft juristisch vergleichbar, weil sie eine auf Dauer übernommene,
auch rechtlich verbindliche Verantwortung für den Partner begründen. Das Ge-
richt entschied zudem, dass die Ungleichbehandlung seit dem Inkrafttreten des
Lebenspartnerschaftsgesetzes verfassungswidrig sei und deswegen rückwirkend
behoben werden muss.

Die Ende des Jahres 2010 beschlossene Übertragung ehebezogener Regelungen
im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften erfolgte rückwirkend ab
dem 1. Januar 2009. Die Begrenzung der Rückwirkung auf dieses Datum wurde
mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juni 2012 für ver-
fassungswidrig erklärt. Demnach ist der Gesetzgeber verpflichtet, rückwirkend
zum Zeitpunkt der Einführung des Instituts der Lebenspartnerschaft mit Wir-
kung vom 1. August 2001 eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die allen
Beamtinnen und Beamten, die ihre Ansprüche auf Familienzuschlag zeitnah
geltend gemacht haben, einen Anspruch auf Nachzahlung des Familien-
zuschlags ab dem Zeitpunkt seiner erstmaligen Beanspruchung einräumt. Diese
Verpflichtung ist analog auf alle ehebezogenen Regelungen im öffentlichen
Dienstrecht zu übertragen.

B. Lösung
Die Rückwirkung der Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen
Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften wird ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens
des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16. Februar 2001
(BGBl. I S. 266) ausgeweitet. Damit werden die Konsequenzen der verfassungs-
widrigen Ungleichbehandlung für alle ungerechtfertigt benachteiligten Beam-
tinnen und Beamten aufgehoben.

Drucksache 17/10769 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Die Kosten sind angesichts der derzeit geringen Zahl von Lebenspartnerschaften
und der nicht im Detail bekannten Sozialstruktur dieser Gemeinschaften nicht
im Einzelnen abschätzbar, aber eher gering.

Deutscher Bundestag – 17 ucksache 17/10769

Entwurf eines Gese ückwirkenden
Übertragung ehebe recht auf
Lebenspartnerscha
Berlin, den 25. September 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion
. Wahlperiode – 3 – Dr

tzes zur verfassungsrechtlich gebotenen, r
zogener Regelungen im öffentlichen Dienst
ften

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Gesetzes zur Übertragung
ehebezogener Regelungen im öffentlichen
Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften

Artikel 10 des Gesetzes zur Übertragung ehebezogener
Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartner-
schaften wird wie folgt geändert:

„Artikel 10

Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in
Kraft.

(2) Beamte, Richter und Soldaten können die sich aus
diesem Gesetz ergebenden Leistungen ab dem Tag ihrer
Verpartnerung beanspruchen.

(3) Hinterbliebene Lebenspartner von Beamten, Richtern
und Soldaten haben Anspruch auf die sich aus diesem Ge-
setz ergebenden Leistungen, wenn ihre Partner nach dem
1. August 2001 verstorben sind.“

Artikel 2

Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes

§ 74a des Bundesbesoldungsgesetzes in der Fassung der
Bekanntmachung vom 19. Juni 2009 (BGBl. I S. 1434), das
zuletzt durch … geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In Absatz 1 wird die Angabe „1. Januar 2009“ durch die
Angabe „1. August 2001“ ersetzt.

2. In Absatz 2 wird die Angabe „1. Juli 2010“ durch die
Angabe „1. August 2001“ ersetzt.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

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Begründung

A. Allgemeines

Seit dem 1. August 2001 können gleichgeschlechtliche
Paare in Deutschland eine rechtlich abgesicherte Lebens-
partnerschaft eingehen. Das Gesetz hat die gesellschaftliche
Akzeptanz von lesbischen Bürgerinnen und schwulen Bür-
gern spürbar erhöht.

Die volle rechtliche Gleichstellung der Lebenspartnerschaft
mit der Ehe ist nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, wie
das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Le-
benspartnerschaftsgesetz vom 17. Juli 2002 (BVerfGE 105,
S. 313) ausdrücklich festgestellt hat, sondern sogar verfas-
sungsrechtlich geboten. Seit 2009 hat das Gericht in vier
Entscheidungen die Ungleichbehandlung von eingetragenen
Lebenspartnerschaften und der Ehe wegen der Unvereinbar-
keit mit Artikel 3 Absatz 1 GG beanstandet.

Bereits in seiner Entscheidung vom 7. Juli 2009 hat das Bun-
desverfassungsgericht die Ungleichbehandlung von Ehe und
eingetragener Lebenspartnerschaft beanstandet (BVerfG,
Beschluss vom 7. Juli 2009, 1 BvR 1164/07). Demnach sind
die familienrechtlichen Institutionen der Ehe und der Le-
benspartnerschaft juristisch vergleichbar, weil sie „eine auf
Dauer übernommene, auch rechtlich verbindliche Verant-
wortung für den Partner“ begründen (Rn. 102 ff.). Eine Bes-
serstellung der Ehe, etwa wegen einer abstrakten Vermu-
tung, aus ihr würden Kinder hervorgehen, ist demnach mit
Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar. „Ein Grund für die Un-
terscheidung von Ehe und eingetragener Lebenspartner-
schaft kann nicht […] darin gesehen werden, dass typischer-
weise bei Eheleuten […] aufgrund von Kindererziehung ein
anderer Versorgungsbedarf bestünde als bei Lebenspartnern
[…]. Nicht in jeder Ehe gibt es Kinder. Es ist auch nicht
jede Ehe auf Kinder ausgerichtet.“ (Rn. 112). Darüber hi-
naus stellte das Gericht fest: „In zahlreichen eingetragenen
Lebenspartnerschaften leben Kinder, insbesondere in sol-
chen von Frauen. Nach einer Studie des Staatsinstituts für
Familienforschung an der Universität Bamberg leben ge-
schätzt etwa 2 200 Kinder in Deutschland, die in den derzeit
rund 13 000 eingetragenen Lebenspartnerschaften aufwach-
sen (Rupp/Bergold, in: Rupp, Die Lebenssituation von Kin-
dern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften,
2009, S. 282). Dieser tatsächliche Befund ist unabhängig
von der bisher auf die Stiefkindadoption beschränkte Mög-
lichkeit einer gemeinsamen rechtlichen Elternschaft. Damit
liegt der Kinderanteil bei eingetragenen Lebenspartner-
schaften zwar weit unter dem von Ehepaaren, ist jedoch kei-
neswegs vernachlässigbar.“ (Rn. 113).

Somit wurde der Gesetzgeber verpflichtet, sämtliche Un-
gleichbehandlungen zwischen Ehe und eingetragener Le-
benspartnerschaft zu beseitigen.

Die Ende 2010 beschlossene Übertragung ehebezogener
Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartner-
schaften erfolgte rückwirkend ab dem 1. Januar 2009. Diese
Begrenzung der Rückwirkung wurde mit der Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juni 2012 für ver-
fassungswidrig erklärt. Demnach ist der Gesetzgeber ver-
pflichtet, rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung des
Instituts der Lebenspartnerschaft mit Wirkung vom 1. Au-
gust 2001 eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die allen
Beamtinnen und Beamten, die ihre Ansprüche auf Familien-
zuschlag zeitnah geltend gemacht haben, einen Anspruch
auf Nachzahlung des Familienzuschlags ab dem Zeitpunkt
seiner erstmaligen Beanspruchung einräumt. Diese Ver-
pflichtung ist analog auf alle ehebezogenen Regelungen im
öffentlichen Dienstrecht zu übertragen.

Mit dem Gesetzentwurf soll daher die Rückwirkung der
Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen
Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften ab dem Zeitpunkt
des Inkrafttretens des Gesetzes über die Eingetragene Le-
benspartnerschaft vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266)
ausgeweitet werden und somit die Konsequenzen der ver-
fassungswidrigen Ungleichbehandlung für alle ungerecht-
fertigt benachteiligten Beamtinnen und Beamten aufgehoben
werden.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes
zur Übertragung ehebezogener
Regelungen im öffentlichen Dienst-
recht auf Lebenspartnerschaften)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Die
rückwirkende Gleichstellung der eingetragenen Lebenspart-
nerschaften mit der Ehe wird auf den Zeitraum ab dem In-
krafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1. August
2001 bestimmt.

Zu Artikel 2 (Änderung des Bundesbesoldungs-
gesetzes)

Die Änderungen im Bundesbesoldungsgesetz stehen im Zu-
sammenhang mit dem Inkrafttreten der Neuregelung der
Auslandsdienstbezüge zum 1. Juli 2010.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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