BT-Drucksache 17/10378

Verkauf von Leopard II-Kampfpanzern an Indonesien

Vom 23. Juli 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10378
17. Wahlperiode 23. 07. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Viola von Cramon-Taubadel, Beate
Walter-Rosenheimer, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Agnes
Brugger, Dr. Thomas Gambke, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Sven-Christian Kindler,
Ute Koczy, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Müller (Köln), Omid
Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof
Schmidt, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verkauf von Leopard II-Kampfpanzern an Indonesien

Die Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, dem Bundes-
minister des Auswärtigen Dr. Guido Westerwelle und dem Bundesminister für
Wirtschaft und Technologie Dr. Philipp Rösler verfolgt eine offensive Rüstungs-
exportstrategie. Der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in
Staaten außerhalb der NATO und EU ist nicht mehr die Ausnahme. Im Zuge der
Rüstungsexportoffensive werden die Rüstungsexportrichtlinien neu interpre-
tiert. Rüstungsindustrielle und geostrategische Interessen haben Vorrang vor
menschenrechtlichen und krisenpräventiven Aspekten. Eklatantestes bekannt
gewordenes Beispiel ist die beabsichtigte Aufrüstung Saudi-Arabiens mit deut-
schen Kampfpanzern.

Die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, hat auf ihrer Indonesien-Reise die
Jakarta-Deklaration unterzeichnet. Diese sieht eine verstärkte Sicherheits- und
Verteidigungskooperation vor. Zudem wurde bekannt, dass die Verteidigungs-
minister Deutschlands und Indonesiens am 27. Februar 2012 eine Vereinbarung
über die rüstungs- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit beider Staaten
abgeschlossen haben, deren konkreter Inhalt der Öffentlichkeit bisher aber noch
nicht bekannt ist. Unter dem früheren Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und dem
früheren Bundesminister des Auswärtigen Hans-Dietrich Genscher wurde In-
donesien trotz einer verheerenden Menschenrechtsbilanz zum bevorzugten
Empfängerland deutscher Rüstungslieferungen. Im Zuge der Überarbeitung der
Rüstungsexportrichtlinien hat die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000/2001
Indonesien von der Liste der Staaten gestrichen, die genehmigungsrechtlich den
Staaten der NATO oder EU gleichgestellt waren. Es gibt Anzeichen, dass Indo-
nesien künftig wieder zum bevorzugten Empfänger deutscher Kriegswaffen und
sonstiger Rüstungsgüter werden soll.

Die Frage des Verkaufs von Leopard II-Kampfpanzern an Indonesien ist in den

letzten Monaten immer wieder Gegenstand öffentlicher Berichterstattung gewe-
sen. Auch die Niederlande hatten hierzu eine Anfrage der indonesischen Regie-
rung erhalten und diese wegen Bedenken gegenüber der Menschenrechtslage in
Indonesien abgelehnt. Deutschland ist, neben den USA, den Niederlanden und
Großbritannien, ein großer Rüstungslieferant Indonesiens. So stammt laut dem
Länderportrait Indonesien des Internationalen Konversionszentrums Bonn –
Bonn International Center for Conversion (BICC) GmbH fast die Hälfte aller

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Schiffe der Marine aus deutscher Produktion (Ost und West). Laut der Gesell-
schaft für bedrohte Völker e. V. besteht bei der Verwendung von Marineschiffen,
die Indonesien aus Beständen der Bundeswehr gekauft hatte, der begründete
Verdacht, dass diese vertragswidrig von der indonesischen Regierung eingesetzt
wurden. Dabei gebieten die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den
Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern die Verweigerung einer
Exportgenehmigung, wenn der Verdacht besteht, dass Waffen zur internen
Repression oder zu Menschenrechtsverletzungen genutzt werden könnten. Die
Menschenrechtssituation im Empfängerstaat soll bei der Entscheidungsfindung
eine zentrale Rolle spielen.

Der Wunsch der indonesischen Regierung, deutsche Panzer zu erwerben, war
bereits mehrmals Gegenstand parlamentarischer Anfragen. Im Dezember 2011
wurde die Schriftliche Frage 41 der Abgeordneten Katja Keul auf Bundestags-
drucksache 17/8206 dahingehend beantwortet, dass es bisher keinerlei Anfragen
an die Bundesregierung seitens der indonesischen Regierung gegeben habe.
Neuere Berichterstattung (u. a. taz am 6. Juli 2012) und öffentliche Äußerungen
der indonesischen Regierung anlässlich der jüngsten Indonesien-Reise der Bun-
deskanzlerin legen hingegen den Schluss nahe, dass ein Vertrag über den Kauf
deutscher Leopard II-Kampfpanzer an Indonesien kurz vor dem Abschluss steht
oder bereits verabredet ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit und in welcher Form beabsichtigt die Bundesregierung, die sicher-
heits- und verteidigungspolitische Kooperation mit Indonesien zu vertiefen,
und was ist der Grund für diese Vertiefung?

2. Stimmt die Bundesregierung der Aussage des indonesischen Präsidenten
Susilo Bambang Yudhoyono auf der Pressekonferenz am 10. Juli 2012 in
Jakarta zu, dass es im fünften Schwerpunkt der Jakarta-Erklärung nicht nur
um die verteidigungspolitische Zusammenarbeit, sondern explizit auch um
Kooperation im Bereich der Verteidigungsindustrie geht?

3. Welche konkreten Vereinbarungen in Bezug auf die Rüstungs- und Sicher-
heitskooperation haben die Verteidigungsminister Deutschlands und Indone-
siens in ihrer Vereinbarung vom 27. Februar 2012 getroffen, und wie inter-
pretiert die Bundesregierung den Wunsch der indonesischen Seite, dass
Deutschland ihnen bei der Modernisierung des Militärs behilflich sein sollte?

4. Inwieweit wurde in der Amtszeit von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
von Seiten der indonesischen Regierung und/oder der indonesischen Sicher-
heitskräfte formell oder informell das Interesse an deutschen Rüstungsgütern
an die Bundesregierung bzw. an nachrangige Stellen herangetragen?

5. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, das indonesische Militär und die
indonesischen Sicherheitskräfte durch deutsche Rüstungslieferungen aufzu-
rüsten?

6. Beabsichtigt die Bundesregierung, Kriegswaffen an Indonesien zu liefern,
und wenn ja, welche?

7. Welche Anfragen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Indonesien hat es
in dieser Legislaturperiode gegeben, und welche wurden bis zum heutigen
Zeitpunkt positiv bzw. negativ entschieden (bitte nach Jahren, Rüstungsgut
und Volumen aufschlüsseln)?

8. Welche Kriegswaffen wurden in den vergangenen zehn Jahren an Indonesien
geliefert bzw. werden voraussichtlich in den kommenden zwei Jahren an
Indonesien geliefert werden (bitte jährlich nach Art und Volumen aufschlüs-

seln)?

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9. Liegt der Bundesregierung jetzt eine Exportanfrage für die Lieferung von
Leopard II-Kampfpanzern an Indonesien vor, oder bestehen formelle oder
informelle Voranfragen?

10. Wann sind der Bundesregierung etwaige formelle oder informelle Anfragen
zugegangen?

11. Wie hat die Bundesregierung auf etwaige formelle oder informelle Anfra-
gen reagiert?

12. Bezieht sich das Geschäft auf neue Panzer des Unternehmens Krauss-
Maffei Wegmann GmbH & Co. KG oder auf Altbestände der Bundeswehr?

13. Wird sich der Bundessicherheitsrat mit einer etwaigen Voranfrage befassen
oder gegebenenfalls über die Exportgenehmigung entscheiden?

14. Kann das Bundesministerium der Verteidigung den Export von Panzern aus
Beständen der Bundeswehr aus eigener Zuständigkeit ohne Befassung des
Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle oder des Bundessicher-
heitsrates selbst vornehmen?

15. Hat das Bundesministerium der Verteidigung eine entsprechende Anfrage
erreicht, und wie wurde hierüber entschieden?

16. In welchem zeitlichen Rahmen soll die Lieferung stattfinden?

17. Ist es richtig, dass die ersten 15 Panzer bereits im Oktober dieses Jahres ge-
liefert werden sollen, und dass gleichzeitig die Bundesregierung bisher nur
eine mündliche Interessenbekundung der indonesischen Regierung erreicht
hat?

18. Ist der Bundesregierung bekannt, dass es laut Organisationen, wie Amnesty
International und des BICC, in den indonesischen Provinzen West-Papua,
Aceh, Molukken, Ambon, Sulawesi und West-Timor immer wieder zu
schweren Menschenrechtsverstößen kommt?

19. Basierend auf welcher Grundlage und welchen Informationen kommt die
Bundesregierung bei der Beurteilung der Menschenrechtslage in Indone-
sien zu einem anderen Schluss als etwa Amnesty International?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Reformen im indonesischen Militär,
angesichts von Berichten über anhaltendende Korruption und Menschen-
rechtsverletzungen, u. a. von den Untersuchungsbehörden der Vereinten
Nationen, welche die Gräueltaten in Ost-Timor 1999 untersuchten?

21. Hat die Bundesregierung die Niederlande bezüglich der Ablehnung des
Rüstungsgeschäftes mit Indonesien konsultiert, und wie sind die Gespräche
verlaufen?

22. Sieht die Bundesregierung den möglichen Rüstungsexport im Einklang mit
dem Gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union (EU) für Rüs-
tungsexporte von 2008?

23. Hat die Bundesregierung zur Kenntnis genommen, dass das niederländische
Parlament bei der Entscheidung über Rüstungsgeschäfte ein Mitsprache-
recht hat?

24. Was unterscheidet nach Ansicht der Bundesregierung den Deutschen Bun-
destag vom niederländischen Parlament, das ein Mitspracherecht bei der
Genehmigung von Rüstungsexporten hat, und warum soll eine solche Par-
lamentsbeteiligung in Deutschland nicht möglich sein?

Drucksache 17/10378 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
25. Was waren die Gesprächsthemen zwischen der Bundesregierung und den
Mitgliedern des indonesischen Parlamentsausschusses für Sicherheit und
Außenpolitik während der Besuche des Ausschusses in den vergangenen
zwei Jahren in Deutschland (bitte ausführliche Auflistung anhand der Ta-
gesordnung)?

26. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung des indonesischen Opposi-
tionsabgeordneten Helmi Fauzy (taz vom 11. Juli 2012) zu, wonach die
schweren Kampfpanzer überhaupt nicht für das indonesische Gelände und
die indonesische Topographie geeignet sind?

27. Kann die Bundesregierung versichern, dass während der jüngsten Indone-
sien-Reise der Bundeskanzlerin keinerlei Austausch zu einem etwaigen
Rüstungsgeschäft unter Begleitern der Delegation stattgefunden hat?

28. Haben die Verteidigungsminister Indonesiens und Deutschlands Abspra-
chen über den Verkauf von Panzern aus Beständen der Bundeswehr geführt,
ohne dass die Bundeskanzlerin einbezogen bzw. informiert war?

Berlin, den 23. Juli 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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