BT-Drucksache 16/9205

Außenwirtschaftsförderung für Rüstungsexportgeschäfte

Vom 14. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9205
16. Wahlperiode 14. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Alexander Bonde,
Winfried Nachtwei, Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck
(Köln), Birgitt Bender, Dr. Uschi Eid, Ute Koczy, Omid Nouripour,
Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Dr. Harald Terpe, Jürgen Trittin und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Außenwirtschaftsförderung für Rüstungsexportgeschäfte

Deutschland ist einer der führenden Waffenexporteure der Welt. Die Bundes-
regierung unterstützt mit diversen politischen und außenwirtschaftlichen In-
strumenten den weltweiten Export deutscher Rüstungsgüter, auch an Staaten
außerhalb der NATO und EU. Die aus Sicht der Fragesteller in hohem Maße
unverantwortliche und von allen Bundestagsfraktionen kritisierte Genehmi-
gung einer Exportbürgschaft für einen potentiellen Export von U-Booten nach
Pakistan zeigt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/7969), dass es dem Bundestag an
Kontroll- und Mitwirkungsrechten fehlt. Der Bundestag wird bislang sowohl
über Rüstungsexportgenehmigungen als auch über Exportkreditgarantien erst
im Nachhinein und nur sehr begrenzt informiert.

In der Außenwirtschaftsförderung kommen verschiedene Instrumente, darunter
Gewährleistungen für Exportkreditgarantien (Hermes), für Ungebundene
Finanzkredite (UFK) und für Direktinvestitionen (Investitionsgarantien) zum
Einsatz. So werden im Rahmen der staatlichen Exportkreditversicherung (Her-
mes) auch deutsche Rüstungsexporteure und die finanzierenden Banken in
erheblichem Umfang vor politischen (z. B. gesetzgeberische Maßnahmen, krie-
gerische Ereignisse, Embargo, Devisenknappheit, Zahlungsverbot) oder wirt-
schaftlichen Risiken (Nichtzahlung des Kunden, Insolvenz) geschützt. Hierfür
werden verschiedene Bürgschaften und Deckungsgarantien, z. B. für das Fabri-
kationsrisiko oder das Ausfuhrrisiko erteilt. Die Bundesregierung begründet die
Gewährleistungen für Rüstungsausfuhren häufig damit, dass angesichts anderer
Konkurrenten die Stellung des deutschen Exporteurs im Weltmarkt gestärkt
und die Beschäftigung beim Exporteur gesichert werden soll. Auf Grund multi-
nationaler Rüstungsproduzenten, multinationalen Koproduktionen und Zuliefe-
rungen an andere Partner gibt es Bestrebungen, die Gewährleistungen zu öff-
nen.

In der Vergangenheit sind national und im Rahmen der OECD die Instrumente

der Außenwirtschaftsförderung weiterentwickelt und an strengere ökologische,
soziale oder korruptionsverhütende Kriterien geknüpft worden. Bemühungen,
unter dem Blickpunkt der Krisen- und Gewaltprävention sowie Armutsbe-
kämpfung strengere friedens- und entwicklungspolitische Kriterien für den
Rüstungs-, Militär- und Sicherheitssektor einzuführen, waren demgegenüber
bislang noch nicht erfolgreich.

Drucksache 16/9205 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Dies ist insbesondere dann bedenklich, wenn der Rüstungstransfer in Staaten
erfolgt, die hochverschuldet sind, in einer Krisenregion liegen und deren wirt-
schaftliche und politische Situation im hohen Maße instabil und gewaltgefähr-
det ist. Nach den Rüstungsexportrichtlinien ist ein Export in diese Krisenregio-
nen grundsätzlich nicht zulässig. Die Tatsache, dass ein Rüstungsexportge-
schäft so risikobehaftet ist, dass es von der Bundesregierung abgesichert und
das Ausfallrisiko dem Steuerzahler aufgebürdet werden muss, kann als Indiz
dafür dienen, dass der Export an sich schon äußerst kritisch hinterfragt werden
muss. Nach den Rüstungsexportrichtlinien ist der Export von Kriegswaffen an
Staaten außerhalb der NATO- und EU grundsätzlich nicht zu genehmigen. Be-
schäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen.

Deutsche Exporteure stehen häufig in Konkurrenz zu Mitbewerbern aus ande-
ren Ländern, in der Regel auch aus der EU. Der EU-Verhaltenskodex für Waf-
fenausfuhren hat auch nach zehn Jahren noch zu keiner einheitlichen Export-
politik der EU-Staaten geführt. Auf der Suche nach Absatzmärkten zum Erhalt
und Ausbau ihrer Rüstungsindustrien machen auch andere Staaten bei der
Rüstungsexportförderung von diversen außenwirtschaftlichen Instrumenten
Gebrauch. Beobachter gehen davon aus, dass in manchen europäischen Staaten
20 bis 30 Prozent aller Exportkreditgarantien für Rüstungsausfuhren bestimmt
sind (European Network Against Arms Trade www.enaat.org). Aber auch hin-
sichtlich der Ablehnung, restriktiven Kriterien und/oder der Offenlegung rüs-
tungsrelevanter Gewährleistungen gibt es bei Bündnispartnern in der NATO
bzw. EU Beispiele, die über die Praxis der Bundesregierung hinausgehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

Allgemein

1. Welche politischen und außenwirtschaftlichen Förderinstrumente hat die
Bundesregierung, um die Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüs-
tungsgütern sowie die Ausfuhr von Dual-use-Gütern zu fördern, und von
welchen macht sie Gebrauch?

2. Betrachtet die Bundesregierung Hermesbürgschaften, Investitionsgarantien
und/oder Ungebundene Finanzkredite für Rüstungsausfuhren als unverzicht-
bar?

Wenn ja, aus welchen Gründen?

3. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit das jeweilige außenwirt-
schaftliche Instrument zur Förderung von rüstungsrelevanten Ausfuhren in
Anspruch genommen werden kann, und welche Kriterien werden für die
Entscheidung über die Förderungswürdigkeit und die Verantwortbarkeit des
Risikos herangezogen?

4. Wie läuft das standardisierte Genehmigungs- und Entscheidungsverfahren für
rüstungsrelevante Exportgarantien im Regelfall ab, und wer trifft anhand wel-
cher Unterlagen die jeweiligen vorläufigen/endgültigen Entscheidungen?

5. Welche direkte und indirekte Rolle spielen OECD-Leitlinien für Export-
gewährleistungen im Bereich militär- und rüstungsrelevanter Geschäfte?

Welche Bemühungen gab es bislang im Rahmen der OECD, die Leitlinien
auf rüstungs- bzw. militärrelevante Bereiche auszudehnen, und welche Auf-
fassung vertritt bzw. vertrat dabei die Bundesregierung?

6. Inwieweit können Hermes-Bürgschaften, Investitionsgarantien und Unge-
bundene Finanzkredite für Rüstungsgeschäfte in „Least Developed Coun-
tries“ (LDCs) oder in „Heavily Indebted Poor Countries“ (HIPC) beantragt

und genehmigt werden, und in welchem Umfang ist dies seit 1990 geschehen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9205

7. Inwieweit und in welchem Umfang werden von der Bundesregierung Aus-
fuhrgewährleistungen für Zulieferungen oder für Rüstungsgeschäfte erteilt,
die von multinationalen/ausländischen Unternehmen oder in Koproduktion
hergestellt werden?

8. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung künftig auch ausländische Zu-
lieferungen und örtliche Kosten in größerem Ausmaß in die Rüstungs-
exportabsicherung durch staatliche Exportkreditgarantien einzubeziehen?

9. Inwieweit können deutsche Exporteure für rüstungs- oder militärrelevante
Geschäfte in anderen Staaten Ausfuhrgewährleistungen beantragen, und in
welchem Umfang geschieht dies?

10. Ist das Thema Außenwirtschaftsförderung von Rüstungsexporten Gegen-
stand der Beratungen in der EU?

Wenn ja, wie ist der Stand der Diskussion?

Wenn nein, wo sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf?

11. Welche OECD-Staaten, insbesondere der EU oder NATO, setzen Ausfuhr-
gewährleistungen zur Unterstützung ihrer rüstungs- und militärrelevanten
Geschäfte ein?

In welchem Umfang geschieht dies nach Kenntnis der Bundesregierung?

12. Welche OECD-Staaten, insbesondere der EU oder NATO, schließen Aus-
fuhrgewährleistungen für rüstungs- und militärrelevante Geschäfte aus,
und inwieweit schränken in diesem Bereich andere OECD-Staaten Aus-
fuhrgewährleistungen ein?

13. Welche OECD-Staaten, insbesondere der EU oder NATO, informieren ihr
Parlament oder die Öffentlichkeit über ihre rüstungs- und militärrelevanten
Gewährleistungen?

Wo geschieht dies im Vorfeld der Genehmigungen?

14. Welche OECD-Länder sind hinsichtlich der Offenlegung rüstungsrelevanter
Ausfuhrgewährleistungen transparenter als die Bundesrepublik Deutsch-
land?

Zur Gewährleistungspraxis

15. Wie hoch sind insgesamt und pro Land die jeweiligen maximalen Entschä-
digungsrisiken des Bundes (Stichtag 31. Dezember 2007) aus außenwirt-
schaftlichen Gewährleistungen für rüstungs- und militärrelevante Zwecke,
und wie hoch ist jeweils der Anteil am Gesamtrisiko und dem jeweiligen
Länderplafond?

16. a) Wie viele rüstungs- und militärrelevante Deckungsanträge sind seit
1990 jährlich pro Empfängerland gestellt worden?

b) Wie viele wurden jährlich mit einer endgültigen Zusage bzw. mit einer
grundsätzlichen Stellungnahme positiv entschieden, wie viele abge-
lehnt?

c) In welchen Fällen wurde dabei nachträglich die Bindungswirkung einer
grundsätzlichen Stellungnahme auf Grund der Änderung der Sach- und
Rechtslage aufgehoben?

17. Für welche Endempfängerländer bestanden bzw. bestehen seit 1990 welche
Gewährleistungen für rüstungsrelevante Geschäfte und Dienstleistungen?

a) Wie hoch waren pro Empfängerland die im entsprechenden Jahr neu er-

teilte Höchsthaftung bzw. Enthaftung des Bundes?

Drucksache 16/9205 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
b) Welche Projekte wurden damit pro Empfängerland im Einzelnen abge-
sichert, und welche Gründe waren für die Gewährung der Deckungs-
zusagen ausschlaggebend?

c) Welche Exporteure und welche Kreditinstitute haben seit 1990 Ausfuhr-
gewährleistungszusagen erhalten?

d) Wie hoch waren ggf. die Ausgaben für Entschädigungen und Kosten pro
Empfängerland bzw. pro Deckungsnehmer?

18. Inwieweit wurde in den vergangenen Jahren gegen Exporteure/Antragstel-
ler oder deren Beauftragte, die erfolgreich Ausfuhrgewährleistungen für
Rüstungsgeschäfte beantragt haben, wegen Bestechung Anklage erhoben?

Welche Konsequenzen hat dies?

19. In welchen Fällen, wann und in welcher Höhe musste der Bund tatsächlich
im Rahmen von Hermes-Krediten, Investitionsgarantien und Ungebunde-
nen Finanzkrediten für finanzielle Ausfälle bzw. Schadensfälle bei rüs-
tungs- und militärrelevanten Geschäften haften?

20. Wie hoch ist das seit 1950 und das seit 1990 kumulierte Defizit bzw. die
Summe der bislang auf den Bund übergegangenen Forderungen für rüs-
tungsrelevante Ausfuhrgewährleistungen?

21. Inwieweit können im Rahmen eines Schuldenerlasses auf militär- oder
rüstungsrelevante Geschäfte zurückgehende Ausfuhrgewährleistungen als
ODA-fähig (Official Development Assistance) anerkannt werden?

In welchem Umfang ist dies in Deutschland geschehen?

22. Für welche Rüstungsgüter bzw. Waffensysteme (U-Boote, Hubschrauber,
usw.) wurden seit 2005 Ausfuhrgewährleistungen erteilt (bitte aufgeschlüs-
selt nach Jahr, Produkt, Art der Gewährleistung und Volumen)?

23. Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, den Bundestag in Zukunft früh-
zeitig und vor der Erteilung von rechtsverbindlichen Zusagen über Ge-
währleistungsentscheidungen für rüstungs- und militärrelevante Projekte
zu unterrichten, zu konsultieren bzw. an der Entscheidung zu beteiligen?

24. Wie viele rüstungsrelevante Ausfuhrgewährleistungen befinden sich der-
zeit noch im Genehmigungsverfahren?

Welche Länder und welche Produkte sind davon betroffen?

Berlin, den 14. Mai 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.