BT-Drucksache 16/710

Zukunftsfähige Forschung in Europa stärken

Vom 15. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/710
16. Wahlperiode 15. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Krista Sager, Hans Josef Fell, Kai Boris Gehring, Priska Hinz
(Herborn), Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Matthias Berninger, Grietje Bettin,
Alexander Bonde, Ekin Deligöz, Dr. Thea Dückert, Katrin Göring-Eckardt, Anja
Hajduk, Britta Haßelmann, Markus Kurth, Anna Lührmann, Brigitte Pothmer,
Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Dr. Harald Terpe,
Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunftsfähige Forschung in Europa stärken

Das 7. Forschungsrahmenprogramm (FRP) der Europäischen Union für die
Jahre 2007 bis 2013 kann ein entscheidender Schritt werden, um die Bevölke-
rung und die Wirtschaft der Mitgliedstaaten auf die Anforderungen des
21. Jahrhunderts einzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die EU-
Mitgliedstaaten das 7. FRP mit deutlich mehr Mitteln ausstatten als sein Vor-
gängerprogramm. Zudem sind offenere und flexiblere Strukturen notwendig
und die Themenschwerpunkte müssen noch stärker an den Bedürfnissen und
Werten der Gemeinschaft ausgerichtet werden.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union müssen ihre Anstren-
gungen erhöhen, Bildung, Forschung und Entwicklung in den Mitgliedstaaten
voranzubringen. Auf dem Dezember-Gipfel haben sich die Staats- und Regie-
rungschefs für den mehrjährigen EU-Finanzrahmen auf eine Ausgabenober-
grenze von 1,045 Prozent Bruttonationaleinkommen (BNE) oder 862 Mrd.
Euro über den Zeitraum 2007 bis 2013 geeinigt. Damit liegt die Ausgaben-
grenze deutlich unter dem Vorschlag der EU-Kommission, die in der Mittelauf-
teilung u. a. eine Verdoppelung des Forschungsetats vorgeschlagen hatte. Die
Verdoppelung ist aber unerlässlich, wenn die Union, wie in der Lissabon-
Agenda vereinbart, für Forschung und Entwicklung jährlich 3 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgeben soll. Zum Vergleich: Im Jahr 2002 lagen
die Ausgaben für Forschung und Entwicklung der EU durchschnittlich bei nur
1,93 Prozent. Damit sind sie zwar innerhalb von vier Jahren um 0,11 Prozent
gestiegen. Behielte die Union dieses Tempo bei, würde das Lissabon-Ziel der
3 Prozent im Jahr 2045 erreicht. Deswegen ist es unerlässlich, dass innerhalb
des Finanzrahmens zu Gunsten von Forschung und Bildung umgeschichtet
wird.

Gleichzeitig muss auch die Effizienz der eingesetzten öffentlichen Mittel er-
höht werden. Die inhaltliche Verknüpfung des Forschungsrahmenprogramms

mit den Bildungsrahmenprogrammen und mit den Anstrengungen für einen
europäischen Hochschulraum sowie die Stärkung der Hochschulen sind ein
wichtiger Schritt dahin. Trotz der Beschränkungen des Gesamthaushalts durch
die finanzielle Vorausschau muss es einen deutlichen Mittelaufwuchs für das
7. FRP geben. Das 7. FRP muss Prioritäten für besonders zukunftsfähige Berei-
che setzen. Dies ist umso dringender, wenn die Gesamtsumme geringer ist als
erwartet. Deswegen darf nun nicht etwa der neue Vorschlag eine gleichmäßige

Drucksache 16/710 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Kürzung aller Bereiche im Verhältnis zum Vorschlag der Kommission vom
April 2005 vorsehen.

Die Qualität und Wirksamkeit des 7. FRP müssen dadurch gesteigert werden,
dass seine Strukturen dem Neuen Raum geben. Alle Maßnahmen müssen dar-
auf ausgerichtet sein, die Durchlässigkeit und Mobilität innerhalb der Union
und über sie hinaus zu fördern und junge Forscherinnen und Forscher zu er-
mutigen und zu unterstützen. Ein weit verzweigter, tragfähiger und dynami-
scher Europäischer Forschungsraum braucht außerdem die Einbindung aller
Forschungseinrichtungen, v. a. aber der Hochschulen in das 7. FRP.

Vor dem Hintergrund begrenzter Mittel muss das 7. FRP Schwerpunkte setzen,
welchen Herausforderungen sich die Gemeinschaft mittels ihrer Forschungs-
förderung vorrangig stellen will. Gerade Mega-Projekte wie der ITER (Interna-
tional Thermonuclear Experimental Reactor) müssen in ihrem Kosten-Nutzen-
Verhältnis mit den Potentialen der Forschungspfade abgewogen werden, die
ihretwegen nicht beschritten werden könnten. Europa bedarf auch der geistes-,
kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschung. Gesellschaften wie Regie-
rungen brauchen deren Erkenntnisse zur Bewältigung der gesellschaftlichen
Wandlungsprozesse aufgrund der Globalisierung. Deswegen müssen diese
gleichrangig neben den naturwissenschaftlichen Forschungszweigen stehen.
Forschungsförderung ist kein Wert an sich, sondern findet im demokratischen
Verfassungsstaat innerhalb der Grenzen statt, die sich das Gemeinwesen gege-
ben hat. Für den Bereich der Klonforschung bestehen deswegen ethische Gren-
zen des Machbaren, deren Einhalten existentiell ist für den Charakter des
7. FRP.

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Auf dem Europäischen Gipfel von Lissabon haben sich die Regierungen der
damals 15 Mitgliedstaaten im März 2000 das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2010
der „wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum
der Welt“ zu werden. Dazu müssen die Union und die Mitgliedstaaten ihre
Anstrengungen in den Bereichen Bildung, Forschung, Entwicklung und Inno-
vation verstärken.

Das 7. FRP der Europäischen Union als zentrales Instrument europäischer For-
schungsförderung soll zur Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums
und zur Innovation beitragen. Dies soll es sowohl durch die finanzielle Unter-
stützung als auch durch eine strukturierende Wirkung auf Forschung und tech-
nologische Entwicklung bewirken. Der angestrebte Europäische Forschungs-
raum ist die Vision zukünftiger Forschung in der Europäischen Union und soll
zu einem gemeinsamen Markt für Wissenschaft und Technologie führen.

Das Rahmenprogramm ist von zentraler Bedeutung für das Erreichen des stra-
tegischen Ziels der Lissabon-Strategie. Die Verbindung Bildung – Forschung –
Innovation ist eines der wichtigsten Instrumente für die Erreichung dieses
Ziels. In der Ausgestaltung und Schwerpunktsetzung des 7. FRP müssen neben
dem Ziel der Förderung von ökonomischem Wachstum und Wettbewerbsfähig-
keit auch die anderen Ziele der Lissabon-Agenda wie eine nachhaltige Ent-
wicklung im Sozial- und Umweltbereich ihren Niederschlag finden.

Mit einem Anteil der Mittel für Forschung und Entwicklung am BIP in Höhe
von 2,5 Prozent liegt Deutschland durch die Anstrengungen der von den Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gebildeten früheren Bundes-
regierung weit über dem europäischen Durchschnitt, aber noch nicht in der

Spitzengruppe, zu der vor allem die skandinavischen Länder gehören. Dennoch

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/710

bilden aufgrund der starken Volkswirtschaft die deutschen Aufwendungen für
Forschung und Entwicklung in Europa den stärksten Beitrag für die gesamten
europäischen Aufwendungen. Deshalb ist es besonders wichtig für den Erfolg
des Lissabon-Prozesses, dass in Deutschland Staat und Wirtschaft ihren Anteil
beitragen und weiter erhöhen. Gleichzeitig muss aber auch das 7. FRP einen
deutlich höheren Umfang als sein Vorgängerprogramm haben.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt

die Steigerung der Mittel für das 7. FRP gegenüber dem Vorgängerprogramm.
Allerdings ist nach dem Vorschlag des Europäischen Rates zum mehrjährigen
EU-Finanzrahmen vom Dezember 2005 absehbar, dass die Steigerung der Mit-
tel für Forschung geringer ausfallen wird als von der Europäischen Kommis-
sion ursprünglich vorgeschlagen. Wir fordern die Bundesregierung deswegen
auf, sich bei den weiteren Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen
dafür einzusetzen, dass die Bereiche Bildung und Forschung insgesamt ein stär-
keres Gewicht erhalten, als vom Europäischen Rat vorgeschlagen. Wenn die
Union an den Zielen des Lissabon-Prozesses festhalten will, ist eine erhebliche
Steigerung der Mittel für Forschung, Entwicklung und Innovation notwendig.
Von der Erhöhung der Forschungsanstrengungen auf europäischer Ebene muss
auch ein deutliches Signal für die Mitgliedstaaten ausgehen. Diese stehen eben-
falls vor der Aufgabe, ihre Aufwendungen für Forschung und Entwicklung
entscheidend zu erhöhen, wenn sie das Ziel erreichen wollen, 3 Prozent ihres
Bruttoinlandsprodukts bis 2010 für öffentliche und private Forschungs- und
Entwicklungsaktivitäten einzusetzen. Das 7. FRP ist der zentrale Baustein für
die Europäische Union, um sich zukünftig unter verschärften internationalen
Wettbewerbsbedingungen behaupten zu können.

Falls es trotzdem nicht vermeidbar sein wird, bei der Mittelverteilung innerhalb
des 7. FRP gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom
April 2005 neue Prioritäten zu setzen, fordern wir die Bundesregierung auf,

● dafür Sorge zu tragen, dass vorrangig bei risikoreichen Technologien wie
zum Beispiel der Atomenergie – insbesondere bei der Förderung von ITER
(International Thermonuclear Experimental Reactor) – oder der Agro-Gen-
technik gekürzt wird und Kürzungen nicht etwa zu Lasten von zukunftsfähi-
gen neuen Technologien gehen;

● sich v. a. für die Programmteile zur individuellen Förderung gerade junger
Forscherinnen und Forscher, die Stärkung der Grundlagenforschung und den
Gemeinsamen Forschungsrat einzusetzen;

● sich für die Verankerung geeigneter Maßnahmen zur Stärkung der Ge-
schlechtergerechtigkeit in der Forschung einzusetzen. Dies ist sowohl im
Bereich der Arbeits- und Lebensbedingungen der Forscherinnen und For-
scher als auch bei den Forschungszielen und -ansätzen notwendig;

● die rechtlichen und administrativen Bedingungen der Einzelprogramme so
zu gestalten, dass sie transparent, unbürokratisch sowie nutzerfreundlich
sind und insbesondere für KMUs und kleinere Forschungsinstitute keine zu-
sätzlichen Barrieren aufbauen;

● fortlaufend und zeitnah über den Fortgang der Prioritätensetzung und die
konkreten Umsetzungsschritte auf allen EU-Ebenen – Parlament, Kommis-
sion, Rat – zu berichten;

● sich rechtzeitig vor Ablauf der nächsten Förderung im Rahmen des
EURATOM-Vertrages im Jahr 2011 dafür einzusetzen, dass die dort vor-
gesehenen Mittel für Energieforschung im Rahmen des 8. FRP für erneuer-
bare Energien eingesetzt werden.

Drucksache 16/710 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Für das Erreichen der Lissabon-Ziele – Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und
Verbesserung der Lebensbedingungen – ist aber nicht nur die Höhe der öffent-
lichen Aufwendungen wichtig, sondern auch die Effizienz des Mitteleinsatzes.
Die geplante Steigerung des Budgets und die Verlängerung der Laufzeit des
7. FRP im Vergleich zum Vorgängerprogramm bewirken eine besondere Ver-
antwortung für den Umgang mit den eingesetzten Mitteln. Deswegen müssen
die Forschungsziele deutlicher als bisher herausgearbeitet werden. Auch gilt es,
innerhalb des ökonomischen Schwerpunkts eine Industriezentrierung zu ver-
meiden und stattdessen die weiterhin wachsende Bedeutung des Mittelstands
und des Dienstleistungssektors angemessen zu berücksichtigen.

Das Exzellenzkriterium ist zentral für die Forschungsförderung. Bei seiner An-
wendung muss nicht nur in den neuen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden,
dass in sehr vielen – teils älteren – Wirtschaftsbereichen, die zum Wohlstand
Europas beitragen, bereits „stille Revolutionen“ große positive wirtschaftliche
Effekte mit sich bringen und hier vor allem die kleinen und mittleren Unterneh-
men Potential haben.

Besondere Aufmerksamkeit sollte innerhalb des 7. FRP dem wissenschaft-
lichen Nachwuchs gewidmet werden, um eine wissenschaftliche Laufbahn im
produktivsten Lebensabschnitt zu fördern. Junge Forscherinnen und Forscher
sollten zu einer der treibenden Kräfte in der EU werden. In allen Tätigkeits-
bereichen des Rahmenprogramms sollte es deshalb konkrete Maßnahmen für
Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler geben.

Es sollte Raum für inter- und transdisziplinäre Ansätze geschaffen werden, die
mehr als einen der definierten Forschungsschwerpunkte umfassen. Dabei sollte
ein problemorientierter Lösungsansatz als treibende Kraft gewählt werden, um
die technologieorientierte Struktur des Rahmenprogramms zu ergänzen. Bei der
Erforschung und Entwicklung neuer technologischer Verfahren, vor allem in der
Nanotechnologie, den neuen Materialien, der Energie, der Chemie, der Land-
wirtschaft, der Lebensmittel und der Gesundheit muss von Beginn an eine um-
fassende Technikfolgenabschätzung eingesetzt werden. So kann die Akzeptanz
neuer Technologien durch gesellschaftlichen Dialog mit entwickelt werden.

Auch die Forschungseinrichtungen und Unternehmen wirtschaftlich schwäche-
rer Länder müssen eine Chance haben, sich an dem Programm zu beteiligen.
Dafür muss – finanziert über die Strukturfonds – begleitend der Aufbau von
Kapazitäten betrieben werden. Dies betrifft sowohl den Aufbau von For-
schungsinfrastrukturen wie neue Forschungseinrichtungen als auch den Aufbau
von solchen Instituten, die KMUs und kleine Forschungsinstitute beim Zugang
zu EU-Forschungsmitteln unterstützen. Die Mittel des 7. FRP selbst sollten
allerdings nicht für Strukturmaßnahmen verwendet werden. Nichtsdestotrotz ist
der Ansatz der Kommission zu begrüßen, den physikalischen und virtuellen
Zugang zu Forschungsinfrastrukturmaßnahmen zu unterstützen.

Die gemeinsame Forschungsförderung der Europäischen Union trifft bio-
ethische Richtungsentscheidungen. Im Interesse der Chancengleichheit aller
Mitgliedstaaten sollten daher solche Forschungsarbeiten nicht von der EU ge-
fördert werden, an denen sich einzelne Mitgliedstaaten aus Rechtsgründen
nicht beteiligen können, weil und soweit solche Forschungsvorhaben nach der
Rechtsordnung ihres Landes unter Strafe stehen. Dabei bleibt es Mitgliedstaa-
ten, die einen solchen Forschungsbereich unterstützen wollen, unbenommen,
ihn mit eigenen Förderungsinstrumenten auf nationaler Ebene zu finanzieren.

In der Debatte um das Europäische Technologieinstitut muss sorgfältig geprüft
werden, welches der vorgeschlagenen Modelle die erhoffte Wirkung als Attrak-
tion für die besten Köpfe, Ideen und Unternehmen der Welt am besten erfüllen
und den besten Austausch zwischen Forschung, Ausbildung und Technologie-

transfer gewährleisten kann.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/710

Zu den einzelnen Bestandteilen des vorgeschlagenen 7. FRP:

Kapazitäten

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt

die Vorschläge der Kommission, kleineren und mittleren Unternehmen einen
besseren Zugang zu verschaffen. Auch wenn Kernelemente des Programms wie
die Kooperationsprogramme, darunter auch die Technologieplattformen, die
Teilnahme großer Unternehmen und Forschungseinrichtungen bevorzugen,
können KMUs hingegen häufig schon mit kleineren Innovationsschritten Um-
satz und Mitarbeiterzahl ganz im Sinne der Lissabon-Strategie deutlich aus-
bauen. Folglich wird eine Instrumenten- und Projektauswahl benötigt, die klei-
neren Unternehmen und Forschungsorganisationen den Zugang erleichtert.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich dafür einzusetzen, dass der Forschungsmittelzugang stärker für kleine
Universitäten und kleinere Forschungseinrichtungen sowie KMUs geöffnet
wird. Dies kann nur mit einem deutlichen Abbau der Bürokratie bei der An-
tragstellung gelingen. Es muss gewährleistet sein, dass auch kleine und mitt-
lere Einrichtungen Zugang zu den großen Förderlinien der Europäischen
Forschungsförderung erhalten. Gerade für den Aufbau einer starken For-
schungslandschaft in den neuen EU-Mitgliedsländern ist dies unabdingbar;

● geeignete Maßnahmen zu entwickeln, die dafür Sorge tragen, dass KMUs an
den Programmen des Bereichs Zusammenarbeit mindestens die 15 Prozent
aus dem 6. FRP erreichen; dazu gehören eine Vereinfachung des Antrags-
verfahrens, Transparenz der Maßnahmen und regionale Beratungskapazitä-
ten. Dazu könnte ein Netzwerk von Wirtschaft, Wissenschaft und europäi-
scher Förderung geschaffen werden, das praxisnahe Beratung anbietet;

● sich dafür einzusetzen, dass neben dem Auswahlkriterium der Exzellenz bei
der Förderung auch das Anwendungspotential der Innovationen berücksich-
tigt wird;

● sich dafür einzusetzen, die Beteiligungsmöglichkeiten für kleinere gemein-
nützige Forschungseinrichtungen ohne institutionelle Grundförderung im
7. FRP substantiell zu verbessern. Dazu sollten für diese bei positiv begut-
achteten Projekten deutlich höhere Zuwendungsanteile für direkte und indi-
rekte Kosten von Forschungsaktivitäten ermöglicht werden. Darüber hinaus
sollte diesen Einrichtungen für den zu erbringenden Eigenanteil eine natio-
nale Ko-Finanzierung gewährt werden, die deutlich mehr als die Hälfte des
von den Instituten zu erbringenden Eigenanteils übernimmt.

Menschen

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt

die von der Kommission im Entwurf zum 7. FRP vorgelegten Instrumente zur
Förderung des internationalen Austauschs für Forscherinnen und Forscher. Die
Unterstützung der einzelnen Forscherin und des einzelnen Forschers ist Grund-
lage einer erfolgreichen Strukturpolitik. Im Zuge der Schaffung eines Euro-
päischen Forschungsraums ist es überfällig, Mobilitätshürden abzubauen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● dafür Sorge zu tragen, dass die Personenförderung im 7. FRP weiter aus-
gebaut wird;
● sich dafür einzusetzen, Schwerpunkte der Förderung in der Stärkung der
Teilhabe von Frauen an Forschung und Entwicklung zu setzen;

Drucksache 16/710 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● sich dafür einzusetzen, dass mehr Mittel für die Förderung der wissenschaft-
lichen Post-Doc-Phase sowie für die Unterstützung von Teams von Nach-
wuchswissenschaftlern eingesetzt werden;

● sich dafür einzusetzen, Forschungsfragen und -projekte generationsübergrei-
fend zu entwickeln, Erfahrungswissen in die Forschungsansätze zu integ-
rieren und insgesamt die Teilhabe aller Generationen an Forschung und
Entwicklung zu stärken;

● auf nationaler Ebene gemeinsam mit den Ländern und den Tarifpartnern die
Bedingungen für mehr Mobilität von Forscherinnen und Forschern zwischen
verschiedenen Forschungseinrichtungen und Sektoren zu verbessern;

● sich auf nationaler und internationaler Ebene für die Erleichterung der beruf-
lichen Mobilität einzusetzen. Der angestrebte Europäische Forschungsraum
kann nur wachsen, wenn er auf nationaler, gemeinschaftlicher und inter-
nationaler Ebene als solcher verankert und gefördert wird. Dazu bedarf es
der Zusammenarbeit mit den Ländern und den Wissenschaftsorganisationen
genauso wie mit internationalen Wissenschaftsorganisationen und den
Regierungen von Drittstaaten.

Ideen

Europäischer Forschungsrat (ERC)

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt

die Schaffung eines Europäischen Forschungsrates als ein Instrument der
Exzellenzförderung in der Grundlagenforschung. Damit kann sowohl ein wich-
tiger Schritt zum notwendigen Bürokratieabbau erreicht werden als auch die
europäische Forschung um innovative Ansätze erweitert werden, die ein be-
sonders großes Potential aufweisen.

Die Stärkung von Forschungsförderung durch Forscherinnen und Forscher ist
ein wichtiger Schritt hin zu einer international konkurrenzfähigen Forschungs-
landschaft. Dabei muss allerdings vermieden werden, dass der ERC die Förde-
rung auf technologisch-naturwissenschaftliche Fragestellungen einengt. Geis-
tes- und gesellschaftswissenschaftliche Vorhaben müssen genau wie inter- und
transdisziplinäre gleichermaßen gefördert werden. Gerade die Herausforderun-
gen durch gesellschaftliche Transformationsprozesse in Europa und globale
Veränderungen bedürfen einer eingehenden wissenschaftlichen Reflexion und
Begleitung. Es gilt außerdem, darauf zu achten, dass diese Fragestellungen
auch in den Bewilligungsgremien hinreichend repräsentiert sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass geprüft wird, wo ausreichende
exzellente Projekte mit europäischer Dimension zu erwarten sind, die nicht
durch nationale Programme abgedeckt sind. Durch eine solche Überprüfung
kann der europäische Mehrwert der gemeinschaftlichen Förderung sicherge-
stellt werden und zwischen nationaler und europäischer Forschungsförde-
rung Synergieeffekte erreicht werden, was angesichts der Neuheit des In-
struments sowie der Neuheit des Förderschwerpunkts sinnvoll ist;

● sich an der Entwicklung von Mechanismen zu beteiligen, die sicherstellen,
dass der Europäische Forschungsrat als neues Instrument, dem eine große
Verantwortung für die Entwicklung der europäischen Forschungslandschaft
übergeben wird, gesamteuropäisch denkt, sachorientiert und effektiv arbeitet
und effizient wirkt. Um dies zu unterstützen, muss eine kontinuierliche be-

gleitende Evaluierung von vorneherein implementiert werden. Diese muss
auch das Auswahlverfahren und die Zusammensetzung des ERC umfassen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/710

Zusammenarbeit

Unter den zehn Punkten im Bereich der Zusammenarbeit sind folgende As-
pekte von zentraler Bedeutung:

1. Gesundheit

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt

den Vorschlag der Kommission, der medizinischen Forschung einen hohen
Stellenwert zu geben. Die Förderung der Gesundheit der Bürgerinnen und
Bürger Europas steht gleichberechtigt neben dem Ziel der Erhöhung der Wett-
bewerbsfähigkeit der europäischen Industrie in diesem Sektor; positiv zu be-
werten ist auch der Richtungswechsel hin zu umfassenderen Ansätzen im
Gesundheitssektor. Unterstützenswert ist auch die Absicht, die Forschung für
Malaria, Aids und Tuberkulose fortzusetzen sowie vernachlässigte Krankheiten
verstärkt zu erforschen. Die Forschung zur Bekämpfung tödlicher und schwerer
chronischer Krankheiten, insbesondere der Immunschwächekrankheit HIV/
Aids, aber auch von Tuberkulose und Malaria, erhöht den wichtigen Beitrag
europäischer Forschung im Kampf gegen diese Krankheiten, den die am stärks-
ten betroffenen Länder nicht ohne internationale Unterstützung gewinnen kön-
nen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich im 7. FRP dafür einzusetzen, dass gerade angesichts steigender Kosten
im Gesundheitsbereich die Förderung nicht ausschließlich auf die Phar-
mako-Therapie konzentriert wird, sondern den besonderen Therapierichtun-
gen auch in der Forschung mehr Gewicht gegeben wird. In der Forschungs-
förderung nahmen bisher die Krankheitsbekämpfung durch Genom-
forschung und die molekulare Medizin den meisten Raum ein. Neben dieser
sehr spezifischen und individuenbezogenen Betrachtung von Krankheits-
ursachen bedarf es aber dringend der stärkeren Unterstützung ganzheitlicher
und bevölkerungsbezogener Ansätze der Gesundheitsforschung sowie der
Versorgungsforschung. Dies erscheint vor dem Hintergrund des demo-
grafischen Wandels und der Umbrüche in den sozialen Sicherungssystemen
in allen Mitgliedstaaten als unabdingbar. In epidemiologischen Studien die-
ser Art liegt auch gerade der geforderte europäische Mehrwert einer durch
das 7. FRP geförderten Gesundheitsforschung;

● zur Umsetzung dieser ganzheitlicheren Sichtweise darauf hinzuwirken, dass
auch die Präventionsforschung verstärkt Eingang in das Programm findet;

● sich dafür einzusetzen, im Hinblick auf die diagnostischen und therapeu-
tischen Entwicklungen auch im Bereich der Gesundheitsforschung die vor-
gesehene stärkere sozial- und geisteswissenschaftliche Begleitforschung
sicherzustellen;

● sich dafür einzusetzen, die Anstrengungen im Bereich der vernachlässigten
Krankheiten zu verdoppeln, und die besonders verbreiteten Krankheiten wie
Leishmaniose, Schlafkrankheit und Chagas-Krankheit zu beforschen. Be-
sonders wichtig ist es hier, auch die Medikamentenentwicklung und die
Einbindung der lokalen Infrastrukturen einzubeziehen;

● darauf hinzuwirken, dass auch die Palliativmedizin verstärkt Eingang in das
Programm findet;

● dass auch auf europäischer Ebene bei den Forschungsprojekten eine Be-
schränkung auf bestehende Stammzelllinien im Sinne des deutschen Stamm-
zellgesetzes vorgenommen wird;
● dass keine Projekte gefördert werden, bei denen Embryonen zu Forschungs-
zwecken hergestellt oder vernichtet werden;

Drucksache 16/710 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● dass keine Projekte gefördert werden, bei denen die freiwillige und unent-
geltliche Spende von Geweben und Zellen für die Forschung nicht sicher-
gestellt ist;

● dass keine Projekte zum Klonen von Embryonen und zu Versuchen zu
Keimbahneingriffen gefördert werden.

2. Ernährung, Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

● dass die Kommission neue Ansätze zur Erforschung der ökologischen Land-
wirtschaft und naturgemäßer Anbaumethoden vorschlägt, auch wenn die
Mittelansätze noch zu gering sind;

● die Ausweitung des 7. FRP auf Fragen der Sicherheit und Qualität von
Lebensmitteln. Die Nachfrage nach sicheren, gesunden und qualitativ hoch-
wertigen Lebensmitteln nimmt genauso zu wie die Notwendigkeit, die
biologischen Ressourcen nachhaltig und schonend zu nutzen. Das steigende
Risiko für Tierseuchen und von Tier zu Mensch übertragbaren Krankheiten
ist zu recht genauso in den Blick gerückt wie ernährungsbedingte Krank-
heiten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich dafür einzusetzen, dass im 7. FRP die Forschung im Bereich des ökolo-
gischen Landbaus ausgebaut und die Überbetonung der Agro-Gentechnik
abgebaut werden. Der Schwerpunkt sollte zukünftig stärker auf das optimale
Zusammenwirken von Böden, Tier- und Pflanzenarten auf den Feldern ge-
legt werden. Dafür muss die Forschung an ökonomischen und naturverträg-
lichen Anbaumethoden wie z. B. dem Mischfruchtanbau und der Agro-
forstwirtschaft verstärkt werden;

● sich dafür einzusetzen, durch verstärkte Forschung im Bereich des Anbaus
und der Verarbeitung von nachwachsenden Rohstoffen die Abhängigkeit der
chemischen Industrie Europas vom Erdöl zu verringern;

● sich dafür einzusetzen, dass die Forschung zur Fragestellung des effiziente-
ren Ressourceneinsatzes vorangetrieben wird. Dazu gehört auch der Bereich
der Weißen Biotechnologie in geschlossenen Systemen;

● sich dafür einzusetzen, dass die bisher ungenutzten Potentiale des öko-
logischen Landbaus durch eine stärkere Förderung solcher Forschungs-
ansätze nutzbar gemacht werden;

● sich dafür einzusetzen, in der Agrarforschung die Gesichtspunkte des Tier-
schutzes und der Stärkung ländlicher Strukturen deutlich zu verstärken. Die
Forschung muss auch gestärkt werden, um die Nachhaltigkeit und Sicherheit
von land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Produkten unter den Bedin-
gungen von Klimawandel und Globalisierung langfristig sichern zu können;

● sich dafür einzusetzen, dass auch diese Forschungsbereiche die Fragen des
Schutzes der Verbraucherinnen und Verbraucher genauso aufnehmen wie
die kultur- und sozialwissenschaftlichen Dimensionen von Ernährung und
Landwirtschaft.

3. Informations- und Kommunikationstechnologien

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass der IuK-Technologie im vorliegenden Entwurf ein großer Stellenwert zu-
gemessen wird. Die neuen Technologien sind nicht nur in ihren Ausprägungen

wie Breitband und Glasfaser von technischer und wirtschaftlicher Bedeutung,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/710

sondern haben in ihrer Nutzung als Informations- und Kommunikationstechno-
logien eine große gesellschaftspolitische Bedeutung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich dafür einzusetzen, dass gerade mit öffentlichen Fördermitteln verstärkt
„open source“-Projekte gefördert und deren Rahmenbedingungen verbessert
werden;

● sich dafür einzusetzen, dass die überwiegend mittelständische europäische
Unternehmensstruktur im IuK-Bereich in der Förderstruktur berücksichtigt
wird;

● den Blick stärker auf die Umweltbilanz von IuK-Produkten zu richten. Dies
gilt sowohl für die eingesetzten Materialien als auch für eine bessere Wie-
derverwertbarkeit (Rezyklierbarkeit) als auch für die Eindämmung des dras-
tisch steigenden Energieverbrauchs im IuK-Bereich;

● sich dafür einzusetzen, dass IuK-Technologie als Querschnittstechnologie
gesehen und entsprechend gefördert wird. Um die IuK-Technologie in ihrem
großen Potential einer „Befähigungstechnologie“ für eine demokratische
Wissensgesellschaft nutzbar zu machen, müssen Querschnittsanliegen wie
gesellschaftliche Partizipation und Akzeptanz, wissensbasierte Wirtschaft
und Geschlechtergleichheit nachhaltig gestärkt werden;

● die kommunikations-, sozial- und geisteswissenschaftliche Begleitforschung
zum reflektierten und professionalisierten Umgang mit IuK-Technologien
sowie deren Chancen und Risiken, zur Verbesserung der Medienkompetenz
und zur Überwindung der digitalen Spaltung in der Informations- und Wis-
sensgesellschaft zu stärken.

4. Nanotechnologie, Material- und neue Produktionstechnologien

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt

den großen Stellenwert, der der Nanotechnologie, der Materialentwicklung und
den Produktionstechnologien zugemessen wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● zu überprüfen, wie eine effizientere Förderung aussehen kann, die die Quer-
schnittstechnologiefelder Nano- und Materialtechnologien als Querschnitts-
aufgaben den einzelnen thematischen Schwerpunkten zuordnet und so eine
ressourcenschonende Verknüpfung erreichen kann. Die Überprüfung sollte
auch vor dem Hintergrund durchgeführt werden, dass die Grundlagen-
forschung vor allem über den Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördert
werden soll;

● zu überprüfen, wie weit eine Zuordnung der Produktionstechnologien zu
den Nano- und Materialtechnologien sinnvoll ist und wie weit die Produkti-
onstechnologien einen übergeordneten Bezug haben, der auf andere Weise
zusätzlich gefördert werden sollte;

● zu überprüfen, wie die Querschnittstechnologien der optischen Technolo-
gien und der Mikrosystemtechnik sowie der Chemie ebenfalls in das Pro-
gramm integriert werden können;

● sich dafür einzusetzen, dass die Begleitforschung von Beginn an verankert
wird, so dass die möglichen Folgen der Nanotechnologie intensiv untersucht
und Ansätze entwickelt werden, denkbare negative Folgen zu vermeiden
oder wenigstens auf ein unbedenkliches Maß zu minimieren;

● sich dafür einzusetzen, dass Produktionstechnologien vor allem dahin ge-

hend beforscht werden, dass sie den Ressourcenverbrauch minimieren und

Drucksache 16/710 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bereits inhärent Risiken ausschließen sowie im Normalbetrieb keine schäd-
lichen Emissionen aufweisen. Ziel ist es, über einen Wandel von einer res-
sourcenintensiven hin zu einer wissensintensiven Produktionstechnologie
die globale Führung auszubauen.

5. Energie

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass angesichts der großen Herausforderungen wie der weltweit wachsenden
Energienachfrage und der steigenden Ölpreise sowie des bedrohlichen Klima-
wandels die Energieforschung weiterhin einen eigenen Schwerpunkt bildet.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich dafür einzusetzen, dass gerade in der Energieforschung eine Gesamt-
strategie entwickelt und verfolgt wird, die die Unabhängigkeit von Erdöl
und Erdgas zum Ziel hat. Dazu müssen sowohl Fragen der Ressourceneffizi-
enz als auch der nachwachsenden Rohstoffe verstärkt bearbeitet werden;

● sich dafür einzusetzen, dass für erneuerbare Energien im Strombereich min-
destens soviel Mittel veranschlagt werden wie für die Kernfusionsforschung
im Rahmen des EURATOM-Programms. Unabhängig davon sollten die
Forschungsmittel für erneuerbare Energien jährlich höher sein als die für
die Nuklearforschung. Angesichts der bereits aktuell besonders großen Be-
deutung der erneuerbaren Energien für Arbeitsplätze, einen zukunftsfähigen
Energiemix und die technologische Leistungsfähigkeit Europas ist für die
erneuerbaren Energien ein eigener thematischer Schwerpunkt mit einem
vorab festgelegten Budget zuzuweisen;

● sich dafür einzusetzen, dass die Wasserstoffforschung in den thematischen
Schwerpunkt Verkehr anstelle der Energie eingegliedert wird;

● sich dafür einzusetzen, dass Speichertechnologien im Bereich der Strom-
sowie Wärme- und Kältespeicherung in das 7. FRP aufgenommen werden;

● sich dafür einzusetzen, dass CO2-Abspaltungstechnologien nicht nur für
Kohle, sondern auch für Bioenergien entwickelt werden und der Umwelt-
verträglichkeit ein besonders hoher Stellenwert bei der CO2-Lagerung zu-
gemessen wird;

● sich dafür einzusetzen, dass zukunftsträchtige hocheffiziente Übertragungs-
technologien wie die Supraleitung im 7. FRP berücksichtigt werden;

● dass ebenso wie im 6. FRP im 7. FRP keine Mittel für die Entwicklung
neuer Atomreaktoren zur Verfügung gestellt werden;

● sich dafür einzusetzen, dass die Höhe der Mittel, die für die Kernfusion aus-
gegeben werden, in eine Relation gebracht werden zum Potential der Kern-
fusion, in den nächsten zwei Jahrzehnten einen relevanten Anteil an der
Primärenergiebedarfsdeckung zu leisten. So ist zu berücksichtigen, dass
alleine die erneuerbare Energie „Geothermie“, die bereits jetzt auf den
Markt kommt und bereits in wenigen Jahrzehnten einen großen Beitrag zur
EU-Energieversorgungssicherheit liefern kann, über ein großes Potential
verfügt, die sie im Gegensatz zur Kernfusion auf absehbare Zeit auch nutz-
bar machen wird.

6. Umweltforschung

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass die Umweltforschung weiterhin einen thematischen Schwerpunkt darstellt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/710

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich dafür einzusetzen, dass in der Umweltforschung neben die Problem-
analyse verstärkt auch die Problemlösung in den Vordergrund gerückt wird.
So sollte integralen Ansätzen wie z. B. den Null-Verlust-Prozessen und der
Null-Emissions-Technologie Vorrang eingeräumt werden gegenüber den
„end-of-pipe“-Technologien;

● sich für die verstärkte Förderung von Verfahren zur so genannten Weißen
Biotechnologie einzusetzen. In Verbindung mit nachwachsenden Rohstoffen
stellen sie eine große Chance dar, die Abhängigkeit der Chemie vom Erdöl
zu verringern;

● sich für die Förderung der Forschung zu Dienstleistungen im Umwelt-
bereich einzusetzen. Sie sollten in der Forschung ebenso berücksichtigt
werden wie umweltfreundliche Technologien;

● sich für die verstärkte Förderung geistes- und sozialwissenschaftlicher Um-
weltforschung einzusetzen. Umweltprobleme können nie durch technische
Lösungen allein gelöst werden. Aus diesem Grund muss die Entwicklung
von Umweltbewusstsein und umweltgerechter Verhaltensweisen vermehrt
beforscht werden.

7. Verkehr

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass die verschiedenen Verkehrsbereiche Land, Wasser, Luft nun in einem
Schwerpunkt zusammengefasst sind. Dies wird zu einem geweiteten Blick-
winkel führen und so zur notwendigen Steigerung der Effizienz beitragen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich dafür einzusetzen, die Forschungsgelder für umweltfreundliche, integ-
rierte Verkehrssysteme wie die Stärkung des öffentlichen Verkehrs deutlich
zu erhöhen. Auch hier müssen interdisziplinäre Forschungsansätze bevor-
zugt werden. Insbesondere reicht eine rein technologische Herangehens-
weise nicht aus. Nur eine Verzahnung mit sozialwissenschaftlichen For-
schungsansätzen wie etwa der Lebensstilforschung, Umweltpsychologie,
Umweltökonomie etc. ist hier Erfolg versprechend. Besondere Berücksichti-
gung bei der Forschung muss der demografische Wandel finden mit der
Frage der Anpassung unserer Verkehrssysteme an eine alternde Gesell-
schaft. Forschungsziele müssen die Vermeidung unnötiger Verkehre sowie
die Minimierung und ökologische Optimierung von Verkehrsströmen sein;

● sich dafür einzusetzen, dass in der Verkehrsforschung die individuellen und
gesellschaftlichen Mobilitätsbedürfnisse in ihrer Vereinbarkeit mit Nach-
haltigkeit und Umweltschutz im Mittelpunkt stehen;

● sich dafür einzusetzen, die Wasserstoffforschung im Verkehrssektor anzu-
gliedern. Da die Energiebilanz von Wasserstoff im Verkehrssektor deutlich
besser ist als im Strombereich, sollte die Wasserstoffforschung hier ihren
Schwerpunkt haben und folglich auch in diesem thematischen Schwerpunkt
veranschlagt werden. Wasserstoff ist nur eine mögliche Zukunftsoption; eine
einseitige Konzentration nur auf ihn sollte daher vermieden werden, dies
insbesondere auch im Hinblick auf die umfangreichen Anstrengungen Ja-
pans im Bereich der Hybridtechnologie;

● sich für einen breiten Ansatz in der Entwicklung von Null-Emissions-
Mobilität einzusetzen. Diese sollte sich nicht nur auf Wasserstoff und Brenn-

stoffzelle beschränken, sondern vor allem auch die Elektromobilität in Ver-
bindung mit Batteriespeichern unterstützen;

Drucksache 16/710 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● sich dafür einzusetzen, dass umweltfreundliche Stadtverkehrskonzepte und
Verkehrskonzepte für den ländlichen Raum jeweils unterschiedlich für
wachsende wie auch schrumpfende Regionen entwickelt werden. Im Rah-
men dieser Konzepte sollen auch alternative Nutzungsmöglichkeiten des
Automobils (Car Sharing, Car Pooling) untersucht werden;

● sich dafür einzusetzen, erneuerbare Energien und alternative Antriebstech-
nologien verstärkt auch im Schifffahrtsbereich zu erforschen;

● sich dafür einzusetzen, dass die Verkehrsforschung im Wesentlichen auf die
Lösung der Umwelt- und Ressourcenprobleme sowie die Schaffung von
Verkehrsicherheit ausgerichtet wird. Hierzu zählen: Energieverbrauch, Ver-
ringerung des Ausstoßes von Klimagasen und Schadstoffen, Verminderung
des Flächenverbrauchs und des Lärms sowie Verringerung der Zahl der Ver-
kehrstoten und Verletzten. Daneben brauchen wir intelligente Mobilitäts-
konzepte, um den „modal split“ langfristig zu verändern;

● sich dafür einzusetzen, dass Lösungen für technische und organisatorische
Hemmnisse des Schienenverkehrs, die das Wachstum dieses umweltfreund-
lichen Verkehrsträgers vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr brem-
sen, beforscht werden;

● speziell bei der Luftverkehrsforschung den Forschungsschwerpunkt auf eine
Reduktion der Klimagase und Geräusche sowie die Luftverkehrssicherheit
zu setzen. Angesichts der langen zeitlichen Entwicklungsvorläufe und des
absehbaren Überschreitens des Maximums der globalen Erdölförderung ist
es höchste Zeit, auch hier die Abhängigkeit vom Erdöl drastisch zu reduzie-
ren. Die Luftverkehrsforschung sollte deswegen auf alternative umwelt-
verträgliche Kraftstoffe ausgerichtet werden, die auf nicht erschöpfbaren
Rohstoffen basieren.

8. Geistes- und Sozialwissenschaften

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt

den vorgesehenen Schwerpunkt in der geistes-, kultur- und sozialwissenschaft-
lichen Forschung. Angesichts großer Herausforderungen in der gesellschaft-
lichen Entwicklung der Mitgliedstaaten zeichnen sich die Fragen, vor denen der
aktive und dynamische Sozialstaat auf seinem Weg in die wissensbasierte Wirt-
schaft steht, immer deutlicher ab: Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung,
Migration und Integration, demografische Entwicklung und alternde Gesell-
schaften, Geschlechterverhältnis und Wohlstandsgefälle, soziale Absicherung
und individuelle Risiken, Bildungsteilhabe und demokratische Partizipation.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich dafür einzusetzen, den Anteil der sozial-, kultur- und geisteswissen-
schaftlichen Forschung im 7. FRP anzuheben;

● dafür zu sorgen, dass sozial-, kultur- und geisteswissenschaftliche For-
schung inklusive Technikfolgenabschätzung von Beginn an in die einzelnen
Forschungsfelder und Forschungsprojekte einfließt. Durch solch interdiszip-
linäre Ansätze kann die gesellschaftliche Partizipation in allen Forschungs-
bereichen implementiert werden. Die Möglichkeit zu Rückmeldung und
Mitgestaltung erhöht die Akzeptanz von Forschung und Implementation und
trägt dadurch zu einer nachhaltigen Qualitätssteigerung europäischer For-
schungspolitik bei;

● die Rolle der sozial-, kultur- und geisteswissenschaftlichen Forschung für

die Herausbildung und Weiterbildung ethischer Normen, insbesondere auch
im Bereich der Biowissenschaften, zu unterstützen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/710

● sich dafür einzusetzen, dass eine gesellschaftliche Diskussion über die
Entwicklung von Wissenschaft und Forschung, z. B. über „open science“-
Ansätze, unterstützt wird und der Austausch zwischen Wissenschaft und
Gesellschaft und die Reflexion über Wissenschaft verstärkt wird;

● sich für die verstärkte Förderung sozial-ökologischer Ansätze einzusetzen;

● insbesondere solche geisteswissenschaftlichen Forschungsfelder zu stärken,
die zentrale gesellschaftliche Zukunftsfragen beforschen. Dazu gehören vor
allem die Bildungsforschung, Integrations- und Inklusionsansätze in moder-
nen Einwanderungsgesellschaften, die Entwicklung und Gestaltung der
demografischen Alterung, die Globalisierungs- und Migrationsforschung,
Konzepte zur Gleichstellung und Förderung sowohl unter dem Stichwort
„Gender“ als auch gesellschaftlicher Minderheiten und die Zukunft der
Arbeitsgesellschaft in wissensbasierten Ökonomien.

9. Sicherheitsforschung

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

● dass der Bereich sicherheitsrelevanter Forschung Eingang in die Überle-
gungen der Kommission zum 7. FRP Eingang gefunden hat und für diesen
Bereich mit dem „Europäischen Sicherheitsforschungsprogramm“ (ESRP)
ein kooperativ-europäischer Ansatz gewählt wird;

● dass sich die Bundesregierung in der Vergangenheit für eine Konzentration
auf die zivile Forschung zu Fragen der inneren Sicherheit ausgesprochen
und eine Finanzierung von Verteidigungsforschung aus dem Haushalt des
FRP ausgeschlossen hat. Ebenso wichtig war es, dass die Bundesregierung
dafür eingetreten ist, Themen der Friedens- und Konfliktforschung als ei-
genständigen Forschungsschwerpunkt im FRP zu verankern und dafür ein-
zutreten, dass sich die Industrie finanziell durch Eigenbeiträge angemessen
beteiligt und der Ergebnis- und Technologietransfer zwischen allen Berei-
chen verbessert wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich im Rahmen des Forschungsprogramms weiterhin für die Konzentration
auf die zivile Forschung und eine möglichst klare strukturelle Trennung
zwischen Sicherheitsforschung, Verteidigungsforschung und Weltraum-
forschung einzusetzen;

● sich dafür einzusetzen, dass ein integrierter, interdisziplinärer Ansatz in der
Sicherheitsforschung gewählt wird, der eine Technologiefixierung vermei-
det und sicherheitsrelevante Fragestellungen und Methoden aus dem geis-
tes- , sozial- und kulturwissenschaftlichen Forschungsbereich und wichtigen
Bereichen wie z. B. Umwelt, Energie, Verkehr, Verbraucherschutz, Informa-
tionstechnologie einbezieht;

● sich weiterhin dafür einzusetzen, dass vor dem Hintergrund eines umfassen-
den Sicherheitsbegriffs der Bereich der Friedens- und Konfliktforschung als
eigenständiger Forschungsschwerpunkt eingerichtet und ausgebaut wird und
damit auch Fragen wie Staatszerfall, Terrorismusbekämpfung, Völkerrechts-
fragen, Sicherheitssektorreform, Demobilisierung und Reintegration von
Kombattanten, Nichtweiterverbreitung und Abrüstung, zivile Krisenprä-
vention, integriertes Krisenmanagement, transnationale Migration u. v. a. im
europäischen Kontext vertiefend behandelt werden;

Drucksache 16/710 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Vermeidung terroristischer
Sicherheitsbedrohungen dafür einzusetzen, dass die Erforschung von Tech-
nologien, die ein hohes Gefährdungspotential für die Freiheit der Bürger
haben, mit großer Vorsicht betrachtet werden und hier verstärkte Begleit-
forschung erfolgt;

● sich weiterhin dafür einzusetzen, dass sich die Industrie angemessen an der
Finanzierung der Sicherheitsforschung beteiligt und der Transfer der For-
schungsergebnisse verbessert wird.

10. Weltraumforschung

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt,

dass die Grundlagenforschung durch die Förderung der europäischen Welt-
raumforschung weiterhin nachhaltig unterstützt werden wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● sich dafür einzusetzen, dass die Weltraumforschung, die über das 7. FRP
finanziert wird, keine Überschneidungen zu den ESA-Programmen aufweist;

● sich aufgrund der hohen Kosten von Weltraumforschungsprojekten dafür
einzusetzen, dass während der Projektphase regelmäßige und unabhängige
Evaluierungen durchgeführt werden. Sollten derartige Evaluierungen nega-
tiv ausfallen, müssen Programme abgebrochen werden können;

● darauf zu achten, dass die Weltraumforschung, die über das 7. FRP finan-
ziert wird, sich vordringlich auf Beiträge zur Lösung der europäischen und
globalen Herausforderungen konzentriert und auf solche Projekte be-
schränkt bleibt, die nicht mit anderen Forschungsansätzen und -mitteln und
zu einem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis erbracht werden können. Po-
sitiv hervorzuheben sind hierbei vor allem Forschungsprogramme zur Erd-
beobachtung und -erforschung;

● sich dafür einzusetzen, dass auch andere Bereiche zur Erforschung des
„Systems Erde“ wie die Meeresforschung und deren innovative Potentiale
nicht zu kurz kommen.

Unter dem Oberbegriff der Zusammenarbeit werden von der EU-Kommission
weitere Initiativen vorgeschlagen:

Gemeinsame Technologieinitiativen

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt

den Vorschlag, die Forschungsvorhaben der Industrie mit denen aus dem
7. FRP zu gemeinsamen Initiativen zu bündeln. Allerdings scheint zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt eine Erprobung in ausgewählten Fällen sinnvoller als ein
ausgedehnter Förderschwerpunkt. Eine angemessene Beteiligung der Industrie
muss in diesen Projekten sichergestellt sein.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

dafür Sorge zu tragen, dass dieser Förderaspekt nicht zu Lasten der Projekte mit
KMUs geht und dass eine fortlaufende Evaluation der Projekte implementiert
wird.

Koordinierung von Forschungsprogrammen durch ERA-Net

I. Der Deutsche Bundestag begrüßt

die Evaluation des im Rahmen des 6. FRP entwickelten ERA-Net-Programms.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/710

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die Ergebnisse von ERA-Net auszuwerten. Auf der Basis der dadurch gewon-
nenen Erkenntnisse sollte das Programm, das die Vernetzung nationaler und
regionaler Förderprogramme leistet, ergänzt und um „ERA-Net-Plus“ weiter-
entwickelt werden.

Berlin, den 15. Februar 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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