BT-Drucksache 16/6734

Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert

Vom 18. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6734
16. Wahlperiode 18. 10. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina
Bunge, Roland Claus, Diana Golze, Katja Kipping, Katrin Kunert, Dr. Ilja Seifert,
Frank Spieth, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

17 Jahre nach der Vereinigung werden die Renten Ost und West immer noch
mit unterschiedlichen Rentenwerten berechnet. Das Versprechen, dass es ab
dem Jahr 1996 zu einer Angleichung kommt, ist nicht eingelöst. Das führt zu
nicht akzeptablen sozialen Ungleichbehandlungen, weil die Lebenshaltungs-
kosten in Ostdeutschland mittlerweile auf westdeutschem Niveau angekommen
sind, die Renten aber noch immer knapp zehn Prozent unter dem westdeutschen
Niveau verharren. Diese Ungerechtigkeiten zu überwinden, sollte der Bundes-
regierung ein dringlichstes Anliegen sein.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

bis Ende 2007 einen Stufenplan vorzulegen, nach dem schnellstmöglich in
mehreren Schritten bis spätestens 2012 der aktuelle Rentenwert (Ost) auf den
aktuellen Rentenwert angehoben wird. Diese Angleichung ist aus Steuermitteln
zu finanzieren. Die erste Stufe tritt zum 1. Juli 2008 in Kraft. Die Höherbewer-
tung der Einkünfte in Ostdeutschland bleibt unverändert.

Berlin, den 15. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland
bleibt ein wichtiges politisches Ziel. Dabei geht es sowohl um die Angleichung

der Einkommen in Ostdeutschland an das Westniveau als auch um die Anglei-
chung der Rentenwerte und damit der Renten.

Seit dem 1. Juli 2007 beträgt der aktuelle Rentenwert 26,27 Euro gegenüber
dem aktuellen Rentenwert (Ost) von 23,09 Euro. Dadurch hat heute ein „Eck-
renter“ im Westen 1 182,15 Euro und im Osten lediglich 1 039,05 Euro. Das ist
noch immer eine Differenz von mehr als 12 Prozent. Hier bleibt zudem unbe-

Drucksache 16/6734 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
rücksichtigt, dass die Rentenwerte Ost und West zum Nachteil des Ostens kaum
vergleichbar sind, weil im Osten höhere Renten von Menschen bezogen werden,
die im Westen keine gesetzliche Rente, sondern eine Pension beziehen und dort
deshalb nicht einbezogen werden. Außerdem gab es in der DDR keine Betriebs-
renten und kaum Vermögensbildung für die Altersvorsorge, so dass die Rentne-
rinnen und Rentner im Osten in der Regel ausschließlich von der gesetzlichen
Rente leben müssen. Die zukünftigen Zahlbeträge der Altersbezüge aus der ge-
setzlichen Rente werden aber in den nächsten Jahren erheblich sinken, da durch
verschiedene Reformen das Rentenniveau sinkt und die Beitragslast für Rentne-
rinnen und Rentner sich stetig erhöht. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs-
forschung (IAB) warnt davor, dass durch das sinkende Rentenniveau und die
Versicherungslücken wegen Erwerbslosigkeit „künftig insbesondere im Osten
das Risiko der Altersarmut steigen“ wird (IAB-Kurzbericht, 20. August 2007).

Das generelle Rentenniveau und die Angleichung der Ost-Renten an das West-
niveau sind unverzichtbar, um dem Risiko der Altersarmut wirksam zu begeg-
nen. Die Angleichung des Aktuellen Rentenwerts (Ost) an den des Westens ist
jedoch seit Mitte der 1990er Jahre ins Stocken geraten und seit 2003 vollständig
zum Stillstand gekommen. Am 1. Juli 2007 ist der nominale Unterschied sogar
von 3,16 Euro auf 3,18 Euro gestiegen. Bis 1997 stieg der Rentenwert Ost auf
85,4 Prozent des Westniveaus. Bis 2003 stieg das Verhältnis nur noch gering-
fügig auf dann 87,9 Prozent und kam bis heute auf diesem Niveau zum Erliegen.

Der Ombudsrat Grundsicherung für Arbeitsuchende empfahl in seinem Ab-
schlussbericht, den Regelsatz des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)
einheitlich für das ganze Bundesgebiet festzulegen. Unter anderem wegen der
zunehmenden Angleichung der Lebenshaltungskosten im Osten an die im
Westen. Die Feststellung der sich annähernden Lebenshaltungskosten beruht
im Wesentlichen auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003. Die
hier konstatierte Angleichung der Lebenshaltungskosten gerade im Bereich
niedriger Einkommen sowie die laut IAB-Studie drohende Altersarmut in Ost-
deutschland machen eine Angleichung des Aktuellen Rentenwertes zwingend
erforderlich.

Dafür ist ein Stufenplan zu erstellen, der eine Perspektive für die Angleichung
des Aktuellen Rentenwertes Ost an West aufzeigt.

Ein Verfahren, bei dem der Rentenwert West für eine Übergangszeit nur noch
gedämpft angehoben wird, ist prinzipiell abzulehnen. Ein solches Vorgehen
würde zu einer weiteren Absenkung des generellen Rentenniveaus beitragen.
Verbesserungen bei der Altersversorgung der Menschen in Ostdeutschland dür-
fen nicht zu Lasten anderer Bevölkerungsgruppen verwirklicht werden, zum
Beispiel durch die Anhebung der Rentenbeiträge. Andererseits ist es nicht hin-
nehmbar, die Menschen in Ostdeutschland allein auf die Formel „Die Rente
folgt den Löhnen“ zu verweisen. Das hieße, die Älteren auf die Zeit nach 2030
zu vertrösten. Die Angleichung des Aktuellen Rentenwertes Ost ist eine ver-
einigungsbedingte und damit gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie ist aus
Steuern zu finanzieren.

Da die Angleichung nicht zu Lasten anderer Gruppen gehen darf, ist eine
Höherbewertung der Löhne in Ostdeutschland nach Anhang 10 des SGB VI
beizubehalten. Eine Aufhebung dieser Regelung, die häufig als Ausgleich für
eine Anhebung des Rentenwertes angeführt wird, würde die jungen Menschen
und die zukünftige Rentnergeneration erheblich benachteiligen.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.