BT-Drucksache 16/3538

Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I verlängern

Vom 21. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3538
16. Wahlperiode 21. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Kornelia Möller, Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Klaus Ernst,
Dr. Lothar Bisky, Katja Kipping, Ulla Lötzer, Elke Reinke, Dr. Herbert Schui, Dr. Axel
Troost, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I verlängern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die mit den so genannten Hartz-Gesetzen vorgenommene Verkürzung der Be-
zugsdauer des Arbeitslosengeldes I führt in breiten Teilen der Bevölkerung zu
Verunsicherung und Angst vor dem Verlust des Lebensstandards, da Erwerbslose
nun in der Regel nach 12 Monaten Bezug des Arbeitslosengeldes sofort in das
Arbeitslosengeld II abrutschen. Hinzu kommt, dass die generelle Verkürzung auf
12 Monate Bezugsdauer (bzw. 18 Monate bei Beschäftigten über 55 Jahre) eine
faktische Enteignung von Erwerbslosen darstellt, die vorher über viele Jahre in
die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.

Die momentan geäußerten Forderungen von Politikern der CDU/CSU zur Ver-
längerung des Arbeitslosengeld-I-Bezuges für ältere Erwerbslose sind in der
vorgelegten Form abzulehnen. Sie verhindern den sozialen Abstieg nicht. Zudem
darf die Verlängerung für Ältere nicht auf Kosten der Jüngeren umgesetzt wer-
den.

Das Äquivalenzprinzip – wer länger einzahlt, hat auch einen längeren An-
spruch – muss gestärkt werden; es muss aber mit dem Prinzip der Risikover-
sicherung verbunden werden, damit die Arbeitslosenversicherung wieder einen
solidarischen Charakter erhält. Viele, sowohl jüngere als auch ältere Erwerbs-
lose haben auf Grund ihres Alters oder der momentanen Arbeitsmarktsituation
keine Chance, viele Beitragsjahre anzusammeln. Daher müssen neben längeren
Bezugszeiten ausreichende Mindestansprüche im Dritten Buch Sozialgesetz-
buch (SGB III) verankert werden.

Im Zusammenhang mit der Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengel-
des I muss auch die Zumutbarkeit von Arbeitsangeboten neu geregelt werden:
Die erworbene berufliche Qualifikation der Bezieherinnen und Bezieher von
sozialen Leistungen muss wieder einen stärkeren Schutz erhalten. Es sind Re-
gelungen notwendig, die verhindern, dass Erwerbslose Arbeit mit niedrigerem
Anforderungsprofil, niedrigerer Bezahlung bzw. unzumutbaren Fahrtzeiten an-

nehmen müssen. Der politischen und religiösen Gewissensfreiheit muss zudem
Rechnung getragen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

dem Deutschen Bundestag ein Änderungsgesetz zum SGB III vorzulegen, in
dem folgende Grundsätze verankert sind:

Drucksache 16/3538 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
1. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I wird verlängert, indem für jedes
Jahr Beitragszahlung ein Anspruch auf einen Monat Arbeitslosengeld ent-
steht.

2. Für Erwerbslose, die keine ausreichenden Beitragsjahre vorweisen können,
wird eine Mindestabsicherung im Rahmen des SGB III eingeführt. Sie be-
trägt für Menschen

– unter 55 Jahre zwölf Monate,

– mit Behinderungen sowie für Menschen über 55 Jahre 24 Monate,

– über 60 Jahre 30 Monate Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I.

3. Ansprüche auf diese Mindestabsicherung werden nach zwei Jahren Bei-
tragszahlung erworben. Für geringere Beitragszeiten gelten die Regelungen
vor den Hartz-Reformen. Dies bedeutet, dass nach 12 Monaten Beitrags-
zahlung – innerhalb einer Rahmenfrist von drei Jahren – ein Anspruch auf
6 Monate, nach 16 Monaten auf 8 Monate und nach 20 Monaten auf 10 Mo-
nate Arbeitslosengeld I erworben wird.

4. Die für diese Verlängerung notwendigen Finanzierungsmittel (nach Schät-
zung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 2,5 Mrd. Euro) werden
durch eine entsprechende Verringerung des Aussteuerungsbetrags bereitge-
stellt.

5. Die Zumutbarkeit von Arbeit wird neu geregelt, indem der Qualifikations-
schutz gewahrt, der Verlauf des Berufslebens berücksichtigt und Tarife bzw.
das Mindestlohnniveau eingehalten, die Regelungen zu Flexibilität und
Fahrtzeiten verbessert werden und die politische und religiöse Gewissens-
freiheit berücksichtigt werden.

6. Zum Schutz vor einem sozialen Absturz beim Übergang von Arbeitslosen-
geld-I- zum Arbeitslosengeld-II-Bezug sind adäquate Übergangsregelungen
einzuführen. Die geltenden Übergangsregelungen sind unzureichend, da sie
ungerechtfertigte Diskrepanzen zwischen der Höhe des Arbeitslosengeldes I
und der Höhe des Arbeitslosengeldes II beinhalten.

Berlin, den 16. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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