BT-Drucksache 16/147

Berichte im Zusammenhang mit der Verschleppung und Gefangennahme eines deutschen Staatsbürgers durch den US-Geheimdienst CIA

Vom 6. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/147
16. Wahlperiode 06. 12. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Jürgen Trittin, Hans-Christian Ströbele,
Wolfgang Wieland, Ute Koczy, Thilo Hoppe, Jerzy Montag, Kerstin Müller (Köln),
Winfried Nachtwei, Silke Stokar von Neuforn, Irmingard Schewe-Gerigk, Rainder
Steenblock, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Berichte im Zusammenhang mit der Verschleppung und Gefangennahme eines
deutschen Staatsbürgers durch den US-Geheimdienst CIA

Die amerikanische Tageszeitung „Washington Post“ berichtete am 4. Dezember
2005, dass die US-Regierung im Mai 2004 den damaligen Bundesminister des
Innern, Otto Schily, über die irrtümliche Verschleppung des deutschen Staats-
bürgers Khaled el-Masri informiert haben soll. Khaled El-Masri war laut Medi-
enberichten vor rund zwei Jahren von der CIA festgenommen worden. Der ge-
bürtige Libanese war in Mazedonien entführt und nach Afghanistan verschleppt
worden. Dort wurde er nach eigenen Angaben fünf Monate lang festgehalten,
gequält und als Terrorverdächtiger verhört.

Laut „Washington Post“ habe der damalige US-Botschafter Daniel R. Coats
Bundesinnenminister Otto Schily im Mai 2004 mitgeteilt, dass Khaled el-Masri
Opfer einer Verwechslung geworden sei. Der Zeitung zufolge habe der US-
Botschafter den Bundesinnenminister persönlich aufgesucht, um ihm die als
brisant eingestuften Informationen zu überbringen. Daniel R. Coats habe Otto
Schily gesagt, dass der Geheimdienst CIA den Deutschen Khaled el-Masri irr-
tümlich für fünf Monate festgehalten habe und ihn bald freilassen werde. Khaled
el-Masri sei seiner Freiheit beraubt worden, weil die Leiterin der El-Kaida-
Expertenabteilung der CIA ihn „für jemand anderen gehalten“ habe, zitierte die
Zeitung einen früheren CIA-Mitarbeiter. Weiter habe Daniel R. Coats Bundes-
innenminister Otto Schily darum gebeten, dass die Bundesregierung in dem Fall
Stillschweigen bewahrt. Der „Washington Post“ zufolge fürchtete die US-Re-
gierung, dass andernfalls ihre geheime Praxis der Verschleppung von Terrorver-
dächtigen ins Ausland auffliegt.

Die Zeitung berichtet außerdem von einem Deutschen namens „Sam“, der nach
Angaben von Khaled el-Masri diesen kurz vor seiner Freilassung im Gefängnis
besucht haben soll.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Trifft es zu, dass der amerikanische Botschafter Daniel R. Coats den damali-
gen Bundesinnenminister im Mai 2004 über die irrtümliche Gefangennahme
und Verschleppung des deutschen Staatsbürgers Khaled el-Masri informiert
hat, und wenn ja, welchen Inhalts war diese Unterrichtung?

Drucksache 16/147 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. a) Was hat der damalige Bundesinnenminister unternommen, um den Vor-
gang der Entführung und Verschleppung eines deutschen Staatsbürgers
aufzuklären?

b) Hat der damalige Bundesinnenminister dem amerikanischen Botschafter
gegenüber seine Ablehnung derartiger Praktiken betont und eine Ände-
rung verlangt, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Hat er nachgefragt, ob weitere deutsche Staatsbürger verschleppt wurden?

3. a) Hat er Anlass gesehen, diese offenkundige Straftat den zuständigen Straf-
verfolgungsbehörden zur Kenntnis zu bringen, und wenn nein, warum ge-
schah dies nicht?

b) War dem damaligen Bundesinnenminister bekannt, dass die Staatsanwalt-
schaft München ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, um die Ent-
führung des Bundesbürgers Khaled el-Masri aufzuklären und hat er den
Ermittlungsbehörden sein Wissen zur Verfügung gestellt?

Wenn nein, warum nicht?

4. In welchem Umfang hat der damalige Bundesinnenminister andere Mitglie-
der der Bundesregierung, den damaligen Chef des Bundeskanzleramts,
Staatssekretär Dr. Frank-Walter Steinmeier, oder andere Stellen unterrichtet?

5. Welche Konsequenzen hat der damalige Bundesinnenminister mit Blick auf
die vielfältigen Flugbewegungen des CIA über Deutschland gezogen, nach-
dem er Kenntnis davon hatte, dass damit auch illegale Praktiken bzw. Straf-
taten einhergehen können?

6. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über den im Bericht der
„Washington Post“ vom 4. Dezember 2005 angesprochenen Deutschen
„Sam“?

War dieser von der Bundesregierung oder einer Bundesbehörde beauftragt
worden, um den verschleppten Khaled el-Masri vor seiner Freilassung zu be-
suchen, und wenn ja, wie lautete der Auftrag?

7. Welche Aktivitäten hat die Bundesregierung nach der Information durch den
US-Botschafter unternommen, um dem Bundesbürger Khaled el-Masri
wenigstens nachträglich beizustehen und zu seinem Recht sowie zur Rehabi-
litierung zu verhelfen?

Berlin, den 6. Dezember 2005

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Kleine Anfrage
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