BT-Drucksache 16/14008

Schritte zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention II

Vom 7. September 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/14008
16. Wahlperiode 07. 09. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, Roland Claus,
Heike Hänsel, Ulla Jelpke, Katja Kipping, Michael Leutert, Kornelia Möller,
Kersten Naumann, Wolfgang Neskovic, Elke Reinke, Frank Spieth, Dr. Kirsten
Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Schritte zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention II

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-
Behindertenrechtskonvention) ist nun nach deren Ratifikation sowohl inner-
staatlich als auch völkerrechtlich verbindlich in Kraft. Zur Einhaltung dieses
völkerrechtlichen Vertrages sind vielfältige Anpassungen im behindertenrecht-
lichen Bereich notwendig. Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung,
Karin Evers-Meyer, führte zusammen mit Betroffenenverbänden die Veranstal-
tungsreihe „alle inklusive!“ durch, bei der notwendige Handlungsbedarfe in
Deutschland diskutiert wurden. Laut Karin Evers-Meyer sind noch viele Maß-
nahmen notwendig, um die Anforderungen der Konvention zu erfüllen und
Gesetzeslücken zu schließen. Die Ergebnisse der Veranstaltungsreihe sollen
ihrer Ansicht nach in den Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der
Behindertenrechtskonvention einfließen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung bezüglich
der Entwicklung eines Aktionsplans zur Umsetzung der Behindertenrechts-
konvention nunmehr positiv abgeschlossen (vgl. Antwort der Bundesregie-
rung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. vom 12. März 2009,
Bundestagsdrucksache 16/12240)?

Falls ja, wie ist der Zeitplan?

Falls nein, warum nicht?

2. Welche Verbindlichkeit hätte ein Aktionsplan für die Bundesländer bezüg-
lich der Politikbereiche, die ausschließlich in deren Gesetzgebungskompe-
tenz fallen, und welche Rolle spielen dabei das Lindauer Abkommen sowie
das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge – hier insbeson-
dere Artikel 27: „Eine Vertragspartei kann sich nicht auf ihr innerstaatliches
Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen“?

3. Was wird die Bundesregierung tun, um die Länder und Kommunen bei der
Umsetzung der Behindertenrechtskonvention zu unterstützen?

Drucksache 16/14008 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Hält es die Bundesregierung im Rahmen des Umsetzungsprozesses für not-
wendig, einen für alle Sozialgesetzbücher geltenden einheitlichen Behinde-
rungsbegriff zu entwickeln, der die dynamische Definition in der Präambel
der Behindertenrechtskonvention aufgreift?

Falls ja, wird dieser Behinderungsbegriff analog dem Pflegebedürftigkeits-
begriff unter Einbindung eines wissenschaftlichen Instituts entwickelt?

Falls nein, wie wird die Bundesregierung sonst den Artikeln 2 (Begriffsbe-
stimmungen) und 4 (Allgemeine Verpflichtungen) der Behindertenrechts-
konvention gerecht werden?

5. Wann wird mit der Prüfung begonnen, ob bzw. welche bestehende inner-
staatliche Gesetze und Verordnungen mit der Behindertenrechtskonvention
kompatibel sind?

Wie viel Zeit wird dies nach Einschätzung der Bundesregierung in Anspruch
nehmen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die folgenden Ergebnisse der Veranstal-
tungsreihe „alle inklusive!“, und wie wird sie zu deren Umsetzung beitragen

a) in Bezug darauf, dass Menschen mit Behinderungen in allen Belangen zu
Ehe, Partnerschaft, Familie oder Elternschaft selbst entscheiden und ihr
Leben mit der notwendigen Unterstützung gestalten können sollen,

b) in Bezug auf die Schaffung eines vermögens- und einkommensunabhän-
gigen Teilhabesicherungsgesetzes,

c) in Bezug auf die Schaffung wirksamer Beschwerdemöglichkeiten,

d) in Bezug darauf, ein gut vernetztes differenziertes Angebot an Hilfen und
barrierefreier Infrastruktur in allen Lebensbereichen zu schaffen, das den
individuellen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung gerecht wird,

e) in Bezug darauf, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit
Behinderungen einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz
zu sichern – unterstützt von gemeindenahen Diensten und persönlichen
Assistenzen,

f) in Bezug auf den Abbau sozialrechtlicher Barrieren für ambulante Unter-
stützung,

g) in Bezug darauf, Fähigkeiten und individuellen Assistenzbedarf chro-
nisch kranker oder behinderter Eltern anzuerkennen,

h) in Bezug auf die Änderung der Schulgesetze, um inklusive Bildung zu
gewährleisten einschließlich des Elternwahlrechts,

i) in Bezug darauf, Mindeststandards und Leitlinien zur Zugänglichkeit von
öffentlichen Einrichtungen und Diensten sowie für private Anbieter zu
erarbeiten und deren Einhaltung zu überwachen,

j) in Bezug darauf, das „Universal Design“ als Gestaltungsprinzip zu etab-
lieren,

k) in Bezug darauf, Menschen mit Behinderungen den barrierefreien Zu-
gang zu allen Verkehrsmitteln zu ermöglichen,

l) in Bezug darauf, Gewalt gegen behinderten Frauen und Diskriminierung
bei der Gesundheitsversorgung entgegenzuwirken sowie selbstbestimmte
Mutterschaft und Erwerbsarbeit von Frauen mit Behinderungen zu för-
dern,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/14008

m)in Bezug darauf, dass Berufsvorbereitung für junge behinderte Menschen
schon in der Schule beginnen muss und bei den Kommunen und Agentu-
ren für Arbeit in ausreichendem Umfang qualifizierte Beratungs- und
Vermittlungsangebote zur Verfügung stehen müssen,

n) in Bezug auf die Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen,

o) in Bezug darauf, im Bereich der medizinischen Rehabilitation ein ganz-
heitliches, qualitativ hochwertiges Versorgungskonzept über alle Versor-
gungsschnittstellen hinweg zu entwickeln,

p) in Bezug darauf, im Bereich der sozialen Rehabilitation vermögensunab-
hängige Leistungen zu gewährleisten, um Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft sicherzustellen,

q) in Bezug auf die Verankerung des unmissverständlichen Rechts auf ge-
schlechtergleiche Pflegekräfte?

Berlin, den 7. September 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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