BT-Drucksache 16/13667

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Konrad Schily, Dr. Karl Addicks, Mechthild Dyckmans, Hartfrid Wolff (Rems-Murr) und weiterer Abgeordneter -16/12910- Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit der Genitalverstümmelung

Vom 1. Juli 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13667
16. Wahlperiode 01. 07. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Sibylle Laurischk,
Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Konrad Schily, Dr. Karl Addicks, Mechthild
Dyckmans, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Jens Ackermann, Kerstin Andreae, Ingrid
Arndt-Brauer, Sabine Bätzing, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Marieluise Beck
(Bremen), Cornelia Behm, Birgitt Bender, Alexander Bonde, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Ekin Deligöz, Dr. Thea Dückert, Dr. Uschi Eid, Ulrike Flach,
Paul K. Friedhoff, Kai Gehring, Norbert Geis, Dr. Edmund Peter Geisen,
Dr. Wolfgang Gerhardt, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Britta Haßelmann,
Heinz-Peter Haustein, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Priska Hinz (Herborn),
Dr. Anton Hofreiter, Birgit Homburger, Eike Hovermann, Michael Kauch, Ute Koczy,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin,
Sylvia Kotting-Uhl, Volker Kröning, Renate Künast, Markus Kurth, Undine Kurth
(Quedlinburg), Heinz Lanfermann, Monika Lazar, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Dr. Erwin Lotter, Nicole Maisch, Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Kerstin Müller (Köln), Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Omid Nouripour, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Brigitte
Pothmer, Claudia Roth (Augsburg), Krista Sager, Frank Schäffler, Elisabeth
Scharfenberg, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Marina Schuster,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Margrit Spielmann, Dr. Max Stadler, Grietje Staffelt,
Rainder Steenblock, Dr. Rainer Stinner, Rolf Stöckel, Silke Stokar von Neuforn,
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Hans-Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe, Jürgen
Trittin, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing
– Drucksache 16/12910 –

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit der
Genitalverstümmelung
A. Problem

Ziel der geplanten Gesetzesänderung ist es, rechtliche Schutzlücken der aktu-
ellen Gefährdungslage für Mädchen und Frauen bezüglich der weiblichen Ge-
nitalverstümmelung in Deutschland zu schließen. Nach Schätzungen der
Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES leben rund 20 000 von Geni-

Drucksache 16/13667 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

talverstümmelungen betroffene und rund 4 000 bis 5 000 gefährdete Mädchen
und Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland (Stand: Mai 2008).

Mit der Gesetzesänderung sollen Rechtsklarheit und Transparenz für alle Betei-
ligten wie beispielsweise medizinisches Fachpersonal, Migranten, Juristen, Leh-
rer, Erzieher, Polizisten und Sozialarbeiter geschaffen werden. Die Initianten des
Gesetzentwurfs halten eine allgemeingültige Rechtsnorm für einen Schutz vor
weiblicher Genitalverstümmelung für zwingend notwendig.

Der Staat habe die Pflicht, die gefährdeten Mädchen und Frauen vor einem
Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. So-
mit falle auch die Genitalverstümmelung in den Schutzbereich des Artikels 2
Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und sei auch unter das aus Artikel 2
Absatz 1 GG (in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG) resultierende Grund-
recht auf selbstbestimmte Sexualität zu fassen. Maßnahmen zur Eindämmung
der Gefahr vor Genitalverstümmelungen seien verfassungsrechtlich angezeigt:
Genitalverstümmelungen seien schwerwiegende Grundrechtsverletzungen. Der
Eingriff sei weder mit Religion noch mit Tradition zu rechtfertigen. Deutschland
habe sich rechtsverbindlich internationalen Verträgen wie beispielsweise der
Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (VN) und der VN-Frauen-
rechtskonvention zum Schutz der Menschenrechte unterworfen. Auf dieser
Grundlage liege eine rechtliche und nicht nur eine moralische oder ethische Ver-
pflichtung vor, aktiv gegen die weibliche Genitalverstümmelung in Deutschland
vorzugehen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Genitalverstümmelung ausdrücklich als schwe-
re Körperverletzung in das Strafgesetzbuch aufzunehmen und eine entsprechen-
de eigenständige Nummer in § 226 StGB einzufügen. Damit gelte ein Straf-
rahmen von einem bis zehn Jahren Freiheitsstrafe. Zudem sei es für die
Genitalverstümmelung ebenso wie bei der gesetzlichen Regelung des sexuellen
Missbrauchs wegen der Minderjährigkeit der Betroffenen sinnvoll, wenn die
Verjährungsfrist erst mit dem 18. Lebensjahr des Mädchens einsetze. Insofern
sei § 78b StGB entsprechend zu ändern. Damit werde zudem ein Beschluss des
Bundestages umgesetzt, die Verlängerung der Verjährungsfrist für Taten an Be-
troffenen, die zum Tatzeitpunkt noch nicht volljährig waren, sicherzustellen. Die
Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Genitalverstümmelungen bei vor-
übergehenden Aufenthalten im Ausland werde durch eine Ergänzung der Aus-
landsstrafbarkeit ausgeweitet.

B. Lösung

Ablehnung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13667

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/12910 abzulehnen.

Berlin, den 1. Juli 2009

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Ute Granold
Berichterstatterin

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Jörg van Essen
Berichterstatter

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/12910 in seiner
93. Sitzung am 1. Juli 2009 beraten und einvernehmlich
empfohlen, hierzu einen Beschluss im Deutschen Bundestag
herbeizuführen.

Der Ausschuss für Gesundheit hat den Gesetzentwurf auf
Drucksache 16/12910 in seiner 126. Sitzung am 1. Juli 2009
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion DIE LINKE. beschlossen, die Ablehnung zu emp-
fehlen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/12910 in
seiner 88. Sitzung am 17. Juni 2009 beraten und mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion der FDP bei Abwesenheit der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be-
schlossen, die Ablehnung zu empfehlen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Rechtsausschuss hat die Beratung der Vorlage in seiner
144. Sitzung am 27. Mai 2009 vertagt. In seiner 146. Sitzung

Die Fraktion der FDP bekräftigte dies und betonte, die Tat-
sache, dass so viele Kolleginnen und Kollegen den Gesetz-
entwurf unterzeichnet hätten, zeige, wie groß das Interesse
sei, dieses Thema zu beraten.

Die Fraktion DIE LINKE. schloss sich ausdrücklich
der Argumentation der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und FDP an und sprach sich ebenfalls gegen die
Absetzung der Vorlage aus.

Die Fraktion der CDU/CSU begründete die Vertagung
damit, dass sie zusammen mit der Fraktion der SPD einen
eigenen, deutlich differenzierteren Gesetzentwurf vorlegen
werde, der das Problem der Genitalverstümmelung berück-
sichtigen werde.

Die Fraktion der SPD ergänzte, das Thema des vorliegen-
den Gesetzentwurfs werde abschließend in der nächsten Sit-
zungswoche behandelt. Der Vorwurf, man wolle sich nicht
damit befassen, sei daher nicht haltbar.

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
148. Sitzung am 1. Juli 2009 abschließend beraten und mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE
LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP be-
schlossen, die Ablehnung zu empfehlen.

Berlin, den 1. Juli 2009

Ute Granold
Berichterstatterin

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Jörg van Essen
Berichterstatter

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter
Drucksache 16/13667 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Ute Granold, Christine Lambrecht, Jörg van Essen,
Wolfgang Neskovic und Jerzy Montag

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
16/12910 in seiner 222. Sitzung am 14. Mai 2009 beraten
und an den Rechtsausschuss zur federführenden Beratung
sowie an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend, den Ausschuss für Gesundheit und an den Aus-
schuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mit-
beratung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

am 17. Juni 2009 hat der Rechtsausschuss auf Antrag der Re-
gierungsfraktionen mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlos-
sen, die Beratung des Gesetzentwurfs zu vertagen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führte aus, es
sei nicht nachvollziehbar, wieso die Vorlage wiederum ver-
tagt werde. Es handele sich um einen Gruppenantrag sehr
vieler Abgeordneter, die Anspruch darauf hätten, dass hie-
rüber entschieden werde.

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