BT-Drucksache 16/13566

Das Rückübernahmeabkommen der Europäischen Gemeinschaft mit Pakistan

Vom 24. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13566
16. Wahlperiode 24. 06. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Josef Philip Winkler, Ute Koczy, Jürgen Trittin,
Rainder Steenblock, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Monika Lazar, Kerstin Müller (Köln),
Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg) und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das Rückübernahmeabkommen der Europäischen Gemeinschaft mit Pakistan

Am 4. Juni 2009 hat der Rat der europäischen Innen- und Justizminister das
Rückübernahmeabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und
Pakistan (EU-Ratsdokument Nr. 8793/09) verabschiedet (vgl. EU-Ratsdoku-
ment Nr. 10551/09, S. 30).

Dieses Abkommen enthält nicht nur Regelungen zur Rückübernahme von
Staatsangehörigen der Vertragsparteien, sondern auch Bestimmungen zur
Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (u. a. aus den
Nachbarstaaten von Pakistan).

Das Rückübernahmeabkommen mit Pakistan ist nicht das einzige Abkommen
der EG mit Drittstaaten. Seit 2004 hat die EU mit elf Staaten derartige Abkom-
men geschlossen: Albanien (2005), Bosnien-Herzegowina (2007), Hongkong
(2004), Macao (2004), Mazedonien (2007), Moldau (2007), Montenegro
(2007), Russische Föderation (2007), Serbien (2007), Sri Lanka (2005),
Ukraine (2007).

Der Rat hat die Europäische Kommission darüber hinaus zu der Aushandlung
von Rückübernahmeabkommen mit fünf weiteren Ländern (Algerien, China,
Marokko, Pakistan und Türkei) ermächtigt.

Zum Teil zeitlich parallel hat auch die Bundesrepublik Deutschland bilaterale
Rückübernahmeabkommen mit 29 Staaten (darunter nicht weniger als 16 EU-
Mitgliedstaaten) abgeschlossen: Albanien (2003), Algerien (1997), Armenien
(2008), Belgien/Niederlande/Luxemburg (1966), Bosnien-Herzegowina (1997),
Bulgarien (2006), Dänemark (1954), Estland (2000), Frankreich (2006),
Georgien (2007), Hongkong (2001), Kroatien (1998), Lettland (2000),
Litauen (2000), Marokko (1998), Mazedonien (2002), Norwegen (1955), Ös-
terreich (1998), Polen (1993/1994), Rumänien (1993/1999), Schweden (1954),
Schweiz (1996), Serbien/Montenegro (2002), Slowakei (2003), Südkorea

(2005), Syrien (2008), Tschechien (1995), Ungarn (1999), Vietnam (1995)
(vgl. www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/151414/publicationFile/17278/
RueckkehrFluechtlinge.pdf).

In Deutschland leben derzeit ca. 28 500 pakistanische Staatsangehörige – mit
einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von elf Jahren (Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF), Ausländerzahlen 2008, S. 12).

Drucksache 16/13566 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In 2008 hatten 309 pakistanische Staatsangehörige in Deutschland einen Asyl-
antrag gestellt. Ein Jahr zuvor waren es 293 gewesen (UNHCR, Asylum Levels
and Trends in Industrialized Countries, 2008, S. 18 f). Allerdings wurden in 2007
lediglich 1,8 Prozent der pakistanischen Antragstellerinnen und Antragsteller
in Deutschland als Asylberechtigte anerkannt (BAMF, Asyl in Zahlen 2007,
S. 43).

In der EU insgesamt sieht die Situation deutlich anders aus: So hatten 2007
insgesamt 13 193 und in 2008 zusammen 12 007 pakistanische Staatsange-
hörige in der EU einen Asylantrag gestellt. 2006 hatte diese Zahl noch 6 284
betragen – eine Steigerung von 2006 auf 2007 also um nicht weniger als
+110 Prozent (UNHCR, a. a. O., S. 17).

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Aufenthaltsrechtliche Lage der in Deutschland lebenden pakistanischen
Staatsangehörigen

1. Wie viele pakistanische Staatsangehörige leben derzeit in Deutschland?

Wie viele hiervon haben eine Niederlassungserlaubnis?

2. Ist es zutreffend, dass aufgrund der „Gemeinsamen Erklärung zu Artikel 1
Buchstabe F“ des Rücknahmeübereinkommens eine Aufenthaltserlaubnis,
die „im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines Asylantrags“ nicht als
legale Aufenthaltsgenehmigung angesehen werden soll – mit der Folge, dass
z. B. eine Aufenthaltsgestattung während eines Asylverfahrens nicht dazu
führt, dass die/der Asylsuchende unter die Ausnahmeregelung von Artikel 3
Absatz 2b fällt?

3. Wie viele pakistanische Asylsuchende leben derzeit in Deutschland?

Wie viele pakistanische Staatsangehörige haben in Deutschland einen Auf-
enthaltsstatus gemäß § 25 Aufenthaltsgesetz – AufenthG (bitte nach den Ab-
sätzen 1 bis 5 aufschlüsseln)?

Wie viele pakistanische Staatsangehörige leben in Deutschland mit einer
Duldung (§ 60a AufenthG)

4. Wurden in den Jahren 2005 bis 2008 asyl- bzw. flüchtlingsrechtliche Wider-
rufsverfahren eingeleitet, und wenn ja, wie viele?

Wie viele dieser Widerrufsverfahren sind inzwischen rechtskräftig?

II. Zum Rückübernahmeabkommen mit Pakistan

5. Welche Verhandlungsgegenstände waren so kontrovers, dass der Verhand-
lungsprozess über dieses Rückübernahmeabkommen fast drei Jahre dauerte
(von April 2004 bis September 2007)?

6. Sind der Bundesregierung Berichte internationaler Menschenrechtsorganisa-
tionen (wie z. B. amnesty international oder Human Rights Watch) über die
Gefährdung von Personen nach einer Abschiebung nach Pakistan bekannt,
und wenn ja, welche?

7. Ist es zutreffend, dass aufgrund des in Rede stehenden Rückübernahme-
abkommen, Rückführungen auch von afghanischen Staatsangehörigen nach
Pakistan möglich wären?

8. War der UNHCR – im Hinblick auf die Lage afghanischer Flüchtlinge in
Pakistan – in die Verhandlungen um das vorliegende Rückübernahme-
abkommen eingebunden bzw. sollte der UNHCR – nach Ansicht der Bun-
desregierung – bei dessen Umsetzung eingebunden werden, und wenn nein,

warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13566

9. Welche Folgen hat diesbezüglich Artikel 20 Absatz 3 des vorliegenden
Rückübernahmeabkommens für in Deutschland lebende pakistanische
bzw. afghanische Staatsangehörige, wonach dieses Abkommen (bzw. nach-
folgende Durchführungsprotokolle) nämlich nur für Personen gilt, „die
nach Inkrafttreten des Abkommens in das Hoheitsgebiet Pakistans und der
Mitgliedstaaten eingereist sind“?

10. Hat die Bundesregierung die Absicht von der in Artikel 17 verankerten
Möglichkeit Gebrauch zu machen, mit Pakistan bilaterale Durchführungs-
protokolle abzuschließen, z. B. zu Fragen, über die Voraussetzungen aber
auch Beschränkungen sog. begleiteter Rückführungen über Rückführun-
gen hilfs- bzw. betreuungsbedürftiger Personen, und wenn nein, warum
nicht?

11. Sind nach dem in Rede stehenden Rückübernahmeabkommen zwangs-
weise Vorführungen rückzuführender Personen bzw. deren Befragung
durch Konsularbeamte zulässig; und wenn ja, sollte – nach Ansicht der
Bundesregierung – nicht auch diesbezüglich derartige Durchführungspro-
tokolle erlassen werden?

12. Ist Pakistan technisch, personell bzw. von der Ausbildung her imstande,
die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen aus Abschnitt V dieses Ab-
kommens tatsächlich zu gewährleisten?

Wurde diesbezüglich eine Stellungnahme des Europäischen Datenschutz-
beauftragten eingeholt, und wenn nein, warum nicht?

13. Enthält das Rückübernahmeabkommen der EG mit Pakistan spezifische
Regelungen, die in EG-Rückübernahmeabkommen mit anderen Ländern
nicht enthalten sind, und wenn ja, welche?

14. Wie stellt die Europäische Kommission sicher, dass die Menschenrechte
und Grundfreiheiten der zurückgeführten Personen in Pakistan in vollem
Umfang geschützt sind?

15. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, internationale Menschen-
rechtsorganisationen (wie z. B. amnesty international oder Human Rights
Watch) in den in Artikel 16 des Abkommens vorgesehenen „Gemischten
Rückübernahmeausschuss“ aufgenommen werden, um eine regierungs-
unabhängige Beratung bzw. Aufklärung über menschenrechtliche Implika-
tionen bzw. eine unabhängige Aufklärung etwaiger menschenrechtlicher
Vorwürfe bei der Durchführung dieses Abkommens sicherzustellen, und
wenn nein, warum nicht?

16. Hat das Europäische Parlament eine Stellungnahme zu diesem Rücküber-
nahmeabkommen abgegeben, und wenn nein, warum wurde dieses Ab-
kommen vom Rat ohne eine Stellungnahme des Europäischen Parlaments
beschlossen?

17. Wird die Bundesregierung mit Pakistan Gespräche über die Möglichkeiten
legaler Migration für pakistanische Staatsangehörige nach Deutschland
aufnehmen, die nach der Gemeinsamen Erklärung der EG mit Pakistan zur
legalen Migration möglich sind, und wenn nein, warum nicht?

18. Inwiefern werden im Rückübernahmeabkommen mit Pakistan die instabile
Lage des Landes und die katastrophale Situation von Flüchtlingen in
Pakistan berücksichtigt?

III. Rückübernahmeabkommen der EG

19. Mit welchen Ländern verhandelt die EG derzeit über Rückübernahme-
abkommen?
20. In welchen inhaltlichen Aspekten unterschieden sich die Rückübernahme-
abkommen der EG mit den unterschiedlichen Ländern?

Drucksache 16/13566 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
21. Wie wird bei den Rückübernahmeabkommen der EG mit Drittstaaten die
Einhaltung der Menschenrechte beider Vertragsparteien kontrolliert?

Welche Mechanismen zur Überprüfung bestehen diesbezüglich?

22. Inwiefern und durch wen wird die Verletzung von Menschenrechten und
Grundfreiheiten durch die Vertragsparteien im Rahmen der Rückübernah-
meabkommen der EG mit Drittstaaten sanktioniert?

23. Inwiefern schließen die Rückübernahmeabkommen der EG die Gefahr der
Weiterabschiebung aus, dass also eine rückzuführende Person nicht in
einen Viertstaat weitergeschoben wird, in dem ihr eventuell die Gefahr
einer asylerheblichen Verfolgung droht?

24. Ist der UNHCR an den Verhandlungsprozessen über die Rückübernahme-
abkommen der EG mit Drittstaaten beteiligt?

IV. Bilaterale Rückübernahmeabkommen der Bundesrepublik Deutschland

25. Mit welchen Ländern verhandelt die Bundesregierung derzeit über Rück-
übernahmeabkommen bzw. plant sie, entsprechende Verhandlungen aufzu-
nehmen?

26. Inwiefern finden sich in den bilateralen Rückübernahmeabkommen
Deutschlands zum Teil weiter gehende Regelungen, als z. B. in den Rück-
übernahmeabkommen der EG,

● so sind etwa in den bilateralen Abkommen mit der Abschiebung einer
Person auch die parallele Rückführung seiner Familienangehörigen
möglich;

● zudem ist – entgegen Artikel 4 Absatz 3 des EG-Rückübernahmeab-
kommens mit Pakistan – nach den bilateralen Abkommen Deutschlands
auch die Glaubhaftmachung der fraglichen Staatsangehörigkeit der
rückzuführenden Person für den Vollzug der Abschiebung ausreichend

● und schließlich enthalten einige der bilateralen Abkommen Deutsch-
lands (etwa Artikel 2 der deutsch-algerischen Übereinkunft) Vorschrif-
ten über die Befragung von rückzuführenden Personen durch – in die-
sem Fall – algerische Konsularbeamte?

27. Welche Rangfolge besteht zwischen Rückübernahmeabkommen der EG
und bilateralen Rückübernahmeabkommen Deutschlands mit ein und dem-
selben Drittstaat?

Tritt im Falle einer solchen Konkurrenz z. B. das gesamte bilaterale Ab-
kommen hinter dem der EG zurück – oder ist es auch möglich – trotz
einem konkurrierenden EG-Abkommen – weiter gehende Regelungen des
bilateralen Abkommens auch in Zukunft anzuwenden?

28. Auf welcher Grundlage erfolgen Rückübernahmen eigener Staatsangehöri-
ger bzw. von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen mit den zehn EU-
Mitgliedstaaten, mit denen kein bilaterales Rückübernahmeabkommen
besteht?

29. Welchen Sinn machen vor diesem Hintergrund die noch bestehenden
Rückübernahmeabkommen Deutschlands mit den anderen EU-Mitglied-
staaten?

Berlin, den 24. Juni 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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