BT-Drucksache 16/13383

Unschuldsvermutung muss auch im Arbeitsrecht gelten - Verdachtskündigung gesetzlich ausschließen

Vom 17. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13383
16. Wahlperiode 17. 06. 2009

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, Dr. Dagmar Enkelmann,
Klaus Ernst, Ulla Lötzer, Kornelia Möller, Dr. Herbert Schui, Dr. Axel Troost,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Unschuldsvermutung muss auch im Arbeitsrecht gelten – Verdachtskündigung
gesetzlich ausschließen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Verdachtskündigung kann ein Unschuldiger seinen Arbeitsplatz verlie-
ren. Nach ständiger Rechtsprechung gilt, dass nicht nur eine erwiesene straf-
bare Handlung oder schwere Vertragsverletzung einen wichtigen Grund zur
fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetz-
buches darstellen kann, sondern unter bestimmten Voraussetzungen schon der
Verdacht einer solchen strafbaren Handlung oder schweren Vertragsverletzung.
Durch richterliche Rechtsfortbildung wurde mit der Verdachtskündigung eine
Kündigungsart geschaffen, die eine einseitige Risikoverlagerung zu Lasten der
ohnehin schon benachteiligten Arbeitnehmer vornimmt und ausschließlich
Arbeitgeberinteressen schützt.

Eines der jüngsten Opfer dieser Rechtsprechung ist die ehemalige Kassiererin
„Emmely“ in einer Berliner Supermarktfiliale. In diesem Fall wurde durch den
Arbeitgeber, die Kaiser’s Tengelmann AG, eine Kündigung mit dem Verdacht
begründet, dass sich diese Verkäuferin 2 Pfandbons im Wert von insgesamt
1,30 Euro angeeignet habe. Die Kündigung wurde vom Arbeitsgericht Berlin
und vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Ergebnis für wirksam
gehalten.

Die Verdachtskündigung steht im Widerspruch zu der sozialen Schutzfunktion
des Kündigungsschutzrechts. Sie stellt einen unangemessenen und unzumutba-
ren Eingriff in die Rechtsstellung der Arbeitnehmer dar.

Weiterhin ist, wie im Falle „Emmely“, immer wieder festzustellen, dass im Falle
von Kündigungen durch Arbeitgeber keine ausgewogene Interessenabwägung
stattfindet. Durch die geltende Rechtsprechung wird in diesem Zusammenhang
die Schutzwürdigkeit der Arbeitnehmer den Interessen der Arbeitgeber alter-
nativlos untergeordnet. Der den Arbeitgebern entstandene wirtschaftliche Scha-

den steht in einer Vielzahl von Fällen in keinem Verhältnis zu den Folgen, die
eine Kündigung für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin hat. Diese
Rechtspraxis widerspricht dem Schutzcharakter des Kündigungsschutzgesetzes.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen der sicherstellt, dass ein Arbeitgeber das
Fehlverhalten, auf das er eine Kündigung stützen will, auch beweiskräftig

Drucksache 16/13383 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
nachweisen muss. Zwischen dem nachgewiesenen Schaden und den wirt-
schaftlichen Auswirkungen auf beiden Seiten muss ein angemessenes Verhält-
nis bestehen.

Berlin, den 17. Juni 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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