BT-Drucksache 16/13180

Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen verhindern

Vom 27. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13180
16. Wahlperiode 27. 05. 2009

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Birgitt Bender,
Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Markus Kurth, Kerstin
Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Irmingard Schewe-Gerigk, Rainder Steenblock, Silke Stokar
von Neuforn, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe, Jürgen Trittin,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen verhindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Beeinträchtigungen von Menschen durch das Tätigwerden von Unternehmen
sind im Zuge immer weiter reichender Einflussmöglichkeiten transnationaler
und anderer Konzerne ein wachsendes Problem. Die Auswirkungen können
ökologische, soziale und/oder menschenrechtliche Belange berühren, und die
Möglichkeiten und Herausforderungen, negativen Folgen zu begegnen, sind
komplex und je nach Themenfeld sehr unterschiedlich. Das Feld der menschen-
rechtlichen Folgen von Unternehmenshandeln ist noch wenig erforscht, und es
fehlen effektive nationale Ansätze und verbindliche internationale Regelungen.
Dabei muss das Ziel sein, klar umrissene Pflichten für Unternehmen hinsichtlich
der Verletzung aller Menschenrechte zu gestalten und nicht eine eingegrenzte
Liste von Menschenrechten mit unklaren und zu weit gehenden Pflichten und
Verantwortlichkeiten der Unternehmen diesbezüglich festzuschreiben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen und auf EU-Ebene die Erarbeitung eines
Richtlinienentwurfes anzuregen, der eine Haftung der Mutter- für ihre Toch-
terkonzerne festlegt, wenn das Tochterunternehmen Menschenrechte miss-
achtet;

2. zu prüfen, inwieweit bisherige Berichtspflichten von Unternehmen um die
Einhaltung von Menschenrechtsstandards ergänzt werden können, und einen
entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen;

3. in der Außenwirtschaftsförderung stärker als bisher Menschenrechtskriterien
zu verankern und diese auch stärker bei der Vergabe von Exportkrediten,

Ungebundenen Finanzkrediten sowie Investitionsgarantien als Prüfkriterien
für eine Antragsbewilligung zu berücksichtigen und zudem zu prüfen, in-
wieweit Menschenrechtsrisikoanalysen als Voraussetzung für die Vergabe
möglich sein können;

4. Unternehmen, die Außenwirtschaftsförderung erhalten, auf die Einhaltung
der OECD-Richtlinien zu verpflichten;

Drucksache 16/13180 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. in bilateralen Investitionsverträgen Menschenrechtsklauseln aufzunehmen
und insgesamt auf ihrer menschenrechtskonformen Auslegung zu bestehen;

6. für die Beschaffung des Bundes verbindliche Menschenrechtskriterien fest-
zulegen;

7. durch einen Fachausschuss für Vergaberechtskriterien unter Einbindung der
Nichtregierungsorganisationen Arbeitshilfen für eine menschenrechts-
orientierte Beschaffung auszuarbeiten und Ländern wie Kommunen zur
Verfügung zu stellen;

8. durch den genannten Fachausschuss einen Leitfaden und Arbeitshilfen zur
fairen Produktion und Beschaffung für Unternehmen vorbereiten zu lassen;

9. in der Entwicklungszusammenarbeit bei Projekten der Zusammenarbeit mit
der Wirtschaft auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten;

10. die Nationale Kontaktstelle so auszubauen, dass vor allem Zugangsmög-
lichkeiten und Transparenz ihrer Arbeit gestärkt werden;

11. im Rahmen der Vereinten Nationen die Arbeit des Sonderberichterstatters
für die Vereinten Nationen für den Bereich Menschenrechte und trans-
nationale und andere Wirtschaftsunternehmen stärker darin zu unterstützen,
außer an den nationalstaatlichen Verbesserungsmöglichkeiten auch weiter
an der Entwicklung von international verbindlichen Regelungsinstrumen-
ten zu arbeiten.

Berlin, den 27. Mai 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Der Staat hat die Verpflichtung, die Menschenrechte seiner Bürgerinnen und
Bürger zu schützen, zu respektieren und zu gewährleisten. Dies gilt auch für den
Fall, dass Menschenrechte durch Unternehmen beeinträchtigt werden, z. B.
durch lebensbedrohliche Umweltzerstörung oder durch ausbeuterische und die
Gesundheit massiv beeinträchtigende Arbeitsbedingungen. Zu solchen Men-
schenrechtsverletzungen kommt es besonders da, wo eine Lücke klafft zwischen
Umfang und Auswirkungen von Wirtschaftshandeln einerseits und der Regulie-
rungsfähigkeit eines Staates hinsichtlich negativer Folgen dieses Wirtschafts-
handelns andererseits. Die Frage danach, wie diese unregulierten Räume ver-
kleinert werden können, stellt eine große Herausforderung für die Politik, und
speziell auch für die Menschenrechtspolitik, dar. Dabei ist deutlich geworden,
dass freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen allein das Problem
nicht lösen können. Die Forderung nach mehr Verbindlichkeit beinhaltet drei
Ebenen, die sorgfältig voneinander unterschieden und deren Defizite einzeln
adressiert werden müssen.

Erstens hat der Staat die Verpflichtung, Menschenrechte zu schützen. Um Men-
schenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu verhindern oder abzustellen
sollte er die bestehenden Haftungsmöglichkeiten ausbauen und menschenrecht-
liche Berichtspflichten sowie die Pflicht zu einer Menschenrechtsrisikoanalyse
von Unternehmen fest schreiben. Dies gilt sowohl für den Staat, in dem ein
Unternehmen aktiv wird, als auch für den Herkunftsstaat eines Unternehmens.
Zudem spielen Menschenrechtskriterien nach wie vor in der Außenwirtschafts-

förderung eine viel zu geringe Rolle. Der Staat muss staatliche Exportkredit-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13180

agenturen zur Berücksichtigung von Menschenrechten auf allen Ebenen ihres
Handelns verpflichten. Zugleich sind viele Unternehmen mit der Kontrolle und
Zertifizierung einer menschenrechtsgemäßen Produktion und Beschaffung
überfordert. Deswegen muss der Staat umfangreiche Unterstützung für eine ent-
sprechende Verbesserung der Wirtschaftsleistung organisieren und den Unter-
nehmen als Maßnahme der Wirtschaftsförderung zur Verfügung stellen. So wird
es insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen, denen entspre-
chende Fachabteilungen fehlen, möglich, ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit
in diesem Sinne zu verbessern. Im Falle von bilateralen Investitionsschutzver-
trägen muss der Staat darauf achten, dass Menschenrechtsverletzungen durch
die Verträge oder deren Auslegung kein Vorschub geleistet wird.

Zweitens betrifft die Verpflichtung von Unternehmen, die Menschenrechte zu
achten, alle Menschenrechte – denn grundsätzlich kann ein Unternehmen jedes
Menschenrecht verletzen. Unternehmen sollten ihr Handeln deshalb auf die Re-
spektierung aller Menschenrechte überprüfen. Die Respektierung der Men-
schenrechte kann dabei für ein Unternehmen nicht nur Unterlassungspflichten
generieren, sondern auch positive Pflichten wie z. B. die Einführung von Anti-
Diskriminierungs-Regelungen im Betrieb nach sich ziehen. Die Unternehmen
müssen die Frage ihrer Einflusssphäre sorgfältig prüfen, ebenso wie eine mög-
liche Komplizenschaft mit anderen Akteuren, die Menschenrechte verletzen.
Die Verankerung eines Instruments zur Überprüfung und Rechenschaftslegung
im Bereich Menschenrechte kann den Unternehmen bei der Respektierung der
Menschenrechte entscheidend helfen. Es muss durch entsprechende Beratungs-
angebote insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen flankiert werden.

Drittens benötigen die Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Unterneh-
men einen besseren Zugang zu Rechtsbehelfen. An erster Stelle stehen die Staa-
ten in der Pflicht gerichtliche Rechtsbehelfe zu schaffen. Bisher ist es für viele
Opfer schwierig, Zugang zu Gerichten zu erhalten; sei es, dass die Rechtsbehelfe
in einem Land mangelhaft sind, dass es an einer Rechtsgrundlage fehlt oder dass
die Opfer aus rechtlichen und/oder finanziellen Gründen nicht im Herkunftsland
des Unternehmens oder des Mutterkonzerns klagen können. Auch bei außerge-
richtlichen Rechtsbehelfen durch Agenturen, Menschenrechtsinstituten, Media-
tionsstellen oder die Nationalen Kontaktstellen der OECD-Richtlinien bestehen
im Hinblick auf ihre Legitimationsgrundlage, ihrer Transparenz, ihrer Zugangs-
möglichkeiten und ihrer Kompensationsfähigkeit noch Defizite.

Neben diesen nationalstaatlich ausgerichteten Regelungsmöglichkeiten ist es
wichtig, den bereits begonnenen Prozess der Erarbeitung verbindlicher interna-
tionaler Regelungen weiter voran zu treiben. Mit den Normen zur menschen-
rechtlichen Verantwortung von transnationalen Konzernen und anderen Wirt-
schaftsunternehmen hat der Unterausschuss zur Förderung und zum Schutz der
Menschenrechte des damaligen Menschenrechtsausschusses der Vereinten Na-
tionen (VN) im Jahr 2003 zum ersten Mal ein solches Regelwerk erarbeitet.
Auch wenn diese Normen noch Defizite aufweisen und als Endprodukt nicht
ausreichend sein mögen, so stellen sie doch einen wichtigen Meilenstein dar auf
dem Weg zu einem international verbindlichen Standard für die menschenrecht-
liche Verantwortung von Unternehmen.

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