BT-Drucksache 16/12489

Strafrechtliche und haftungsrechtliche Verantwortung von Bankmanagern und die Wahrnehmung der Finanzaufsicht

Vom 24. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12489
16. Wahlperiode 24. 03. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln), Alexander Bonde,
Dr. Anton Hofreiter, Markus Kurth, Monika Lazar, Irmingard Schewe-Gerigk,
Dr. Gerhard Schick, Silke Stokar von Neuforn, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Hans-Christian Ströbele, Dr. Harald Terpe, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Strafrechtliche und haftungsrechtliche Verantwortung von Bankmanagern
und die Wahrnehmung der Finanzaufsicht

Im Verlauf der Bankenkrise hat sich der Bund über den staatlichen Bankenret-
tungsfonds SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung) unter anderem bei
der Commerzbank, Aareal Bank, Bayerischen Landesbank, HSH Nordbank,
WestLB sowie an der IKB über Rekapitalisierungsmaßnahmen und/oder Bürg-
schaften engagiert. Das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG)
bietet künftig sogar die Möglichkeit, Anteilseigner der Banken zu enteignen.
Nötig wurden diese Hilfen vor allem wegen außerbilanzieller Spekulationen
der Kreditinstitute, die vielfach über Zweckgesellschaften abgewickelt wurden.
Auf diese in den Bankbilanzen nicht auftauchenden Zweckgesellschaften wur-
den Kredite übertragen, die wiederum in MBS (Mortage Backed Securities)
gebündelt wurden, für welche die Zweckgesellschaft in der Regel nicht haftete,
so dass diese lediglich mit der Zahlungsfähigkeit der Immobilienschuldner
besichert waren. Diese Wertpapiere wurden auch durch deutsche Banken
gehandelt, ohne dass die damit aufgenommenen Risiken ausreichend durch
Eigenkapital abgesichert waren. Im Sommer 2007 tauchten erste Krisensymp-
tome in der internationalen Finanzwelt auf. Ungeachtet dessen haben viele
Banken ihr fehlerhaftes Geschäftsmodell nicht oder nur langsam angepasst.

Am 16. Dezember 2008 durchsuchte die Staatsanwaltschaft München die Ge-
schäftsräume der Hypo Real Estate (HRE). Ermittelt wurde wegen des Ver-
dachts der fehlerhaften Kapitalmarktinformation nach dem Aktiengesetz, der
Marktmanipulation und der strafbaren Untreue. Gegen die HRE hatte u. a. die
Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz Strafanzeige erstattet. Mitt-
lerweile liegt eine Vielzahl privater Strafanzeigen vor. Auch bei der IKB wird
gegen die verantwortlichen Manager ermittelt, ebenso bei der WestLB.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Aufarbeitung der
Finanzmarktkrise auch Aufgabe der Justiz ist?

2. Sieht die Bundesregierung angesichts der Vielzahl der in Not geratenen
Banken und der Komplexität der Sachverhalte die Staatsanwaltschaften der
Länder personell in der Lage, eine Aufarbeitung zu gewichtigen Teilen zu
bewältigen?

Drucksache 16/12489 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen verantwortliche Vorstände, Auf-
sichtsräte und leitende Angestellte von Banken und Kreditinstituten u. a.
wegen Untreue, Betrugs, Insolvenzverschleppung, Bilanzfälschung und
Bilanzmanipulation u. ä. Straftatbestände sowie Ordnungswidrigkeitsver-
fahren sind nach Ausbruch der Finanzmarktkrise im Sommer 2007 von den
Staatsanwaltschaften der Länder eingeleitet worden (bitte nach Bundes-
ländern und Tatbeständen ordnen)?

4. Wie viele Ermittlungsverfahren resultieren aus Hinweisen der Bundesan-
stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und welche Normen regeln,
ab wann die BaFin aufsichtsrechtliche Prüfungen an die Staatsanwaltschaft
weiterzuleiten hat?

5. Falls keine Ermittlungsverfahren aus Hinweisen der BaFin resultierten, ist
dann der Grund darin zu sehen, dass keine Hinweise seitens der BaFin an
die Staatsanwaltschaft erfolgten oder darin, dass diese Hinweise keinen
Anfangsverdacht zu begründen vermochten?

6. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass die Bundesländer
entsprechende Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bearbeitung von
Strafverfahren im Zusammenhang mit der Finanzkrise eingerichtet haben
(bitte die Zahl der Planstellen benennen und mitteilen, ob etwaige Stellen
tatsächlich besetzt sind)?

7. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die bisher anhängigen Straf-
verfahren im Rahmen der Justizministerkonferenz zu koordinieren?

Falls dies nicht der Fall sein sollte, warum nicht?

8. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, eine Task-Force auf Bun-
desebene zu bilden, um die bisher anhängigen Ermittlungsverfahren zu ko-
ordinieren oder eine solche zu bilden, um die Einleitung weiterer Ermitt-
lungsverfahren zu prüfen und dahingehende Vorfeldermittlungen aufzu-
nehmen?

9. Prüft die Bundesregierung in den Fällen, in denen sie direkt oder über den
SoFFin an Unternehmen beteiligt ist, die strafrechtliche Verantwortung der
früheren oder noch im Amt befindlichen Mitglieder des Vorstands, des
Aufsichtsrats, von Abschlussprüfern und sonstigen leitenden Angestellten?

Prüft sie ferner oder lässt sie die rechtlichen Möglichkeiten von zivilrecht-
lichen Haftungsklagen prüfen wegen pflichtwidrigen Handelns (auf Grund
der §§ 93, 116 des Aktiengesetzes (AktG), z. B. durch Handeln auf unzu-
reichender Informationsgrundlage, fehlender Risikoabschätzung, fehlender
Vermeidung von Klumpenrisiken oder fehlender Einhaltung sonstiger
professioneller Regeln) oder eine sonstige Haftung auf Grund vertraglicher
und deliktischer Ansprüche?

10. Sieht die Bundesregierung einen Mangel an materiellen Haftungsvorschrif-
ten, um die Geschehnisse der Finanzmarktkrise und das Verhalten von Ver-
antwortlichen ordnungsgemäß zu erfassen oder sieht die Bundesregierung
die Defizite eher auf Seiten der Durchsetzbarkeit von zivilrechtlichen
Ansprüchen?

Wenn sie keine Defizite sieht, wie begründet die Bundesregierung ihre
diesbezügliche Auffassung?

11. Sieht die Bundesregierung in Fällen, in denen sie Banken stützt, Möglich-
keiten, die Berufshaftpflichtversicherung der Vorstände und Aufsichtsräte
in Anspruch zu nehmen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12489

12. Sieht die Bundesregierung die Lenkungswirkung des Haftungsrechts noch
gewahrt, wenn verantwortliche Bankvorstände zwar rechtskräftig zu Scha-
densersatzzahlungen verurteilt würden, diese Zahlungen aber ausschließ-
lich durch Versicherungen (D&O Versicherungen) und nicht einmal an-
teilig aus dem Privatvermögen erfolgten?

13. Hält es die Bundesregierung für notwendig, den entsprechenden Passus des
Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK Regel 3.8) als verbind-
liche Norm ins Aktiengesetz zu überführen, und wenn nicht, warum nicht?

14. Prüft die Bundesregierung auch den Ablauf etwaiger zivilrechtlicher und
strafrechtlicher Verjährungsfristen, da die Gründung der Zweckgesell-
schaften teilweise schon vor Jahren erfolgte?

15. Sofern die Bundesregierung haftungsrechtliche Prüfungen vornimmt, ge-
schieht dies durch Mitarbeiter der Bundesregierung oder beauftragt sie da-
mit externe Kanzleien?

16. Sofern die Bundesregierung bei solchen Prüfungen zu dem Ergebnis einer
haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Vorstände gekommen ist, lässt
sie sich die Ansprüche abtreten oder wirkt sie innerhalb der Finanzunter-
nehmen, an denen sie beteiligt ist, auf eine effektive Durchsetzung dieser
Ansprüche hin?

17. Prüft die BaFin die Zuverlässigkeit des Managements (Vorstand und Auf-
sichtsrat) der Geschäftsbanken nach dem Kreditwesengesetz (KWG), sofern
eine Bank Staatshilfen in Anspruch nehmen möchte?

18. Hat die BaFin seit Ausbruch der Krise die Zuverlässigkeit des Manage-
ments (Vorstand und Aufsichtsrat) der Geschäftsbanken nach dem KWG
geprüft, ohne dass eine Geschäftsbank Staatshilfen in Anspruch nehmen
wollte, und wenn ja, welches waren diese Fälle?

19. Gibt es Fälle, in denen Staatshilfen verweigert wurden, weil das Manage-
ment der Bank nicht mehr die Gewähr dafür bietet, die Geschäfte des Insti-
tuts in Zukunft in ordnungsgemäßer Weise auszuüben?

Berlin, den 24. März 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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