BT-Drucksache 16/12314

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/10572- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung - Erweiterung des Beschlagnahmeschutzes bei Abgeordneten

Vom 18. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12314
16. Wahlperiode 18. 03. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/10572 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung –
Erweiterung des Beschlagnahmeschutzes bei Abgeordneten

A. Problem

Die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli
2003 (2 BvR 508/01, BVerfGE 108, 251 ff.) hinsichtlich der Reichweite des
Beschlagnahmeschutzes bei Mitarbeitern von Abgeordneten werden als nicht
hinreichend geklärt angesehen.

Aus dem Urteil ergibt sich, dass ein Abgeordneter in den Räumen des Deutschen
Bundestages unmittelbare Herrschaftsmacht über Schriftstücke im Sinne des
Artikels 47 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) hat und dass solche Schriftstücke in
diesen Räumen auch nicht bei einem Mitarbeiter beschlagnahmt werden dürfen.
Offengeblieben ist aber, ob der vom Bundesverfassungsgericht als für die Reich-
weite des Beschlagnahmeschutzes maßgeblich erachtete funktionelle Herr-
schaftsbereich eines Abgeordneten auch solche Unterlagen erfasst, die sich au-
ßerhalb der Gebäude des Bundestages – z. B. bei einem Mitarbeiter im
Wahlkreisbüro – befinden.

B. Lösung

Einstimmige Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung

C. Alternativen

Keine
D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 16/12314 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/10572 mit folgender Maßgabe, im Übri-
gen unverändert anzunehmen:

Artikel 1 Nummer 2 wird wie folgt gefasst:

‚2. § 97 Abs. 3 und 4 wird wie folgt gefasst:

„(3) Die Absätze 1 und 2 sind entsprechend anzuwenden, soweit die Hilfs-
personen (§ 53a) der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3b Genannten das Zeug-
nis verweigern dürfen.

(4) Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
genannten Personen reicht, ist die Beschlagnahme von Gegenständen unzu-
lässig. Dieser Beschlagnahmeschutz erstreckt sich auch auf Gegenstände,
die von den in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 genannten Personen ihren Hilfsper-
sonen (§ 53a StPO) anvertraut sind. Satz 1 gilt entsprechend, soweit die
Hilfspersonen (§ 53a StPO) der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 genannten Perso-
nen das Zeugnis verweigern dürften.“‘

Berlin, den 18. März 2009

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Jörg van Essen
Berichterstatter

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

gen, in einer sachgerechten Auseinandersetzung zu einer
Einigung über das schwierige Thema des Beschlagnahme-

werden, dass hinsichtlich der Abgeordnetenmitarbeiter aus-
schutzes bei Abgeordneten zu gelangen. Das Anliegen der
Fraktionen, den Beschlagnahmeschutz auf Liegenschaften
außerhalb des Deutschen Bundestages auszuweiten, erfahre
durch die gegenüber dem Vorschlag des Ausschusses für

schließlich Absatz 3 entsprechend anzuwenden ist. Andern-
falls käme es zu unauflösbaren Widersprüchen.

Daher wird der bisherige Absatz 4 zum neuen Absatz 3 und
auf die Mitarbeiter der Hauptgruppen von Berufsgeheimnis-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12314

Bericht der Abgeordneten Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen),
Christine Lambrecht, Jörg van Essen, Wolfgang Neskovic und Jerzy Montag

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 16/10572 in seiner 183. Sitzung am 16. Oktober 2008
beraten und an den Rechtsausschuss zur federführenden Be-
ratung sowie an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität
und Geschäftsordnung zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat den Gesetzentwurf in seiner 40. Sitzung
am 12. November 2008 beraten und einstimmig beschlossen
zu empfehlen, den Gesetzentwurf anzunehmen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 117. Sitzung
am 12. November 2008 beraten und beschlossen, die weitere
Beratung zur Durchführung eines erweiterten Berichterstat-
tergesprächs zu vertagen, das am 19. Dezember 2008 statt-
fand. Der Rechtsausschuss hat die Vorlage ferner in seiner
127. Sitzung am 4. März 2009 sowie abschließend in seiner
129. Sitzung am 18. März 2009 beraten und einstimmig be-
schlossen zu empfehlen, den Gesetzentwurf in geänderter
Fassung anzunehmen.

Die Fraktion DIE LINKE. führte aus, es sei dem besonde-
ren Engagement der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu verdanken, dass der Gesetzentwurf eine weitere Verbesse-
rung erfahren habe. Von Anfang an habe über das mit dem
Gesetzentwurf verfolgte Ziel zwischen den Fraktionen
Einigkeit bestanden. Uneinig sein man nur darüber gewesen,
ob dieses Ziel in der ursprünglichen Formulierung zweifels-
frei zum Ausdruck gebracht worden sei. Obgleich der Ge-
setzentwurf auch in seiner geänderten Formulierung nicht
frei von Missverständnissen sei, werde er von der Fraktion
mitgetragen.

Sie erklärte zur Klarstellung, dass mit dem bewussten Ver-
zicht auf den Beschlagnahmeschutz einschränkende Tat-
bestandsmerkmale wie „Gewahrsam“ und „funktioneller
Herrschaftsbereich“ nach der Einigung im Berichterstatter-
gespräch zum Ausdruck gebracht werden solle, dass die
Reichweite des Beschlagnahmeschutzes allein durch die
Reichweite des Zeugnisverweigerungsrechts des Abgeord-
neten bestimmt werde.

Die Fraktion der SPD trug vor, den Fraktionen sei es gelun-

zung. Dem Bundesministerium der Justiz sei für die Unter-
stützung der Arbeiten des Ausschusses zu danken.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßte die
vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-
ordnung ausgegangene Initiative, im Anschluss an die Ent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einem von
allen Fraktionen getragenen Gesetzentwurf zu gelangen. Die
Verfassungsgerichtsentscheidung sei nämlich zwar in dem
konkreten Einzelfall zugunsten eines Abgeordneten ausge-
fallen, lasse aber eine klare allgemeine Aussage zu dem da-
hinterstehenden Lebenssachverhalt vermissen. Infolge einer
konstruktiven Auseinandersetzung im Rechtsausschuss sei
es gelungen, den Vorschlag des Ausschusses für Wahlprü-
fung, Immunität und Geschäftsordnung so zu verbessern,
dass der geänderte Gesetzentwurf die Vorschrift entspre-
chend der Rechtssprache der Strafprozessordnung noch kla-
rer fasse und den Beschlagnahmeschutz für die Gegenstän-
de, die die Abgeordneten in Wahrnehmung ihres Mandats
von Bürgerinnen und Bürgern erhielten und an die Mitarbei-
ter weitergäben, umfassend gewährleiste.

Die Fraktion der FDP schloss sich diesen Ausführungen an
und begründete ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf er-
gänzend damit, dass man vor dem Hintergrund der Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts eine einvernehmliche
Änderung des § 97 StPO angestrebt habe. Nachdem der ur-
sprüngliche Gesetzentwurf eine missverständliche Formu-
lierung enthalten habe, hätten die Fraktionen nun auch dank
der Unterstützung des Bundesministeriums der Justiz eine
positive Änderung des Gesetzentwurfs herbeigeführt.

Die Fraktion der CDU/CSU trug vor, in dem Bewusstsein
um die Sensibilität des Themas des Beschlagnahmeschutzes
bei Abgeordneten und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
tern habe man die Diskussion mit großer Ernsthaftigkeit ge-
führt und sei um Einigkeit und ein geschlossenes Auftreten
der Fraktionen bemüht gewesen. Die sachliche Auseinander-
setzung mit dem Thema habe schließlich zu einem guten Ge-
setzentwurf geführt, der nun auch im Deutschen Bundestag
verabschiedet werden sollte.

IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung

Durch die Änderung wird die Systematik des Beschlagnah-
meschutzes in § 97 StPO klarer geordnet, weil nach Berufs-
gruppen unterschieden wird.

Der bisherige Absatz 4 mit seinem pauschalen Verweis auf
die Absätze 1 bis 3 kann sinnvoll nur dahingehend ausgelegt
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung geänderte
Formulierung des Gesetzentwurfs eine präzisere Umset-

trägern beschränkt, die in den Absätzen 1 und 2 in Bezug ge-
nommen sind.

Berlin, den 18. März 2009

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen
Berichterstatter

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

)
Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Jörg van Essen
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter
Drucksache 16/12314 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der neu zu fassende Absatz 4 enthält die Sonderregelungen
für Mandatsträger und ihre Mitarbeiter. Für Medienmitarbei-
ter bleibt es unverändert bei Absatz 5.

Der neue Absatz 4 enthält in seinem Satz 1 die in dem Frakti-
onsentwurf für Absatz 3 Satz 1 vorgesehene Formulierung
des Beschlagnahmeschutzes bei Abgeordneten. Satz 3 be-
stimmt die entsprechende Anwendung des (neuen) Satzes 1
für Abgeordnetenmitarbeiter. Satz 2 enthält die im Fraktions-
entwurf zu Absatz 3 Satz 2 vorgesehene Erweiterung des Be-
schlagnahmeschutzes bei Mitarbeitern von Mandatsträgern,
indem alle Fälle einbezogen werden, in denen der Gegen-
stand einer Hilfsperson anvertraut wurde, ohne dass es inso-
weit auf den Status der Hilfsperson als Beschuldigter oder
Nichtbeschuldigter oder darauf ankommt, ob der Mitarbeiter
den Gegenstand persönlich vom Abgeordneten oder im Zu-
sammenhang mit der Tätigkeit des Abgeordneten von einem
Dritten erhalten hat.

Allerdings wird gegenüber dem Fraktionsentwurf darauf
verzichtet, den Umfang des Beschlagnahmeschutzes bei
Mandatsträgern ausdrücklich mit dem wenig konturierten
Begriff des „funktionellen Herrschaftsbereichs“ der Abge-
ordneten zu umschreiben, da dieser Begriff entbehrlich ist
und sich die Anwendung in der Praxis ohnehin an der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts, die diesen Be-
griff geprägt hat, orientieren müsste. Er soll aber auch nicht
durch den Begriff des Gewahrsams ersetzt werden, um eine
denkbare Einengung gegenüber der bundesverfassungsge-
richtlichen Rechtsprechung auszuschließen.

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