BT-Drucksache 16/11211

Korruptionsbekämpfung bei Hermesbürgschaften

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11211
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Ute Koczy, Kerstin Andreae,
Thilo Hoppe, Dr. Thea Dückert, Hans-Christian Ströbele, Dr. Uschi Eid, Markus
Kurth, Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg), Christine Scheel, Irmingard
Schewe-Gerigk, Dr. Gerhard Schick, Rainder Steenblock, Silke Stokar von Neuforn,
Dr. Harald Terpe, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Korruptionsbekämpfung bei Hermesbürgschaften

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Jährlich werden staatliche Exportbürgschaften in einem Gesamtvolumen von
über 20 Mrd. Euro mit Laufzeiten von bis zu 15 Jahren vergeben. Der vom Par-
lament vorgegebene Gewährleistungsrahmen beträgt insgesamt 309,8 Mrd. Euro,
von dem Ende 2007 insgesamt 226 Mrd. Euro in Anspruch genommen wurden.
Ein großer Teil dieser Summe deckt Projekte in Ländern ab, die hohe politische
Risiken aufweisen, die private Exportversicherer nicht abdecken wollen oder
können. Aus diesem Grund bürgt der Staat für diese Projekte, da sie ohne die
staatlichen Bürgschaften nicht zustande gekommen wären. Es profitieren vor
allem Großkonzerne wie Siemens und Airbus von Hermesbürgschaften, während
mittelständische Unternehmen nur im geringen Ausmaß zum Zuge kommen.

Weit über 50 Prozent der Bürgschaften werden an Entwicklungs- und Schwel-
lenländer vergeben, in denen Korruption ein häufiges Problem ist. Zahlreiche
Projekte werden in korruptionsanfälligen Sektoren, wie z. B. dem öffentlichen
Sektor, der Bauwirtschaft sowie leider immer noch der Waffen- und Rüstungs-
industrie realisiert. Technische Anlagen, Maschinen und Geräte werden an große
Infrastrukturprojekte wie Staudämme, Kraftwerke oder Pipelines geliefert. Ins-
besondere in Entwicklungsländern hat dies für die Bevölkerung gravierende
Folgen, wenn deswegen Investitionen zurückgehalten oder fehlgeleitet werden
und die äußerst knappen öffentlichen Ausgaben negativ beeinflusst werden.

Angesichts der in den Medien bekannt gewordenen Korruptionsvorwürfe im
Rahmen des „Oil for Food Programme“ und der Siemens-Korruptionsaffäre
wird deutlich, dass Bestechung einen deutlich höheren Stellenwert hat, als ange-
nommen wurde. In der Siemens-Korruptionsaffäre geht es um Zahlungen in
Milliardenhöhe, die überwiegend im Ausland als Schmiergeld eingesetzt wor-
den sein sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt mittlerweile gegen mehrere

hundert Beschuldigte. Dabei dürften auch Projekte von Siemens betroffen sein,
die mit Hermesdeckungen abgesichert wurden. Es bleiben viele Fragen offen,
die geklärt werden müssen. So werfen die Dauerzahlungen in Millionenhöhe
von Siemens an griechische Parteien ebenso Fragen auf, wie die Tatsache, dass
Siemens laut der European Renewable Energies Federation im Zuge der Betei-
ligung am Bau eines finnischen Atomreaktors einen Milliardenkredit mit Zins-
konditionen von 2,6 Prozent, weit unter dem üblichen Marktzins bekommen hat.

Drucksache 16/11211 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bisher wurde die Korruptionsbekämpfung bei Hermesbürgschaften nur halbher-
zig betrieben. Zwar wurde die Korruptionsprävention während der Regierungs-
zeit der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung verbessert, vor allem indem
erstmals die Auslandsbestechung strafbar gestellt wurde. Ferner wurden die
Antragsteller verpflichtet, eine Erklärung zu unterschreiben, dass das zu ver-
sichernde Geschäft nicht durch eine strafbare Handlung wie Bestechung zu-
stande gekommen ist und keine Deckungszusagen gegeben werden, wenn
Korruption im Vorfeld bekannt war. Dies reicht aber nicht aus.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. wirksame Maßnahmen gegen Korruption zu ergreifen. Dazu ist es erforder-
lich, dass

● Unternehmen bzw. deren Beauftragte, die nachweislich durch Korruption
und Wirtschaftsdelikte aufgefallen sind, für einen noch festzulegenden
Zeitraum keine Garantien mehr erhalten;

● Informationen zu Provisionen und Beraterverträgen lokaler Agenten ab-
gefragt werden. Abgefragt werden müssen mindestens folgende Informa-
tionen: Name, Adresse, Funktion des Beraters und die Höhe des Honorars.
Beraterhonorare dürfen 5 Prozent des Auftragswertes nicht überschreiten,
andernfalls darf keine Deckungszusage gegeben werden;

● eine grundsätzliche Wirtschaftlichkeitsprüfung für Großprojekte anhand
konkreter Rentabilitätskriterien bei der Antragsprüfung eingeführt wird.
Durch eine solche Prüfung kann verhindert werden, dass unwirtschaft-
liche Projekte durch Bestechung zustande kommen;

● ein für Bürgschaften zuständiger unabhängiger Antikorruptionsbeauf-
tragter ernannt wird, der als direkter Ansprechpartner für Wirtschaft,
Zivilgesellschaft und Politik zur Verfügung steht;

● in den Deckungsverträgen eine Vertragsstrafe in Höhe von 10 Prozent der
Deckungssumme verankert wird, die fällig wird, wenn nachgewiesen
wird, dass das betreffende Geschäft durch Korruption zustande gekom-
men ist. Zudem soll eine Prüfung aller Projekte der letzten fünf Jahre
durchgeführt werden, an denen das betreffende Unternehmen beteiligt
war, das durch korruptes Verhalten aufgefallen ist;

● die Bundesregierung ein Konzept vorlegt, wie Schmiergeldzahlungen an
politische Mandatsträger und Parteien von deutschen Firmen unterbunden
werden können;

● Hermesbürgschaften an Unternehmen überprüft werden, von denen
bekannt ist, dass sie in Korruptionsfälle verwickelt sind. Erhärtet sich der
Korruptionsverdacht, sind die Deckungszusagen unverzüglich zurückzu-
ziehen;

2. zur Prävention von Korruption bei der Vergabe der Hermesgarantien die
Transparenz und die demokratische Kontrolle deutlich zu erhöhen. Deshalb
ist

● die Öffentlichkeit mindestens 90 Tage, bevor über ein Projekt im Inter-
ministeriellen Ausschuss (IMA) entschieden wird, über die Rahmendaten
aller Projekte (Projektname, Ort, beteiligte Unternehmen und Volumen)
über einem Volumen von 15 Mio. Euro oder in besonders korruptions-
anfälligen Sektoren, wie dem öffentlichen Sektor, der Bauwirtschaft sowie
der Waffen- und Rüstungsindustrie zu informieren;

● dafür zu sorgen, dass es keine Hermesbürgschaften mehr für Rüstungs-

exporte gibt;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11211

● dafür zu sorgen, dass die zuständigen Parlamentsausschüsse (Haushalts-
ausschuss, Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung, Wirtschafts- und Umweltausschuss) auf Nachfrage detaillierte Infor-
mationen über die anstehenden Entscheidungen des IMA erhalten;

● dafür zu sorgen, dass die geheimen Sitzungen des IMA für Parlamenta-
rierinnen und Parlamentarier und Organisationen der Zivilgesellschaft mit
beratender Funktion geöffnet werden. Parlamentarierinnen, Parlamenta-
rier und die Zivilgesellschaft müssen dasselbe Recht zur Teilnahme an den
Sitzungen haben, wie Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft, dem
Bankgewerbe und der Exportwirtschaft. Der Deutsche Bundestag soll ein
Vorschlagsrecht für die Teilnahme von Nichtregierungsorganisationen an
den Sitzungen des IMA erhalten;

3. über den Bereich der Hermesgarantien hinaus effektive Maßnahmen gegen
Korruption zu ergreifen, wie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sie
bereits am 28. Februar 2007 (Bundestagsdrucksache 16/4459) in den Deut-
schen Bundestag eingebracht hat. Dazu ist es notwendig,

● mit der Wirtschaft, ihren Verbänden und den Gewerkschaften einen breit
angelegten Dialog über Korruptionsbekämpfung in der Wirtschaft zu
führen;

● dass die Regierung die Kommission „Deutscher Corporate Governance
Kodex“ auffordert, Korruption in den deutschen Corporate Governance
Kodex aufzunehmen;

● dass die Bundesregierung ihren Widerstand gegen ein bundesweites
Korruptionsregister aufgibt und den von der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN am 25. Juni 2008 in den Deutschen Bundestag ein-
gebrachten Gesetzentwurf zur Einführung eines Korruptionsregisters
(Bundestagsdrucksache 16/9780) unterstützt;

● eine Novelle des Aktiengesetzes vorzulegen, die den Wechsel vom Vor-
stand in den Aufsichtsrat verbietet;

● einen Gesetzentwurf zum arbeitsrechtlichen Schutz von Hinweisgebern
(Whistleblower) in den Unternehmen vorzulegen;

● ein Konzept zur systematischen Integration des Themas Korruption in die
Berichterstattung der Unternehmen vorzulegen;

● sich bei den Ländern für die durchgängige Einrichtung von Schwerpunkt-
staatsanwaltschaften und entsprechenden zentralen polizeilichen Ermitt-
lungsstellen einzusetzen.

Berlin, den 3. Dezember 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Korruption führt dazu, dass der Wettbewerb ausgehebelt wird, knappe finan-
zielle Mittel fehlgeleitet werden und für schlechtere Leistungen überhöhte
Preise gezahlt werden. So wird insbesondere Entwicklungsländern, in die weit
über 50 Prozent der mit Bürgschaften gedeckten Exporte gehen, Schaden zu-
gefügt. Korruption ist ein entscheidendes Hindernis für eine sich selbsttragende

Entwicklung. Insofern kann eine effektive Korruptionsbekämpfung in der
Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik Deutschland eine Verbesserung

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der Entwicklungschancen ärmerer Länder bewirken. Korruptionsbekämpfung
hat damit auch eine entwicklungspolitische Dimension.

Im Jahre 2000 wurde ein erster Schritt zur Korruptionsbekämpfung in den Ge-
schäftspraktiken der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG gegangen. Seitdem
müssen die Antragsteller in einer Erklärung ausdrücklich versichern, dass das
Geschäft nicht durch eine strafbare Handlung, insbesondere Bestechung zu-
stande gekommen ist. Die Exporteure werden auch darauf hingewiesen, dass mit
Korruption behaftete Geschäfte nicht deckungsfähig sind. Im Mai 2006 hat sich
die Exportkreditgruppe der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung auf eine Verschärfung der Korruptionsprävention geeinigt, die
im Januar 2007 von der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG umgesetzt
wurde. Die Exporteure werden mit allen Anfragen auf Einzeldeckungen gefragt,
ob sie innerhalb der vergangenen fünf Jahre von einem nationalen Gericht we-
gen Bestechung von ausländischen Amtsträgern rechtskräftig verurteilt wurden,
gegenwärtig eine Anklage besteht oder eine Anklage wegen Bestechung einge-
stellt wurde. Sollten sich aus den Fragebögen oder aus anderen Quellen Hin-
weise auf Bestechung ergeben, ist die Euler Hermes Kreditversicherungs-AG
verpflichtet, eine vertiefte Prüfung durchzuführen.

Das waren Schritte in die richtige Richtung. Allerdings konnten dadurch bisher
keine vorzeigbaren Erfolge in der Korruptionsbekämpfung bei der Vergabe von
Export- oder Investitionsgarantien erzielt werden. So lange das Risiko gering ist,
dass Korruption bei Geschäften erkannt wird, keine Informationen zu gedeckten
Projekten veröffentlicht werden, die Antragsteller nicht vom Vergabeverfahren
ausgeschlossen werden und den Antragstellern keine Sanktionen drohen, bleibt
die Korruptionsbekämpfung ein zahnloser Tiger. Dies zeigen die Antworten der
Antragsteller auf die Fragebögen zur Korruption. Lediglich in 8 von insgesamt
1 413 zwischen Januar und August 2007 eingereichten Anträgen machten die
Antragsteller Angaben zu Anklagen oder nicht strafrechtlichen Sanktionen.

Die bekannt gewordenen Korruptionsfälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Sie
müssen aufgeklärt werden und es muss dafür gesorgt werden, dass Korruption
in Zukunft so gut wie möglich vermieden wird. Angesichts des intransparenten
Verfahrens bei der Vergabe von Bürgschaften und der unzureichenden Informa-
tionspolitik der Bundesregierung ist es sinnvoll, die oben genannten Punkte im
Vergabeverfahren zu berücksichtigen und ein wirksames System zur Korrup-
tionsbekämpfung bei der Vergabe von Hermesbürgschaften zu entwickeln.

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