BT-Drucksache 16/11058

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/9900, 16/9902, 16/10416, 16/10423, 16/10424, 16/10425- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2009 (Haushaltsgesetz 2009) hier: Einzelplan 17 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Vom 24. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11058
16. Wahlperiode 24. 11. 2008

Änderungsantrag
der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar
Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge,
Roland Claus, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Katja Kipping, Katrin Kunert,
Michael Leutert, Dorothee Menzner, Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken),
Dr. Ilja Seifert, Frank Spieth, Dr. Kirsten Tackmann, Jörn Wunderlich und der
Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/9900, 16/9902, 16/10416, 16/10423, 16/10424, 16/10425 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2009
(Haushaltsgesetz 2009)

hier: Einzelplan 17
Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Der Bundestag wolle beschließen:

Im Kapitel 17 02 wird der Titel 882 01 – Zuweisungen an die Länder für
Investitionen zum Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren – mit
4 Mrd. Euro vorgesehen, um das Betreuungsangebot gebührenfrei, barrierefrei
und ganztägig zu gewährleisten.

Berlin, den 24. November 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung
Um in einer Anschubfinanzierung qualitativ hochwertige, gebührenfreie, ganz-
tägige und bedarfsdeckende Kinderbetreuung in allen Bundesländern zu ge-
währleisten, reichen die von der Bundesregierung eingeplanten Mittel nicht aus.
Familienpolitik muss Versorgungsdefizite und Benachteiligungen so weit ab-
bauen, dass für alle im Land lebenden Menschen eine optimale Entwicklung und
ein Leben ohne materielle Not gewährleistet sind. Gleiche Teilhabe aller am
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben ist sicherzustellen. Hierfür ist

Drucksache 16/11058 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

vor allem die Bereitstellung einer verlässlichen und qualitativ hochwertigen
Infrastruktur für Kinder und Familien notwendig. Diese Infrastruktur ist beson-
ders für Familien mit geringem Einkommen wichtig, die die Defizite eines dür-
ren Sozialstaats am wenigsten ausgleichen können. Die Finanzierung dieser
Infrastruktur, insbesondere einer bedarfsdeckenden und elternbeitragsfreien
Kindertagesbetreuung ist bisher nicht ausreichend erfolgt. Denn trotz aller Wil-
lensbekundungen musste die Bundesregierung in ihrem Bericht nach § 24a
Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch über den „Stand des Ausbaus für
ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei
Jahren“ für das Berichtsjahr 2007 konstatieren, dass der Ausbau der Betreuungs-
plätze nach wie vor von einer zu geringen Ausbaudynamik gekennzeichnet sei.
Sie zeigt auf, dass „die Ausbaudynamik noch zunehmen muss, um die
TAG-Ziele bis 2010 zu erreichen.“ (S. 19).

Der Bildungsweg beginnt in Kinderkrippen und Kindergärten. Diese und Hort-
einrichtungen ermöglichen die gemeinschaftliche Erziehung von Kindern unter-
schiedlicher Herkunft. Sie befördern die soziale Kompetenz der Kinder, wirken
sich positiv auf die Integration von Kindern aus Migrantenfamilien durch zeiti-
gen Erwerb der deutschen Sprache aus und verbessern so Bildungs- und spätere
Erwerbschancen. Erziehungsmängel und soziale Defizite können durch Fach-
kräfte erkannt und durch erzieherische Arbeit ausgeglichen werden. Nicht zu-
letzt geben öffentliche Kinderbetreuungsangebote den Eltern die Möglichkeit,
einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und wirken somit unter anderem direkt als
Instrument der Armutsbekämpfung.

Gebührenfreie, umfassende und flächendeckende Betreuungsangebote für Kin-
der gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Aber nur diese gewährleis-
ten, dass kein Kind wegen der Einkommens- oder Lebenssituation der Eltern
von einer Erziehung im Kreise anderer Kinder sowie von frühkindlicher Bil-
dung und Erziehung durch Fachkräfte ausgeschlossen ist. Deshalb müssen die
Länder und Kommunen in die Lage versetzt werden, gebührenfreie, umfas-
sende und flächendeckende Betreuungsangebote für Kinder anzubieten und
aufzubauen.

Nach Angaben des Deutschen Städtetages benötigen die Kommunen 10 Mrd.
Euro jährlich, um öffentliche Kindergärten vorzuhalten. Mit ca. 20 Prozent
sind die Eltern über Gebühren an den Kosten beteiligt. Allein die Gebühren-
freiheit im Kindergarten würde demnach jährlich 2 Mrd. Euro kosten (vgl.
Deutscher Städtetag vom 15. Januar 2007). Bei einem ausreichenden Angebot
von Volltagesplätzen ist vom Doppelten der Kosten für einen Halbtagesplatz
auszugehen (Dieter Dohmen, Bedarf, Kosten und Finanzierung des Kita-Aus-
baus für die unter 3-Jährigen, Berlin 2007, S. 17). Mindestens weitere
2 Mrd. Euro sind somit jährlich notwendig zur Anschubfinanzierung eines
reichhaltigen, qualitativ hochwertigen, gebührenfreien und ganztägigen Be-
treuungsangebots. Die öffentliche Kinderbetreuung muss als gesellschaftliche
Aufgabe verstanden werden. Um den Zugang eines jeden Kindes in eine
öffentliche Betreuungseinrichtung zu ermöglichen, muss dieser gebührenfrei
sein. Das erforderliche Konzept zur Finanzierung muss die Bundesregierung
vorlegen.

Prof. Karl Lauterbach geht sogar von einem weit höheren jährlichen Mehrbe-
darf an Geldern für frühkindliche Bildung aus. Die Kosten für die Kinderbe-
treuung veranschlagt er bei 23,5 Mrd. Euro. Darin enthalten sind Plätze für alle
ein- und zweijährigen Kinder in Kindertagesstätten (10,6 Mrd. Euro) und Kin-
dergartenplätze für die drei- bis fünfjährigen Kinder (7,9 Mrd. Euro). Beide
Einrichtungen sind zunächst als Halbtagseinrichtungen konzipiert. Für die
Hälfte der Kinder müssten laut Prof. Karl Lauterbach Ganztagesplätze ange-

boten werden (3,6 Mrd. Euro), für 10 Prozent der Kinder ist ferner eine Sprach-
förderung notwendig (210 Mio. Euro). Da derzeit rund 11,1 Mrd. Euro (inkl.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11058

Elternbeiträge, jedoch ohne Tagespflegepersonen) ausgegeben werden, ver-
bleibt ein Mehrbedarf von 12 Mrd. Euro jährlich. Ferner veranschlagt Prof.
Karl Lauterbach 2,4 Mrd. Euro jährlich für eine bessere Personalausstattung
der bereits bestehenden Einrichtungen und 3,2 Mrd. Euro für die bessere Aus-
bildung des Personals (vgl. Karl Lauterbach, Der Zweiklassenstaat. Wie die
Privilegierten Deutschland ruinieren, Berlin 2007, S. 52 f. sowie Klemens
Himpele, Bildungsfinanzierung in Deutschland: Probleme und Lösungs-
ansätze, Berlin 2007, S. 19).

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