BT-Drucksache 16/10616

Kindergelderhöhung sofort auch bei Hartz IV wirksam machen

Vom 15. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10616
16. Wahlperiode 15. 10. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst, Dr. Barbara Höll, Dr. Martina
Bunge, Dr. Dagmar Enkelmann, Diana Golze, Lutz Heilmann, Ulla Jelpke, Dr. Hakki
Keskin, Katja Kipping, Jan Korte, Kornelia Möller, Kersten Naumann, Petra Pau,
Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Ilja Seifert, Frank Spieth,
Dr. Kirsten Tackmann, Alexander Ulrich, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Kindergelderhöhung sofort auch bei Hartz IV wirksam machen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Kinderarmut in Deutschland hat nach wie vor ein unerträgliches Ausmaß.
Die Einkommen von Familien mit Kindern halten nicht mit dem Preisanstieg
für den Lebensunterhalt von Kindern mit. Das Kindergeld mildert dieses Pro-
blem zum Teil ab. Seit dem Jahr 2002 wurde das Kindergeld nicht mehr erhöht,
obwohl seitdem die Preise deutlich angestiegen sind. Die von der Bundesregie-
rung beschlossene Anhebung des Kindergelds um 10 Euro für das erste und
zweite Kind sowie um 16 Euro für jedes weitere Kind wird bei Familien nicht
wirksam, die Leistungen nach dem Zweiten und dem Zwölften Buch Sozialge-
setzbuch (SGB II und XII) erhalten. Damit sind ausgerechnet die Ärmsten der
Armen und deren Kinder von der Kindergelderhöhung ausgeschlossen. Des-
halb ist es notwendig und gerecht, dass diese Kindergelderhöhung auch denen
zu Gute kommt, die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II und XII
erhalten. Kurzfristig ist dies dadurch zu gewährleisten, dass der Betrag der Kin-
dergelderhöhung von der Einkommensanrechnung nach dem SGB II und XII
ausgenommen wird, bis der Regelsatz für Kinder dem existenznotwendigen
Bedarf von Kindern angepasst wurde.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

umgehend nach dem Vorbild der Regelungen des Gesetzes zur Familienförde-
rung vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2552) in § 11 SGB II und § 82
SGB XII eine Regelung einzufügen, nach der für jedes minderjährige unver-
heiratete Kind der Erhöhungsbetrag beim Kindergeld ab 1. Januar 2009 monat-
lich vom zu berücksichtigenden Einkommen abzusetzen ist, bis der Regelsatz
für Kinder dem existenznotwendigen Bedarf von Kindern angepasst wurde.

Berlin, den 15. Oktober 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/10616 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Begründung

Der Grundsatz, dass der Staat den Steuerpflichtigen deren Einkommen soweit
steuerfrei belassen muss, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für
ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird, gilt auch für Kinder. Ausgehend
davon hat das Verfassungsgericht ausgeführt, dass das Existenzminimum aller
Familienmitglieder steuerfrei zu stellen ist. Für jedes Kind ist den Eltern des-
halb ein Kinderfreibetrag steuerfrei zu stellen, derzeit 5 808 Euro pro Kind und
Jahr. Weil durch die Progression im Einkommensteuerrecht Besserverdienende
bevorteilt werden, soll das Kindergeld auch Kompensation für Haushalte mit
niedrigen Einkommen sein.

Der Gesetzgeber hat sich bei der Ermittlung des steuerlichen Existenzmini-
mums von Kindern bislang in den dafür maßgeblichen Existenzminimum-
berichten entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts am typi-
sierten sozialhilferechtlichen Bedarf von Kindern orientiert. Ein Anstieg des
Kinderfreibetrags wird also im Regelfall mit einem entsprechenden Anstieg des
typisierten sozialhilferechtlichen Bedarfs von Kindern zu rechtfertigen sein.
Der Bundestag hat 1995 in einem Beschluss für die Zukunft unmissverständlich
festgestellt, dass, wenn der Kinderfreibetrag angehoben wird, auch das Kinder-
geld entsprechend erhöht werden muss (Bundestagsdrucksache 13/1558).

Die Ankündigung einer Kindergelderhöhung um 10 Euro monatlich für das
erste und zweite Kind sowie um 16 Euro monatlich für das dritte und alle wei-
teren Kinder ab 2009 zeigt, dass der zur Abdeckung des Existenzminimums
von Kindern nötige Betrag auch aus Sicht der Bundesregierung seit Vorlage des
letzten Existenzminimumberichts deutlich angestiegen ist. Mit der Ankündi-
gung hat die Bundesregierung öffentlich bereits die Ergebnisse des noch nicht
vorgelegten Existenzminimumberichts für die Jahre 2009 und 2010 vorweg-
genommen. Eine Anhebung des Kindergelds von 154 auf 164 Euro monatlich
entspricht einer Anhebung um ca. 6,5 Prozent. Wenn die Neufestsetzung des
Kindergelds auf der bisher gewählten Systematik beruht, dann müsste der Exis-
tenzminimumbericht also einen Anstieg des sozialhilferechtlichen Existenz-
minimums für Kinder in etwa dieser Größenordnung ausweisen. Eine solche
Erhöhung der Grundsicherungsleistungen ist allerdings wenigstens im Bereich
der Regelleistungen, die seit 2005 um etwa 2,2 Prozent anstiegen, nicht vor-
genommen worden. Eine Kompensation durch eine Nichtanrechnung des
Kindergelderhöhungsbetrags ist also bis zur Anpassung des Regelsatzes für
Kinder an den existenznotwendigen Bedarf von Kindern aus Gerechtigkeits-
gründen geboten.

Eine Neufestsetzung der Regelsätze für Kinder muss im Anschluss an diese
Regelung schnellstmöglich vorgenommen werden, damit die Grundsicherungs-
leistungen für Kinder auch deren tatsächlichen existenznotwendigen Bedarf
abbilden. Dies ist aktuell nach Ansicht vieler Verbände und Experten nicht
gegeben.

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