BT-Drucksache 15/5332

Die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Großstädte in Deutschland sichern

Vom 19. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5332
15. Wahlperiode 19. 04. 2005

Antrag
der Abgeordneten Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), Bernhard Kaster,
Peter Götz, Norbert Barthle, Günter Baumann, Dr. Christoph Bergner, Dr. Rolf
Bietmann, Clemens Binninger, Klaus Brähmig, Helge Braun, Monika Brüning,
Hartmut Büttner (Schönebeck), Verena Butalikakis, Marie-Luise Dött, Maria
Eichhorn, Dr. Maria Böhmer, Antje Blumenthal, Thomas Dörflinger, Norbert Geis,
Roland Gewalt, Eberhard Gienger, Ralf Göbel, Markus Grübel, Albrecht Feibel,
Ingrid Fischbach, Herbert Frankenhauser, Hartwig Fischer (Göttingen), Erich G.
Fritz, Jochen-Konrad Fromme, Georg Girisch, Ute Granold, Reinhard Grindel,
Gerda Hasselfeldt, Ursula Heinen, Siegfried Helias, Ernst Hinsken, Dr. Egon
Jüttner, Volker Kauder, Kristina Köhler (Wiesbaden), Dr. Günter Krings, Michael
Kretschmer, Werner Lensing, Ursula Lietz, Walter Link (Diepholz), Dorothee
Mantel, Erwin Marschewski (Recklinghausen), Stephan Mayer (Altötting),
Dr. Conny Mayer (Freiburg), Laurenz Meyer (Hamm), Hildegard Müller, Michaela
Noll, Günter Nooke, Franz Obermeier, Rita Pawelski, Dr. Joachim Pfeiffer,
Dr. Friedbert Pflüger, Beatrix Philipp, Ruprecht Polenz, Christa Reichard
(Dresden), Hannelore Roedel, Franz Romer, Dr. Ole Schröder, Dr. Andreas
Scheuer, Angela Schmid, Marion Seib, Heinz Seiffert, Edeltraut Töpfer,
Arnold Vaatz, Ingo Wellenreuther, Dagmar Wöhrl, Wolfgang Zeitlmann, Willi
Zylajew und der Fraktion der CDU/CSU

Die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Großstädte in Deutschland sichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In den insgesamt 82 Großstädten in Deutschland mit über 100 000 Einwohnern
leben mehr als 25,3 Millionen Menschen – das sind 30,6 Prozent der Gesamt-
bevölkerung (Stand 31. Dezember 2003). Im Jahr 2002 wurde in den 81 größten
Städten Deutschlands ein Bruttoinlandsprodukt von rund 900 Mrd. Euro und
somit zirka 43 Prozent des gesamten bundesdeutschen BIP erwirtschaftet.

Die deutschen Großstädte stehen in einem europa- und weltweiten Wettbewerb
um Wirtschaftsinvestitionen und damit auch um Arbeitsplätze. Zugleich sind sie
für viele Menschen ein nach wie vor attraktiver Lebensmittelpunkt, der vielfäl-
tige Chancen der individuellen, sozialen und kulturellen Entfaltung bietet.
Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Großstädte werden zunehmend davon
abhängen, inwiefern die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt, damit
die Großstädte die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen
unserer Zeit tatsächlich bewältigen können.

Drucksache 15/5332 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Großstädte als Motoren wirtschaftlicher Dynamik

Die Wettbewerbsfähigkeit der Großstädte hängt nicht zuletzt davon ab, ob es der
Politik in Bund und Ländern gelingt, die Rahmenbedingungen für Wirtschafts-
wachstum und für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu verbessern. Nur ein
Richtung weisender bundespolitischer Rahmen kann die notwendigen Impulse
für Wirtschaft und Arbeitsmarkt geben und dazu beitragen, die akuten Probleme
der Großstädte zu lösen.

Zur Wettbewerbsfähigkeit der Großstädte zählt ihr besonderer Charakter als
Wirtschaftsstandort. Großstädte sind Handels- und Dienstleistungszentren für
die jeweilige Region und darüber hinaus. Die industrielle Produktion bleibt
zudem ein fester Bestandteil der Großstadtökonomie, die Wohnen und Arbeit
sinnvoll miteinander verbindet.

Deutschland bleibt in seiner Attraktivität als Standort für internationale Unter-
nehmen hinter seinen europäischen Nachbarn zurück. Viele multinationale
Unternehmen wählen wegen besserer steuerlicher und gesetzlicher Rahmen-
bedingungen die Nachbarstaaten als Standort für ihre Konzernzentralen und
Service- oder Dienstleistungszentren. Durch diese Entwicklung entgehen der
deutschen Volkswirtschaft in beträchtlichem Umfang nicht nur Steuereinnah-
men und Arbeitsplätze, sondern auch die kulturelle Identifikation der Beschäf-
tigten mit allen Folgewirkungen am Standort.

Großstädte sind Verkehrsknotenpunkte. Sie liegen vielfach am Schnittpunkt
deutscher wie europäischer Verkehrsachsen und benötigen eine gut ausgebaute
Infrastruktur, um die Verkehrsströme zu bewältigen und den Austausch von
Waren und Dienstleistungen effizient abwickeln zu können.

Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit sind für die deutschen Großstädte nur ge-
währleistet, wenn finanzpolitische Maßnahmen und baurechtliche Regelungen
es den Städten ermöglichen, den Investitionsstau bei großen, das Stadtbild sowie
die gesamte städtische Sozial-, Wirtschafts- und Verkehrsinfrastruktur prägen-
den Projekten aufzulösen.

Großstädte als Katalysatoren gesellschaftlicher Veränderungen

Großstädte sind Impulsgeber neuer gesellschaftlicher Entwicklungen, sozialer
und wirtschaftlicher Herausforderungen und innovativer Lösungen. Bürokra-
tische Auflagen und übermäßige Regulierungen des Gesetzgebers hemmen die
Städte in ihrem Bestreben, moderne Formen des Mit- und Nebeneinanders von
Leben, Wohnen und Arbeiten in der Großstadt zu ermöglichen.

Der demografische Wandel hat maßgeblichen Einfluss auf den Städtebau.
Geeignete Rück- und Umbaumaßnahmen können städtebaulich dazu beitragen,
das gesellschaftliche Miteinander der Generationen unter veränderten demogra-
fischen Verhältnissen zu gestalten.

Familienpolitik muss dort stattfinden, wo Familien leben, also unmittelbar vor
Ort, in unseren Städten und Gemeinden. Gerade Großstädte sind für Familien
mit Kindern „Schmelztiegel“, in denen wichtige Grundlagen für die Entwick-
lung von Kindern gelegt werden. Deshalb müssen Großstädte für Kinder Ent-
wicklungschancen bieten. Voraussetzung hierfür ist ein familienfreundliches
Wohnumfeld mit bedarfsgerechten Angeboten der Kinderbetreuung.

Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft – und die Zukunft der Großstädte.
Kinder müssen sich auch in der Welt der Großstadt sicher und geborgen fühlen
können. Damit auch Familien mit Kindern in der Großstadt eine Heimat finden,
müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5332

Dabei sollte die Schaffung von familien- und kinderfreundlichen Strukturen
oberste Priorität haben, die u. a. durch die aktive Einbeziehung von Familien
sowie die Zusammenführung und Vernetzung mit allen örtlichen Familien unter-
stützenden Aktivitäten in die Gestaltung ihres Lebensumfeldes umgesetzt wer-
den kann. Der kommunale Familientisch ist dabei z. B. eine Möglichkeit, mit
Familien praxisbezogene Lösungsansätze für den Ausbau eines familienfreund-
lichen Wohn- Arbeits- und Lebensumfeldes zu diskutieren, die sich an den
konkreten Bedürfnissen von Familien vor Ort orientieren.

Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements und des Ehrenamtes sind
elementare Bestandteile einer Politik zur Stärkung der Großstädte. Gerade in
anonymen und von Vereinzelung geprägten Großstädten ist die Aktivierung
bürgerschaftlichen Engagements besonders schwierig. Deshalb sollte die öffent-
liche Hand den Bürgern helfend zur Seite stehen, damit diese sich freiwillig für
ihre Stadt, ihr Quartier oder ihre Nachbarschaft einsetzen. Die Belebung und
Förderung kommunalpolitischen Engagements, die frühzeitige Bürgermit-
wirkung und Beteiligung sind Ausdruck eines lebendigen Gemeinwesens und
unverzichtbare Basis für eine stabile Demokratie.

Wir brauchen mehr Kinderfreundlichkeit in Alltag. Dazu gehören ausreichende
Spiel- und Freizeitmöglichkeiten, mehr Sicherheit im Straßenverkehr sowie
Kinder- und Familienverträglichkeitsprüfungen z. B. bei Spielplätzen, Sport-
anlagen, Gehwegen und Grünanlagen. Sport spielt bei der Schaffung von
Anlaufstellen für Kinder- und Jugendliche, der Integration ausländischer Mit-
bürgerinnen und Mitbürger und der zunehmenden Bewegungsarmut breiter
Bevölkerungsschichten in den Großstädten eine besondere Rolle. Öffentliche
wohnortnahe Sportstätten sollen deshalb möglichst allen Bürgerinnen und
Bürgern ein weit gefächertes Sportangebot sichern.

Bewerbungen um die Austragung internationaler Sportgroßveranstaltungen
zeigen, welche Bedeutung Großstädte dem Spitzensport zumessen. Städte und
private Investoren dürfen bei der Errichtung, dem Ausbau und der Instandhal-
tung von Stadien und multifunktionalen Hallen nicht durch bürokratische Ver-
ordnungen unnötig gehemmt werden.

Kultur ist ein zentraler Standortfaktor für die Großstädte. Ohne ein vielschich-
tiges kulturelles Angebot für ihre Bewohner verlieren die Großstädte an Anzie-
hungskraft gerade für jene leistungsstarken Bevölkerungsschichten, die sie für
eine zukunftsfähige Sozial- und Wirtschaftsstruktur benötigen. Geschlossene
Theater und Konzerthallen, Museen, Musikschulen und Bibliotheken sind un-
wiederbringliche Verluste für das kulturelle Leben. Angesichts der anhaltenden
finanziellen Notlage der Städte wird es in Zukunft darauf ankommen, die in den
vergangenen Jahrzehnten gewachsene Kulturlandschaft und -infrastruktur auf
Dauer zu sichern, um einen weiteren Verlust kultureller Substanz in den Städten
zu verhindern. Ein vielfältiges Kulturangebot, ist lebensnotwendig für die
großen Städte und ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Großstädte als Brennpunkte sozialer Herausforderungen

Soziale Verwerfungen treffen die Großstädte mit besonderer Wucht: So lag die
durchschnittliche Sozialhilfequote in den 76 größten Städten Deutschlands im
Jahr 2003 bei 5,6 Prozent, über 60 Prozent höher als der gesamte Bundesdurch-
schnitt von 3,4 Prozent.

Sozialpolitik in den Großstädten lebt davon, Rahmenbedingungen zu setzen, die
aus Empfängern sozialer Transferleistungen Geber dergleichen macht. Zur Stei-
gerung des Anteils sozialversicherungspflichtig Beschäftigter wird die Maßgabe
„Fördern und Fordern“ solange eine Leerformel bleiben, wie die Finanz- und
Wirtschaftspolitik im Bund keine besseren Voraussetzungen für Wachstum und
Beschäftigung schafft.

Drucksache 15/5332 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Tendenzen der Verwahrlosung von Jugendlichen und deren zunehmende Abhän-
gigkeit von Sozialhilfe mit der Herausbildung ganzer „Sozialhilfegenerationen“
stellen die Großstädte heute vor Herausforderungen, mit denen sie nicht allein
gelassen werden dürfen.

Insbesondere die Großstädte engagieren sich freiwillig mit ihren spezifischen
Möglichkeiten bei der Bekämpfung und Prävention von Gewalt und Krimina-
lität und sorgen im Interesse der Lebensqualität für Sicherheit, Ordnung und
Sauberkeit im öffentlichen Raum. Denn Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit
hängen eng zusammen. Sie schaffen erst die Voraussetzung dafür, dass sich
städtisches Leben mit seinen vielfältigen kulturellen und sozialen Erscheinungs-
formen überhaupt frei entfalten kann.

Auch die Alltagskriminalität in Form von Graffitis, Tags und Schmierereien, die
in den vergangenen Jahren – insbesondere in Ballungszentren – weiter zuge-
nommen haben und hohe volkswirtschaftliche Schäden anrichten, sind ent-
schlossen zu bekämpfen. Das derzeitige Strafrecht reicht nicht aus, um dem
effektiv entgegenzuwirken. Die Großstädte benötigen in ihrem Kampf gegen
das Graffiti-Unwesen geeignete strafrechtliche Regelungen, um die Täter zu er-
fassen und eine spürbare Verminderung des Ermittlungsaufwandes bei der Straf-
justiz zu bewirken.

Die Großstädte nehmen die besonderen Herausforderungen in der Integration
von Zuwanderern aus nichteuropäischen Kulturkreisen vielerorts beherzt an.
Tendenzen der Ghettoisierung und Bildung von Parallelgesellschaften in einzel-
nen Stadtvierteln drohen aber den sozialen und inneren Frieden in den Groß-
städten zu zerstören. Bürokratische Hemmnisse und übermäßige Regulierungen
des Gesetzgebers, wie etwa durch das „Antidiskriminierungsgesetz“, drohen zu-
dem die städteplanerischen Bemühungen, einer Ghettoisierung durch gezielte
Belegungen städtischen Wohnraums entgegenzusteuern, zunichte zu machen.

Großstädte in der Finanzkrise

Die Großstädte leiden unter einer dramatischen finanziellen Auszehrung: Das
Defizit in den großstädtischen Verwaltungshaushalten wuchs von 2000 bis 2002
auf 6,3 Mrd. Euro an und wurde somit fast verdoppelt. Im Jahr 2003 wuchs es
nochmals auf 8,75 Mrd. Euro an. Vielerorts steigen die Kassenkredite von Jahr
zu Jahr immer weiter an; es tickt in zahlreichen Haushalten der Großstädte eine
finanzielle Zeitbombe.

Vor allem die Ausgaben für Sozial-, Jugend- und Eingliederungshilfe belasten
die Haushalte der Großstädte und führen dazu, dass die Investitionsquote sinkt.
Beispiel Köln: Im Jahr 2002 gab die Stadt mit ihren rund 1 Million Einwohnern
über 905 Mio. Euro für Leistungen der sozialen Sicherung aus, zirka 33 Prozent
der Gesamtausgaben von 2,78 Mrd. Euro. Für Investitionen in den Bereichen
Bauen, Wohnen und Verkehr standen rund 47,3 Mio. Euro oder 1,7 Prozent des
gesamten Ausgabenvolumens zur Verfügung. In der Hauptstadt Berlin gab allein
der Bezirk Neukölln mit seinen rund 310 000 Einwohnern bei einem Gesamt-
ausgabenvolumen von 538 Mio. Euro in 2003 allein 260 Mio. Euro oder
48,3 Prozent für Sozialleistungen aus. Für Tiefbaumaßnahmen vor Ort blieben
rund 1 Mio. Euro oder 0,18 Prozent der Gesamtausgaben übrig.

Nur mit einer umfassenden und durchgreifenden Gemeindefinanzreform kann
die kommunale Finanzkrise bewältigt werden. Neben der Einnahmenseite sind
dabei auch die kommunalen Leistungen und Ausgaben, insbesondere im sozia-
len Bereich, unter Einbeziehung der Wohlfahrtsverbände zu prüfen. Die Aus-
gaben für soziale Leistungen sind im Anstieg zu bremsen und auf ein finanzier-
bares Maß zu reduzieren, ohne dass soziale Ungleichgewichte entstehen. Eine
Sozialpolitik nach Kassenlage ist dabei weder gewollt noch beabsichtigt.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5332

Die speziellen Problemlagen der großen Städte im Verhältnis zu ihren Umland-
regionen sind besonders in den Blick zu nehmen. Für eine erfolgreiche
Gemeindefinanzreform ist ein fairer Kompromiss der unterschiedlichen Inter-
essenlagen der beteiligten Gebietskörperschaften unerlässlich. Dabei kommt
dem Interessenausgleich zwischen Großstädten und Umlandkommunen eine
zentrale Rolle zu.

Großstädte als europäische Metropolen

Die Europäische Union mit ihrer gerade vollzogenen Erweitung wird die Bedeu-
tung der großen Städte und Metropolen in Europa weiter erhöhen. Die Groß-
städte werden vermehrt Magnet auch für europäische Einflüsse werden.

Es ist vor diesem Hintergrund die Aufgabe der Bundespolitik darauf hinzuwir-
ken, dass die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Großstädte, die
Fortentwicklung des europäischen und deutschen Modells der Stadt als einem
gemeinsamen, von ihren Bürgern aktiv gestalteten und gelebten Organismus ge-
fördert wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in einem ressortübergreifenden Bericht der Bundesregierung jährlich zur
Lage und zur Entwicklung der Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der
Großstädte zu informieren;

2. die Großstädte im europa- und weltweiten Wettbewerb der Metropolen um
Arbeitsplatz schaffende Investitionsentscheidungen zu unterstützen und sie
in ihrer Funktion als Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes
konkret zu fördern:

2.1. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es den Groß-
städten ermöglichen, den Investitionsstau bei bedeutenden, das Stadt-
bild und die gesamte städtische Sozial-, Wirtschafts- und Verkehrsinfra-
struktur prägenden Projekten aufzulösen und von der Stadtentwicklung
bislang vernachlässigte Stadtquartiere, Stadtkerne und Stadtbrachflä-
chen zu revitalisieren.

2.2. Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Kommunen muss im europäischen
wie globalen Wettbewerb durch die Umsetzung überfälliger Entbüro-
kratisierungsmaßnahmen und beschleunigte Genehmigungsverfahren,
vor allem im Hinblick auf Existenzgründungen und Unternehmensan-
siedlungen, sowie in Bezug auf eigene infrastrukturpolitische Maßnah-
men gefördert werden. Die Attraktivität der deutschen Metropolregio-
nen etwa zur Ansiedlung von Europazentralen internationaler Konzerne
oder von Distributions- und Dienstleistungszentren ist durch geeignete
Maßnahmen zu erhöhen.

2.3. Der Ausbau der im europäischen Wettbewerb notwendigen Verkehrs-
infrastruktur zur Anbindung der Großstädte ist in Abstimmung mit den
Ländern und Kommunen zu fördern. Bereits geplante Investitionen sind
zügig zu realisieren.

3. die Anstrengungen der Großstädte zur Sicherung ihrer Zukunfts- und Wett-
bewerbsfähigkeit maßgeblich zu unterstützen, die sich aus den Herausfor-
derungen des demografischen Wandels, neuer gesellschaftlicher Entwicklun-
gen und Lebensformen sowie den Anforderungen einer familiengerechten
und generationsübergreifenden Wohn- und Arbeitswelt ergeben:

Drucksache 15/5332 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3.1. Es müssen geeignete Schritte zum Ausbau familiengerechter Wohn- und
Arbeitsplätze sowie kinder- und familienfreundlicher Strukturen in den
Großstädten ergriffen werden. In Abstimmung mit den Ländern und
Kommunen ist darüber hinaus die Wirtschaftspolitik mit der örtlichen
und regionalen Wirtschaftsförderung zu verzahnen.

3.2. Existierende nationale und europäische Programme zur Stärkung der
Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Großstädte und zur Herausbil-
dung leistungsfähiger urbaner „Cluster“ sind danach auszurichten, dass
je nach Bedarfslage lebenswerte und funktionsfähige Großstädte erhal-
ten und ausgebaut werden.

4. bundespolitische Rahmenbedingungen zu setzen, die es den Großstädten er-
möglichen, Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten und soziale Verwerfun-
gen und Spannungsfelder erfolgreich aufzulösen, damit die Lebensqualität
und Attraktivität der Großstädte für alle dort lebenden unterschiedlichen ge-
sellschaftlichen Gruppen verbessert werden:

4.1. Die Integrationspolitik der Bundesregierung muss sicherstellen, dass
Großstädte auch finanziell in die Lage versetzt werden, umfassend und
nachhaltig der Integration abträglichen Tendenzen entgegenzuwirken,
indem Maßnahmen gefördert werden, die zur Integrationsbereitschaft
beitragen und die Integrationswilligkeit der Zuwanderer stärken.

4.2. Die Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinien
dürfen nicht über die EU-Vorgaben hinausgehend gestaltet werden. Die
Vertragsfreiheit und das Eigentumsrecht der Kommunen bei ihren
städteplanerischen Integrationsbemühungen sind nicht zu beeinträch-
tigen oder gar zu erschweren.

4.3. Im Strafgesetzbuch sind zur Bekämpfung des Graffiti-Unwesens die
Tatbestände der Sachbeschädigung und der gemeinschädlichen Sach-
beschädigung um das Merkmal der optischen Veränderung gegen den
Willen des Eigentümers zu ergänzen.

5. sich dafür einzusetzen, dass die Kommunen in Deutschland über die Grund-
versorgung für ihre Bürger weiterhin selbst entscheiden dürfen;

6. in der Europäischen Union darauf hinzuwirken, dass die Kommunen im Ein-
klang mit dem Wettbewerbsprinzip und im Sinne echter Bürgerverantwor-
tung vor Ort die Entscheidungshoheit darüber behalten, ob Leistungen, die
mit speziellen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden sind oder von Privat-
unternehmen am Markt in gleicher Weise nicht erbracht werden können
durch private Dritte, Öffentlich-Private Partnerschaften oder in kommunaler
Eigenverantwortung wahrgenommen werden und sie daher bereits im Vor-
feld europapolitischer Entscheidungsprozesse an der nationalen Willensbil-
dung institutionell zu beteiligen;

7. die Kommunen insgesamt durch eine umfassende Gemeindefinanzreform,
eine Entlastung von Pflichtaufgaben im Bereich der sozialen Sicherung durch
innovative Lösungen und eine vollständige Umsetzung der im „Kommunalen
Optionsgesetz“ zum „Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt (Hartz IV)“ festgeschriebenen Revisionsklausel finanziell dau-
erhaft und nachhaltig zu stärken.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/5332

8. die bereits in den Deutschen Bundestag eingebrachten Vorschläge zu unter-
stützen, die zu Einsparungen in der Kinder- und Jugendhilfe beitragen, ohne
zu Einbußen an Qualität oder Verhinderung von notwendigen Hilfen zu
führen.

Berlin, den 19. April 2005

Hartmut Koschyk
Thomas Strobl (Heilbronn)
Bernhard Kaster
Peter Götz
Norbert Barthle
Günter Baumann
Dr. Christoph Bergner
Dr. Rolf Bietmann
Clemens Binninger
Klaus Brähmig
Helge Braun
Monika Brüning
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Verena Butalikakis
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Maria Böhmer
Antje Blumenthal
Thomas Dörflinger
Norbert Geis
Roland Gewalt
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Markus Grübel
Albrecht Feibel
Ingrid Fischbach
Herbert Frankenhauser
Hartwig Fischer (Göttingen)
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Georg Girisch
Ute Granold
Reinhard Grindel
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Ernst Hinsken

Dr. Egon Jüttner
Volker Kauder
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Dr. Günter Krings
Michael Kretschmer
Werner Lensing
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Stephan Mayer (Altötting)
Dr. Conny Mayer (Freiburg)
Laurenz Meyer (Hamm)
Hildegard Müller
Michaela Noll
Günter Nooke
Franz Obermeier
Rita Pawelski
Dr. Joachim Pfeiffer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ruprecht Polenz
Christa Reichard (Dresden)
Hannelore Roedel
Franz Romer
Dr. Ole Schröder
Dr. Andreas Scheuer
Angela Schmid
Marion Seib
Heinz Seiffert
Edeltraut Töpfer
Arnold Vaatz
Ingo Wellenreuther
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Willi Zylajew
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