BT-Drucksache 15/5319

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes

Vom 19. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5319
15. Wahlperiode 19. 04. 2005

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Arnold Vaatz, Ulrich Adam, Günter Baumann, Veronika
Bellmann, Dr. Christoph Bergner, Klaus Brähmig, Verena Butalikakis, Hartmut
Büttner (Schönebeck), Rainer Eppelmann, Roland Gewalt, Manfred Grund,
Siegfried Helias, Uda Carmen Freia Heller, Bernd Heynemann, Robert Hochbaum,
Susanne Jaffke, Dr. Peter Jahr, Manfred Kolbe, Michael Kretschmer, Werner Kuhn
(Zingst), Vera Lengsfeld, Peter Letzgus, Dr. Michael Luther, Maria Michalk,
Bernward Müller (Gera), Henry Nitzsche, Claudia Nolte, Günter Nooke, Ulrich
Petzold, Christa Reichard (Dresden), Katherina Reiche, Peter Rzepka, Michael
Stübgen, Antje Tillmann, Edeltraut Töpfer, Volkmar Uwe Vogel, Andrea Voßhoff,
Marco Wanderwitz, Dr. Jürgen Gehb, Dr. Wolfgang Götzer, Ute Granold, Michael
Grosse-Brömer, Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen), Volker Kauder,
Dr. Günter Krings, Friedrich Merz, Daniela Raab, Andreas Schmidt (Mülheim),
Ingo Wellenreuther, Wolfgang Zeitlmann, Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk,
Thomas Strobl (Heilbronn), Clemens Binninger, Norbert Geis, Ralf Göbel,
Reinhard Grindel, Kristina Köhler (Wiesbaden), Dorothee Mantel, Erwin
Marschewski (Recklinghausen), Stephan Mayer (Altötting), Beatrix Philipp,
Dr. Ole Schröder und der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungs-
gesetzes

A. Problem
Der Volksaufstand am 17. Juni 1953 war der erste Aufstand im kommunisti-
schen Machtbereich nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Initiatoren und Teilneh-
mer habenMut und Zivilcourage auch unter den schwierigen Bedingungen einer
Diktatur bewiesen.
In über 700 Städten und Gemeinden der ehemaligen DDR kam es zu Demonst-
rationen und Streiks. Nach der Verhängung des Ausnahmezustandes in weiten
Bereichen des Landes wurde der Volksaufstand unter Einsatz von Waffengewalt
blutig niedergeschlagen. Es folgten 18 standrechtliche Erschießungen. Weitere
Menschen kamen unter zum Teil ungeklärten Umständen zu Tode. Tausende
Personen wurden festgenommen und viele davon später zum Teil zu langjähri-
gen Haftstrafen verurteilt.
Gestützt auf Artikel 17 des Einigungsvertrages hat der gesamtdeutsche Gesetz-
geber im Rahmen des Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes gesetzliche
Grundlagen dafür geschaffen, dass strafrechtliche Entscheidungen eines staat-
lichen deutschen Gerichtes im Beitrittsgebiet auf Antrag für rechtsstaatswidrig

Drucksache 15/5319 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

erklärt und aufgehoben werden können. Damit verbunden ist ein Netz sozialer
Ausgleichsleistungen gemäß den §§ 16 ff. StrRehaG.
Durch das Zweite Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vor-
schriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom
17. Dezember 1999 wurde einem großen Teil der Hinterbliebenen der ehema-
ligen politischen Häftlinge, insbesondere aber den nächsten Angehörigen der
unmittelbaren Todesopfer des „17. Juni 1953“, die Möglichkeit eröffnet, Leis-
tungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz in Anspruch zu neh-
men (§ 18 Abs. 3 StrReaG).
Auch den Angehörigen von Personen, die aus dem Beitrittsgebiet fliehen woll-
ten und infolge von Maßnahmen zur Verhinderung ihrer Flucht ihr Leben verlo-
ren haben, wurde das Recht auf Unterstützungsleistung eingeräumt (§ 18 Abs. 4
StrRehaG).
Die bisherigen gesetzlichen Regelungen sehen jedoch keine finanziellen Unter-
stützungsleistungen für die nächsten Angehörigen von Todesopfern vor, die auf-
grund des Ausnahmezustandes nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zu
beklagen waren. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sollen durch
solche Maßnahmen 55 Menschen ums Leben gekommen sein. Es handelt sich
hierbei umMenschen, die auf der Straße erschossen, angeschossen und imKran-
kenhaus an den Folgen verstarben, oder in der Untersuchungshaft oder auf dem
Gefangenentransport unter ungeklärten Umständen zu Tode kamen. Die Hinter-
bliebenen dieser Opfer mussten nicht nur den Tod ihres Angehörigen überwin-
den, sondern zusätzlich in der ehemaligen DDR gegen soziale Benachteiligun-
gen kämpfen.
Ziel dieses vorliegenden Gesetzesantrages ist die Gleichstellung des betroffenen
Personenkreises mit den Hinterbliebenen der anlässlich des Volksaufstandes
hingerichteten Personen und den Hinterbliebenen der Personen, die an der inner-
deutschen Grenze ums Leben kamen.

B. Lösung
Durch eine entsprechende Ergänzung des § 18 StrRehaG wird dem oben be-
schriebenen Personenkreis der Anspruch auf eine finanzielle Unterstützungs-
leistung eingeräumt.

C. Alternativen
Es bleibt der bisherige Rechtszustand erhalten.

D. Kosten
Die Richtlinien für die Gewährung von Unterstützungsleistungen nach § 18
StrRehaG sehen eine finanzielle Unterstützung im Einzelfall von bis zu 4 050
Euro vor. Bei Ehegatten eines Getöteten kann in Härtefällen eine einmalige zu-
sätzliche Unterstützungsleistung bis zu 4 050 Euro gewährt werden. Es kann
nicht abschließend festgestellt werden, wie viele Angehörige der Todesopfer
von damals noch leben und einen entsprechenden Anspruch geltend machen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5319

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungs-
gesetzes

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

§ 1
Das Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung

von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnah-
men im Beitrittsgebiet in der Fassung der Bekanntmachung
vom 17. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2664), zuletzt geändert
durch das Zweite Gesetz zur Änderung rehabilitierungs-
rechtlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2003 (BGBl. I
S. 2834), wird wie folgt geändert:
Nach § 18 Abs. 4 wird folgender Absatz 5 abgefügt:

„Absatz 3 gilt entsprechend für die nächsten Angehörigen
von Personen, die im Zusammenhang mit den Maßnahmen
zur Unterdrückung des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 ihr
Leben verloren haben.“

§ 2
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 19. April 2005
Arnold Vaatz
Ulrich Adam
Günter Baumann
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Klaus Brähmig
Verena Butalikakis
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Rainer Eppelmann
Roland Gewalt
Manfred Grund
Siegfried Helias
Uda Carmen Freia Heller
Bernd Heynemann
Robert Hochbaum
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Manfred Kolbe
Michael Kretschmer
Werner Kuhn (Zingst)
Vera Lengsfeld
Peter Letzgus
Dr. Michael Luther
Maria Michalk
Bernward Müller (Gera)
Henry Nitzsche
Claudia Nolte
Günter Nooke
Ulrich Petzold
Christa Reichard (Dresden)
Katherina Reiche
Peter Rzepka

Michael Stübgen
Antje Tillmann
Edeltraut Töpfer
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Voßhoff
Marco Wanderwitz
Dr. Jürgen Gehb
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Michael Grosse-Brömer
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Volker Kauder
Dr. Günter Krings
Friedrich Merz
Daniela Raab
Andreas Schmidt (Mülheim)
Ingo Wellenreuther
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Bosbach
Hartmut Koschyk
Thomas Strobl (Heilbronn)
Clemens Binninger
Norbert Geis
Ralf Göbel
Reinhard Grindel
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Stephan Mayer (Altötting)
Beatrix Philipp
Dr. Ole Schröder
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4 – Drucksache 15/5319

Begründung

A. Allgemeines
Neben den im Zusammenhang mit den Vorkommnissen des
17. Juni 1953 verurteilten und standrechtlich erschossenen
Personen gibt es eine begrenzte Anzahl von Menschen, die
im unmittelbaren Zusammenhang mit den Geschehnissen
auf unterschiedlichste Weise zu Tode gekommen sind. Es
handelt sich hierbei z. B. um Personen, die bei den Demonst-
rationen auf der Straße erschossen wurden, angeschossen
wurden und später an den Schussverletzungen starben, aber
z. B. auch um Personen, die in Gewahrsam genommen wur-
den und aus bislang ungeklärter Ursache im Gefängnis oder
während des Gefangenentransportes zu Tode kamen. Den
nächsten Angehörigen dieser Opfer steht bislang kein An-
spruch auf Unterstützungsleistungen gemäß § 18 StrRehaG
zu.
Den Hinterbliebenen der standrechtlich Erschossenen wur-
de durch § 18 Abs. 3 StrRehaG und den Hinterbliebenen
der Opfer der innerdeutschen Grenze durch § 18 Abs. 4
StrRehaG ein Anspruch auf Unterstützungsleistung gewährt.
Der diesen Personenkreisen zustehende Anspruch soll nun-
mehr auch den Hinterbliebenen der Opfer des Volksaufstan-
des vom 17. Juni 1953 eingeräumt werden.

B. Einzelbegründung
Zu § 1
Soweit die Ausschlussgründe des § 16 Abs. 2 StrRehaG
nicht eingreifen, wird den nächsten Angehörigen i. S. d. § 18
Abs. 3 Satz 1 StrRehaG (Ehegatten, Kinder und Eltern) der
Verstorbenen ein Rechtsanspruch auf Unterstützungsleistun-
gen eingeräumt. Der Tod der nächsten Angehörigen muss in
einem unmittelbaren Zusammenhang mit den staatlichen
Maßnahmen stehen, die zur Unterdrückung des Volksauf-
standes ergriffen wurden. Die auf Seiten des DDR-Regimes
und der Besatzungsmacht zu beklagenden Opfer waren Teil
der staatlichen Maßnahmen gegen den Aufstand und sind
nicht anspruchsberechtigt.
Zahlungen nach dem Bundesversorgungsgesetz werden an-
gerechnet.
Zu § 2
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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