BT-Drucksache 15/4926

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der DNA-Analyse zu Zwecken des Strafverfahrens

Vom 22. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4926
15. Wahlperiode 22. 02. 2005

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Dr. Wolfgang Götzer,
Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), Günter Baumann, Clemens
Binninger, Hartmut Büttner (Schönebeck), Cajus Julius Caesar, Dr. Jürgen Gehb,
Norbert Geis, Roland Gewalt, Ralf Göbel, Ute Granold, Reinhard Grindel, Michael
Grosse-Brömer, Volker Kauder, Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Kristina Köhler
(Wiesbaden), Dr. Günter Krings, Werner Lensing, Dorothee Mantel, Erwin
Marschewski (Recklinghausen), Stephan Mayer (Altötting), Michaela Noll, Beatrix
Philipp, Daniela Raab, Andreas Schmidt (Mülheim), Dr. Ole Schröder, Andrea
Voßhoff, Marco Wanderwitz, Ingo Wellenreuther, Wolfgang Zeitlmann und der
Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der DNA-Analyse zu Zwecken
des Strafverfahrens

A. Problem
Die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen zum Nachweis der
Identität eines Spurenlegers wird zunehmend zur Standardmaßnahme staatsan-
waltschaftlicher und polizeilicher Ermittlungstätigkeit. Als besonders erfolg-
reich erweist sich dabei die Nutzung der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes,
die in einer ständig steigenden Anzahl von Fällen die schnelle und zuverlässige
Identifikation von Spurenlegern ermöglicht. Aus Sicht der Strafverfolgungsbe-
hörden besteht ein dringendes Bedürfnis, den Aufbau und die Pflege der
DNA-Analyse-Datei auf eine breitere Grundlage zu stellen und damit die Effi-
zienz der Tataufklärung weiter zu verbessern. Dieses Bedürfnis begründet sich
auch in einer Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Straftaten.
Das geltende Recht sieht die Erhebung des genetischen Fingerabdrucks zu Zwe-
cken künftiger Strafverfahren nur in engen Grenzen vor. Voraussetzung ist der
Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder eines Deliktes gegen die
sexuelle Selbstbestimmung sowie die Prognose, dass gegen den Betroffenen
künftig Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen
sind. Mit diesen Einschränkungen will das bisherige Recht dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit insbesondere im Hinblick auf den Schutz der in der DNA
verschlüsselten Erbinformationen Rechnung tragen. In der Praxis erweist sich
jedoch, dass die Erhebung und Nutzung des genetischen Fingerabdrucks über
die Geschlechtsbestimmung hinaus keine qualitative Auswertung der Erbinfor-
mation, sondern ausschließlich eine Überprüfung vonMustern auf Übereinstim-
mung oder Abweichung zum Gegenstand hat.

Drucksache 15/4926 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

B. Lösung
Der Entwurf schlägt vor, den Anwendungsbereich der DNA-Analyse für die
Zwecke künftiger Strafverfahren zu erweitern und den im geltenden Recht für
die Durchführung sonstiger erkennungsdienstlicher Maßnahmen vorgesehenen
materiellen Voraussetzungen anzugleichen. Damit entfallen die im geltenden
Recht vorgegebenen besonderen Verhältnismäßigkeitsabwägungen durch Be-
wertung von Anlassverdacht und prognostiziertem künftigen Verfahren nach
dem Kriterium der Straftat von erheblicher Bedeutung. Die Maßnahme unter-
liegt vielmehr einer allgemeinen Negativprognose, wie sie den Behörden des
Polizeidienstes bereits im geltenden Recht für erkennungsdienstliche Maßnah-
men aufgegeben ist. Auch der Richtervorbehalt hinsichtlich der Erhebung des
DNA-Identifizierungsmusters wird damit entbehrlich und ermöglicht eine Ver-
einfachung.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Wenn häufiger als bisher DNA-Analysen für Zwecke künftiger Strafverfahren
durchgeführt werden, kann dies zu erhöhtemAufwand bei Polizei, Staatsanwalt-
schaft und Gericht führen. Dem können jedoch Erleichterungen bei der Tatauf-
klärung und damit die Vermeidung ansonsten notwendiger Ermittlungstätigkei-
ten mit entsprechendem Aufwand gegenüberstehen. Auch werden die Gerichte
dadurch entlastet, dass der Richtervorbehalt für die Anordnung der molekular-
genetischen Untersuchung gestrichen wird. Weder Belastungs-, noch Entlas-
tungswirkung der vorgeschlagenen Regelungen können aber näher quantifiziert
werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4926

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der DNA-Analyse zu Zwecken
des Strafverfahrens

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt
geändert durch …, wird wie folgt geändert:
1. § 81a wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
„Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 dürfen dem
Beschuldigten durch körperliche Eingriffe Körperzel-
len zum Zwecke der Durchführung von Maßnahmen
nach § 81e Abs. 2 Nr. 3 entnommen werden.“

b) Dem Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:
„In den Fällen des Absatzes 1 Satz 3 obliegt die An-
tragstellung auch der Polizei.“

c) In Absatz 3 werden nach dem Wort „Strafverfahrens“
ein Komma und dieWörter „im Falle des § 81e Abs. 2
Nr. 3 auch zum Zwecke der molekulargenetischen
Untersuchung für die Identitätsfeststellung in künfti-
gen Strafverfahren“ eingefügt.

2. § 81e wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„Aus dem durch Maßnahmen nach § 81a Abs. 1
erlangten Material darf das DNA-Identifizie-
rungsmuster gewonnen werden, um die Abstam-
mung oder die Tatsache festzustellen, ob aufge-
fundenes Spurenmaterial von dem Beschuldigten
oder dem Verletzten stammt; dabei darf auch das
Geschlecht der Person festgestellt werden.“

bb) Satz 2 wird aufgehoben.
b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Untersuchungen nach Absatz 1 sind für die
dort zugelassenen Feststellungen auch zulässig
1. an aufgefundenem, sichergestelltem oder be-

schlagnahmtem Spurenmaterial,
2. an dem durch Maßnahmen nach § 81c erlangten

Material sowie
3. an den beim Beschuldigten erlangten oder nach

§ 81a entnommenen Körperzellen zum Zwecke
der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfah-
ren, wenn die Polizei wegen der Art oder Ausfüh-
rung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten
oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annah-
me hat, dass gegen ihn künftig Strafverfahren zu
führen sind.“

3. § 81f wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 wird aufgehoben.
b) Im bisherigen Absatz 2 wird die Absatzbezeichnung

„(2)“ gestrichen.
4. § 81g wird aufgehoben.

Artikel 2
Änderung des

DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes
Das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom 7. September

1998 (BGBl. I S. 2646), zuletzt geändert durch …, wird wie
folgt geändert:
1. Der Überschrift wird folgende Kurzbezeichnung ange-

fügt: „(DNA-IFG)“.
2. § 2 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird die Angabe 㤠81g der Strafprozess-
ordnung“ durch die Angabe „§ 81e Abs. 2 Nr. 3 der
Strafprozessordnung“ ersetzt und werden die Wörter
„wegen einer der in § 81g Abs. 1 der Strafprozessord-
nung genannten Straftaten“ gestrichen.

b) In Absatz 2 wird die Angabe „§ 81a Abs. 2, §§ 81f,
81g Abs. 3 Satz 2, § 162 Abs. 1 der Strafprozessord-
nung“ durch die Angabe „§§ 81a, 81f, 162 Abs. 1 der
Strafprozessordnung“ ersetzt.

3. § 3 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 2 wird die Angabe „§ 81g“ durch die Angabe

„§ 81e Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 3“ ersetzt.
b) Satz 3 wird aufgehoben.

Artikel 3
Zitiergebot

Das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Arti-
kel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes) wird durch dieses
Gesetz eingeschränkt.

Artikel 4
Übergangsvorschrift

Artikel 2 (Änderung des DNA-Identitätsfeststellungsge-
setzes) ist nicht anzuwenden, wenn die Verurteilung vor
Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig geworden oder
die das Strafverfahren auf andere Weise abschließende
Entscheidung vor diesem Zeitpunkt ergangen ist.

Artikel 5
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in
Kraft.

Drucksache 15/4926 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Berlin, den 22. Februar 2005

Wolfgang Bosbach
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Wolfgang Götzer
Hartmut Koschyk
Thomas Strobl (Heilbronn)
Günter Baumann
Clemens Binninger
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Cajus Julius Caesar
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Roland Gewalt
Ralf Göbel
Ute Granold
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Volker Kauder
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Dr. Günter Krings
Werner Lensing
Dorothee Mantel
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Stephan Mayer (Altötting)
Michaela Noll
Beatrix Philipp
Daniela Raab
Andreas Schmidt (Mülheim)
Dr. Ole Schröder
Andrea Voßhoff
Marco Wanderwitz
Ingo Wellenreuther
Wolfgang Zeitlmann
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4926

Begründung

A. Allgemeines
Seit der Einstellung von Vorschriften über die DNA-Analyse
in die Strafprozessordnung durch das Strafverfahrensände-
rungsgesetz – DNA-Analyse („Genetischer Fingerabdruck“)
vom 17. März 1997 (BGBl. I S. 534) hat sich die Bedeutung
dieses Mittels der Tataufklärung in der Praxis der Strafver-
folgung erheblich gewandelt. Mehr und mehr wird die Erhe-
bung des genetischen Fingerabdrucks mit dem Ziel des
Nachweises der Identität eines Spurenlegers zu einer Stan-
dardmaßnahme staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher
Ermittlungstätigkeit. Als besonders erfolgreich erweist sich
dabei die bisher in § 81g StPO sowie § 2 DNA-Identitäts-
feststellungsgesetz zugelassene Feststellung des DNA-Iden-
tifizierungsmusters zu Zwecken künftiger Strafverfahren
und die Nutzung der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes.
Bei nach wie vor steigenden Trefferzahlen wird hierdurch in
zahlreichen Fällen eine sehr schnelle und zuverlässige Iden-
tifikation von Spurenlegern ermöglicht. Aus Sicht der Straf-
verfolgungsbehörden besteht daher ein dringendes Bedürf-
nis, den Aufbau und die Pflege der DNA-Analyse-Datei auf
eine breitere Grundlage zu stellen und damit die Effizienz
der Tataufklärung weiter zu verbessern. Diesem Anliegen
trägt der Entwurf Rechnung, indem er den Anwendungsbe-
reich der DNA-Analyse für die Zwecke künftiger Strafver-
fahren erweitert und den im geltenden Recht für die Durch-
führung sonstiger erkennungsdienstlicher Maßnahmen vor-
gesehenen materiellen Voraussetzungen angleicht. Auch das
Verfahren zur Erhebung des genetischen Fingerabdrucks soll
erleichtert werden.
Anders als die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nach
§ 81b zweite Alternative StPO unterwirft das geltende Recht
die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen zu
Zwecken künftiger Strafverfahren in § 81g StPO und § 2
DNA-Identitätsfeststellungsgesetz in mehrfacher Hinsicht
materiellen und verfahrensrechtlichen Schranken:
l Der Beschuldigte muss einer Straftat von erheblicher Be-

deutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbst-
bestimmung verdächtig sein (qualifizierte Anlasstat).

l Wegen der Art oder der Ausführung der Tat, der Persön-
lichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse
muss Grund zu der Annahme bestehen, dass gegen den
Beschuldigten künftig Strafverfahren wegen einer Straf-
tat von erheblicher Bedeutung zu führen sind (qualifizier-
te Negativprognose).

l Die Maßnahme unterliegt dem Vorbehalt richterlicher
Anordnung.

Mit diesen Einschränkungen will das bisherige Recht der be-
sonderen informationellen Sensibilität von Untersuchungen
der menschlichen DNA und dem verfassungsrechtlichen
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Die
Vorschriften sind dabei vor allem durch die Befürchtung
einer Offenlegung der eigentlich persönlichkeitsrelevanten
Erbinformationen motiviert.
In der Praxis erweist sich jedoch, dass diese Befürchtung
nicht begründet ist. Die in der StPO geregelte molekular-
genetische Untersuchung zielt auf die Feststellung der Iden-

tität und ggf. des Geschlechts des Spurenlegers. Andere Un-
tersuchungen sind nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut
des § 81e Abs. 1 und des § 81g Abs. 2 Satz 2 StPO nicht zu-
lässig. Die Erhebung des Identifizierungsmusters und dessen
Abgleich mit den Vergleichsdaten etwa aus der DNA-Datei
hat über die Geschlechtsbestimmung hinaus keinerlei quali-
tative Auswertung der in der DNA enthaltenen Erbinforma-
tion, sondern ausschließlich eine Überprüfung auf Überein-
stimmung oder Abweichung zum Gegenstand.
DasVerfahren des genetischen Fingerabdrucks stützt sich auf
den Vergleich so genannter Längenpolymorphismen. Es han-
delt sich dabei um Teile der DNA, die in den unterschied-
lichen Zellen einer Person zwar konstante Längen, in der Be-
völkerung aber Variationen aufweisen. Zur Gewährleistung
der Vergleichbarkeit wird das DNA-Identifizierungsmuster
durch Markierung festgelegter Abschnitte (short tandem
repeats (STRs)) unterschiedlicher Chromosomen erhoben.
Diese Teile der DNA finden sich ausschließlich und mit
besonders deutlicher Varianz in den so genannten nicht
kodierenden Bereichen, die überwiegend aus sich wiederho-
lenden Sequenzen spezifischer Basenabfolgen (DNA-Blö-
cke) bestehen. Unter dem Begriff der „nicht kodierenden Be-
reiche“ werden die Teile der DNA verstanden, die gerade
keine genetisch kodierten Erbinformationen enthalten.
Die Identitätsfeststellung unter Einsatz molekular-gene-
tischer Untersuchungen hat daher nach dem heutigen Stand
von Wissenschaft und Technik weder in der Zielrichtung
noch im unmittelbaren Objekt der Untersuchung eine quali-
tative Exploration der Erbinformation zum Gegenstand.
Vielmehr ergibt sich, dass die Maßnahme hinsichtlich der in-
formationellen Eingriffsintensität weitgehend mit dem in
§ 81b StPO geregelten daktyloskopischen Fingerabdruck zu
vergleichen ist. Beide Methoden führen ausschließlich zur
Feststellung von Kongruenz oder Divergenz der Muster –
seien diese in den Papillarlinien der Fingerspitzen oder einer
Sequenzwiederholung in der DNA enthalten.
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht unter dem
Blickwinkel etwaiger Missbrauchsgefahren. Soweit dabei
die generellen Möglichkeiten des Missbrauchs der für die
Untersuchung gesicherten Körperzellen betroffen sind, han-
delt es sich nicht um eine speziell der DNA-Analyse anhaf-
tende Gefahr – diese Möglichkeit besteht etwa bei jeder
Blutprobe. Gerade im Bereich des genetischen Fingerab-
drucks wird aber dem Missbrauch durch die Anonymisie-
rung der DNA-Proben und die im Gesetz geregelten Anfor-
derungen an den Sachverständigen entgegengewirkt. Schon
das geltende Verfahrensrecht enthält im Übrigen in § 81e
Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO eindeutige Verbote hinsichtlich der
Gewinnung und Nutzung von Überschussinformationen, die
die missbräuchliche Erhebung solcher Daten schon mit
Blick auf die fehlende Verwertbarkeit als Beweismittel sinn-
los macht. Der Entwurf schlägt zu diesen Schranken keine
sachlichen Änderungen vor.
Die mitunter diskutierte Möglichkeit, auch dem nicht kodie-
renden Bereich und damit unmittelbar demDNA-Identifizie-
rungsmuster ließen sich über die Individualität hinaus perso-
nenbezogene Informationen zum äußeren Erscheinungsbild

Drucksache 15/4926 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

entnehmen, ist nach dem derzeitigen Stand vonWissenschaft
und Technik nicht hinreichend gesichert und in der Sache
selbst kaum als intensiver Eingriff in das Recht auf informa-
tionelle Selbstbestimmung anzusehen. Soweit hier über-
haupt Aussagen zur genetischen Disposition für das Ausse-
hen eines Menschen möglich sind, handelt es sich nicht um
eine Decodierung von Erbinformationen, sondern vielmehr
ausschließlich um eine Zuordnung statistischer Häufungen.
Die dabei zu erzielenden Deutungen – etwa hinsichtlich
einer ethnischen Zugehörigkeit – sind als Wahrscheinlich-
keitswerte einer kriminalistischen Nutzung in der gerichtli-
chen Praxis nicht zugänglich.

B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (Änderung der StPO)
Zu Nummer 1 (§ 81a StPO)
In der geltenden Fassung der Vorschrift regelt § 81a Abs. 1
StPO die Befugnis unter anderem zur Entnahme von Körper-
zellen ausschließlich zu Zwecken der Untersuchung im An-
lassverfahren. Hinsichtlich der Erhebung des genetischen
Fingerabdrucks zu Zwecken künftiger Strafverfahren enthält
§ 81g Abs. 1 StPO eine eigenständige Ermächtigung zur
Entnahme von Körperzellen. Die Aufgabe der Einschrän-
kungen für die vorsorgende Erhebung des DNA-Identifizie-
rungsmusters und die Angleichung der Voraussetzungen an
die erkennungsdienstlichenMaßnahmen des § 81b StPO legt
es nahe, die bisher in zwei Vorschriften geregelten Befugnis-
se zusammenzuführen. Der Entwurf fügt daher die Identi-
tätsfeststellung in künftigen Strafverfahren durch Abgleich
von DNA-Mustern als zugelassenen Zweck der Entnahme
von Körperzellen bei dem Beschuldigten in einem neuen
Satz 3 dem bisherigen Absatz 1 der Vorschrift an. Dabei wird
klargestellt, dass eine Entnahme von Körperzellen nur dann
unter § 81a StPO fällt, wenn sie mit einem körperlichen Ein-
griff verbunden ist.
Entsprechend der Befugnisnorm des Absatzes 1 wird auch
die Verwendungsregelung in Absatz 3 angepasst und die Er-
hebung des genetischen Fingerabdrucks für die Zwecke
künftiger Strafverfahren bereits hier berücksichtigt. Durch
die Aufnahme der vorsorgenden Erhebung von DNA-Mus-
tern als zugelassenem Zweck in Absatz 1 ist im Übrigen zu-
gleich die Geltung des schon bisher in Absatz 3 bestimmten
Vernichtungsgebotes auch für die insoweit entnommenen
Körperzellen gewährleistet.
Das Verfahren zur Anordnung der Entnahme von Körperzel-
len wird im Kern nicht verändert. Wie bei allen körperlichen
Untersuchungen bedarf es nach Absatz 2 einer richterlichen
Anordnung, die nur bei Gefahr im Verzug durch die Anord-
nung der Staatsanwaltschaft bzw. deren Ermittlungsper-
sonen ersetzt werden darf. Neu ist die klarstellende Regelung
der Antragstellung auch durch die Polizei in den Fällen des
§ 81e Abs. 2 Nr. 3, die im Hinblick auf die in diesen Fällen
künftig von der Polizei eigenverantwortlich zu treffende Ent-
scheidung über die DNA-Analyse folgerichtig ist.
Zu Nummer 2 (§ 81e StPO)
Die vorgeschlagene Neufassung der Absätze 1 und 2 der
Vorschrift führt die bisher in zwei Vorschriften – §§ 81e und
81g StPO – enthaltenen Regelungen über die materiellen

Voraussetzungen der molekulargenetischen Untersuchung
zu Zwecken des Strafverfahrens zusammen und ordnet sie
neu.
Absatz 1 regelt künftig ausschließlich die Zulässigkeit der
molekulargenetischen Untersuchung der bei dem Beschul-
digten nach § 81a Abs. 1 entnommenen Körperzellen, so-
weit dies dem Zweck der Tataufklärung im Anlassverfahren
dient. Satz 1 übernimmt dabei die bisherige Formulierung
des § 81g StPO insoweit, als dort präziser die Gewinnung
des DNA-Identifizierungsmusters als Gegenstand der Unter-
suchung genannt wird.
Absatz 2 enthält die Befugnis zur molekulargenetischen
Untersuchung
l an Spurenmaterial, wie dies in der geltenden Fassung des

§ 81e Abs. 2 bereits zugelassen ist (Nr. 1),
l an dem nach § 81c StPO bei Dritten entnommenen

Körperzellen, wie dies bisher in § 81e Abs. 1 Satz 2 StPO
geregelt ist (Nr. 2) und

l schließlich an den beim Beschuldigten erlangten oder
nach § 81a StPO genommenenKörperzellen zumZwecke
der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren
(Nr. 3).

Während die Nummern 1 und 2 den bisherigen Regelungs-
gehalt des § 81e Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 StPO unverändert
übernehmen, wird die in § 81g StPO enthaltene Ermäch-
tigung zu einer vorsorgenden Erhebung des DNA-Identitäts-
musters in Nummer 3 neu geregelt. Die Vorschrift verzichtet
auf die im geltenden Recht vorgesehenen Beschränkungen
eines qualifizierten Anlassverdachts und einer ebenfalls
qualifizierten Negativprognose. Es wird damit die Kon-
sequenz aus der Neubewertung der Eingriffsintensität des
genetischen Fingerabdrucks und dessen auch vom Bundes-
verfassungsgericht angenommener Nähe zum Daktylo-
gramm (BVerfGE 103, 21, 32; BVerfG in NJW 1996, 771,
773) gezogen. Anders als eine – nach geltendem Recht wie
auch nach dem Entwurf nicht zugelassene – Erforschung der
in der menschlichen DNA verschlüsselten Erbinformation
beschränken sich die hier betroffenen Maßnahmen auf die
Erstellung von Mustern und deren Abgleich nach den aus-
schließlichen Kriterien von Übereinstimmung oder Abwei-
chung. Allein mit der Feststellung des Geschlechts wird eine
persönlichkeitsrelevante Information gewonnen, die jedoch
aufgrund ihrer Augenscheinlichkeit keines besonderen
Schutzes vor der Offenlegung im Strafverfahren bedarf.
Wie im Falle der erkennungsdienstlichen Behandlung nach
§ 81b zweite Alternative StPO setzt die Erhebung des
DNA-Identifizierungsmusters daher nach dem Entwurf ei-
nen Tatverdacht voraus; dies folgt aus der Beschuldigtenei-
genschaft der von der Maßnahme betroffenen Person. Weite-
rer Einschränkungen des Anlassverdachts bedarf es jedoch
auch mit Blick auf das Übermaßverbot nicht.
Die Neuregelung verzichtet auch auf die bisher in § 81g
Abs. 1 StPO enthaltene Qualifikation des zu erwartenden,
künftig gegen den Beschuldigten zu führenden Strafverfah-
rens, die die Prognose des Verdachts einer Straftat von er-
heblicher Bedeutung voraussetzt. Die Zulässigkeit der Erhe-
bung des DNA-Musters für Zwecke künftiger Verfahren
setzt nach dem Entwurf allein voraus, dass wegen der Art
oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldig-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4926

ten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme
besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren zu führen
sind, ohne dass insoweit weitere Einschränkungen vorge-
sehen sind. Auch bei Verdachtstaten in einem niedrigschwel-
ligen Bereich kann der Einsatz des genetischen Finger-
abdrucks unabdingbare Voraussetzung der Tataufklärung
sein oder zumindest deren Erleichterung und damit dem All-
gemeininteresse an einer effektiven Strafverfolgung dienen.
Ein Interesse der Allgemeinheit an der Tataufklärung auch
minderschwerer Kriminalität ist unabweisbar.
Die Regelung über die Erhebung des genetischen Fingerab-
drucks zu Zwecken des Erkennungsdienstes übernimmt die
in § 8 Abs. 6 Nr. 1 BKAG enthaltenen Formulierungen einer
allgemeinen Negativprognose, die ihrerseits auf die Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 81b zweite
Alternative StPO zurückgeht (ständige Rechtsprechung seit
BVerwGE 26, 169; vgl. auchMeyer-Goßner, StPO, 47. Aufl.
2004, § 81b Rn. 4). Sie trägt damit dem im Verhältnismäßig-
keitsprinzip enthaltenen Grundsatz der Erforderlichkeit
Rechnung, weil die Erhebung des DNA-Identifizierungs-
musters in den hier betroffenen Fällen ausschließlich in An-
sehung der beabsichtigten Speicherung in der DNA-Datei
des Bundeskriminalamtes und deren Funktion als Ermitt-
lungsinstrument in künftigen Strafverfahren erfolgt.
Die Angleichung der DNA-Analyse für Zwecke künftiger
Strafverfahren an die entsprechende Regelung über die An-
fertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen führt konse-
quenterweise dazu, die Entscheidung in den Fällen des § 81e
Abs. 2 Nr. 3 der Polizei eigenverantwortlich zu übertragen
(vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 13). Der Gesetzentwurf
bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass er auf die Progno-
seentscheidung der Polizei abstellt.
Zu Nummer 3 (§ 81f StPO)
Durch die materielle Gleichbehandlung der Erhebung des
DNA-Identifizierungsmusters mit den klassischen Maßnah-
men des Erkennungsdienstes entfällt die im bisherigen Recht
vorgegebene Bewertung von Anlassverdacht und prognosti-
ziertem künftigen Verfahren nach dem Kriterium der Straftat
von erheblicher Bedeutung und die damit verbundenen Ver-
hältnismäßigkeitsabwägungen. Die Maßnahme unterliegt
einer allgemeinen Negativprognose im Sinne der Erwartung
künftig gegen den Betroffenen zu führender Verfahren, wie
sie den Behörden des Polizeidienstes bereits im geltenden
Recht für die klassischen erkennungsdienstlichen Maßnah-
men aufgegeben ist (vgl. Begründung zu Nummer 2).
Es liegt damit für die Erhebung des genetischen Fingerab-
drucks – jedenfalls jenseits einer Zwangsanordnung für kör-
perliche Eingriffe – auch der Verzicht auf das richterliche
Anordnungsverfahren nahe, das in den geltenden Vorschrif-
ten der §§ 81f, 81g StPO und § 2 DNA-IFG vornehmlich
durch die gesteigerten Vorgaben zur Verhältnismäßigkeit
motiviert ist. Der Entwurf schlägt diese Änderung durch
Streichung des bisherigen Absatzes 1 in § 81f StPO vor und
ermöglicht dadurch eine nicht unwesentliche Entlastung der
Gerichte und Strafverfolgungsbehörden durch Vereinfa-
chung des Anordnungsverfahrens. Unter der Bedingung
einer Duldung der Zellentnahme kann die Erhebung des
Identifizierungsmusters im Zuge der erkennungsdienstlichen
Behandlung des Betroffenen eingeleitet werden. Für die
zwangsweise Entnahme von Körperzellen hält der Entwurf

freilich in § 81a StPO an dem Vorbehalt einer richterlichen
Anordnung unverändert fest.
Der Verzicht auf den Richtervorbehalt gilt für alle Fälle der
Erhebung eines Identifizierungsmusters durch molekular-
genetische Untersuchung im Strafverfahren und damit für
den gesamten Regelungsbereich des neu gefassten § 81e
StPO. Die begrenzte Eingriffsqualität der Maßnahme unter-
scheidet sich nicht danach, ob sie an Körperzellen des Be-
schuldigten zur Tataufklärung im Anlassverfahren, zu Zwe-
cken künftiger Strafverfahren, an Spurenmaterial oder
ausnahmsweise auch an den bei Dritten entnommenen Kör-
perzellen erfolgt.
Zu Nummer 4 (§ 81g StPO)
Mit der Streichung wird die bisher eigenständige Vorschrift
für die DNA-Analyse zu Zwecken künftiger Strafverfahren
aufgegeben. Durch die Gleichbehandlung des genetischen
Fingerabdrucks mit dem Daktylogramm und den Verzicht
auf die limitierenden Merkmale des qualifizierten Anfangs-
verdachts sowie der qualifizierten Negativprognose wird der
verbleibende Regelungsgehalt in die neugefassten §§ 81a,
81e StPO übernommen.
Zu Artikel 2 (Änderung des DNA-Identitätsfest-

stellungsgesetzes)
Zu Nummer 1 (Überschrift)
In der Praxis hat sich für das DNA-Identitätsfeststellungs-
gesetz die Kurzbezeichnung „DNA-IFG“ eingebürgert. Sie
sollte auch formal zugelassen werden.
Zu Nummer 2 (§ 2 DNA-IFG)
Zu Buchstabe a
Mit der in Absatz 1 geänderten Verweisung auf § 81e Abs. 2
Nr. 3 StPO (anstatt wie bisher auf § 81g StPO) wird der ge-
änderten Verortung der DNA-Analyse zu Zwecken künftiger
Strafverfahren in der StPO Rechnung getragen. Zugleich
wird in der Konsequenz des Verzichts auf die besonderen
Anforderungen des Anlassverdachts in § 81e Abs. 2 Nr. 3
StPO auch für die hier geregelten Fälle der Erhebung des
DNA-Identifizierungsmusters nach rechtskräftiger Verurtei-
lung bzw. nach einer in Schuld- oder Verhandlungsunfähig-
keit begründeten Verfahrensbeendigung die entsprechende
Einschränkung durch Qualifikation der Anlasstat gestrichen.
Die materiellen Voraussetzungen der vorbeugenden Erhe-
bung des genetischen Fingerabdrucks werden daher – wie
bisher – für alle Verfahrensstadien gleich geregelt.
Zu Buchstabe b
Die Verweisung auf die Vorschriften der StPO wird den dort
vorgenommenen Änderungen angepasst. Neben der Strei-
chung des § 81g StPO ist als Folge insbesondere hinsichtlich
der Entnahme der Körperzellen die Vorschrift in § 81a StPO
insgesamt in Bezug zu nehmen.
Zu Nummer 3 (§ 3 DNA-IFG)
Zu Buchstabe a
Mit der Änderung der Verweisung auf § 81e Abs. 1 und
Abs. 2 Nr. 1 und 3 StPO (anstatt bisher auf § 81g StPO) wer-

Drucksache 15/4926 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

den bereits in Satz 2 alle Fälle der Erhebung von DNA-Iden-
tifizierungsmustern bekannter oder im Falle von Spurenma-
terial unbekannter Beschuldigter erfasst. Wie im bisherigen
Recht erstreckt sich die Befugnis zur Datenspeicherung
nicht auf die nach § 81e Abs. 2 Nr. 2 StPO-E i. V. m. § 81c
StPO durch molekulargenetische Untersuchung der Körper-
zellen dritter Personen gewonnenen DNA-Muster.

Zu Buchstabe b
Die Streichung des bisherigen Satzes 3 der Vorschrift be-
gründet sich durch denWegfall der im geltenden § 81g StPO
vorgesehenen Beschränkungen des qualifizierten Anfangs-
verdachtes und der qualifizierten Negativprognose. Der bis-
her vorgegebenen Übertragung dieser Limitierungen auf den
Fall der „Umwidmung“ von Identifizierungsmustern, die zu-
nächst mit repressiver Zielsetzung und daher unter weiteren
Voraussetzungen erhoben worden sind, ist durch die im Ent-
wurf vorgeschlagenen Änderungen der §§ 81e, 81g StPO
und des § 2 DNA-IFG die Grundlage entzogen.

Zu Artikel 3 (Zitiergebot)
Mit der Vorschrift wird dem in Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG
enthaltenen Zitiergebot Rechnung getragen.

Zu Artikel 4 (Übergangsvorschrift)
Die Vorschrift enthält eine Übergangsregelung für die durch
die Änderungen in Artikel 2 Nr. 2 betroffene Erhebung von
DNA-Identifizierungsmustern nach rechtskräftiger Verurtei-
lung bzw. nach einer in Schuld- oder Verhandlungsunfähig-
keit begründeten Verfahrensbeendigung nach § 2 DNA-IFG.
Es wird klargestellt, dass die auch insoweit vorgesehenen Er-
weiterungen nicht auf solche Fälle anzuwenden sind, in de-
nen eine rechtskräftige Verurteilung oder eine sonstige in § 2
DNA-IFG vorgesehene Verfahrenserledigung vor Inkrafttre-
ten der Änderungen erzielt wurde. Für die anderenfalls inso-
weit erneut entstehenden „Altfälle“ in beträchtlicher Anzahl
wäre eine retrograde Rückerfassung weder praktisch durch-
führbar noch erforderlich. Nachdem die Gerichte und Straf-
verfolgungsbehörden die Aufarbeitung der abgeschlossenen,
aus dem Bundeszentralregister aber noch nicht getilgten
Verfahren im bisher zugelassenen Bereich der Straftaten von
erheblicher Bedeutung weitgehend bewältigt haben, reicht
es aus, wenn die erweiterte Befugnis zur vorbeugenden
Erhebung des DNA-Identifizierungsmusters nur für die Zeit
nach Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen eröffnet
wird.
Zu Artikel 5 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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