BT-Drucksache 15/2333

Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Kronzeugenregelungen im Strafrecht und zur Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (KrzErgG)

Vom 13. Januar 2004


Deutscher Bundestag Drucksache 15/2333
15. Wahlperiode 13. 01. 2004

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, Hartmut Koschyk,
Dr. Jürgen Gehb, Tanja Gönner, Dr. Wolfgang Götzer, Ute Granold, Michael
Grosse-Brömer, Volker Kauder, Siegfried Kauder (Bad Dürrheim), Dr. Günter
Krings, Ronald Pofalla, Daniela Raab, Andreas Schmidt (Mülheim), Andrea
Voßhoff, Marco Wanderwitz, Ingo Wellenreuther, Wolfgang Zeitlmann, Günter
Baumann, Clemens Binninger, Hartmut Büttner (Schönebeck), Norbert Geis,
Roland Gewalt, Ralf Göbel, Reinhard Grindel, Kristina Köhler (Wiesbaden),
Dorothee Mantel, Erwin Marschewski (Recklinghausen), Stephan Mayer
(Altötting), Beatrix Philipp, Dr. Ole Schröder, Thomas Strobl (Heilbronn)
und der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Kronzeugenregelungen
im Strafrecht und zur Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung
bei terroristischen Straftaten (KrzErgG)

A. Problem
Terrorismus und organisierte Kriminalität sind durch ein hohes Maß an Konspi-
rativität geprägt. Vielfach können die Verflechtungen nur aufgebrochen wer-
den, wenn aussagewilligen Beteiligten ein Anreiz zur Kooperation geboten
wird. Das geltende Recht bietet insofern nur in Teilbereichen spezifische Hand-
haben (insbesondere § 129 Abs. 6, auch in Verbindung mit § 129a Abs. 5,
§ 261 Abs. 10 StGB, § 31 BtMG). Die Geltungsdauer des Kronzeugengesetzes
ist nicht verlängert worden. In den nicht geregelten Bereichen kann Koopera-
tionsbereitschaft zwar in gewissem Maße durch Anwendung der §§ 153, 153a,
154 und 154a StPO honoriert werden; auch besteht im Rahmen der Strafzumes-
sung Spielraum. Nach den Erfahrungen der Praxis reicht dies aber oftmals nicht
aus, um den Bedürfnissen Rechnung zu tragen und vor allem Rechtssicherheit
zu gewährleisten. Darüber hinaus bedürfen die geltenden „Kronzeugenregelun-
gen“ insofern der Ergänzung, als missbräuchlichem Verhalten von „Kronzeu-
gen“, die sich durch falsche Aussagen Strafmilderung erschleichen, entgegen-
gewirkt werden muss.

B. Lösung
Der Entwurf setzt sich das Ziel, das straf- und strafverfahrensrechtliche Instru-
mentarium zur Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität
zu verbessern. Eines seiner Kernstücke ist die Wiedereinführung der Rege-
lungen des in seiner Geltungsdauer nicht verlängerten Kronzeugengesetzes.
Wie jüngste Erfahrungen in Prozessen gegen islamistische Terroristen bestäti-
gen, sind Kronzeugenregelungen in diesem Bereich unerlässlich. Außerdem

Drucksache 15/2333 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

sollen bei Straftaten, die dem Kernbereich der organisierten Kriminalität zuzu-
rechnen sind, nach dem Vorbild der bestehenden „kleinen Kronzeugenregelun-
gen“ bereichsspezifische, auf die jeweilige Materie zugeschnittene Bestimmun-
gen geschaffen werden. Danach kann die Strafe gemildert werden, ggf. sogar
von Strafe abgesehen werden, wenn der Beteiligte dazu beigetragen hat, dass
die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden kann. Außer-
dem soll es dem Täter zugute kommen, wenn er freiwillig sein Wissen so recht-
zeitig offenbart, dass bestimmte schwere Straftaten, von deren Planung er weiß,
noch verhindert werden können. Die Regelungen werden ergänzt durch straf-
prozessuale Bestimmungen, wonach das Verfahren zu Lasten des Verurteilten
wieder aufgenommen werden kann, wenn dieser sich Vorteile missbräuchlich
erschlichen hat.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Keine

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2333

Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Kronzeugenregelungen
im Strafrecht und zur Wiedereinführung einer Kronzeugenregelung
bei terroristischen Straftaten (KrzErgG)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Gesetz zur Wiedereinführung einer

Kronzeugenregelung bei terroristischen
Straftaten (KronzeugenG)

§ 1
Offenbart der Täter oder Teilnehmer einer Straftat nach

§ 129a, auch in Verbindung mit § 129b des Strafgesetzbu-
ches, oder einer mit dieser Tat zusammenhängenden Straftat
selbst oder durch Vermittlung eines Dritten gegenüber einer
Strafverfolgungsbehörde sein Wissen über Tatsachen, deren
Kenntnis geeignet ist,
1. die Begehung einer solchen Straftat zu verhindern,
2. die Aufklärung einer solchen Straftat, falls er daran be-

teiligt war, über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu för-
dern oder

3. zur Ergreifung eines Täters oder Teilnehmers einer sol-
chen Straftat zu führen,

so kann der Generalbundesanwalt mit Zustimmung eines
Strafsenats des Bundesgerichtshofes von der Verfolgung
absehen, wenn die Bedeutung dessen, was der Täter oder
Teilnehmer offenbart hat, insbesondere im Hinblick auf die
Verhinderung künftiger Straftaten, dies im Verhältnis zu der
eigenen Tat rechtfertigt.

§ 2
In den Fällen des § 1 kann das Gericht im Urteil von

Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mil-
dern; dabei kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der
angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe
auf Geldstrafe erkennen. Beabsichtigt das Gericht, das Ver-
fahren nach § 153b Abs. 2 der Strafprozessordnung einzu-
stellen, so ist die nach dieser Vorschrift erforderliche Zu-
stimmung der Staatsanwaltschaft vom Generalbundesan-
walt zu erteilen.

§ 3
Die §§ 1 und 2 sind auf Straftaten nach § 6 des Völker-

strafgesetzbuches nicht anzuwenden. Bei Straftaten nach
den §§ 211, 212 des Strafgesetzbuches ist ein Absehen von
Verfolgung und Strafe nicht und eine Strafmilderung nach
§ 2 Satz 1 nur bis zu einer Mindeststrafe von drei Jahren zu-
lässig; die Möglichkeit, von Verfolgung und Strafe wegen
anderer, mit einer solchen Tat zusammenhängender Strafta-
ten nach den §§ 1 und 2 abzusehen oder die Strafe nach § 2
zu mildern, bleibt unberührt. Satz 2 findet in den Fällen des
Versuchs, der Anstiftung oder der Beihilfe keine Anwen-
dung.

§ 4
Ein Dritter im Sinne des § 1 ist nicht verpflichtet anzu-

zeigen, was ihm in seiner Eigenschaft als Vermittler anver-
traut worden ist.

Artikel 2
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung
vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geän-
dert durch …, wird wie folgt geändert:
1. Nach § 149 wird folgender § 149a eingefügt:

㤠149a
Strafmilderung und Absehen von Strafe

Das Gericht kann in den Fällen der §§ 146, 148
Abs. 1, § 149 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 152a
Abs. 5, oder des § 152a Abs. 1 bis 3 die Strafe nach sei-
nem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe
nach § 148 Abs. 1 oder nach § 149 Abs. 1, auch in Ver-
bindung mit § 152a Abs. 5, absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 146 oder nach
§ 152a Abs. 1 bis 3, von deren Planung er weiß, noch
verhindert werden können.“

2. § 181c wird wie folgt gefasst:
㤠181c

Strafmilderung und Absehen von Strafe
Das Gericht kann in den Fällen des § 181 oder des

§ 181a Abs. 1 Nr. 2 unter den in § 181d bezeichneten
Voraussetzungen die Strafe nach seinem Ermessen mil-
dern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe nach § 181a Abs. 1
Nr. 2 absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 181 oder nach
§ 181a Abs. 1 Nr. 2 unter den in § 181d bezeichneten
Voraussetzungen, von deren Planung er weiß, noch
verhindert werden können.“

3. Der bisherige § 181c wird § 181d.

Drucksache 15/2333 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

4. In § 184 wird nach Absatz 6 folgender Absatz 6a einge-
fügt:
„(6a) Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 3

oder 4 die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49
Abs. 2) oder von Strafe nach diesen Vorschriften abse-
hen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach Absatz 3 oder 4
oder nach § 176a Abs. 2, von deren Planung er weiß,
noch verhindert werden können.“

5. Nach § 244a wird folgender § 244b eingefügt:
㤠244b

Strafmilderung und Absehen von Strafe
Das Gericht kann in den Fällen des § 244 Abs. 1 Nr. 2

oder des § 244a die Strafe nach seinem Ermessen mil-
dern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe nach § 244 Abs. 1
Nr. 2 absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 244 Abs. 1
Nr. 2 oder nach § 244a, von deren Planung er weiß,
noch verhindert werden können.“

6. Nach § 255 wird folgender § 255a eingefügt:
㤠255a

Strafmilderung und Absehen von Strafe
Das Gericht kann in den Fällen des § 253 unter den in

§ 253 Abs. 4 Satz 2 bezeichneten Voraussetzungen oder
des § 255 die Strafe nach seinem Ermessen mildern
(§ 49 Abs. 2) oder von Strafe nach § 253 absehen, wenn
der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 253 unter den
in § 253 Abs. 4 Satz 2 bezeichneten Voraussetzungen
oder nach § 255, von deren Planung er weiß, noch
verhindert werden können.“

7. Nach § 260a wird folgender § 260b eingefügt:
㤠260b

Strafmilderung und Absehen von Strafe
Das Gericht kann in den Fällen des § 260 oder des

§ 260a die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49
Abs. 2) oder von Strafe nach § 260 absehen, wenn der
Täter

1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens
wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über
seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt wer-
den konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 260 Abs. 1
Nr. 2 oder nach § 260a, von deren Planung er weiß,
noch verhindert werden können.“

8. In § 263 wird nach Absatz 6 folgender Absatz 6a ein-
gefügt:
„(6a) Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 1

unter den in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Vor-
aussetzungen oder des Absatzes 5 die Strafe nach sei-
nem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe
nach Absatz 1 unter den in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 be-
zeichneten Voraussetzungen absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens

wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über
seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt wer-
den konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach Absatz 1 unter
den in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Voraus-
setzungen oder nach Absatz 5, von deren Planung
er weiß, noch verhindert werden können.“

9. Dem § 267 wird folgender Absatz 5 angefügt:
„(5) Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 1

unter den in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Vor-
aussetzungen oder des Absatzes 4 die Strafe nach sei-
nem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe
nach Absatz 1 unter den in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 be-
zeichneten Voraussetzungen absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens

wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über
seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt wer-
den konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach Absatz 1 unter
den in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Voraus-
setzungen oder nach Absatz 4, von deren Planung
er weiß, noch verhindert werden können.“

10. In § 268 Abs. 5 und § 269 Abs. 3 wird jeweils die An-
gabe „3 und 4“ durch die Angabe „3 bis 5“ ersetzt.

11. Dem § 275 wird folgender Absatz 4 angefügt:
„(4) Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 2

die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2)
oder von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn
der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens

wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über
seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt wer-
den konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach Absatz 2, von
deren Planung er weiß, noch verhindert werden
können.“

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2333

12. Dem § 276 wird folgender Absatz 3 angefügt:
„(3) Für die Fälle des Absatzes 2 gilt § 275 Abs. 4

sinngemäß.“
13. In § 284 wird nach Absatz 3 folgender Absatz 3a ein-

gefügt:
„(3a) Das Gericht kann in den Fällen des Absatzes 3

die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2)
oder von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn
der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens

wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über
seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt wer-
den konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach Absatz 3, von
deren Planung er weiß, noch verhindert werden
können.“

14. Nach § 300 wird folgender § 300a eingefügt:
㤠300a

Strafmilderung und Absehen von Strafe
Das Gericht kann in den Fällen des § 299, auch in

Verbindung mit § 300, die Strafe nach seinem Ermes-
sen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von Strafe absehen,
wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens

wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über
seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt wer-
den konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 299 unter
den in § 300 bezeichneten Voraussetzungen oder
nach den §§ 332, 334, auch in Verbindung mit
§ 335 oder § 336, von deren Planung er weiß, noch
verhindert werden können.“

15. Nach § 336 wird folgender § 336a eingefügt:
㤠336a

Strafmilderung und Absehen von Strafe
Das Gericht kann in den Fällen der §§ 331 bis 334,

auch in Verbindung mit § 335 oder § 336, die Strafe
nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von
Strafe absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens

wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über
seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt wer-
den konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach den §§ 332,
334, auch in Verbindung mit § 335 oder § 336, oder
nach § 299 unter den in § 300 bezeichneten Voraus-
setzungen, von deren Planung er weiß, noch verhin-
dert werden können.“

Artikel 3
Änderung des Ausländergesetzes

Nach § 92b des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990
(BGBl. I S. 1354), das zuletzt durch … geändert worden ist,
wird folgender § 92c eingefügt:

㤠92c
Strafmilderung und Absehen von Strafe

Das Gericht kann in den Fällen des § 92 Abs. 1 Nr. 1,
2, 6, Abs. 2 oder der §§ 92a, 92b die Strafe nach seinem
Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 des Strafgesetzbuches)
oder von Strafe nach § 92 Abs. 1 Nr. 1, 2, 6, Abs. 2 oder
nach § 92a absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 92a Abs. 2,
auch in Verbindung mit Absatz 4, oder nach § 92b,
von deren Planung er weiß, noch verhindert werden
können.“

Artikel 4
Änderung des Asylverfahrensgesetzes

Nach § 84a des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung
der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBl. I S. 1361),
das zuletzt durch … geändert worden ist, wird folgender
§ 84b eingefügt:

㤠84b
Strafmilderung und Absehen von Strafe

Das Gericht kann in den Fällen der §§ 84, 84a die
Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 des
Strafgesetzbuches) oder von Strafe nach § 84 absehen,
wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 84 Abs. 3 oder
nach § 84a, von deren Planung er weiß, noch verhin-
dert werden können.“

Artikel 5
Änderung des Ausführungsgesetzes zum

Chemiewaffenübereinkommen
Nach § 18 des Ausführungsgesetzes zum Chemiewaffen-

übereinkommen vom 2. August 1994 (BGBl. I S. 1954), das
zuletzt durch … geändert worden ist, wird folgender § 18a
eingefügt:

㤠18a
Strafmilderung und Absehen von Strafe

Das Gericht kann in den Fällen der §§ 16, 17, auch in
Verbindung mit § 18, die Strafe nach seinem Ermessen

Drucksache 15/2333 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

mildern (§ 49 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) oder von
Strafe nach § 16 Abs. 1, 5, 6 oder nach § 17 Abs. 3, je-
weils auch in Verbindung mit § 18, absehen, wenn der
Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 16 Abs. 1
Nr. 2, 3 unter den in § 16 Abs. 3 Satz 2 bezeichneten
Voraussetzungen, oder nach § 17 Abs. 1, jeweils auch
in Verbindung mit § 18, von deren Planung er weiß,
noch verhindert werden können.“

Artikel 6
Änderung des Gesetzes über die Kontrolle

von Kriegswaffen
Das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen in der

Fassung der Bekanntmachung vom 22. November 1990
(BGBl. I S. 2506), zuletzt geändert durch …, wird wie folgt
geändert:
1. Nach § 22a wird folgender neue § 22b eingefügt:

㤠22b
Strafmilderung

Das Gericht kann in den Fällen der §§ 19 bis 20a,
auch in Verbindung mit § 21, oder des § 22a die Strafe
nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 des Strafge-
setzbuches), wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach den §§ 19 bis
20a, auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a,
von deren Planung er weiß, noch verhindert werden
können.“

2. Der bisherige § 22b wird § 22c.

Artikel 7
Änderung der Abgabenordnung

Nach § 374 der Abgabenordnung vom 16. März 1976
(BGBl. I S. 613; 1977 I S. 269), die zuletzt durch … geän-
dert worden ist, wird folgender § 374a eingefügt:

㤠374a
Strafmilderung und Absehen von Strafe

Das Gericht kann in den Fällen des § 373 Abs. 1, 2
Nr. 3 oder des § 374 Abs. 1 Halbsatz 2 Alternative 2 die
Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2 des
Strafgesetzbuches) oder von Strafe nach diesen Vor-
schriften absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens

wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über

seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 373 Abs. 1, 2
Nr. 3 oder nach § 374 Abs. 1 Halbsatz 2 Alterna-
tive 2, von deren Planung er weiß, noch verhindert
werden können.“

Artikel 8
Änderung des Waffengesetzes

Nach § 52 des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002
(BGBl. I S. 3970, 4592), das zuletzt durch … geändert wor-
den ist, wird folgender § 52a eingefügt:

㤠52a
Strafmilderung und Absehen von Strafe

Das Gericht kann in den Fällen des § 51 oder des § 52
Abs. 1 die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49
Abs. 2 des Strafgesetzbuches) oder von Strafe nach die-
sen Vorschriften absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 51 oder nach
§ 52 Abs. 1 oder 3 Nr. 1 bis 3 unter den in § 54
Abs. 3 Satz 2 bezeichneten Voraussetzungen, von de-
ren Planung er weiß, noch verhindert werden kön-
nen.“

Artikel 9
Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes

Nach § 35 des Außenwirtschaftsgesetzes in der im Bun-
desgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7400-1, veröf-
fentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch … geän-
dert worden ist, wird folgender § 35a eingefügt:

㤠35a
Strafmilderung und Absehen von Strafe

Das Gericht kann in den Fällen des § 34, auch in Ver-
bindung mit § 35, die Strafe nach seinem Ermessen mil-
dern (§ 49 Abs. 2 des Strafgesetzbuches) oder von Strafe
nach § 34 Abs. 1 bis 3, 5 oder 7, auch in Verbindung mit
§ 35, absehen, wenn der Täter
1. durch die freiwillige Offenbarung seines Wissens we-

sentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über sei-
nen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden
konnte, oder

2. freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienst-
stelle offenbart, dass Straftaten nach § 34 Abs. 1
oder 2 unter den in Absatz 6 Satz 2 Nr. 2 bezeich-
neten Voraussetzungen, auch in Verbindung mit § 35,
von deren Planung er weiß, noch verhindert werden
können.“

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/2333

Artikel 10
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt
geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
1. In § 260 Abs. 4 wird nach Satz 4 folgender Satz einge-

fügt:
„Werden § 129 Abs. 6, auch in Verbindung mit § 129a
Abs. 5, die §§ 149a, 181c, 184 Abs. 6a, die §§ 244b,
255a, 260b, 261 Abs. 10, § 263 Abs. 6a, § 267 Abs. 5,
auch in Verbindung mit § 268 Abs. 5 oder § 269 Abs. 3,
§ 275 Abs. 4, auch in Verbindung mit § 276 Abs. 3,
§ 284 Abs. 3a, § 300a oder § 336a des Strafgesetzbu-
ches, § 92c des Ausländergesetzes, § 84b des Asylver-
fahrensgesetzes, § 18a des Ausführungsgesetzes zum
Chemiewaffenübereinkommen, § 22b des Gesetzes über
die Kontrolle von Kriegswaffen, § 374a der Abgabenor-
dung, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes, § 52a des
Waffengesetzes oder § 35a des Außenwirtschaftsgeset-
zes oder § 2 in Verbindung mit § 1 des Kronzeugenge-
setzes angewendet, ist auch die Strafe festzusetzen, die
ohne Anwendung dieser Vorschriften verwirkt wäre.“

2. § 362 wird wie folgt geändert:
a) In Nummer 4 wird der abschließende Punkt durch ein

Semikolon ersetzt.
b) Es wird folgende Nummer 5 angefügt:

„5. wenn in dem Urteil eine der in § 260 Abs. 4
Satz 5 bezeichneten Bestimmungen angewendet
wurde und der Angeklagte in einem Strafverfah-
ren, das in Bezug auf den aufgedeckten Tatbei-
trag oder die aufgedeckte oder verhinderte Tat
geführt wird, bei einer richterlichen oder staats-
anwaltschaftlichen Zeugenvernehmung
a) nicht erscheint, obwohl er ordnungsgemäß

geladen wurde, und sein Ausbleiben nicht ge-
nügend entschuldigt ist oder

b) das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne ge-
setzlichen Grund verweigert oder

c) sich bei seinem Zeugnis zu wesentlichen Tat-
sachen anders äußert als in dem Strafverfah-
ren, in dem das Urteil gegen ihn ergangen ist,
oder

d) sich bei seinem Zeugnis zu wesentlichen Tat-
sachen einer vorsätzlichen oder fahrlässigen
Verletzung der Eidespflicht oder einer vor-
sätzlichen falschen uneidlichen Aussage
schuldig macht.“

3. Dem § 363 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:
„§ 362 Nr. 5 bleibt unberührt.“

4. In § 364 Satz 2 wird nach der Angabe „Nr. 5“ die An-
gabe „oder des § 362 Nr. 5 Buchstabe a bis c“ angefügt.

5. In § 370 Abs. 2 wird der abschließende Punkt durch ein
Semikolon ersetzt und folgender Halbsatz angefügt:
„im Fall des § 362 Nr. 5 ordnet das Gericht an, dass die
nach § 260 Abs. 4 Satz 5 festgesetzte Strafe verwirkt
ist.“

6. In § 409 Abs. 1 wird Satz 3 wie folgt gefasst:
„§ 260 Abs. 4 Satz 5 und § 267 Abs. 6 Satz 2 gelten ent-
sprechend.“

Artikel 11
Inkrafttreten, Übergangsvorschrift

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung
in Kraft.

(2) Artikel 10 ist nicht anzuwenden, wenn die letzte ta-
trichterliche Entscheidung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes
ergangen ist.

Berlin, den 13. Januar 2004

Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

Drucksache 15/2333 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines
Der Entwurf setzt sich das Ziel, das straf- und strafverfah-
rensrechtliche Instrumentarium zur Bekämpfung des Terro-
rismus und der organisierten Kriminalität zu verbessern. Ter-
rorismus und organisierte Kriminalität sind durch ein hohes
Maß an Konspirativität geprägt. Die Verflechtungen können
vielfach nur dann aufgebrochen werden, wenn aussage-
willigen Beteiligten ein Anreiz zur Kooperation geboten
wird. Das geltende Recht bietet insofern nur in Teilbereichen
positivgesetzliche Handhaben (insbesondere § 129 Abs. 6,
auch in Verbindung mit § 129a Abs. 5, § 261 Abs. 10 StGB,
§ 31 BtMG). Die Geltungsdauer des Kronzeugengesetzes ist
nicht verlängert worden.
In den nicht geregelten Bereichen kann Kooperationsbereit-
schaft zwar in gewissem Maße durch Anwendung der
§§ 153, 153a, 154, 154a StPO honoriert werden; auch besteht
im Rahmen der Strafzumessung Spielraum. Nach den Erfah-
rungen der Praxis reicht dies aber oftmals nicht aus, um den
Bedürfnissen Rechnung zu tragen und vor allem Rechts-
sicherheit zu gewährleisten. Teilweise ist ein rechtsstaatlich
bedenkliches Graufeld entstanden. Dem entspricht es, dass
nahezu die gesamte Praxis nachdrücklich fordert, „Kronzeu-
genregelungen“ zu schaffen, mit denen dem Anliegen einer
effektiven Verfolgung und Ahndung namentlich organisier-
ter Kriminalität und des Terrorismus unter Wahrung rechts-
staatlicher Belange Rechnung getragen werden kann (vgl.
Mühlhoff/Mehrens, Das Kronzeugengesetz im Urteil der
Praxis (1999), S. 96 f.).
Der Entwurf trägt den Anliegen Rechnung, indem er für den
Bereich des Terrorismus die Regelungen des in seiner Gel-
tungsdauer nicht mehr verlängerten Kronzeugengesetzes
(Artikel 4 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches,
der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und
zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen
Straftaten vom 9. Juni 1989, BGBl. I S. 1059) wieder ein-
führt. Das Fehlen einschlägiger Regelungen hat sich als gra-
vierende Lücke erwiesen. Jüngste Erfahrungen in Verfahren
gegen islamistische Terroristen bestätigen erneut, dass Kron-
zeugenregelungen zur Bekämpfung des immer bedrohlicher
werdenden Terrorismus unerlässlich sind.
Für Straftaten, die demKernbereich der organisierten Krimi-
nalität zuzurechnen sind, sollen nach dem Vorbild der beste-
henden „kleinen Kronzeugenregelungen“ bereichsspezifi-
sche, auf die jeweilige Materie zugeschnittene Bestimmun-
gen geschaffen werden. Danach kann die Strafe gemildert
werden, ggf. sogar von Strafe abgesehen werden, wenn der
Beteiligte dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eige-
nen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden kann. Darüber hin-
aus soll es dem Täter zugute kommen, wenn er freiwillig sein
Wissen so rechtzeitig offenbart, dass bestimmte schwere
Straftaten, von deren Planung er weiß, noch verhindert wer-
den können.
Hinsichtlich des Anwendungsbereiches knüpft der Entwurf
– im Grundsatz in Übereinstimmung mit Artikel 5 KrZG
a. F. – an bereits getroffene gesetzgeberische Wertentschei-
dungen der jüngeren und jüngstenVergangenheit an. Das gel-
tende Recht ermöglicht für Straftaten, die typischerweise der

organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, den erweiterten
Verfall. ImWesentlichen für solche Straftatenwerden, soweit
noch nicht bestehend, „Kronzeugenregelungen“ eingefügt.
Anders als § 5 KrZG a. F. (aber in Einklang mit den vorhan-
denen „Kronzeugenregelungen“) wird nicht zusätzlich auf
die Verwirklichung von Organisationsdelikten abgestellt.
Diese in § 5 KrZG a. F. enthaltene Verkoppelung ist wesent-
lich dafür verantwortlich gewesen, dass die Vorschrift in der
Praxis ein Schattendasein geführt hat (vgl. Mühlhoff/Meh-
rens, a. a. O., S. 99 ff.).
Hinsichtlich der bestehenden „Kronzeugenregelungen“ wird
gelegentlich Kritik geübt. Die Einwände richten sich jedoch
nicht in erster Linie gegen diemateriell-rechtlicheAusgestal-
tung dieser Bestimmungen. Beanstandet werden vielmehr
Aspekte, die dem Verfahrens- oder Organisationsrecht zuzu-
ordnen sind, namentlich werden die Missbrauchsrisiken her-
vorgehoben, die das geltende Recht in sich birgt (vgl. Mühl-
hoff/Mehrens, a. a. O., S. 98 f.). In der Praxis der Strafverfol-
gung treten in der Tat immer wieder Fälle auf, in denen sich
„Kronzeugen“ durch falsche Aussagen mildere Verurteilun-
gen erschleichen. Derart missbräuchlichem Verhalten von
„Kronzeugen“ muss effektiv entgegengewirkt werden. Er-
forderlich sind strafprozessuale Bestimmungen, wonach das
Verfahren zu Lasten des Verurteilten wieder aufgenommen
werden kann, wenn dieser sich Vorteile missbräuchlich er-
schlichen hat. Der Entwurf sieht hierfür vor, dass bereits im
Verfahren gegen den „Kronzeugen“ festgesetzt wird, welche
Strafe ohne Anwendung der „Kronzeugenregelungen“ ver-
wirkt wäre. Darüber hinaus wird ein neuerWiederaufnahme-
tatbestand geschaffen, der an die im Verfahren gegen den
„Kronzeugen“ für den Fall des Missbrauchs bereits festge-
setzte Strafe anknüpft.
Verschiedentlich wird vorgeschlagen, eine Regelung zu
schaffen, wonach eine Verurteilung nicht allein auf eine oder
mehrere „Kronzeugenaussagen“ gestützt werden darf. Der
Entwurf sieht von einer derartigen Regelung ab. Maßgebend
hierfür ist Folgendes: Das Gericht hat nach allgemeinen
Grundsätzen dieWahrheit unter umfassenderWürdigung der
Beweislage zu erforschen. In diesem Rahmen hat es auch
einen u. U. verminderten Beweiswert der Aussage eines
„Kronzeugen“ zu berücksichtigen. Bereits nach geltendem
Recht wird eine einschlägige Aussage allein (also ohne wei-
tere tatsächliche Anhaltspunkte) für eine Verurteilung in der
Regel nicht genügen. Andererseits ist kein durchgreifender
Anlass vorhanden, durch eine abstrakt-generelle Regelung
bereits die Möglichkeit einer Verurteilung allein auf der
Grundlage einer solchenAussage abzuschneiden. InAusnah-
mefällen kann die Aussage nämlich durchaus so überzeu-
gend sein, dass sie – ggf. gestützt durch weitere, für sich ge-
nommen „schwache“ Indizien – für eine Verurteilung aus-
reicht. Hinzu kommt, dass eine derartige Bestimmung eine
Fundgrube für Revisionsrügen bieten würde.
Geprüft wurde ferner, ob eine Regelung des Inhalts geschaf-
fen werden sollte, dass die „Kronzeugenregelungen“ nicht
angewendet werden dürfen, sofern der „Kronzeuge“ in der
gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung erstmalig einen
Dritten belastet. Der Entwurf sieht davon ab. In solchen Fäl-
len muss zunächst das erkennende Gericht entscheiden, in-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/2333

wieweit die Angaben des „Kronzeugen“ vor einer Verwer-
tung im Strafprozess gegen den Dritten auf ihren Wahrheits-
gehalt überprüft werden. Im Übrigen reicht der neueWieder-
aufnahmetatbestand aus.
Der Entwurf lässt § 153b StPO unverändert. Das Regelungs-
konzept, wonach bereits im Verfahren gegen den „Kronzeu-
gen“ die für den Fall des Missbrauchs vorgesehene Strafe
festgesetzt wird, passt hier nicht. Der Entwurf geht davon
aus, dass ein Absehen von Strafe und damit auch eine Sach-
behandlung nach § 153b StPO ohnehin nur in extremen Aus-
nahmefällen in Betracht zu ziehen sein wird. Die Staatsan-
waltschaft wird im Übrigen bei der Zustimmung zu einer
Einstellung nach § 153b Abs. 2 StPO sorgfältig zu prüfen ha-
ben, ob auf einen Schuldspruch verzichtet werden kann; so-
weit möglich kann sich dabei auch das Strafbefehlsverfahren
nach § 408a StPO anbieten.

B. Einzelbegründung
Zu Artikel 1 (Kronzeugengesetz)
Artikel 1 führt die Regelungen des nicht mehr verlängerten
Kronzeugengesetzes erneut ein. Des die organisierte Krimi-
nalität betreffenden Artikels 4 § 5 bedarf es aufgrund der
sonst vom Entwurf vorgesehen Maßnahmen allerdings nicht
mehr.
Zu den Artikeln 2 bis 9 („Kronzeugenregelungen“)
Es ist geprüft worden, ob die materiellen Voraussetzungen
der einschlägigen Regelungen in einer „Generalnorm“ im
Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches zusammenzufassen
sind. Der Entwurf hat von einer solchen Lösung abgesehen.
Er lässt sich dabei von der Überlegung leiten, dass bereichs-
spezifische „Vollregelungen“ bei weitem übersichtlicher
sind, dass sie die Rechtsanwendung mithin erleichtern. Na-
mentlich könnte eine „Generalnorm“ bezüglich der Voraus-
setzungen und Folgen nicht an denDifferenzierungen vorbei-
gehen, die die bestehenden Regelungen aus wohl erwogenen
Gründen enthalten undmüsste bei den einzelnenVorschriften
die Entscheidung treffen, bei welchen Straftaten „nur“ Straf-
milderung und bei welchen auch das Absehen von Strafe er-
möglicht werden soll. Konsequenz wären außerordentlich
komplizierte Bestimmungen, in denen Zusammengehöriges
auseinandergerissen würde.
Inhaltlich liegt den Vorschlägen des Entwurfs die Systematik
zu Grunde, dass bei Verbrechen sowie bei Vergehen, für de-
ren Begehung eine Mindeststrafe von einem Jahr oder mehr
angedroht ist, kein Absehen von Strafe ermöglicht wird. Eine
Ausnahme gilt – entsprechend dem Gesetzentwurf des Bun-
desrates zu einem Korruptionsbekämpfungsgesetz – vor al-
lem für die Korruptionsdelikte (Artikel 2 Nr. 15).
Zu Artikel 10 Nr. 1 und 6
(§ 260 Abs. 4 Satz 5 – neu –, § 409 Abs. 1 Satz 3
StPO – Änderungen im Verfahren gegen den „Kron-
zeugen“)
Das Gericht, das eine der im geltenden Recht bereits beste-
henden oder eine der im Entwurf vorgeschlagenen „kleinen
Kronzeugenregelungen“ anwendet, muss im Urteil oder
Strafbefehl auch angeben, welche Strafe ohne Anwendung
der „Kronzeugenregelung“ verwirkt wäre. Damit wird zum
einen die Arbeit in einem sich möglicherweise anschließen-

den Wiederaufnahmeverfahren erleichtert, da dort dann
keine erneute Strafzumessungmehr zu erfolgen hat. Zum an-
deren wird für den Verurteilten transparent, welche Nachteile
er konkret zu erwarten hat, wenn er im späterenVerfahren ge-
gen den Dritten zu Unrecht von seiner Aussage(bereitschaft)
abrückt.
Zu Artikel 10 Nr. 2 bis 5
(§§ 362, 363 Abs. 1, § 364 Satz 2, § 370 Abs. 2 StPO
– Änderungen im Wiederaufnahmeverfahren)
Der neue Wiederaufnahmetatbestand setzt für die Zulässig-
keit namentlich voraus, dass der „Kronzeuge“ im Verfahren
gegen den Dritten bei einer richterlichen oder staatsanwalt-
schaftlichen Vernehmung aussagen soll. Maßgeblich ist wei-
ter das Aussageverhalten des „Kronzeugen“ in dem Verfah-
ren gegen den Dritten. Für die Zulässigkeit der Wiederauf-
nahme reicht es aus, dass der Zeuge trotz Ladung nicht er-
scheint (§ 362 Nr. 5 Buchstabe a StPO-E, der in Anlehnung
an § 51 StPO formuliert ist), nicht aussagt oder schwört
(§ 362 Nr. 5 Buchstabe b StPO-E, der in Anlehnung an § 70
StPO formuliert ist) oder sich abweichend äußert (§ 362Nr. 5
Buchstabe c StPO-E). Gleichfalls zulässig ist die Wiederauf-
nahme, wenn der „Kronzeuge“ den Dritten zu Unrecht belas-
tet (§ 362 Nr. 5 Buchstabe d StPO-E), wobei grundsätzlich
erforderlich ist, dass der „Kronzeuge“wegen des Aussagede-
likts im Verfahren gegen den Dritten rechtskräftig verurteilt
ist (§ 364 Satz 1 StPO).
§ 370 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO-E sieht vor, dass das Gericht
nach der Beweisaufnahme durch den beauftragten Richter in
einem Beschluss anordnet, dass die für diesen Fall bereits
festgesetzte Strafe verwirkt ist. Einer erneuten Hauptver-
handlung bedarf es hierfür nicht; sie ist in Fällen, in denen die
Wiederaufnahme allein auf § 362Nr. 5 StPO-E gestützt wird,
nicht vorgesehen. Unterlässt der Tatrichter nach Inkrafttreten
dieses Gesetzes versehentlich die Festsetzung einer Strafe
nach § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO-E, kann dieser Mangel durch
Rechtsmittel in dem Verfahren korrigiert werden, in dem der
Kronzeuge in den Genuss der Kronzeugenregelung kommt,
nicht aber in einem allein auf § 362 Nr. 5 StPO-E gestützten
Wiederaufnahmeverfahren, das deshalb von der Staatsan-
waltschaft auch nicht angestrebt werden wird. Für Altfälle
sieht Artikel 11 Abs. 2 eine Übergangsvorschrift vor.
Zu Artikel 11 (Inkrafttreten, Übergangsvorschrift)
Absatz 1 regelt das Inkrafttreten.
Absatz 2 enthält eine Übergangsvorschrift für die Fälle, in
denen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes § 129 Abs. 6, § 129a
Abs. 5, § 261 Abs. 10 StGB oder § 31 BtMG angewendet
wurde. Der Tatrichter konnte in solchen Fällen bei seinem
Urteil oder Strafbefehl den zum Zeitpunkt seiner Entschei-
dung noch nicht geltenden § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO-E (auch
in Verbindung mit § 409 Abs. 1 Satz 3 StPO-E) nicht beach-
ten. Dies soll für die Altfälle nicht dazu führen, dass allein
deswegen die tatrichterliche Entscheidung einem Rechtsmit-
tel unterliegt. Auch kann in solchen Altfällen eine Entschei-
dung nach § 370 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO-E schon deshalb
nicht ergehen, weil es an einer vom Tatrichter nach § 260
Abs. 4 Satz 5 StPO-E festgesetzten Strafe fehlt. Ein allein auf
§ 362 Nr. 5 StPO-E gestütztes Wiederaufnahmeverfahren
wird für die Altfälle deshalb ausdrücklich ausgeschlossen.

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